Offener Raum

KRITIK UND OFFENE FRAGEN: DEBATTE UM DIE IDEE FREIER MENSCHEN IN FREIER VEREINBARUNG

Eine Mail - und die Reaktionen


1. Rechte oder Vereinbarungen?
2. Umgang mit Gewalt in einer herrschaftsfreien Utopie
3. Eine Mail - und die Reaktionen
4. Kritik am Christoph Spehrs "Gleicher als andere"
5. Links

Die Mail von Jörg S. auf der Hoppetosse-Mailingliste
„Freie Vereinbarungen“ sind bloss formal liberalistisch. Entwickelte gesellschaftliche Produktion beruht aber darauf, dass eine Vielzahl von Arbeitsprozessen an verschiedenen orten und zu verschiedenen Bedingungen Zeiten verlaesslich ineinander greifen, also die Vereinbarung eben nicht mal zwischendurch „frei“ zur Disposition gestellt werden kann.
Wie eine hochentwickelte Produktion so organisiert werden soll, ist schlicht laecherlich. Es sei denn, man mag ganz drauf verzichten. Das will ich aber nicht.
Abgesehen davon, dass diese Konstruktion im Kern zutiefst unsozial ist: Denn eine freie Vereinbarung zwischen verschiedenen Personen setzt voraus, dass sie jeweils alleinig ueber bestimmte Rechtspositionen verfuegen (an Boden, Wasser, Betrieben etc...), denn sonst koennten sie eine solche „freie Vereinbarung“ mit anderen Menschen ja gar nicht allein treffen. Weshalb aber nun Boden, Wasser, Betriebe etc... nur den Menschen, die dort wohnen und arbeiten und nicht der gesamten Gesellschaft zur Verfuegung stehen sollen, muss mir dann schon noch als fortschrittlich klargemacht werden.- Zunaechst halte ich das schlicht fuer eine Ideologie von kleinkapitalistischer fruehindustrieller Produktion, die rein garnix mit Emanzipation zu tun hat. Es ist ein Horrormodell fuer all jene, die nicht ueber Grund und Boden verfuegen, am Wasser wohnen oder in einem Betrieb arbeiten. Sie erhalten noch nicht mal Ansprueche, die ihnen im Kapitalismus moderner Praegung aufgrund von verbindlichen Rechten -z.B. aus einem stinkbuergerlichen Arbeitsvertrag- auch gegen den einzelnen Kapitaleigner (und sei er auch die sich fuer links haltende Dorfkommune) zustehen.

wenig zur diskussion beitragen. es war dein beispiel - wie wuerde
sich das denn in der praxis regeln?

Also ... zwei Dinge vorweg:

  1. ich werde es nur verkuerzt darstellen (ist ja ein komplexer Punkt)
  2. ich kann nur aus der heutigen Sicht eine Moegilchkeit andeuten ... was sich unter Herrschaftsfreiheit alles entwickelt, ist offen.

„Freie Vereinbarungen“ heisst, dass alle gleichberechtigt sind und so an die Fragestellung gehen. Natuerlich nicht in jedem Fall, sondern auch im Prozess der Planung. Es gibt keine institutionelle Ebene, sondern einen offenen Prozess der Interessierten und Betroffenen. Wenn also das Beduerfnis einer Mobilitaet nach da und da (bzw. ueberhaupt) gross ist, werden Menschen zusammenkommen und eine Loesung erarbeiten (oder mehrere Alternativen oder wie auch immer). Es gibt kein Machtmittel der Durchsetzung - und das ist gut so! Deshalb wird eine Loesung gesucht werden, die durch kreative Planung eine hohe Akzeptanz zu erreichen versucht. Denn umgesetzt wird sie wenn der (organisierte) Widerstand in der Gruppe oder auch aussen nicht kommt und genuegend Menschen das Projekt unterstuetzen, dass es auch verwirklicht werden kann (von den Ressourcen her).
Das Ganze wird aber nicht irgendwie abgehoben im Raum stehen, sondern im Gefuege vieler Beziehungen, Treffpunkte, Kommunikationsstrukturen usw., die die Menschen zum Zwecke eines besseren Lebens natuerlich organisieren werden - was soll denn dagegen sprechen. Das Handlungspotential wird ja nicht verringert, wenn die Herrschaft fehlt, sondern staerker zielgerichtet zum besseren Leben.
Genau weil eine zentrale Planung mit Durchsetzungsmoeglichkeiten fehlt, wird die Neigung am groessten (nicht: sicher - das gibt es nicht) sein, eine kreative und maximal akzeptierte Loesung zu finden. Der Gegenwille kann halt nicht uebergangen und gebrochen werden - mal abgesehen, dass die Existenz von Herrschaftsstrukturen nicht nur im Einzelfall die Qualitaet mindern kann, sondern Tor und Tuer dem Missbrauch oeffnet. Wo es Herrschaft gibt, wir sie auch so angesehen und benutzt (oder wuerde noch jemand mit seinem/r NachbarIn verhandeln, wenn sowieso andere das Sagen haben?).
Soweit hierzu. Auf den Gegenvorschlag warte ich dann weiter.

