Laienverteidigung

SELBSTVERTEIDIGUNG VOR GERICHT: RECHTE, FORMALE MÖGLICHKEITEN UND AKTIONEN

Tipps für den Prozess selbst (Gerichtsverhandlung)


1. Tipps für Angeklagte mit und ohne Rechtsbeistand/AnwältIn
2. Tipps in der Vorphase des Prozesses
3. Tipps für den Prozess selbst (Gerichtsverhandlung)
4. Beweisaufnahme
5. Plädoyers und Letztes Wort
6. Urteil
7. Aussagen und Sachverständige
8. Berufung, Revision & Co. - nach dem ist vor dem ...
9. Das Publikum
10. Angst vor Gericht(en): Einschüchterungsgründe vor Gericht und Umgang mit denen
11. Berichte und weitere Links
12. Direct-Action-Hefte zum Thema und weitere Materialien

Dann geht es irgendwann los. Per förmlicher Ladung wird zum ersten Termin geladen. Wer nicht hingeht, muss mit Folgen rechnen: Entweder der Verhaftung, Vorführung vor Gericht und eventuell auch Ordnungsstrafe oder dem Verwerfen eines Widerspruchs, d.h. bei einem Verfahren mit vorherigem Strafbefehl oder in der Berufung wird einfach abgebrochen und es gilt die Urteilshöhe aus Strafbefehl oder erster Instanz. Gefährlicher ist das Verpennen des Termins also in letzteren Fällen, während im ersteren eine Art uniformierter Taxifahrt wartet.
In der Ladung sind die vom Gericht geladenen ZeugInnen aufgelistet – meist die der Staatsanwaltschaft. Es ist möglich, im Vorfeld eigene ZeugInnen zu benennen. Aber der Sinn ist fraglich, denn damit gibt mensch der Gegenseite Hinweise auf die eigene Strategie. Alle ZeugInnen können auch noch während der Verhandlung benannt werden, vor allem in Form des Beweisantrages.

Gestaltungsmittel im Prozess
Die Idee offensiver Prozessführung ist, die Verhandlung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Wer welche Fragen gestellt bekommt, wann welche Vorgänge kommentiert oder durch Aktionen untermalt werden, welche ZeugInnen oder anderen Beweismittel noch hinzugezogen werden und wie lange das Ganze dauert – das alles soll nicht mehr die Sache der AngreiferInnen in Robe und Uniform sein, sondern die Sache der Angeklagten (mit oder ohne Hilfe eines/r AnwältIn).
Die Gestaltungsmittel sind:
  • Befangenheitsanträge gegen RichterInnen, GerichtsschreiberInnen (ProtokollantIn) und andere beteiligte Gerichtspersonen. Diese haben zum Inhalt, dass die so angegriffene Person voreingenommen sei gegenüber dem Angeklagten, z.B. aus politischen Gründen, wegen dessen Kleidung ... Befangenheitsanträge können konkrete Vorgänge hinterfragen oder die Rolle der Richtenden kritisieren. Sie müssen immer sofort gestellt werden, nachdem der Grund dazu entstand. Steht die Befangenheit schon vor dem Prozesstag fest, sollte der Antrag zu Beginn auf dem Tisch des/r RichterIn liegen.
  • Beweisanträge sind das zentrale Mittel, den Prozess zu gestalten. Sie dienen dazu, bestimmte Behauptungen zu beweisen – und dazu können Verhaltensweisen von Repressionsbehörden, Tatsachen über den verhandelten Gegenstand (von Genfeldern über Nazistrukturen bis zu Besitzverhältnissen) und politische Hintergründe gehören, wenn sie sich in die Form des Beweisantrages gießen lassen. Diese Anträge gehören zur Beweisaufnahme, dem Hauptteil eines Strafverfahrens (zumindest wenn kein Geständnis erfolgt). Näheres zur Form und zu Einsatzmöglichkeiten siehe im Abschnitt „Beweisaufnahme“.
  • Persönliche Stellungnahmen: Nach jedem Abschnitt des Prozesses, also auch nach jeder/m ZeugIn, jeder Verlesung eines Schriftstückes u.ä. hat die angeklagte Person das Recht auf eine persönliche Erklärung. Das ist ein wunderbares Mittel, um Vorgänge zu politisieren oder Verhaltensweisen und Abläufe zu kritisieren. Es können kurze Gedichte vorgetragen werden und vieles mehr. Das Recht kann nicht an AnwältInnen abgegeben werden. Das wäre auch nicht geschickt, denn die Angeklagten sind die politischen AkteurInnen – einE VerteidigerIn „nur“ ihr rechtlicher Beistand.
  • Geschäftsordnungs- und ähnliche Anträge: Jederzeit können formlos oder schriftlich Anträge zum Ablauf gestellt werden, z.B. dass etwas protokolliert werden soll, die Sitzordnung geändert wird oder eine Pause gemacht wird. Gerade Pausen sind wichtig, denn viele Angeklagte stehen unter großer Anspannung vor Gericht und wagen sich wenig. Eine Pause hilft viel: In Ruhe einen Antrag mit FreudInnen diskutieren, schreiben und dann vorlesen. Das bringt Selbstsicherheit in die Abläufe. Manche Anträge können auch politisieren, z.B. sich in eine Diskussionsrunde zu setzen statt dass das Gericht auch vom Mobiliar her von oben herab agiert. Unterbrechungsanträge sind auch möglich für Lektüre oder Klärungen usw., zur Vorbereitung von Statements bzw. Fragen an ZeugInnen. Bei Ablehnung der Pause Gerichtsbeschluss beantragen und nach wiederholter Verweigerung eventuell Befangenheitsantrag wegen Verhinderung der Verteidigungsfähigkeit stellen. Weitergehend als eine Unterbrechung der Aussetzungsantrag, bei dem das Verfahren abgebrochen und neu begonnen wird. Das ist nur in Ausnahmefällen möglich, z.B. wenn einE ZeugIn überprüft oder ein neues Gutachten eingeholt werden soll.
  • Unterbrechungsanträge möglich für Lektüre, Antragsstellung, Klärungen usw., zur Vorbereitung von Statements bzw. Fragen an ZeugInnen, für Beweisanträge, bei Ablehnung Gerichtsbeschluss beantragen. Weitergehend ist der Aussetzungsantrag, bei dem das Verfahren abgebrochen und neu begonnen wird. Das ist nur in Ausnahmefällen möglich.

