Gewaltfrage

TOBIN-TAX UND MAXIMALPROFIT

Kritik an der Tobin-Tax


1. Zitate
2. Mehr internationale Investitionen !!!
3. Kritik an der Tobin-Tax
4. Macht die Tobin Tax Firmen reicher?
5. Weitere Einschätzungen zur Tobin Tax
6. Satire
7. Links

Statement der Gruppe "IMUN“ zur Tobin-Steuer
Reform oder Revolution?
Realpolitik oder Visionen?
Verbessern, Bremsen und Korrigieren des bestehenden Systems, um das Schlimmste zu verhindern oder doch lieber im Hier und Jetzt radikal und visionär auf eine ganz andere Gesellschaft hinarbeiten?
Diese beiden Pole bilden die groben Richtungen, in die „die Linke“ als sogenannte „Antiglobalisierungsbewegung“ geht.
IMUN war und ist immer schon der Meinung, dass es beides nebeneinander geben soll. Reformismus rettet Menschenleben, Tierarten oder Naturreservate jetzt und konkret und lindert wirksam und schnell die Auswirkungen des globalen Kapitalismus, ohne ihn an der Wurzel zu packen. Er ist die Bremse und der Notfallkoffer für die Unfälle eines Systems, dessen Tempo so schnell ist, dass neben dem Verbinden keine Zeit mehr für die eigentliche Heilung bleibt.
Er ist pragmatisch, biegsam, realistisch und spielt das Spiel mit. Revolutionärer Aktivismus zielt auf die Wurzeln, schafft Aktion und Vision und will das große Ganze ändern, während sämtliche Möglichkeiten und Wirksamkeiten innerhalb des Systems mehr oder weniger als Zeitverschwendung oder Vereinnahmung gesehen werden. Er ist idealistisch konsequent, libertär und radikal oppositionell.
Beide Richtungen haben gute und wichtige Ströme und ein klares Ja oder Nein zugunsten einer ganzen Richtung wird bei uns durch ein klares Hinsehen auf den Einzelfall ersetzt. In diesem Sinne möchten wir einen Kommentar zur Tobin-Steuer abgeben, die bereits 1978 von dem amerikanischen Nobelpreisträger und bekennendem Kapitalisten (!) James Tobin vorgestellt wurde und die seit Jahren von Bewegungen wie ATTAC auf allen „Antiglobalisierungs-Events“ vehement gefordert wird.
Grundidee der Steuer ist, alle kurzfristigen Finanzspekulationen auf dem Weltmarkt mit einer Steuer von (je nach Quelle der Zitate) 0,1-0,5% zu besteuern und die Gewinne in einen Fonds zur Entwicklungshilfe und
Entschuldung der Entwicklungsländer fließen zu lassen. Schließlich seien jene kurzfristigen Spekulationen, in denen Spekulanten teilweise in wenigen Stunden immense Profite erzielen, „eine wesentliche Ursache für die Instabilität der Finanzmärkte, die immer wieder zu schweren Wirtschaftskrisen mit internationalen Kettenreaktionen führt.“ So die Nichtregierungsorganisation WEED in einem Unterschriftenpapier an die Bundesregierung.
Als Beispiele führen sie die Krisen in Mexiko (1994), Südostasien (1997) und Russland (1998) an, „die über Nacht die Früchte jahrelanger Entwicklungsarbeit zerstört“ hätten. Das hört sich ja alles ganz gut an. Kurzfristige Spekulationen werden mit einer Steuer belegt, jene fließt in einen Fonds zur Entwicklungshilfe, der von Institutionen wie dem IWF (Internationaler Währungsfonds) verwaltet, quotiert und verteilt werden soll.
Doch bei näherem Hinsehen entdeckt man einen logischen Kurzschluss in der Argumentation für die Tobinsteuer, der sich neben Nicht-Regierungs-Organisationen und Kampagnen wie WEED oder ATTAC sowie Alt-Promis wie Lafontaine mittlerweile auch Parteien wie die PDS, Teile der Grünen und zumindest per Lippenbekenntnis ja sogar unser aller Kanzler angeschlossen haben.
Erstes Ziel der Tobinsteuer: Durch Besteuerung auf kurzfristige Spekulationen eine Menge Geld für die Entwicklungshilfe einzutreiben.
Zweites Ziel der Tobinsteuer: Kurzfristige, blitzschnelle Spekulationen durch diese Steuererhebung auf die Dauer unattraktiv zu machen und somit wieder besonnene und langfristige Spekulationen zu fördern.
