Stiftung Freiräume

FRIEDENSBEWEGUNG KRITISCH BETRACHTET

Friedensverwirrte: Positionen von Kriegs"gegner*innen"


1. Die Alternativen der sog. "Friedensbewegung"
2. Friedensverwirrte: Positionen von Kriegs"gegner*innen"
3. Links


Texte von Ex-Oberst Jürgen Rose ... Taktgeber vieler Friedensbewegter
Gretchen-Frage: DIE LINKE UND DAS VÖLKERRECHT
Frieden muss gestiftet werden - gerade gegen Rechtsbrecher

Die im Freitag entfachte Debatte kreist nicht zuletzt um die pazifistische Programmatik der Linken oder - anders formuliert - um die sicherheitspolitische Gretchenfrage: Wie hältst du es mit der Fortsetzung von Politik mit anderen -sprich: militärischen - Mitteln?
Jede Antwort hierauf muss sowohl die Legalität wie auch die Legitimität militärischer Gewaltanwendung berücksichtigen. Bezogen auf die Bundesrepublik sind daher zwei Fragen zu klären. Auf welcher völker- und verfassungsrechtlichen Grundlage operiert die Bundeswehr - wofür darf sie eingesetzt werden? Und: Welchen Interessen und Werten dient diese Armee, wofür also soll sie, wenn Überhaupt, eingesetzt werden? Grundsätzlich gilt, dass nicht alles, was rechtlich erlaubt sein mag, auch politisch sinnvoll und zweckmäßig sein muss. Umgekehrt stellt die rechtliche Zulässigkeit die Conditio sine qua non für jegliche Politik dar, ganz im Sinne Immanuel Kants, der 1798 im Streit der Fakultäten schrieb: "Das Recht muß nie der Politik, wohl aber die Politik jederzeit dem Rechte angepaßt werden".
Norman Paech zieht insofern den rechtlichen Aktionsradius der Bundeswehr zu eng. Er schreibt, "bereits das Grundgesetz widerspricht einem weltweiten Einsatz der Bundeswehr". Schließlich definiere Art. 115a den "Verteidigungsfall" eindeutig als Folge eines Angriffs auf das Bundesgebiet, zudem nähme Art. 26 GG das absolute Verbot von Angriffskriegen aus der UN-Charta auf.
Letzteres trifft zweifellos zu - und ist dennoch zu kurz gegriffen. Getreu althergebrachter Juristenweisheit erleichtert neben dem Blick ins Gesetzbuch auch die Kenntnis höchstrichterlicher Rechtsprechung die Rechtsfindung ungemein. Zwei solchen Urteilen kommt - mit Blick auf die Auslandseinsätze - elementare Bedeutung zu. Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht am 12. Juli 1994 entschieden: „Art. 87a GG steht der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtlicher Grundlage für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen. Nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG stellt der Bund ‚Streitkräfte zur Verteidigung’ auf; nach Art. 87a Abs. 2 GG dürfen diese Streitkräfte ‚außer zur Verteidigung’ nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Die mannigfachen Meinungsverschiedenheiten darüber, wie in diesem Zusammenhang die Begriffe der ‚Verteidigung’ und des ‚Einsatzes’ auszulegen sind, und ob Art. 87a Abs. 2 GG als eine Vorschrift zu verstehen ist, die nur den Einsatz der Streitkräfte ‚nach innen’ regeln will, bedürfen in den vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung“.
Die damals ausdrücklich offen gelassene Interpretationslücke, wie denn nun der Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes nach Art. 87a genau zu verstehen sei, hat (bislang kaum beachtet) das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 21. Juni 2005 in der Sache Major Pfaff eindeutig gefüllt. Die Leipziger Richter stellen zur Reichweite des Verteidigungsbegriffs im Grundgesetz fest: „Da der Normtext des Art. 87a Abs. 1 und 2 GG von ‚Verteidigung’, Jedoch - anders als die zunächst vorgeschlagene Fassung - nicht von ‚Landesverteidigung’ spricht und da zudem der verfassungsändernde Gesetzgeber bei Verabschiedung der Regelung im Jahre 1968 auch einen Einsatz im Rahmen eines NATO-Bündnisfalles als verfassungsrechtlich zulässig ansah, ist davon auszugehen, dass ‚Verteidigung’ alles das umfassen soll, was nach dem geltenden Völkerrecht zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen ... zu rechnen ist.“ - Höchstrichterlich widerlegt ist hiermit der mitunter gepflegte Mythos, das Grundgesetz begrenze den Einsatz der Bundeswehr auf die Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik sowie des NATO-Vertragsgebiets.