denn auch einer freien vereinbarung, wenn ich in die naechste
sparkasse gehe und sage, ich will jetzt mal den tresorraum sehen,
aber dalli?

Wie entsteht eine Sparkasse in einer Gesellschaft ohne Herrschaft? Hoechstens als kollektive Verwahrungsinstanz des gemeinsamen Reichtums - Schluessel haben alle. Also ist es doch so ... ;-)

bei dir klingele und sag, mach doch mal den kuehlschrank
auf? oder [insert your favorite example here]?

Wann kommst Du? Freue mich ... wie waers mit 21.-23.12. (wird eh immer spannender, weil sich diesmal mehr Leute anmelden und es ein Open Space mit verschiedenen Themen wird, zwischen denen auch gewechselt werden kann (Organisierung von unten, Direct-Action-Trainings, Readerschreiben Entscheidungsfindung von unten).

moeglichkeit ein, wie wirklich vorhandene interessengegensaetze -
autofahrende wollen fahren, kinder spielen - geloest werden koennen,

Genau diese Unueberbrueckbarkeit macht wichtig, dass es keine Entscheidungsstruktur gibt. Dort waere es naemlich moeglich, dass sich eine durchsetzt - und so wuerde gehandelt. In der andere gaebe es eine Fuelle kreativer Moeglichkeiten ... zur Frage des Aussehens der Strasse, der Geschwindigkeit oder der Alternativen zum Automobil ohne dieses Gefaehrdungspotential.

schlecht den weg ueber die wiese hinterm haus nehmen, wenn kinder
gerade auf der strasse spielen wollen, umgekehrt ginge es aber ganz
gut.

In berlin-mitte auch?

und du meinst bei der „freien vereinbarung“ gebe es das alles
nicht?

Wenn niemand Entscheidungsmacht hat, wieso sollte ich jemanden bestechen?

machstruktur: die bewohnerInnen stellen an den ortseingaengen ihre
autos quer, damit die durchfahrenden nicht durchbrettern und ihre
kinder totfahren: „das ist unsere strasse.“ -> macht. die
autofahrenden, die vielleicht da sogar dringend durchmuessen:
machtlos.

Ja, das ist moeglich (und gut, denn sie koennen ihre Autos nun auch nicht mehr benutzen, weil die als Blockaden gebraucht werden ;-)
Es entsteht aber ein deutlicher Druck auf eine kreative Loesung. Bei einer Machtstruktur kommen die Bullen, raeumen die Autos, lochen die FahrerInnen ein und zaehlen die Statistik der ueberfahrenen Kids.
Genau darum geht: Nicht um die Frage, was immer funktioniert, sondern was am wahrscheinlichsten macht, dass es eine kooperative Loesung gibt. Und das ist, glaube ich, dann so, wenn es keine Herrschaft gibt, die genutzt werden kann.

seilschaften: nachbarn klingeln und sagen, ihr kind moechte jetzt
auf der strasse spielen, ob die anderen nicht vielleicht mal helfen
wuerden,

Das ist genau keine Seilschaft, sondern eine spontane Aktionsgruppe. Kann auch Probleme schaffen, ist aber nicht institutionalisiert.

