Gewaltfrage

DEN MARKT ZUM GÄRTNER MACHEN: ICH WILL DEN KAPITALISMUS LIEBEN, UND ICH SCHAFF' ES AUCH!

Pro Markt


1. Einleitung
2. Pro Markt
3. Schon wieder "Schaffen statt raffen"? Realwirtschaft ist super!
4. Rettet die Banken
5. Mehr "Realwirtschaft" & Wachstum (Autos, Straßen, Flugplätze, AKWs, Panzer ...?)
6. Alternative Ökonomie als Retter?
7. Kritik
8. Links

Ein Teil der Natur- und Umweltschutzbewegung kommt aus konzernnahen Sphären. Der heutige Naturschutzbund wurde von VogelliebhaberInnen aus Unternehmerfamilien gegründet. Schlimmer erging es dem WWF, zu dem sich Wirtschaftsführer, Jäger und Adlige zusammenfanden. Auch der Club of Rome hat solche Wurzeln. Doch unumstritten war eine solche Orientierung nicht. Andere Wurzeln der Umweltbewegung (z.B. der BN als Vorläufer des BUND in Bayern) wollten obrigkeitsstaatliche Konzepte stärken und hatten kaum Beziehungen zu Konzernen. Die Bürgerinitiativen der 70er und 80er Jahre gründeten sich meist aus konkreten Konflikten. Nicht selten waren Firmen dabei ihre direkten Gegenspieler. Kleine, aber laute Strömungen mit betont antikapitalistischen Positionen entstanden z.B. in den Kämpfen gegen Atomkraftwerke. Es ist also eine eher neue Erscheinung, dass Ökonomie und Ökologie in den meisten Teilen der Umweltbewegung als gut vereinbar betrachtet werden.

Dieser Schwenk der Umweltschutzbewegung Richtung Neoliberalismus vollzog sich vor allem in den 90er Jahren und fand auch in den Symbolen einen deutschen Ausdruck. Wer z.B. das Folgende in den 80er Jahren angekündigt hätte, wäre ausgelacht worden - und doch passierte es: Der Förderverein Ökosteuer schuf einen Adam-Smith-Preis, benannt nach dem Theoretiker des totalen Marktes. Er vergab ihn 2009 ausgerechnet an den Erfinder des börsennotierten Handelns mit Luftverschmutzungsrechten.
Was sich hier zugespitzt zeigt, ist aber in den vergangenen zwei Jahrzehnten der Mainstream einer durch Begriffe wie Nachhaltigkeit oder entkoppeltes Wachstum, später mit modernen Anglizismen wie "Green New Deal" geprägten Umweltdebatte.

Im Original: Jubel über Marktwirtschaft
Ex-ÖDP-Bundesvorsitzender Hans-Joachim Ritter im Interview der Ökologie&Politik März 2002 (S. 24)
Die ÖDP hat von Anfang an auf die Marktwirtschaft gesetzt.

Aus Dirk Maxeiner/Michael Miersch, 2002: "Die Zukunft und ihre Feinde", Eichborn in Frankfurt (S. 198)
Auch Ökolandbau ohne Marktwirtschaft wird zu neuen Fehlentwicklungen führen.

Aus Eppler, Erhard (2005): "Auslaufmodell Staat?", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 169)
Mit der Komplexität moderner und überdies globaler Wirtschaft kommt nur der Markt zurecht.

Antwort von Wolf von Fabeck, Vorsitzener des Solar-Fördervereins, auf die Frage "Was tun, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht?", in: Solarbrief 2/07 (S. 27)
Doch es gibt eine intelligente Lösung, die sowohl mit Überschuss- als auch mit Mangelproblemen fertig werden kann, die Marktwirtschaft.