Stattdessen stellen die Bundesverwaltungsrichter klar, dass der Verteidigungsbegriff im Grunde genommen schon immer, spätestens aber seit dem UN-Beitritt der BRD im Jahr 1973, alle Maßnahmen umfasst, die nach der UN-Charta erlaubt sind. Aber eben auch einzig und ausschließlich 'jene, wie der Wehrdienstsenat im selben Atemzug ausführt. Denn „Art. 51 UN-Charta gewährleistet und begrenzt in diesem Artikel für jeden Staat das - auch völkergewohnheitsrechtlich allgemein anerkannte - Recht zur ~individuellen~ und zur ‚kollektiven Selbstverteidigung’ gegen einen ‚bewaffneten Angriff’, wobei das Recht zur ‚kollektiven Selbstverteidigung’ den Einsatz von militärischer Gewalt - über den Verteidigungsbegriff des Art. 115a GG hinausgehend - auch im Wege einer erbetenen Nothilfe zugunsten eines von einem Dritten angegriffenen Staates zulässt (z. B. ‚Bündnisfall’). Der Einsatz der Bundeswehr ‚zur Verteidigung’ ist mithin stets nur als Abwehr gegen einen ‚militärischen Angriff’ (... nach Art. 51 UN-Charta) erlaubt, jedoch nicht zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen“.
Wofür die Bundeswehr eingesetzt werden darf, liegt demnach klar zutage: einerseits zur Verteidigung auf Grundlage von Art. 87a GG und Art. 51 UN-Charta, andererseits zu Einsätzen im Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems gemäß Art. 24 GG und den Kapiteln VI und VII der UN-Charta.
Damit ist freilich nur die notwendige (rechtliche) Bedingung des Gebrauchs militärischer Macht geklärt, nicht aber die hinreichende, die politische. Das übergeordnete Ziel jeder vernunftgemäßen Sicherheitspoiltik kann nur lauten, alles zu tun, was einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen Vorschub leistet und zugleich alles zu unterlassen, was diese behindert.
Daher springt Wolfgang Gehrcke argumentativ zu kurz, wenn er sagt: „Die Linke ist heute eine Antikriegslinke - oder sie ist nicht links.“ Denn den archimedischen Punkt einer linken Position bildet die Verpflichtung auf das Vökerrecht. Daraus erst folgt - auf Grund des völkerrechtlich verankerten Gewaltverbots nämlich - die Ablehnung von Krieg als eines Mittels der Politik, um beliebige Interessen nach Gutdünken durchzusetzen. Zugleich aber resultiert aus der völkerrechtlichen Fundierung die Pflicht, an der Verrechtlichung des internationalen Systems aktiv mitzuwirken in vollem Umfang, wie es die UN-Charta vorsieht. Demzufolge hat bei ihrem UN-Beitritt die Bundesrepublik (und notabene auch die DDR) vorbehaltlos alle aus der Charta erwachsenden Verpflichtungen akzeptiert und sich mit Signatur der Beitrittsurkunde "feierlich verpflichtet", diese zu erfüllen.
Nun enthält die UN-Satzung bekanntlich ein Kapitel VII, das in 13 Artikeln akribisch regelt, welche „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“ der UN-Sicherheitsrat ergreifen darf, um die internationale Sicherheit zu garantieren. Zugleich stellt die Charta dem Sicherheitsrat als der einzigen vom Völkerrecht zum Gebrauch in militärischer Gewalt legitimierten Autorität ein umfangreiches in militärisches Arsenal zur Verfügung, um notfalls gegen Völkerrechts(ver)brecher vorzugehen. Ohne Recht aber kann es keinen Frieden geben - weder im Inneren noch nach außen. Ohne (Durchsetzungs-)Macht wiederum, also ohne das UN-Gewaltmonopol auch anzuwenden, bleibt Recht pure Fiktion, wie die Zustände in vielen der so genannten „falled states“ belegen.
Die Geltung des Rechts in der Welt sicherzustellen - und zwar mit allen erforderlichen Mitteln -, muss daher vornehmstes Gebot internationaler Solidarität gerade im Selbstverständnis von Linken sein. Dann erst kann auch der Friede gedeihen - ganz im Geiste Kants, der in seinen Vorlesungen einst konstatiert hatte: „Wenn nie eine Handlung der Gütigkeit ausgeübt, aber stets das Recht anderer Menschen unverletzt geblieben wäre, so würde gewiß kein großes Elend in der Welt sein.“
Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.