bestechung: „das ist aber eine schoene kiste wein im kofferraum,
vielleicht koennen wir fuer zwei flaeschchen ja doch mal schnell fuer
ein paar minuten die strasse aufmachen“

O.K. (wo der Ruf erst ruiniert ist - ist in der Regel nur Leuten in herrschaftssturktukren egal) Aber die Entscheidung stellt sich doch nicht da, sondern ob es die Strasse gibt.

nee, joerg, es macht doch keinen wirklichen unterschied, ob gremium
oder so genannte „freie vereinbarung“, die probleme sind bei

interessengegensaetzen wohl einfach da.

Ja, aber wie gesagt, es ist die Frage, unter welchen Bedingungen am wahrscheinlichsten eine kooperative Loesung rauskommt. Da bleibe ich klar bei meiner Position. Ueber das Gegenmodell vergleichend zu reden, geht zur Zeit noch nicht. Weil ausser „irgendwie irgendwo muessen irgendwelche Leute entscheiden, aber die tun das aus irgendeinem Grunde irgendwie voll gut und das wird auch irgendwie von irgendjemandem kontrolliert und wenn sie scheisse sind passiert irgendwas“ noch ncihts formuliert wurde. Aus gutem Grund, denke ich ...

und weil vielleicht die
menschen per se erstmal nicht „gut“ sind.
Genau deshalb Bedingungen, die kooperatives Verhalten maximal foerdert. WEil die Menschen nicht per se „gut“ sind, duerfen sie nicht auch noch mehr Herrschaftsstrukturen agieren koennen.

in linken zusammenhaengen ohne starre regelungen und gremien sehen,
dass es zu machtstrukturen und seilschaften etc. kommt, wenn ich

mich recht entsinne, schimpfst du doch auch haeufiger darueber. ;-)

Oh geil. Wo gibt es keine starren Regelungen und Gremien???? Da will ich hin ... :-)
Nein, gerade dass es das nicht gibt (mit kreativen Entscheidungsfindungsmethoden), kritisiere ich! Es gibt zwar Gruppen, die bezeichnen sich an antiautoritaer u.ae., haben aber zentralistische Gremien (offen wie Plena oder intransparente Zirkel).

je mehr ich drueber nachdenke hat joerg s. mit seiner bezeichnung vom
„faustrecht“ wohl doch eher recht. allein dieses strassen-beispiel

erinnert mich doch historisch an kleinstaaterei und wegezoll.

???
Herrschaftsfreiheit erinnert Dich an Herrschaftsstrukturen?
Joerg

Unternehmens beschlie¯t, dann macht er das weder, weil die Stadtraete den Unternehmer so toll kennen oder gar mit ihm was >abgekungelt haben, sondern, weil sie wollen, dass das Unternehmen sich eben gerade in X ansiedelt. Dann versuchen sie natuerlich, die Bedingungen in X moeglichst attraktiv zu machen; vielleicht machen sie auch Sonderangebote usw...
Ähmmm ... ich will ja nicht frech werden, aber: Hast Du schon Kommunalpolitik gemacht?>Tatsächlich ist das nur ein Nebengrund. Was interessiert die Politleute das Wohl der Stadt? Meist ist entscheidender, wieviel Geld die Leute vom Investor zugesteckt bekommen (oder deren Partei), ob sie selbst oder Verwandte Flächen im Gebiet haben, die dann zu Bauland werden usw.
Deshalb brauchen diese Gremien auch garnicht so oft zu kungeln. Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht tagen sie auch >nicht geheim, sondern sogar ganz oeffentlich.

Ähmmm ... wirklich, hast Du das schon mal gemacht?

Parteien, Koalitionen und informelle Zirkel (wo die Entscheidungen fallen) sind geheim.

Ausschußsitzungen, wo über Grundstücke, Kaufverträge usw. geredet wird (also die dahinterliegenden Interessensstrukturen) werden für diesen Abschnitt meist auch für geheim erklärt und die zwei ZuschauerInnen (aus der 20.000-EinwohnerInnen-Stadt, die überhaupt da sind) rausgeworfen.