Aus der Kurzfassung der Studie "Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt" (BUND, EED, Brot für die Welt im Jahr 2008, S. 19)
Die Stärke des Marktes liegt darin, über den Wettbewerb alle Teilnehmer zu veranlassen, beständig auf den bestmöglichen Einsatz von Kapital, Material, Menschen und Zeit zu achten

Pro Privatisierung der Rente
Aus energiewerkbrief 1/2002 (S. 7)
Die Branche für erneuerbare Energie und Energie-Effizienz wird von der gesetzlich vorgegeben Struktur der "Riester-Rente" profitieren. Der nachhaltigken Energiewirtschaft lassen sich beste Zukunftsaussichten vorhersagen.
Aus dem Hauptantrag zum neuen ÖDP-Parteiprogramm, Quelle: Delegiertenunterlagen zum Parteitag 13./14.4.2002 in Halberstadt (S. 69)
Es müssen ... marktkonforme Steuerungsmechanismen ... entwickelt werden.

Gilt auch für politische Organisationen selbst
Aus dem Vorwort in der iz3w Januar 2007 (S. 3)
Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns den Gesetzen des Marktes zu unterwerfen: Kosten sparen und trotzdem mehr verkaufen.


  • Extra-Seite zum Thema Energiewende und Neoliberalismus

Die Zeichen des Wandels
Die Wende vom staats- zum marktorientierten Umweltschutz ist ein Kind der Zeit gewesen. Der Neoliberalismus mit seinem Hang, alles zu privatisieren, dem freien Spiel der ausbeutenden Kräfte im Markt zu überlassen und davon auch noch etwas Gutes zu erwarten, prägte die Politik aller Parteien. Die SPD arbeitete sich auf das zu, was Gerhard Schröder als Genosse der Bosse dann ab 1998 bundesweit umsetzen sollte. Die Grünen wurden vom Schrecken zum Partner der Industrie - und selbst die Linken machten dort, wo sie an der Regierung waren, von Gentrifizierung (wie in Berlin) bis zur Förderung der Agrogentechnik (wie in Mecklenburg-Vorpommern) oder anderer Industriezweige alles mit.
  • Als der langjährige BUND-Bundesvorsitzende Hubert Weinzierl sein Amt aufgab, kam es auf der Bundesdelegiertenversammlung in Bad Hersfeld zu einer bemerkenswerten Kampfabstimmung zwischen einem Kandidaten (Hubert Weiger) der obrigkeitsstaatlich und einer Kandidatin (Angelika Zahrnt) der marktorientierten Strömung. Der Schlagabtausch zeigte die unterschiedlichen Konzepte. Angelika Zahrnt gewann. Ihr Amtsantritt war eine der Wegmarken hin zu marktförmigen Umweltschutzstrategien der Verbände.
  • Deutlich zeigten die Deutschen Umwelttage die Entwicklung. Der erste lief 1986 in Würzburg - es war eine PR-Schlacht mit einer feindlich gesinnten bayrischen Landesregierung und einer Bundesregierung, die in Folge des Super-GAUs in Tschernobyl die Umweltpolitik umstrukturierte. Zwar waren gerade die VerbandsfunktionärInnen nicht zu Radikalen mutiert, aber zumindest Konzernnähe war bei diesem DUT nicht zu spüren. Unternehmen waren kaum vertreten, Konzerne eher als Problem statt als Lösung betrachtet. Sechs Jahre später folgte die Neuauflage des Umwelttages, diesmal in Frankfurt. Nun hatte sich das Bild völlig gewandelt. Nicht nur der Bundesumweltminister zeigte sich Arm in Arm mit den VerbandsfunktionärInnen, sondern große Konzerne prägten das Geschehen. Als unabhängige BasisaktivistInnen mit Transparenten und Sprechchören gegen die Industrie- und Staatsnähe protestierten, wurden sie z.B. vom Nabu-Verbandsvorsitzenden Jochen Flasbarth vom Redepult aus verhöhnt (Flasbarth ist inzwischen Chef des Umweltbundesamt per SPD-orientierter Karriereleiter). Doch selbst die KritikerInnen ließen sich mitziehen. Einer der schärfsten Kritiker der Schmuserei war damals Sven Giegold, aktiv in der Jugendumweltbewegung. Von ihm stammt das Gegenflugblatt zum DUT, in dem unter anderem festgestellt wird, dass "Kapitalismus und Ökologie nicht miteinander unvereinbar sind". Zwei Jahrzehnte später sitzt er für die Grünen im Europaparlament und ist einer der Erfinder des "Green New Deal", also der vermeintlichen Symbiose von Umweltschutz und Kapitalismus.