Der Autor ist sicherlich kein Protagonist der "Friedensbewegung", aber ständiger Autor zu Militärfragen in der bildungsbürgerlichen "Freitag". Sein Text bringt recht präzise die Logik von guten und schlechten, gemeint rechtsmäßigen und rechtswidrigen Militär- und Polizeieinsätzen zum Ausdruck. Damit legitimiert er die Einteilung in gute und schlechte Gewalt, logisch abgeleitet als gut = rechtmäßig und von oben, schlecht = rechtswidrig und selbstmandatiert bis selbstbestimmt.

Offizier Rose sammelt Geld für kritische Soldaten - und die Junge Welt hilft ihm dabei
Aus einem Interview mit Jürgen Rose, in: Junge Welt, 13.8.2008 (S. 8)
Wie reagiert denn die Friedensbewegung auf das Ansinnen, nun auf einmal Geld für Soldaten sammeln zu sollen?
Die ersten Gespräche waren ganz ermutigend. Das Thema ist sicher schwierig für Pazifisten. Aber sie sollen ja nicht dem Militär helfen, sondern dazu beitragen, daß auf die subversive Tour die Sanktionswut der höheren Dienststellen unterlaufen wird. Ich glaube, es gibt genügend Schnittmengen mit der Friedensbewegung, denn es kann ja keiner wollen, daß die Bundeswehr, solange sie eben existiert, aus Soldaten besteht, die der Kadavergehorsam auszeichnet. Ich habe bisher positive Reaktionen erhalten.
Sollen auch totale Kriegsdienstverweigerer unterstützt werden, die wegen Fahnenflucht im Arrest landen?
Die verstehen sich ja nicht als Soldaten. Ich habe gar nichts gegen ihre Absichten, aber uns geht es um etwas anderes: Wir wollen, daß sich kritische Soldaten nicht aus der Armee zurückziehen, sondern drinbleiben und ihre Kritik sowohl im Militär als auch in der Öffentlichkeit äußern.


Fast unglaublich, aber der Bundeswehroffizier Rose kann offenbar fast überall in linken und Friedensbewegungsblättern schreiben, z.B.
  • Junge Welt
  • Friedensforum
(das sind Medien, in denen manch radikale MilitärgegnerInnen zensiert waren/sind)

Ähnliche Positionen in der Friedensbewegung
Aus Karlheinz Koppe, "Argumente für den Aufbau und Einsatz einer internationalen Polizei" in FriedensForum 4/2005 (S. 38)
Zur Polizeitruppe: Sie soll durchaus leicht bewaffnet sein (wozu auch gepanzerte Fahrzeuge und Aufklärungsflugzeuge/Hubschrauber gehören, nicht aber schwere Panzer, schwere Artillerie und Kampfflugzeuge).

Auszug aus Karlheinz Koppe, "Pazifismus im Zeichen neuer Gewalt. Zehn Thesen" (Quelle)
PazifistInnen sind nicht gegen strafrechtliche Verfolgung von Delikten, die gegen andere Personen oder ganze Personengruppen begangen werden, und folglich auch nicht gegen rechtsstaatliche "Ordnungskräfte" (Polizei). ...
PazifistInnen setzen sich deshalb vorrangig für Friedenswahrung durch staatliche und internationale Rechtsordnungen ein ...
Kein Frieden ohne Recht und Gerechtigkeit!


