Gewaltfrage

PROPAGANDA, DISKURS, GEMEINWOHL: REGIEREN VON KOPF ZU KOPF

Diskurssteuerung, Normierung, Manipulation


1. Diskurs
2. Wahrheit
3. Diskurssteuerung, Normierung, Manipulation
4. Populismus
5. Weitere Zitate
6. Leitkultur
7. Links zum Thema

Aus Hardt, Michael/Negri, Antonio (2004): „Multitude“, Campus Verlag in Frankfurt (S. 365, mehr Auszüge ...)
Militärische Gewalt ist vielmehr, gerade weil sie so einseitig ist, die schwächste Form der Macht; sie ist hart, aber zugleich auch brüchig. Souveränität bedarf der Zustimmung der Beherrschten. Zusätzlich zum Zwang muss die souveräne Macht die Hegemonie über ihre Untergebenen ausüben und zu diesem Zwecke nicht nur Furcht bei ihnen erzeugen, sondern auch Ehrfurcht, Hingabe und Gehorsam, und zwar durch eine Form der Macht, die sanft und geschmeidig ist. Die souveräne Macht muss ständig dazu in der Lage sein, die Beziehung zu den Beherrschten neu zu verhandeln.

Aus Gruppe Gegenbilder (2006), "Autonomie und Kooperation" (S. 106)
Wer diese „Kommunikationscodes“, wie Manuel Castells sie nennt, versteht und mit ihnen arbeitet ? „etwa Werte oder Leistungsziele“ ?, kann innerhalb des Geflechts zum dominierenden, prägenden Sektor gehören.

Aus Agnoli, Johannes/Brückner, Peter (1967), "Die Transformation der Demokratie", Voltaire Verlag in Berlin (S. 15)
... der oligarchisch-manipulierende Charakter staatlicher Mechanismen bewährt sich am ehesten dort, wo - wie in England - die liberalere Atmosphäre in wirksamerer Weise die Tatsache verdeckt, daß die politische Willensbildung kein originäres Recht der großen Mehrheit der Bevölkerung ist, sondern "nachträglich": im Nachvollzug der von Führungsgruppen angebotenen Alternativen ins Volk hineinprojiziert wird.

Aus Elizabeth Heger Boyle/John W. Meyer, „Das moderne Recht als säkularisiertes globales Modell: Konsequenzen für die Rechtssoziologie“ in: Meyer, John W. (2005), "Weltkultur", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 179 ff., der gesamte Text ...)
Wir bestreiten, daß Individuen Rechtssysteme (oder andere Systeme) konstruieren, um ihre ureigenen Interessen oder Identitäten zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr behaupten wir, daß Individuen ihre Identitäten und Interessen aus einer gedachten natürlichen Ordnung erst beziehen und daß die Rechtssysteme, die sie schaffen, diese höheren "platonischen Ideale" zum Ausdruck bringen.

Aus Brüchert, Oliver (2005), „Autoritäres Programm in aufklärerischer Absicht“, Westf. Dampfboot in Münster (S. 10, 36, 47)
Die Gesellschaft wird nicht durch Werte und Normen zusammengehalten, sondern durch mächtige Institutionen, die beanspruchen, diese Werte und Normen allgemeinverbindlich durchzusetzen. ...
Die behauptete Allgemeinheit der Aussagen wird vertreten durch eine kleine Klasse von Spezialisten: Journalisten, Experten, Politiker und Medienkonzerne - nicht als kritische Zustandsbeschreibung, sondern als normativer Anspruch. Es wäre eine eigene Untersuchung wert, wie sich diese Arbeitsteilung historisch durchgesetzt hat und wer davon profitiert. ...
Die normative Verdopplung der Alltagsideologie ...