Das Ergebnis ist heute ein weitgehend marktorientierter Umweltschutz. Ohne großen Widerspruch, oftmals sogar unter Beifall der Umweltverbände, konnten profitorientierte Konzepte wie der börsennotierte Zertifikatehandel von Luftverschmutzungsrechten politisch durchgesetzt werden. Es waren Umweltschutzorganisationen selbst, die für den Abbau der BürgerInnenbeteiligung kämpften, um die von ihnen favorisierten Ökoprojekte (z.B. Windenergieanlagen) durchsetzen zu können. Die Menschen waren und sind die Feinde des Umweltschutzes. Das waren sie in Zeiten der Umweltpolitiken, die kraft autoritärem Staat das vermeintlich Gute erzwingen wollten. Und das sind sie in Zeiten des Marktglaubens.

Aus Thomas Barth (2014), "Politik mit der Umwelt" (S. 236)
BUND und Greenpeace setzten in den 1990ern bei einigen Differenzen auf eine neue Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie. Der BUND argumentierte allerdings im Rahmen der Standortlogik und kehrte gemeinsam mit Akteuren aus den 'grünen' Kapitalfraktionen (hier dem BJU) die Argumentation lediglich um: Gerade eine ökologisch ausgerichtete soziale Marktwirtschaft sei vorteilhaft für den innovativen Standort Deutschland und schaffe Arbeitsplätze (BUND 3/94). Greenpeace wiederum begrenzte das eigene Lösungsangebot auf die Forcierung technisch machbarer Verfahren, wobei weder soziale noch gesellschaftsstrukturelle Gesichtspunkte in den Blick kamen (GP 2/93). Den letztgenannten Standpunkt vertrat von den hier untersuchten Organisationen allein Robin Wood, indem die kapitalistische Produktionsweise als maßgebliche Ursache der ökologischen Krise thematisiert und technische Lösungen, aufgrund ihrer Tendenz zur Problemverschiebung, als unzureichend betrachtet wurden (ROWO 4/92a).

Aus Friedrich Schmidt-Bleek (2014), "Grüne Lügen", Ludwig-Verlag in München (S. 20 im gleichen Absatz!)
Wir sind Gefangene einer Zivilisation, die uns zwingt, die Umwelt zu zerstören, um Erfolg zu haben. ...
Es bedarf eines Richtungswechsels, durch den wirtschaftliches Wachstum von materiellem Wachstum abgekoppelt wird (zum Beispiel durch die Stärkung von Dienstleistungen).