Ich war mal im Presseverteiler der Gemeinde Reiskirchen. Da hast Du VORHER die Unterlagen zu den TOPs mit den Abstimmungsergebnissen bekommen (weil schon vorher angekündigt war, wie wer abstimmen soll)!

Dort meinen sie auch, was sie sagen, naemlich z.B. „Die Ansiedlung in X schafft Arbeitsplaetze“.

Warum sollten PolitikerInnen Arbeitsplätze wirklich interessieren? Sie reden immer davon (wegen der nächsten Wahl), treffen aber ständig Entscheidungen, von denen auch sie wissen, dass sie vor allem Rationalisierungen und damit weniger Arbeitsplätze bringen. Interessiert sie aber nicht.

Wer hier Verschwoerung vermutet, liegt echt total analytisch daneben.

Wer immer nur glaubt, es würde nicht gekungelt, lebt an der Realität ziemlich vorbei ... die Politzirkel werden Dir diesen Beitrag sicher danken (und sich vor Lachen über diese naive Sicht ihrer Tätigkeit auf die Schenkel klatschen - aber zum Glück lesen sie nicht mit).
Nicht die Ökonomie regiert die Welt, sondern das System Herrschaft.

das kann man nur durch strukturelle kontrollierende Verfahren verhindern: imperatives Mandat, jederzeitige Abwaehlbarkeit, >Amtszeitbegrenzung, Rechenschaftspflicht, Rotation etc... .

Hä? Ist das alles? Wie wird das dadurch verhindert? Wenn ich doch meiner basis nicht erzähle, was wirklich läuft, wird sie mich auch nicht abberufen - das ist doch mit der Wahl alle 4 Jahre auch so.

Demgegenueber kann die „freie Vereinbarung“ - da sie ja Gremien mit

Und schwupp ... schon wieder beim Lästern über die freie Vereinbarung. Nein. Da muss jetzt, wenn wir weiterdiskutieren wollen, schon mehr einer kontrollierten Demokratie kommen.

Wenn irgendjemand nicht will, dass die
Stra¯e an seinem (!) Haus gebaut wird, kann er das - wie ein Eigentuemer im Kapitalismus - einfach durch sein „njet!“ >verhindern.

Nein, er kann es eben nicht so folgenlos (folgenlos im Hinblick auf die gesellscahftliche Kooperation, auf die Menschen bei Abwesenheit von Herrschaft angewiesen sind, wenn sie sich weiterentwickeln wollen). Als Mensch in einer Herrschaftsstruktur geht das, was Du beschreibst (wird ja ständig bewiesen). Wo die Autobahn gebaut wird, wohnen die entscheidenden Politleute meist nicht ...

Freie Vereinbarungen sind also gerade nur unter Verhaeltnissen denkbar, in der es Privateigentum oder eine erwaehnte >privateigentuemer-aehnliche Stellung gibt.

Verweigung zu einer Kooperation mit der Herrschaftsebene Eigentum gleichzusetzen, zeugt schon von einer sehr schlechten Analyse - und zeigt, dass Dir die Interessen der Einzelnen sehr, sehr egal sind. Das meiste Gehirnschmalz investierst Du in die Frage, wie der Wille des Einzelnen übergangen werden kann. Das klingt schon reichlich gefährlich.

Wieso? Irgendwie muss entschieden werden - zur Not auch gegen einzelne Interessen.

Dieser Notfall ist aber doch der Normalfall. Und die Not die Legitimierung.

Hier will ich aber, dass moeglichst viele Menschen daran strukturell beteiligt werden.

Bitte: Wie???? Beschreib das doch mal.

Ich will auch nicht, dass „Einzelne“ eine
Entscheidung einfach mal fuer immer blockieren koennen.

Das ist mit Herrschaftsstrukturen aber sehr gut möglich.