Da tut sich ein Widerspruch auf. Einerseits will man Entwicklungshilfe aus Steuergeldern auf kurzfristige Spekulationen finanzieren, andererseits will man diese verhassten Schnellspekulationen auf Dauer abschaffen oder verringern. Egal, wie die Spekulanten bei einer konsequenten Einführung der Steuer nun reagieren - es kann eigentlich immer nur eines der beiden Ziele wirklich erreicht werden. Gibt es nun tatsächlich weniger kurzfristige Spekulationen, kann man zwar stolz auf eine Wiederbelebung langfristiger Devisengeschäfte schauen, nimmt aber dafür zu wenig Entwicklungshilfe ein. Steigt hingegen die Anzahl kurzfristiger Spekulationen, weil die Spekulanten die Steuer nun einfach in ihre Geschäfte einplanen und zur Erzielung der
Gewinne einfach mehr spekulieren, nimmt man zwar eine Menge Geld für die Entwicklungshilfe ein, hat den Markt aber nicht wieder auf den ruhigen, angesteuerten Kurs langfristiger Spekulationen zurückgebracht.
Peter Wahl von WEED glaubt allerdings daran, eben beide Ziele miteinander vereinen zu können. So heißt es in einem TAZ-Kommentar vom 29.1. dieses Jahres: „Wenn die Steuer ihre Lenkungsfunktion so weit erfolgreich erfüllt, dass der Devisenumsatz um die Hälfte zurückgeht, würden bei einem Steuersatz von 0,5 Prozent immer noch rund 90 Milliarden US-Dollar anfallen. Das ist etwa das Doppelte der Entwicklungshilfe aller Industrieländer zusammengenommen - eine Summe, mit der einiges Sinnvolles unternommen werden könnte, etwa in der Klimapolitik, für soziale Zwecke oder in der Entwicklungspolitik.“ Selbst wenn die Regierungen im Falle der Tobinsteuer ihre staatliche Entwicklungshilfe, die „in den letzten 10 Jahren bei etwa 0,3 % des gesamten Bruttosozialproduktes der Geberländer stagniert.“ (PDS-Antrag auf Einführung der Tobinsteuer vom 23.04.99), mit dem Hinweis darauf, dass diese Bürde ja nun die Privatwirtschaft trägt, völlig zurücknehmen würden, bliebe also noch eine Menge Geld übrig. So zumindest sehen es die Befürworter.
Von diesen Gedanken einmal abgesehen, sollte aber die Frage erlaubt sein, ob es nicht reichlich naiv ist, gegen die verheerenden Auswirkungen des globalen Kapitalismus lediglich eine Steuer auf schnelle Spekulationen ins Felde zu führen? Wird sich irgendein Konzern, der im Trikont, in Südamerika, in China oder an den afrikanischen Küsten Raubbau an Mensch und Natur betreibt, um am Markt seine Position zu behaupten, von einer solchen Steuer einschüchtern lassen? Wird die kapitalistische, bürgerliche, marktwirtschaftliche Gesellschaft mit ihrer sozialen Ungerechtigkeit und ihren ungezügelten Verwertungsprinzipien davon in ihren Grundfesten erschüttert? Ist diese Steuer nicht letztlich noch eine Stütze für ein System, welches sich in eine Sackgasse gefahren hat, da sich der Reichtum in den Händen immer wenigerer Menschen konzentriert und die globale Ungerechtigkeit immer offener zutage tritt?
Ein Arbeitspapier von WEED spricht da eine ganz ehrliche Sprache: Mit der Tobinsteuer „werden die Menge und das Tempo der kurzfristigen Transaktionen reduziert, ohne dass Handelsgeschäfte, langfristige Kredite und Realinvestitionen abgeschreckt würden. Es wird Sand ins Getriebe geworfen, ohne dass das Getriebe seine Funktionsfähigkeit verliert.“ Angesichts der Tatsache, dass durch diese Steuer so oder so mehr Öl als Sand in die Maschinerie des globalen Kapitalismus geworfen wird (entweder gibt es mehr Spekulation oder mehr Investition) glauben wir, anmerken zu dürfen, dass eine Stabilisierung des Kapitalismus nicht der richtige Weg zu einer progressiven Gesellschaftsveränderung sein kann. Andererseits verstehen wir aber die pragmatischen Argumente, zu wieviel mehr Leid als ohnehin schon leider als „normal“ hingenommen, eine Weltwirtschaftskrise führen kann.


