Offener Raum

Ö-PUNKTE 1/1998

Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip


1. Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes
2. Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5
3. Die Entstehung der Idee nachhaltiger Waldwirtschaft 8
4. Bewertung der mittelalterlichen Tradition der Nachhaltigkeitsidee
5. Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip
6. Bewertung des nachhaltigen, aufgeklärten Forstwirtschaftsprinzips
7. Die Entwicklung bis Rio im Überblick17
8. Bewertung der jüngeren Entwicklung
9. Die Konzeption von Rio22
10. Aufruf zur kritischen Diskussion

Die Nachhaltigkeitsidee geriet in den folgenden Jahrhunderten nicht wieder in Vergessenheit. Doch die Böden waren ausgewaschen. Infolgedessen konnte sich die bisher weitestgehend standortfremde Fichte behaupten.13 Landesherrliche Verordnungen regelten ab dem 16. Jahrhundert vermehrt die möglichst ordnungsgemäße Plünderung der schnell nachwachsenden Fichtenkulturen.14 Dabei spielte die Forderung, Bäume nicht ohne Nachpflanzung einzuschlagen, weiterhin die zentrale Rolle. In der Praxis wurde sie aber nur ungenügend beachtet. In Reaktion darauf entwickelte man aus der mittelalterlichen Nachhaltigkeitsidee im 18. Jahrhundert ein systematisches Bewirtschaftungsprinzip. Dieses prägt Landschaft und Wälder bis zum heutigen Tag. Denn aus den zunächst reaktiv erfolgten Fichtenanpflanzungen wurde nun deren systematisch-planmäßige Anlage in weit verbreiteten Monokulturen. Der Waldanteil an der Gesamtlandesfläche stieg nun langsam an und erreichte bis zum Jahr 1800 etwa die heutige Größenordnung.

Konkreter Anlaß für diese Entwicklung waren die Folgen des Dreißigjährigen Krieges.6 In der wirtschaftlichen Wiederaufbau und -umbruchphase mit nunmehr ersten industriell geprägten Manufakturbetrieben und frühkapitalistischen Strukturen war der Bedarf an Rohstoffen enorm. Die Holzversorgung mußte neu und dauerhaft geregelt werden. So wird die weitere Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsidee intensiv von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandlungsprozessen des Barock und der Aufklärungszeit geprägt. Die Naturwissenschaft als Erkenntnismethode wurde begründet, erste Wirtschaftstheorien aufgestellt und das Naturverständnis wandelte sich grundlegend.

Prägend wurden die Naturvorstellungen von Francis Bacon und René Descartes.3 Sie behaupteten, der Wert der Natur liege einzig und allein in ihrem Nutzen für den Menschen. Um seine Ziele zu erreichen, müsse der Mensch sie mit Hilfe der Naturgesetze beherrschen lernen. Er könne die riesige Maschine Natur mit Hilfe exakter mathematischer Berechnungen genau erkennen und seinen Interessen gemäß bedienen. Im Laufe der weiteren Entwicklung setzte sich diese Vorstellung mechanisch-technischer Machbarkeit vollends durch. Sie wurde ergänzt von einer neu auftretenden Angst vor Kargheit und Mangel. Es hieß, es gäbe nun keinen Gott mehr, der für alle sorge. Stattdessen müsse sich der Mensch selbst das Minimum zum Überleben aus der Natur abringen. Nur durch derartige Naturbeherrschung entstünde materielle Sicherheit und damit die Freiheit der Selbstverwirklichung.

Konkret war es wieder die Angst vor Holzmangel, die die Fortentwicklung des Nachhaltigkeitskonzepts prägte.15 In der ersten forstlichen Schrift von wissenschaftlichem Anspruch führte im Jahre 1713 der Freiberger Berghauptmann Hanns von Carlowitz aus, daß "... eine continuirliche ... nachhaltende Nutzung ... eine unentberliche Sache ist ...".15 Doch als eigentlicher Vater der Nachhaltigkeitsprinzips in der Forstwirtschaft gilt der Berliner Universitätsprofessor Georg Ludwig Hartig, dessen 1795 erfolgte Definition lautet: "Unter Nachhaltigkeit ist das Streben nach Dauer, Stetigkeit und Gleichmaß der Holzerträge zu verstehen".15 Ab Ende des 18. Jahrhunderts wurden in allen Territorien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Forstverwaltungen in diesem Geiste aufgebaut. Folgerichtig beschreibt ein kürzlich herausgegebenes forstliches Lehrbuch Forstwirtschaft und Nachhaltigkeit als eine Art Symbiose: "Im Gefolge der menschlichen Beeinflussung ? in den letzten 200 Jahren durch die forstliche Bewirtschaftung - wurden die natürlichen, mit Klima und Boden im Gleichgewicht stehenden Waldstrukturen weitgehend ersetzt durch Forsten - meist aus Nadelbäumen - die sich ohne wirtschaftliche Tätigkeit des Menschen nicht selbst erhalten und regenerieren können. Der Begriff Forst bezieht sich also stets auf Wald, der geregelter menschlicher Einflußnahme unterliegt ...". Und Nachhaltigkeit sei eben diese Einflußnahme, "der Inbegriff geregelter Forstwirtschaft".15

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