Barthes, Roland (1964), "Mythen des Alltags", Frankfurt (S. 115)
Was dem Leser ermöglicht, den Mythos unschuldig zu konsumieren, ist, daß er in ihm kein semiologisches, sondern ein induktives System sieht. Dort, wo nur eine Äquivalenz besteht, sieht er einen kausalen Vorgang. Das Bedeutende und das Bedeutete haben in seineti Augell Naturbeziehungen. Man kann diese Verwirrung auch anders ausdrücken: jedes semiologische System ist ein System von Werten. Der Verbraucher von Mythen fasst die Bedeutung als ein System von Fakten auf Der Mythos wird als Faktensystem gelesen, während er doch nur ein serniologisches System darstellt.

Deutungseliten
Aus Prehn, Ulrich, "Deutungseliten - Wissenseliten", in: Führer, Karl Christian u.a. (2004), "Eliten im Wandel", Westf. Dampfboot in Münster (S. 42, 46 f.)
Zweifellos hat es zu allen Zeiten einen gesellschaftlichen Bedarf an Wissen und Sinn und damit nach einer Vermittlungsinstanz gegeben, die diese Funktion durch das Angebot von Deutungen und Deutungsmustern zu erfüllen bereit und in der bge (gewesen) ist. Dabei ist zu bedenken, dass deutungsfreies Wissen im sozialen Kontext nicht existiert. ...
Will man die Struktur und die Funktionsmechanismen des intellektuellen Feldes ergründen, gilt es überdies zu bedenken, dass Intellektuelle als Produzenten von Identifikationsangeboten und Deutungsmustern auf ganz verschiedenen Ebenen - wissenschaftliche Erkenntnisproduktion, künstlenisches Schaffen, öffentliche (Medien-)Debatten usw. - tätig sind, indem sie versuchen, Sinn zu produzieren, Weltdeutung zu vermitteln und auf gesellschaftliche Diskurse wahrnehmbar Einfluss zu nehmen. Die Kopplung von Wissen und Deutung ist also als Charakteristikum intellektueller Produktionsprozesse zu verstehen, einer spezifischen, auf Wissens- und Sinnproduktion bzw. -vermittlung ausgerichteten sozialen Praxis.


Verstärkung durch Medien (a.a.O., S. 55)
Mit der Expansion des medialen Ensembles wächst zumindest grundsätzlich ihr Vermögen der Welterzeugung, d.h. das Vermögen, "sehen und glauben zu machen, vorauszusagen und vorzuschreiben, bekannt und anerkannt zu machen". Ein entsprechender Zugang zu den Massenmedien bzw. die Verfügung über sie stellt somit auch für Intellektuelle eine der wichtigsten Produktionsformen symbolischen Kapitals dar.

Zwei Zitate zu Normierung (Quelle ...)
Aus Hannah Arendt, Vita activa oder Vom tätigen Leben. München-Zürich: Piper, 1981, Neuausgabe [ = Serie Piper 217], (S. 41)
Gesellschaft erwartet und erzwingt individuelles „Sich-Verhalten“ durch „zahllose Regeln, die alle darauf hinauslaufen, die Einzelnen gesellschaftlich zu normieren, sie gesellschaftsfähig zu machen, und spontanes Handeln wie hervorragende Leistungen zu verhindern.

Ralf Dahrendorf, Der moderne soziale Konflikt. Essay zur Politik der Freiheit. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1992 (S. 47)
Gesellschaft heißt immer Normierung von Verhalten. Normierung [...] bedeutet, daß bestimmte Werte als geltend gesetzt werden. Werte als geltend setzen heißt, daß es Instanzen gibt, die Geltung verleihen und Sanktionen verhängen können. Das aber sind Herrschaftsinstanzen. Gesellschaft heißt Herrschaft, und Herrschafts heißt Ungleichheit.

