Gewaltfrage

LÜNEBORG* - VON SCHAFEN, HIRTEN UND ZIEGEN

Erklärung zum vorläufigen „Rückzug“ aus Aktionen gegen Castor und Herrschaft in Lüneburg


1. Übersicht
2. Die Vorphase: Schwierige Kontaktaufnhme ... erster Rauswurf ... Einigung ... weitere Rauswürfe
3. Besuch in Lüneburg, um alles zu klären ...
4. Weiter bis Lüneburg ...
5. Eine politische und strategische Kritik am Castor-Widerstand
6. Bewegungshierarchien: Veranstaltungen verboten!
7. Erklärung zum vorläufigen „Rückzug“ aus Aktionen gegen Castor und Herrschaft in Lüneburg
8. Bericht zum Anna&Arthur-Plenum am Freitag, den 8.11. mit Rauswurf(versuch)
9. Persönlicher Erfahrungsbericht zu den Verboten im Clamart Park
10. Persönliches Fazit: Getroffen werden einige, gemeint sind wir alle!
11. Bullen-Kooperation: Nach außen "Nein", aber in der Praxis ...
12. Presseerklärungen von NGOs, Aktionsgruppen & Co.
13. Links zur Mobilisierung
14. Links zur Debatte und mehr ...

Vorweg: Der Text basiert auf den Stichpunkten, die ich mir für meine „Abschiedserklärung“ auf dem Infoplenum im Clamart Park am Sonntag gemacht habe. Es ist allerdings keine Wiedergabe - hier fließen auch die Gedanken ein, die ich aufgrund meiner Anspannung, Ängsten und den massiven Einschüchterungen im Plenum (Unterbrechungen, abwertende Äußerungen) nicht geäußert oder holpriger formuliert habe. Anlass des Textes ist das Verbot zweier Veranstaltungen im Clamart Park, Hintergrund weitere Verbote und Rauswurfversuche in Lüneburg.

Einige Leute sind bereits gefahren; auch ich verlasse heute Lüneburg - Grund dafür sind eine Woche, in der Ausgrenzung, Verbote, abfälliges Reden, ein Auschlussversuch und die Verhinderung offener Strukturen meinen Alltag dominierten und mir jede Lust und Power genommen haben, hier kreativ gegen Castor und Herrschaft zu protestieren. Niedergeschlagenheit und Frust überwiegen zur Zeit. Mein Zug fährt in einer Stunde, mein Entschluss steht ... ich möchte heute nur noch klar machen, warum ich und andere gehen, denen ich ähnliche Gründe unterstelle.
Ich habe nicht vor, das Plenum zu sprengen ...
  • weil ich Widerstand nicht lähmen will - auch wenn es nicht meine Schuld ist.
  • weil ein Plenum, in dem immer nur wenige sprechen, nicht der Rahmen ist, in dem gleichberechtigt und offenen geredet werden könnte - ich selber habe Angst und würde es ohne die Unterstützung durch andere nicht schaffen.
  • weil ich weiß, dass die Eliten es so hinstellen werden, ich würde das Plenum sprengen, zuviel Raum einnehmen oder den Widerstand behindern.