Das ist naemlich auch eine Entscheidung! Und das ist dann richtig autoritaer gegenueber den „Vielen“.

dass die Verweigerung einer Kooperation autoritär ist, zeichnet Dich schon als einen Sympathisanten totalitärer Ideen aus. Ich habe Angst vor diesen Gedankenmodellen. Nach einer solchen „Machtübernahme“ ist alles offen an derben Machtmißbrauch ... Du würdest nach Deiner Logik FreiRäume noch weniger anerkennen als der Staat jetzt. Wenn in Deinem Modell die Projektwerkstatt weg soll, bleibt mir nichts mehr - die ist dann einfach weg. Das mal als ein Vorschlag, an dem Du Dein Modell mal erläutern darfst.
Oder an der Frage der Nichtdeutschen in einem Ort.

Ah ... dann kommt ja etwas Genaueres, dazu:
diese sind den entscheidungen der basis verbindlich verpflichtet und ihr rechenschaftspflichtig.

Wie jetzt. Wie kriegst Du es hin, dass sie auch Transparenz überall schaffen?

sie entscheiden dann in diesem vertretungsgremium. gegebenenfalls gibt es dem uebergeordnete gremien, falls ein solches >eingerichtet worden ist, um „ueberregionale“ bzw.
„ueberstrukturelle“ interessen zusammenzufuehren oder zu entscheiden.

Wer entscheidet, was überregional ist? Können übergeordnete einfach selbst entscheiden, dass etwas übergeordnet ist (wenn ihnen die Entscheidung „unten“ nicht paßt)?
Was ist mit der Logik Metropole - Peripherie in diesem Modell? Was genau unterscheidet es von der 4-Jahres-Wahl-Logik bei Direktwahl der KandidatInnen, was es ja in einigen Staaten gibt?

gegebenenfalls auch durch delegierung, aber sie sind eben generell

Und: Sind BUND, Gewerkschaften, parteien usw. dann nciht paradiesisch? Für sie gilt alles, was Du forderst: Delegierte wählen jeweils die Gremien eine Ebene höher. Sie sind rechenschaftspflichtig, können jederzeit abberufen werden. Toll. Aber in der Praxis ... die Vorstände erzählen über ihre Arbeit, was sie wollen und werden dann wiedergewählt.

1. man vergisst das gemeinsame Projekt einfach, weil es zu nervig ist,
2. man belabert die Gegenseite solange oder dealt irgendwas informell aus, damit sie dann doch „freiwillig“ zustimmt (was >gesellschaftlich total intransparent ist) oder
3. man rueckt mal mit Arni Schwarzenegger der Gegenseite aufs Dach, damit sie sichs nicht vielleicht doch noch ueberlegt.
Das 4. (kreative Lösungssuche, weil das einfache Durchsetzen über Herrschaft) läßt Du geschickt einfach weg, obwohl von mir immer benannt. Das hat mit Debatte wenig zu tun.

Zum Glueck! Denn ich will, dass auch dann etwas real entschieden wird. Und nicht mal schlicht - weil Herrschaft - garnix >entschieden wird.

Willst Du damit andeuten, dass alle Runden ohne Herrschaft nie entscheiden?
Gehe ich recht in der Annahme, dass Du das noch nie erlebt hast? Wäre vielleicht mal ganz heilsam (was darf ich eigentlich aus Deiner Aussage für Deine Beziehungen, Gruppenstrukturen usw. ableiten ...? ;-)

Es geht um die
Bedindungen, unter denen moeglichst oft kooperativ und moeglichst
selten konkurrierend/dominierend gehandelt wird! Herrschaft macht
Dominanz einfacher und damit wahrscheinlich haeufiger!

Ja, ja, der Mensch „an und fuer sich“ ist so. Ich sagte Dir bereits in Halle, dass ich diese Anleihe bei Hegel fuer nicht gluecklich halte.

Hä?????

Seit etlcihen Mails sage ich (auch in Halle), dass es genau nicht darum geht, wie der Mensch ist, sondern unter welchen Bedingungen er sich eher kooperativ verhält. Genau das habe ich geschrieben. Wie kommst Du auf Hegel?

Menschen in „freien Vereinbarungen“ koennen sich aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben einfach herausloesen, indem >sie keinen der Kontrakte eingehen.
Es ist sogar wichtig, dass es diese Option gibt. Wer zum kooperieren gezwungen ist, ist nicht frei. Das haben wir gerade schon, das will ich weg haben (z.B. zwang zur marktförmigen Reproduktion).

