Offener Raum

FEHLURTEILE UND IHRE GRÜNDE

Äußere, u.a. politische Beeinflussung


1. Einleitung
2. Fehlerhafte Ermittlungen und Beweisaufnahme
3. Äußere, u.a. politische Beeinflussung
4. Rahmenbedingungen
5. Brutal, aber häufig: Irrtum bei Todesstrafe und lange Freiheitsstrafen
6. Rechtsbeugung: Straftaten der Anklagenden und Richtenden
7. Gerichtete Justiz
8. Auf verlorenem Posten: Zeug*in vor Gericht
9. Links

Kein Mensch ist ohne Vor-Beeinflussung
Aus Thomas Fischer, "Fehlurteile", in: Zeit am 6.9.2015
Dabei gehen die Richter natürlich nicht, wie die Formulierungen suggerieren, wie unschuldige Kinder durch die Welt, sperren die Äuglein auf und schauen einmal, ob ihnen wohl ein Tatbestand bekannt vorkommt. Denn auch die Wörter, die sie benutzen und die das Gesetz benutzt, sind ja nicht unschuldige Laute, sondern jahrtausendealte Symbole, uralte Zaubersprüche, Träume, Erlebnisse, Freuden, Schmerzen. Ein Mensch kann nicht "Schmerz" denken, oder "Wunde", oder "Hass", ohne sich darunter etwas vorzustellen, also ohne es zu fühlen.
"Er versetzte ihr einen wuchtigen Faustschlag in das Gesicht, der ihr Nasenbein und den Oberkiefer brach." Das kann man so lange lesen, wie man will, und immerzu sagen: So ist das nun mal bei der Körperverletzung im Familienkreis. Man wird aber doch immer ein Bild haben, und jedes Bild wird anders sein; die Bilder sind so unterschiedlich wie die Menschen.
Deshalb ist es Unsinn, von Richtern zu verlangen (oder von Richtern über sich selbst zu sagen), sie sollten "neutral" sein gegenüber den Worten, Bildern, Erinnerungen, Gefühlen, Schlussfolgerungen, Erfahrungen ihres eigenen Lebens.

Politische Einmischung

Beispiel: Freispruch aus Staatsinteressen
Der nach Amerika geflüchtete Eckermann wird jahrelang wegen Mittäterschaft bzw. Anstiftung zu in Mord steckbrieflich gesucht. 1928 nimmt man ihn in Guaternala fest und liefert ihn an Deutschland aus. Das Schwurgericht Schwerin stellt in einem Fehlurteil vom 27. September 1929 fest, Eckermann habe in "Staatsnotwehr" gehandelt. Es beruft sich auf verschiedene Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen der Begriff des "übergesetzlichen Notstands" entwickelt und festgestellt worden ist, dass in außerordentlich schwierigen Situationen der Mord aus Vaterlandsliebe zum einzigen Mittel zur Behebung des Notstands und der Verteidigung der Staatsinteressen werden kann. Das Schwurgericht Schwerin erklärt, Notwehrhandlungen eines Einzelnen seien straflos, wenn die Lebensinteressen des Staates gefährdet seien.

Aus "Repressive Behörden? Die neue Härte gegen Klimademonstranten", in: Welt, 16.5.2022
In manchen Ländern – wie etwa in Nordrhein-Westfalen – wurde der Zeitraum zuletzt gesetzlich ausgeweitet, um Ermittlungen gegen Terroristen, Kinderschänder, Gewalttäter und Hooligans zu erleichtern. Dass dies nun auch Klimaaktivisten trifft, bringt den Ländern auch Kritik ein. Bereits vor der Verabschiedung der neuen Polizeigesetze in NRW hätten Experten davor gewarnt, dass die Anwendung nicht auf die Terrorbekämpfung beschränkt bleiben, sondern sich vor allem auch gegen die Klimabewegung richten würde ...
In NRW landeten zwischen 2019 und 2021 74 Klima-Aktivisten in längerfristigem Gewahrsam – zehn mal so oft wie Rechtsextremisten und Islamisten im selben Zeitraum. Das ging im März aus der Antwort der Landesregierung NRW auf eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion hervor.