Machtförmige Organisierung der öffentlichen Meinung
Aus einem Text von Sabine Kebir mit Zitaten von Antonio Gramsci in: Junge Welt, 12.6.2007 (S. 10 f.)
Obgleich in der demokratischen bürgerlichen Gesellschaft der hegemoniale Konsens mit weniger Zwang und Gewalt erzeugt werde, bestehe der Staat als Zwangs- und Gewaltinstrument weiter (mit seinen juristischen und polizeilichen Apparaten, seiner Armee), wenn er nun auch öfter in den Hintergrund trete. Als "Nahtstelle" zwischen freiwillig gegebener Zustimmung und staatlichem Zwang hatte Gramsci die "öffentliche Meinung" erkannt: "Das, was man öffentliche Meinung nennt, ist eng verbunden mit der politischen Hegemonie, d. h., sie ist die Nahtstelle zwischen ›Zivilgesellschaft‹ und ›politischer Gesellschaft‹ (von Gramsci als Synonym für Staat gebraucht – S. K.), zwischen dem Konsens und der Gewalt. Wenn der Staat eine wenig populäre Aktion in Gang setzen will, bildet er präventiv die adäquate öffentliche Meinung, d.h., er organisiert und zentralisiert bestimmte Elemente der Zivilgesellschaft."

Aus Fromm, Erich (1985): "Über den Ungehorsam", dtv München
Wenn es einer Gesellschaft erst einmal gelungen ist, die Charakterstruktur des Durchschnittsmenschen so zu formen, daß er das, was er tun muß, gern tut, ist er mit den Umständen zufrieden, die ihm die Gesellschaft auferlegt. Ibsen gestaltet seinen Peer Gynt entsprechend dieser Einsicht: Er kann alles tun, was er tun will, weil er nur das tun will, was er tun kann. ...
Der Begriff des Gesellschafts-Charakters kann erklären, wieso die menschliche Energie von einer Gesellschaft genau wie jeder andere Rohstoff für die Bedürfnisse und Zwecke dieser Gesellschaft genutzt wird. Tatsächlich ist der Mensch eine der formbarsten Naturkräfte: Man kann ihn dazu bringen, so gut wie jedem Zweck zu dienen; man kann ihn veranlassen, zu hassen oder mit anderen zusammenzuarbeiten, sich zu unterwerfen oder aufzubegehren, zu leiden oder glücklich zu sein. ... (S. 25 f.)
Die Gesellschaft besteht aus Menschen, und jeder Mensch ist mit einem Potential leidenschaftlicher Strebungen - archaische und progressive - ausgestattet. Dieses menschliche Potential als Ganzes wird von der Gesamtheit der ökonomischen und gesellschaftlichen Kräfte geformt, welche für die jeweilige Gesellschaft kennzeichnend ist. Diese Kräfte des gesellschaftlichen Ganzen erzeugen ein bestimmtes gesellschaftliches Unbewußtes und bestimmte Konflikte zwischen den verdrängenden Faktoren und den vorhandenen menschlichen Bedürfnissen, die für ein gesundes Funktionieren des Menschen wesentlich sind (etwa ein bestimmter Grad von Freiheit, Anregung, Interesse am Leben und Glück). Tatsächlich kommen - wie bereits erwähnt - in Revolutionen nicht nur neue Produktivkräfte zum Ausdruck, sondern auch der verdrängte Teil der menschlichen Natur. Revolutionen verlaufen darum nur dann erfolgreich, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Die Verdrängung, ob sie nun individuell oder gesellschaftlich bedingt ist, entstellt den Menschen, sie fragmentiert ihn, beraubt ihn seiner vollen Menschlichkeit. Das Bewußtsein repräsentiert den "gesellschaftlichen Menschen", wie er von der jeweiligen Gesellschaft geprägt ist; das Unbewußte repräsentiert den universalen Menschen in uns, den guten und den schlechten Menschen, eben den ganzen Menschen, ... (S. 35)


Ökonomische Normierung

Adam Smith, zitiert nach Fromm, Erich (1985): "Über den Ungehorsam", dtv München (S. 33)
"Der ökonomische Mensch wird von einer unsichtbaren Hand geführt, ein Ziel zu unterstützen, das er selbst nicht beabsichtigte."