Wieso diffamierend? In Deinem Buch beschreibst Du doch gerade, dass die Dezentralitaet oekologisch sinnvoll sei, indem man >damit unsinnige Gro¯projekte verhindert.
Ich sage dagegen: Das mag sein. Aber man verhindert nicht nur
unsinnige, sondern eben ALLE Gro¯projekte,

Das ist Deine Ableitung, nicht meine.

mal - so etwa das 16.Jhdt. frueher Manufakturei.

Ah, da war es herrschaftsfrei. Ist mir neu. Neben Kommunalpolitik scheinst Du Dich auch in Geschichte nicht auszukennen ;-)
Was waere dagegen generell einzuwenden ausser im konkreten Fall?
Nichts. Und dann würde es das auch geben.
Gruß ... ebenfalls Jörg

 Auch wenn ich immer noch nicht weiß, wie sich das Problem im Rahmen freier Kooperationen sinnvoll lösen ließe, möchte ich doch die Dem-Zent.-„Lösung“ kritisieren. Mal abgesehen davon, dass eine Diktatur der Mehrheit über die Minderheit sicherlich nicht besonders erstrebenswert ist (würdet ihr eine Müllkippe neben dem Haus in dem ihr wohnt gut finden, nur weil die Mehrheit dies entschieden hat?) sehe ich ein weiteres gravierendes Problem: Das Kind hatte keinen Einfluß auf die Entscheidung. Dies kommt auch sehr gut aus der Geschichte mit den drei Bären am Anfang von C. Spehrs „Gleicher als andere“ (m.E. das einzig wirklich gute an dem Teil). Also selbst wenn wie in Andreas´ Beispiel mehr Spielplätze und weniger Straßen gebaut werden, so hat das Kind trotzdem keine Möglichkeit gehabt, auf die Entscheidung, was wo gebaut wird, was es wie nutzen darf etc. Einfluss zu nehmen. Dann müßten ihn also wieder Erwachsene erkären, was sie (wegen überkommener Regeln) zu tun und zu lassen haben und gegebenenfalls dies auch noch durch Zwangsmaßnahmen durchsetzen - die autoritäre Erziehung würde fortleben.
li(e)bertäre Grüße, mich(A)el

auch wenn m.E. die „freien Vereinbarungen“ kein 100%-ig durchdachtes Theoriesystem sind (und wie ich bereits schrieb, es wohl auch gar nicht sein sollen) und mensch das Konzept durchaus kritisieren kann (ist schon ´ne idealistische Annahme das alle Menschen irgendwie ganz doll kreative Methoden erfinden und akzeptieren, die allen gerecht werden), denke ich, dass du was falsch verstanden hast (oder genauer: es „falsch“ bewertest):
du schreibst:
'natürlich kann auch bei der freien vereinbarung macht ausgebübt werden.'
das Bsp. mit dem Wasser habe ich weggelassen; das mit dem Autos und der blockierten Straße finde ich zur Erklärung besser geeignet. Bis jetzt ist es doch so, dass Bau und Nutzung der Straße (weitestgehend) unabhängig vom Willen der konkret Betroffenen entschieden wurden. Wenn diese nun die Straße blockieren, üben sie meinetwegen Macht aus; es ist aber für sie auch der einzige Weg, den Mißstand unfreier Vereinbarungen zu ihren Lasten zu beenden. Das Machtmittel wird zur Verhinderung von Konsequenzen vermachteter, unfreier Vereinbarungen eingesetzt, um eine freie herbeizuführen.
Durch die Blockade der Straße schaffen sie die Notwendigkeit einer Diskussion über deren Verwendung. Da es ja (wahrscheinlich) auch nicht in ihren Interesse liegt, sich von der Außenwelt abzuschneiden, haben sie auch durchaus ein Interesse an einer Lösung - wenn nun beide Seiten dieses haben, werden sie hoffentlich auch in der Lage sein, eine zu finden. Zusammengefasst: Von unfreien Vereinbarungen Betroffene verhindern deren Ausführung um eine frei(er)e herbeizuführen; dazu müssen sie sich Verhandlungsmacht, die sonst per „Normalzustand“ nur der Gegenseite zur Verfügung steht, aneignen. Wieso du dieses Mittel ablehnst, ist mir unverständlich - wie sonst soll Widerstand aussehen? btw: Würdest du auch einen Streik ablehnen, weil er „autoritär“ und „Machtausübung“ gegenüber KapitalistIn und StreikbrecherInnen wäre?
Noch was: wie soll denn nun deiner Meinung nach mit Menschen in einer Radikaldiktatur der Mehrheit über die Minderheit (sorry, Radikaldemokratie natürlich ;-) ) umgegangen werden, die sich doch glatt nicht der gesamtgesellschaftlichen Entscheidung beugen wollen - das sich ihr immer alle fügen halte ich doch für eher unwahrscheinlich? „Notfalls“ dann vielleicht doch Panzer, Knäste etc.?
li(e)bertäre Grüße