Da wir diese Endlosdebatte zwischen Realpolitik vs. Revolutionärer Elan (wo beide Seiten sich gegenseitig vorwerfen, durch ihre Herangehensweise noch viel mehr Leid zuzulassen!) möchten wir unseren oben genannten Kommentaren noch drei Punkte hinzufügen.

  1. An sich halten wir Gruppen wie ATTAC für eine prima „Einstiegsdroge“ in politisches Denken. Es ist völlig legitim und okay, wenn nicht alle, die mit dem diffusen Gefühl, dass in der Welt etwas nicht stimmt und die sich politisch engagieren wollen, sofort zu den Libertären gehen. Außerdem sind ATTAC oder gewisse NGOs sehr gute Bildungsinstitutionen im Sinne einer Aufklärung darüber, wie Weltwirtschaft über welche Institutionen läuft. Gegen gute Organisation und professionelles Arbeiten haben wir auch nichts. Allerdings sollte den ATTAC-Ortsgruppen soviel Freiheit und Eigencharakter wie möglich zugestanden werden, damit auch innerhalb der Initiative viele diverse Strömungen entstehen können.
  2. Was wir ablehnen, ist der stellvertretende Charakter, den ATTAC oftmals in den Medien einnehmen. In der Art und Weise, wie sie sich immer wieder als Sprachrohr der ganzen sogenannten „Antiglobalisierungsbewegung präsentieren, sorgen sie imgrunde aktiv dafür, dass libertäre und radikal-emanzipatorische Positionen in der Öffentlichkeit gar nicht mehr wahrgenommen werden. Da wäre weitaus mehr Solidarität in dem Sinne angebracht, dass mensch sagt: „Nun, wir machen unsere Kampagnen, aber zur Bewegung gehören noch die und die und die...“
  3. Die Kapitalismuskritik von ATTAC ist zu verkürzt, kann aber durchaus im Sinne einer Übergangsposition funktionieren. Gegenseitige Toleranz und offene, transparente, synchrone und sich gegenseitig befruchtende Arbeit von ReformistInnen wie Revolutionären wäre produktiver und angebrachter. Die einen mögen löschen, die anderen starten Debatten um eine andere Welt nach dem Brand. Davon allerdings sind wir weit entfernt. Weil die ReformistInnen wirklich nur einen gezähmten Kapitalismus wollen? (Und ihre jetzigen Kampagnen nicht „erste Schritte“ auf dem Weg zu etwas anderem, sondern eben „letzte Schritte“ ins System sind?) Oder auch, weil die Revolutionären keinen Sinn für Pragmatismus haben? Beide Fragen lassen wir mal offen..... die Debatte mag weitergehen.

IMUN im September 2001
IMUN, Imun@gmx.de. www.imun-online.org (in Arbeit) www.bo-alternativ.de/imun (bisherige Seite)
IMUN, c/o Oliver Uschmann, Wiemelhauser Str. 418, 44799 Bochum

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