Verengungen des marktorientierten Umweltschutzes
Ob nachhaltiges Wirtschaften, "Green New Deal" oder andere, kunstvolle Verknüpfungen des strukturell Unvereinbaren (Profit- und Verwertungszwang versus Mensch/Umwelt) - all diese Konzepte weisen Blindflecke und analytische Probleme auf. Sie ähneln sich.
  • Umweltschutz marktwirtschaftlich zu lösen, bedeutet fast immer eine Ausdehnung von Verwertungslogik und damit neue Profitmöglichkeiten. Dadurch wird Umweltschutz zum Lösungsinstrument eines strukturellen Problems im Kapitalismus. Denn auf der Suche nach ständigen neuen Verwertungs- und Profitchancen braucht dieser immer neue gesellschaftliche Sphären, die er sich einverleiben und seinem Diktat unterwerfen kann. Das bekannteste Beispiel dieser Art ist die Einführung von CO2-Zertifikate für Luftverschmutzung. Damit wurde ein bisheriges Gemeingut zum Gegenstand des Kaufens, Verkaufens und Akkumulierens.
  • Energiewende und das Wachsen des Bioanbaus von Nahrungsmittel wurden nach jeweils eher durch BürgerInnenengagement ausgelöstem Start kommerzialisiert. Das richtete die konkreten Ausführungen auf die maximale Profitabilität aus, während emanzipatorische Ansprüche (BürgerInnenbeteiligung, Besitzverhältnisse, Direktvermarktung, Transparenz usw.) immer weiter zurückgedrängt wurden. Das jahrzehntelang einzig bekannte Gegenmodell blieben die Elektrizitätswerke Schönau. Erst in letzter Zeit kommen Kampagnen für Energienetze in BürgerInnenhand stärker auf - ausgelöst allerdings eher durch sozialpolitische Netzwerke als aus den Umweltverbänden.
  • Die propagandistische Reduzierung von Menschen auf ihre Rolle als VerbraucherInnen entmenschlicht alle Personen und macht sie in ihrer Rolle auf den Konsum zu Figuren im Markt. Sie sollen nicht gestalten, nicht die Produktionsverhältnisse aneignen, sondern dürfen auswählen, was andere ihnen anbieten - die Logik am Regal ist ähnlich wie bei Parlamentswahlen. Mensch hat keinen Einfluss auf das Angebot, sondern darf wählen zwischen den Nuancen des Vorgegebenen. Hinzu kommt eine patriarchale Logik, denn als KonsumentInnen werden vor allem Frauen definiert, die wählen dürfen zwischen dem, was ihnen die - meist männerdominierten - Firmen so bereitlegen.

Im Original: Nicht mehr als Verbraucher_in?
Aus Thilo Bode (2003): "Die Demokratie verrät ihre Kinder" (S. 150)
Die Hersteller jedoch verlangen von den Verbrauchern mehr, als sie sich selbst zumuten, nämlich unökonomisches Verhalten. Sie agieren wie Hehler, die Kunstwerke zum Schleuderpreis anbieten und sich dann entrüsten, daß Kunstliebhaber die Angebote zu einem derartig, unter dem Wert liegenden Preis erwerben. Hersteller und Verbraucher befinden sich in einer Täter Opfer Beziehung, in der der Täter alles versucht, dem Opfer nicht nur die Mittäterschaft, sondern auch die Alleinverantwortung zuzuweisen. Beide verhalten sich aber auch als ökonomische Akteure, jenseits moralischer Kategorien. Vom Unternehmen zu erwarten, freiwillig Verluste zu machen, ist genauso weltfremd, wie von den Verbrauchern zu erwarten, sich freiwillig gegen ihren Geldbeutel zu entscheiden.

Internationaler Wettbewerb - die freie Marktwirtschaft ist das Wichtigste

Aus einer Mail am 9.8.2013 von Reinhard Wiesemann, Erfinder des Unperfekthauses und anderer Einrichtungen in Essen
Unsere freie, offene Gesellschaft im Westen ist der wahre Konkurrenzvorteil, und die Megaerfolge "Google", "Facebook", "Twitter" sind die ersten Produkte, die nicht mehr auf Rohstoffen, Wissenschaft oder Technologie basieren, sondern darauf, dass wir frei und offen im Westen leben können, und dass freier Umgang miteinander ein Vorteil ist. In China und vielen anderen Ländern sieht man das ganz anders, da sind Produkte dieser Art, die im Westen entstehen und Megaerfolg haben, über mindestens eine Generation nicht möglich. Schön, dass wir weiterhin ein Alleinstellungsmerkmal im Westen haben - auch wenn dieses bisher völlig unerkannt ist m.E..

Hunger als Kaufkraftproblem: Arme Länder sollen "ertüchtigt" werden
Valentin Thurn (abgehobener Nutznießer des Container/Lebensmittelwegwerf-Medienhypes) in: konkret 1/2015 (S. 45)
Hunger ist mangelnde Kaufkraft.
Frage: Wie können die Hungernden ihre Kaufkraft steigern?
Die Länder und Regionen müssen dazu ertüchtigt werden, sich selbst zu versorgen ...


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