Sprache und Begriffe

Aus Eppler, Erhard (2005): "Auslaufmodell Staat?", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 121)
Die Begriffe, die wir benutzen, bestimmen unser Denken, sie entscheiden darüber, was wir wahrnehmen, was wir begreifen können, aber auch, was wir, vielleicht notwendig, mißverstehen. Je nachdem, mit welchen Begriffen wir an das herangehen, was wir die Wirklichkeit nennen, verändert sich diese Wirklichkeit. Was wir als Wirklichkeit erfahren und wahrnehmen, bestimmt unser Handeln.

Aus einem Interview mit Peter Handke, in: FR, 31.8.2007 (S. 25)
Der fruchtbare Schoß gebiert nicht immer die gleichen Erscheinungen, sondern das Schreckliche tritt heute anders auf, säuselnd und süßlich und humanitär und dauernd das Wort "Demokratie" oder auch das schöne Wort "grün" benutzend.

Reproduziert in allen Köpfen

Theodor W. Adorno in „Dialektik der Aufklärung“, zitiert in: Brüchert, Oliver (2005), „Autoritäres Programm in aufklärerischer Absicht“, Westf. Dampfboot in Münster (S. 19)
Die Konsumenten sind die Arbeiter und Angestellten, die Farmer und Kleinbürger. Die kapitalistische Produktion hält sie mit Leib und Seele so eingeschlossen, dass sie dem, was ihnen angeboten wird, widerstandslos verfallen. Wie freilich die Beherrschten die Moral, die ihnen von den Herrschenden kam, stets ernster nahmen als diese selbst, verfallen heute die betrogenen Massen mehr noch als die Erfolgreichen dem Mythos des Erfolgs. Sie haben ihre Wünsche. Unbeirrbar bestehen sie auf der Ideologie, durch die man sie versklavt.

Erziehung als Normierung

Aus Fromm, Erich (1985): "Über den Ungehorsam", dtv München (S. 16. f.)
In der Familie und in der Erziehung geschieht dasselbe. Die mißverstandenen Theorien von der progressiven Erziehung haben zu einer Erziehungsmethode geführt, bei der dem Kind nicht mehr gesagt wird, was es zu tun hat, wo ihm keine Anordnungen gegeben werden oder wo es nicht mehr bestraft wird, wenn es solche nicht ausführt. Das Kind soll sich selbst "ausdrücken". Aber es wird ihm von seinen ersten Tagen an ein heilloser Respekt vor der Konformität eingeimpft, die Angst, "anders" zu sein, und die Furcht, sich von der Herde zu entfernen. Der so in Familie und Schule aufgezogene "organisierte Mensch", dessen Erziehung dann in den großen Institutionen vervollständigt wird, besitzt Meinungen, aber keine Überzeugungen; ...

Bildung als Machtmittel

Aus Agnoli, Johannes/Brückner, Peter (1967), "Die Transformation der Demokratie", Voltaire Verlag in Berlin (S. 12)
Es dient keinem Herrschaftssystem, wenn die Techniken des Herrschens den Beherrschten zum Bewußtsein gebracht werden. Bei zunehmender Involution klaffen staatsbürgerliche Volksbildung (ein Mittel der Staatsfestigung und -erhaltung) und politik-wissenschaftliche Erkenntnis (ein Herrschafts- aber auch Emanzipationswissen) auseinander. Da diese aufzeigt, wie manipuliert wird und damit auch wie man sich der Mainipulation entziehen kann, wird sie möglichst in den Grenzen des Akademischen gehalten. Jene, ad usum populi praktiziert, dient der Erzeugung von Vorstellungen, die die Massen auf Vertrauen in die Staatsgewalt und auf Treue zum Staat festlegen. Auch in diesem Punkte sind die Erziehungstendenzen der bürgerlichen Gesellschaft schon längst in Antiaufklärung umgeschlagen. Staatsbürgerkunde macht nicht frei. Sie "strebt an, den einzelnen in imperativer Weise in festumrissene gesellschaftliche Pflichten einzuweisen, indem sie Bewußtseinsformen und Verhaltungsschablonen für das ... Leben festlegt, Antriebe zum Wirken für die (freiheitlich-demokratische) Ordnung auszustrahlen und (Stabilitäts- und Elite-)Gläubigkeit zu erzeugen bemüht ist".
(Zitat stammt, ohne die Klammern, vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen)