Aus der Rede von Friedrich Schorlemmer auf der sog. Friedens-Demo am 15.2.2003 in Berlin
Wir sollten uns wünschen, daß Joschka Fischer seine Arbeit im Auftrage dieser Regierung gut und besonnen macht (Riesenjubel).
... eine Völkerkoalition der Unwilligen ... Die Völker sind in ihrer großen Mehrheit gegen den Krieg.
Das Recht braucht Stärke, damit sich der Stärkere nicht das Recht nimmt. ... Das irakische Volk hat das Recht auf Selbstbestimmung.


Nur gegen doofe Kriege ...
Auszug aus Albrecht von Lucke (2003): "Make law, not war" in: blätter, auch auf Linksnet (Quelle)
Durch die Erfahrung der Rückkehr des Krieges in Jugoslawien und der Notwendigkeit seiner Bekämpfung hat sich das Diktum des Kalten Krieges „Nie wieder Krieg“ zur Prüfung im Einzelfall relativiert. Die Demonstranten waren international geeint in dem Wunsch nach sorgsamer Begründung eines, genauer: dieses spezifischen Krieges. Kriegsgegnerschaft nicht als Gefühls-, sondern als „Verstandessache“ (Mark Siemons, FAZ, 17. 2.) – gegen eine Politik aus dem Bauch des George W. Bush, dessen Bei-nahe-Kriegsbegründung zwischenzeitlich lautete: „Ich bin mit meiner Geduld am Ende.“ Dem amerikanischen Manichäismus, dem „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, stellten sie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit entgegen. ...
Die Demonstrationen waren eindeutig ein Protest für die Vereinten Nationen, gegen den nationalen Allmachtsanspruch der USA und deren neo-imperialistisches Bestreben, ihre Stellung als einziger Supermacht dank überragender militärischer und wirtschaftlicher Stärke auf unabsehbare Dauer zu stellen, wenn nötig gegen alle internationalen Vereinbarungen. Die neue Bewegung, insbesondere Attac, müsste sich deshalb stärker als bisher die Verteidigung der noch existierenden globalen Strukturen, insbesondere der UNO, auf die Fahnen schreiben.



Europa ein Friedensprojekt???
Aus dem "Aufruf an das Europäische Parlament" des Forum Ziviler Friedensdienst, unterzeichnet von vielen Friedensgruppen, Kirchen, DFG-VK, Eine-Welt-Gruppen, urgewald usw.
Rettet das Friedensprojekt Europa ...
Setzen Sie sich dafür ein, dass die Europäische Union am Friedensprojekt Europa festhält und nicht zur Militärmacht wird. ...
Die Europäische Einigung brachte nach dem Zweiten Weltkrieg Versöhnung zwischen Feinden. Damit wurde die Europäische Union weltweit zum Friedensprojekt mit Vorbildscharakter. ...
Die Europäische Union ist eine der wichtigsten finanziellen Unterstützerinnen von gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Menschenrechten weltweit.


Rechtsfetischismus
Aus Martin Singes Rezension des Buches "Frieden durch Recht?" in FriedensForum 4/2011 (S. 28)
Auch wenn von Gerichten - wie viele Rechts- und Strafverfolgungsverfahren der Friedensbewegung zeigen - das übergeordnete Friedensrecht immer wieder missachtet wird, sollten wir nicht aufgeben, und das einfordern, was Carlo Schmid bereits 1948 feststellte: "Die einzige wirksame Waffe des ganz Machtlosen ist das Recht, das Völkerrecht. Die Verrechtlichung eines Teils des Politischen kann die einzige Chance in der Hand des Machtlosen sein, die Macht des Übermächtigen in ihre Grenzen zuzwingen." (ebd.) - Nutzen wir die Chancen des Rechts in der Friedensbewegung.


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