Im Anna & Arthur haben sie es schon einmal geschafft, Ursache und Wirkung zu verkehren: Menschen, die sich dagegen wehrten, dass ein Büchertisch verboten und Leute rausgeworfen werden sollen, werden zu denen definiert, die Widerstand lähmen oder Plenas sprengen - und nicht etwa die, die Verbote aussprechen, sich offensiv auf Hausrecht beziehen und Rauswürfe zu organisieren versuchen. Mit der gleichen Logik werden Menschen diffamiert, die sich gegen ihre Abschiebung wehren.
Zwei Veranstaltungen, die ich und Thorsten heute Morgen im Orga-Plenum vorstellten und die angenommen wurden, sind später von der Orga-Gruppe wieder gekippt worden. Ein bemerkenswerter Vorgang: Während sonst immer Basisdemokratie hochgehalten und kollektive Entscheidungen durch Plena gefordert werden, setzen sich Eliten über deren Beschlüsse hinweg. Hier werden all die Menschen, die von hierarchiearmen Strukturen träumen oder an das Gute im Plenum glauben, verarscht. Und die das tun, werden es auch hin bekommen zu erklären, warum Verbote, intransparente Zirkel und Fremdbestimmung gut für uns sind.
Ich will mich nicht als Opfer stilisieren und es steht außer Zweifel, dass ich und andere Fehler gemacht haben. Es geht aber nicht nur um Mißverständnisse; von daher ist jetzt nicht der Zeitpunkt für versöhnliche Worte: Es gibt hier Leute, die mich und andere nicht wollen ... Sie sagen „Hoppetosse“, meinen aber alle, die für offene Strukturen kämpfen und intransparente Zirkel mit Sonderrechten demaskieren. Ich will mich gar nicht an den Vorgängen in Lüneburg aufhängen. Fest steht für mich: Es gibt Eliten, Hierarchien und Herrschaft in linken Strukturen, in der Anti-Atombewegung. Auch wenn das als Verschwörungstheorie konstruiert wird: Es gibt Menschen und Seilschaften mit ungleichem Zugang zu Infos, Geld und Ressourcen. Es gibt Zirkel, die Entscheidungen der Gremien wieder kippen, welche sie den eigenen Leuten als Basisdemokratie vorstellen - dafür gab es in den letzten Tage mehrere Beispiele! Ich lebe in einer Welt voller Hierarchien, Dominanz und Herrschaft - und es ist eher völlig absurd anzunehmen, dass es all das hier nicht gibt.
Es hilft nicht, das zu leugnen, sondern es muß die Auseinandersetzung geführt werden, warum unsere Strukturen so sind und wie wir das abbauen können, Experimente zu wagen und eigene Dominanzen einzugestehen. Es geht mir nicht darum, einzelne Leute anzugreifen, auch wenn es zweifellos Menschen gibt, die von elitären Strukturen profitieren. Sondern um Strukturen, die immer wieder Hierarchien hervor bringen und Offenheit verhindern.
Meine Utopie ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft, und damit möchte ich heute anfangen: Ich will offene Plattformen, in denen alle Menschen gleichberechtigt ihre Form von Widerständigkeit entwickeln können und Vernetzungen ohne Zentralen und Zirkel. Dafür mache ich mich gerne unbeliebt. Das ist hier in Lüneburg für mich gerade nicht gegeben: In den Knotenpunkten der Anti-Atom-Proteste dürfen ich und andere keine Veranstaltungen machen usw. Wo ich hinkomme merke ich, wie Leute über „uns“ reden, sich Zirkel bilden, die auf mich und andere zeigen; Leute, die offenbar nicht mit mir reden wollen. Mir persönlich fehlt nach all dem Lust und Power, mich selbst einzubringen. Trotzdem wünsche ich mir Aktionen gegen den Castor und die Strukturen dahinter ... Justiz, Medien, Markt und Staat. Und hoffe, dass es um mehr geht als Atomkraft, denn auch ohne sie werden Polizisten dann eben Autobahnen durchsetzen und staatliche Behörden Menschen abschieben. Heute ziehe ich mich zurück, um denen, die Widerstand wollen, nicht im Wege zu stehen. Aber das kann keine Ausrede sein, die Auseinandersetzung um hierarchische Strukturen wie üblich auszusetzen und weiter zu machen wie bisher. Und so wie fest steht, dass ich mich weiter gegen Atomkraft und Herrschaft widersetzen werde, ist mit meinem Widerstand gegen Eliten, Dominanzen und Ausgrenzung zu rechnen.
Am Ende noch Dank bzw. Entschuldigung an die,
  • die die Hintergründe nicht kennen und verwirrt sind.
  • die mich und andere offensiv unterstützt haben, eine Chance gaben trotz Problemen in der Vergangenheit.
  • die hier Aktionen machen wollen und von diesen beschissenen Vorgängen gefrustet sind.
Für eine herrschaftsfreie Gesellschaft!
Nieder mit Eliten, auch in den eigenen Reihen!
Espi

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