Wissenschaft als Diskurssetzung

Roose, Jochen, „Interessierte Wahrheit als Argument?“ in: Ökologisches Wirtschaften 1/2006 (S. 22)
Es ist die scheinbar interessenlose Wahrheit von wissenschaftlichen Befunden, die in der politischen Debatte das Wahlvolk überzeugen soll.

Aus Bergstedt, Jörg, "Ohne Herrschaft ginge viele nicht - und das wäre gut so!", in: Gruppe Gegenbilder (Hrsg., 2006): „Autonomie und Kooperation“, Projektwerkstatt in Saasen
Diskurse sind beeinflussbar - über Bildung, Medien, Streuung gezielter Informationen sowie über Wissenschaft. Gerade letztere hat viel dazu beigetragen, biologistische Normen zu schaffen. Dass Frauen gefühlsbetonter sind, dass Schwarze sportlicher, aber weniger intelligent sind, dass Minderjährige nicht mündig sind, was als behindert gilt - all das hat seinen Hintergrund in wissenschaftlichen Diskursen und dem ständigen Weitertragen im Alltag.

Brüchert, Oliver/Sälzer, Christian 1998, „Fragebogen und Umfragen“ in: Steiner, Heinz (1998), „Zur Kritik der empirischen Sozialforschung“, Frankfurt (S. 207)
Forschung basiert nicht auf präzisem Messen, sondern auf Sammeln und Ordnen von Wissen, sie liefert keine quantitativen Daten, sondern sich um Plausibilität bemühende Interpretationen.

Gut und Böse

Aus Christoph Spehr, 1999: "Die Aliens sind unter uns", Siedler Verlag München (S. 53f)
Alle diese Instanzen behaupten, sie müßten so mächtig sein, um das Böse aus der Welt vertreiben zu können - Regierungen und ihre Geheimdienste behaupten es, Kirchen und Sekten behaupten es und natürlich die Industrie. Aber all diese Instanzen sind besonders anfällig für das Böse, denn sie können nicht zulassen, vom Willen anderer gestört, von fremdem Eigensinn behindert zu werden. Sie verfügen über keine Mechanismen der Selbstbegrenzung ...

Aus Susan George, "Die Globalisierung der Konzerne" in: Christine Buchholz u.a., 2002, "Handbuch für Globalisierungskritiker", KiWi in Köln (S. 59)
Wir stehen auf der richtigen Seite des Kampfes, denn wir kämpfen für Würde, Anstand und Demokratie.

Exorzismus - Christentum in motion ...
Dokumentation in der FR, 11.2.2006 (S. 10), Auszüge
Wann genau es angefangen hat, weiß heute keiner mehr. Irgendwann war es plötzlich da, das Unfassbare. Das Böse. Es nannte sich Luzifer, Judas, Hitler, Nero und Kain. ... Die Erklärung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Josef Höffner, allerdings enttäuschte bald. Er teilte im April 1978 mit: "Es besteht für die Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts kein Grund, das Wirken Satans und böser Geister in unserer Welt zu leugnen oder die Aussagen darüber als absurd zu empfinden." Und Kardinal Joseph Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., erklärte bei einer Fernsehdiskussion des Bayerischen Rundfunks am 21. April 1978: "Aus dem Neuen Testament kann zwingend auf die Existenz des Teufels als eines personalen Wesens geschlossen werden." Einzige Autorität im Kampf gegen das Böse sei die römisch-katholische Kirche.