Medien und öffentliche Meinungsmache
Suggestive Beeinflussung
Menschen lassen sich psychisch von anderen beeinflussen und übernehmen, besonders wenn Gefühle ins Spiel kommen, Äußerungen oder Emotionen oft unbewusst ohne Kritik und Widerstand. Auch in einem Strafverfahren besteht diese Gefahr - Suggestivfragen gefährden die Wahrheitsfindung, Verteidiger und Staatsanwalt können durch ihre Redekunst die Beteiligten beeinflussen.
Eine besonders starke suggestive Wirkung entfalten die Medien. In der Zeitung, im Rundfunk und Fernsehen wird ein größeres Verbrechen schon lange vor dem Urteil in allen Einzelheiten geschildert. Und nicht selten äußern Journalisten ihre Meinung über die Schuld des Angeklagten, so dass eine suggestive Wirkung auf die Jury nicht ausbleibt und einem Fehlurteil Tür und Tor öffnet.
In den USA werden die Geschworenen zwar vom Vorsitzenden ermahnt, vor der Beratung keine Berichte über den Fall zu lesen oder anzusehen und ihn auch nicht unter sich oder mit anderen zu besprechen. Aber dennoch ist vornehmlich in Sensationsprozessen die Gefahr groß, dass sich in den Medien und beim Publikum Emotionen breit machen, die nicht nur Zeugen und Geschworene suggestiv beeinflussen, sondern auch das rationale Denken des Richters beeinträchtigen können. Zahlreiche Fälle beweisen dies (zum Beispiel für die USA der Mordprozess Henry Olson und für Deutschland die Fälle Berchtold, Brühne und Weimar).

Medien glauben Gerichten und Polizei
Ständig werden Polizei-Presseinformationen von den Medien als Wahrheit übernommen. Damit erfolgen auch Vorverurteilungen, wenn z.B. die Polizei Fahndungserfolge oder bestimmte Tatabläufe vermeldet, die von den Medien unüberprüft übernommen werden.

Sozialrassismus
Bossi, Rolf (2006): „Halbgötter in Schwarz“, Goldmann in München (S. 96)
Der Vorwurf, er verprügle seit längerer Zeit Frau und Kinder, gilt fast automatisch als glaubwürdig, wenn der Beschuldigte Sozialhilfeempfänger ist. Ganz anders die Unterstellung gegenüber einer promovierten Pädagogin, sie misshandle seit Jahren ihren Mann.


Reine Äußerlichkeiten
Aus "www.deutschlandfunkkultur.de/wer-schoen-ist-hat-es-einfacher-im-leben-100.html", auf: Deutschlandfunk Kultur am 29.6.2006
Darüber hinaus wird schönen, attraktiven Menschen eher geholfen als unansehnlichen. Wie überhaupt ihnen insgesamt auch weniger Böses zugetraut wird. Das geht sogar so weit, dass hübsche Zeitgenossen vor Gericht eher freigesprochen werden als ihre unhübschen Mitmenschen und wenn sie doch verurteilt werden, dann zu geringeren Strafen.

Unkritisches Justizlob aus der Politik
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD)
Justizskandale gibt es nicht in Deutschland.

Dr. Hans Liedel (Hessisches Justizministerium)
Ich halte diese Anschuldigungen für albern. Unsere Richter sind unabhängig und an die Gesetze gebunden. Außerdem will ich erst einmal die vielen Fälle sehen, bei denen Fehlurteile ergangen sind.

Günter Oettinger (CDU) und Ulrich Goll (FDP)
In der Justiz gibt es keine Missstände.

Peter Briesenbach, NRW-Justizminister (CDU)
Die Justiz in NRW funktioniert.

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