tja, gute frage. notfalls vielleicht schon?


soweit ich das ganze verstanden habe beruht das ganze gebilde
darauf das der mensch an sich vernuenftig ist,

Nein - der „Mensch an sich“ ist gar nix. Mindestens extrem wichtig (wenn nicht das Entscheidende ueberhaupt) sind die Sozialisation und die Rahmenbedingungen des Handelns ... was nicht das gleiche ist, aber oft sehr aehnlich, weil sich die Bedingungen nur selten von heute auf morgen aendern.
Also: Es geht im die Frage, welche Rahmenbedingungen foerdern, dass die Menschen kooperativ agieren oder nicht. Wenn es gesellschaftlichen Reichtum gibt und keine Moeglichkeit, ueber Herrschaft zu agieren, dann ist das der Fall - so jedenfalls meine Ueberzeugung.

z.B. : es wuerden andere modelle der Fortbewegung als zb autos
gefunden . Aber was machen mit menschen die autos einfach toll
finden ?

Das muessten sie dann zunaechst formulieren (was ja schon ein Fortschritt waere, denn es wuerde als Partialinteresse wahrgenommen und so diskutiert - wie die Hoffnung, auf der Strasse spielen zu koennen). Und dann begaenne die Debatte auf gleicher Ebene. Die groesste Chance zur Einigung im kooperativen Sinne. Loesungsmodelle gaebe es viele ... aber ob der Vorschlag ueberhaupt kommt, bin ich mir nicht so sicher.

ich zum bsp. habe meinen Trabbi geliebt

Hast Du ihn als Fortbewegungsmittel von A nach B geliebt? Dann koentnte es auch anderes geben.
Hast Du ihn als Trabbi geliebt? Dann koennte er auch im Vorgarten stehen.

was ist z.b. mit menschen die der freien kooperation weder
zustimmen noch ablehnen koennen ? so z.b. deren geistige
faehigkeiten derart eingeschraenkt sind das sie nicht mehr
in der lage dazu sind? bringt dies das ganze zum wanken

oder gibt es dafuer loesungansaetze?

Die Frage ist nicht schwieriger als unter Herrschaftsverhaeltnissen, nur das die Einigung darum „von unten“ kommt. Das ist aber auch sinnvoll, denn eine Akzeptanz, immer wieder erstritten, ist letztlich eine bessere basis als das Gerede von den Menschenrechten an und fuer sich, die so gerne gefuehrt wird - bis eine andere Regierung und vor allem ein anderer Diskurs laeuft (siehe Asylrecht oder auch sichtbar bei „von D darf nie wieder Krieg ausgehen“ usw.). was keine Basis hat, hat keine Dauerhaftigkeit.

Weitere Kritik
J.(Juso) auf der Hoppetosse-Mailingliste (Sept. 2003)
Trotz seines Klassencharakters ist der bürgerliche Rechtsstaat m. E. ein zivilisatorischer Fortschritt an sich. Stell Dir vor, es hängt allein davon ab, ob Du auf dem Utopie-Plenum klarkommst, ob Du danach eine Matschtomate erhältst oder nicht... Gerade die Schwachen benötigen eine starken (Sozial-) Staat. Und eine Polizeiwache in der Nachbarschaft - denn sie können sich keine privaten Sicherheitsdienste leisten.

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