Ausgerechnet in Auschwitz, dem Ort der Vernichtung des damals als Böse stigmatisierten, predigt Papst Benedikt XVI.:
Aus der Rede im Mai 2006, abgedruckt in der FR, 31.5.2006 (S. 7)
Sie wollen uns zur Einsicht bringen, die das Böse als Böses erkennt und verneint.
Am Ende zitiert der Papst zudem ausgerechnet den Psalm "Der Herr ist mein Hirte". Das Denken der Menschen als einheitliche Masse (Volk) und die Stigmatisierung von Gut und Böse waren wichtige Ausgangspunkte des Grauens von Auschwitz.


Diskursive Macht
Mit Codes, Titeln, Autorität usw. kann Macht ausgeübt werden - Polizeiknüppel, elterliche Gewaltmonopole und vergitterte Fenster sind in vielen Fällen gar nicht nötig. Menschen reproduzieren von sich aus unterwürfiges Verhalten.

Im Original: Verinnerlichte Macht
Aus Fromm, Erich (1985): "Über den Ungehorsam", dtv München
Wenn die Wenigen die guten Dinge genießen wollten und wenn sie darüber hinaus wollten, daß die Vielen ihnen dienten und für sie arbeiteten, so ging das nur unter der Voraussetzung, daß die Vielen lernten zu gehorchen. Natürlich kann man Gehorsam mit nackter Gewalt erzwingen, doch hat diese Methode viele Nachteile. Sie bringt die ständige Gefahr mit sich, daß die Vielen eines Tages Mittel und Wege finden könnten, die Wenigen in ihre Gewalt zu bekommen; außerdem gibt es viele Arten von Arbeit, die nicht richtig ausgeführt werden können, wenn nur die nackte Angst dem Gehorsam zugrunde liegt. Daher mußte der Gehorsam, der lediglich auf der Angst vor der Gewalt beruhte, in einen Gehorsam verwandelt werden, der von Herzen kam. Der Mensch muß gehorchen wollen, ja das Bedürfnis dazu spüren, anstatt nur Angst vor dem Ungehorsam zu haben. Um das zu erreichen, muß die Macht die Qualitäten des Allgütigen, Allweisen und Allwissenden annehmen. Wenn das geschieht, kann die Macht verkünden, daß Ungehorsam Sünde und Gehorsam Tugend sei. Sobald dies einmal verkündet wird, können die Vielen den Gehorsam akzeptieren, weil er etwas Gutes ist, und den Ungehorsam verabscheuen, weil er etwas Schlechtes ist - anstatt sich selbst zu verabscheuen, weil sie Feiglinge sind. Dann wird der Grundsatz aufgestellt, den Martin Luther (1967, S. 192) in die Worte gefaßt hat: "Drum soll hier erschlagen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und daran denken, daß nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres sein kann als ein aufrührerischer Mensch; (es ist mit ihm) so wie man einen tollen Hund totschlagen muß: schlägst du (ihn) nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir." ... (S. 15)
Der Fall Eichmann ist symbolisch für unsere Situation und besitzt eine Bedeutung, die weit über das hinausgeht, womit sich seine Ankläger im Jerusalemer Gerichtshof beschäftigten. Eichmann ist der Prototyp des Organisationsmenschen, des entfremdeten Bürokraten, für den Männer, Frauen und Kinder zu bloßen Nummern geworden sind. Er ist ein Symbol für uns alle. Wir können uns selbst in Eichmann wiedererkennen - aber das Allerschrecklichste an ihm ist, daß er sich, nachdem er alles zugegeben hatte, völlig gutgläubig für unschuldig erklären konnte. Es ist klar: Wenn er wieder in die gleiche Situation käme, würde er sich wieder genauso verhalten. Und auch wir würden das - und auch wir tun das!
Der Organisationsmensch hat die Fähigkeit zum Ungehorsam verloren, er merkt nicht einmal mehr, daß er gehorcht. An diesem Punkt der Geschichte könnte möglicherweise allein die Fähigkeit zu zweifeln, zu kritisieren und ungehorsam zu sein, über die Zukunft für die Menschheit oder über das Ende der Zivilisation entscheiden. (S. 17)


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