StPO § 265
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den im zweiten Absatz bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.


  • Weitere Anträge: Letztlich kann alles als Antrag formuliert werden. Gerade in politisch zugespitzten Prozessen ist das auch sinnvoll. Denn das Gericht definiert die Wahrheit – auch hinsichtlich der Abläufe vor Gericht. Wer eine Kritik, einen Antrag u.ä. schriftlich einbringt, kann weniger leicht umgedeutet werden.
  • Plädoyer und letztes Wort: Nach der Beweiserhebung und vor dem Urteil können Angeklagte und VerteidigerInnen ihren Schlussvortrag (Plädoyer) abgeben. Danach hat der/die Angeklagte das letzte Wort. Auch das lässt sich nicht delegierten. Daher: Selbst machen – und sei es das Verlesen einen politischen Textes.
  • Aktionen im Publikum während der Verhandlung: Die ZuhörerInnen dürfen nichts sagen. Das bedeutet aber auch, dass jede Äußerung sofort eine umfangreiche Störung darstellen kann. Damit kann mensch arbeiten, z.B. Formen versuchter Mitbestimmung, sich abwürgen lassen und das dann thematisieren. Ein Wechselspiel zwischen Angeklagten und Publikum ist reizvoll, wenn der/die Angeklagte Anträge vom Publikum übernimmt, Äußerungen weitergibt oder gegen Zurechtweisungen bzw. Rauswürfe vorgeht (z.B. mit Anträgen).
  • Aktionen in Pausen und rund um die Verhandlung: Spannend sind Prozesse mit aktiven Angeklagten und kreativen Pausen. Letztere brauchen nicht nur die Angeklagten für Rücksprachen oder das Verfassen von Anträgen, sondern sie können Ort für theatralischen Einlagen, vorgetragene Gedichte, Lieder, Umgestaltungen am Gerichtsgebäude u.ä. sein.

Um das Geschehen nicht nur politisch spannend zu gestalten, sondern auch formal möglichst gute Ausgangsbedingungen zu schaffen, sollten Anträge immer schriftlich gestellt werden. Am besten eine Unterbrechung (Pause) beantragen und dann schreiben – per Computer oder Durchschlagpapier, um von allem eine Abschrift zu haben.
Bei Anträgen, Anfragen usw. an das Gericht werden die Antworten oder Beschlüsse nicht protokolliert, es sei denn, die angeklagte Person oder Verteidigung fordert explizit einen Gerichtsbeschluss ein. Also: Wenn es sicher im Protokoll sein soll, spätestens nach der „normalen“, nicht protokollierten Antwort des Gerichts einen formalen „Gerichtsbeschluss“ beantragen. Der wird dann auch genau so protokolliert (sollte jedenfalls ...) - besonders wichtig bei allen Anträgen zu Beweismitteln, Prozessformalia, ZeugInnen, Befangenheit usw.
Reicht das alles nicht, können die Passagen, die ins Protokoll gelangen sollen, in einem späteren Antrag zitiert werden. Da jeder Antrag zur Anlage im Protokoll wird, ist damit die das Gewünschte im Protokoll.

Grundlegende Möglichkeiten, politische Ziele in den Prozess einzuführen
  • Bestimmte Handlungen gegen PolizeibeamtInnen (passiver Widerstand nach § 113 StGB und damit zusammenhängende Delikte) sind nicht strafbar, wenn die Polizei rechtswidrig handelte. Das also immer prüfen, z.B. wenn Versammlungsrecht galt.
  • Wer besondere Gründe für ein Handeln hatte, kann mit "rechtfertigendem Notstand" argumentieren.
  • Für die Strafbemessung (Strafhöhe) müssen die Motive des Angeklagten geprüft werden, zudem ist zu schauen, ob durch die Handlung z.B. eine Gefahr abgewendet werden sollte u.ä.
  • Beweismittel können in der Regel nicht verwendet werden, wenn sie rechtswidrig erworben wurden. Das macht eine Debatte z.B. über Verhöre, Videoaufnahmen usw. möglich.

Aussagen und Rederecht des/der Angeklagten
In den üblichen Gerichtsverfahren ist eine ganz andere Sache der wichtigste Auftritt des Angeklagten: Seine Einlassung zur Sache und spätere Zusätze. Nach der StPO soll der Angeklagte nämlich zu Beginn gefragt werden, was er zum Tatvorwurf zu sagen hat.

StPO § 136
(1) Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.
(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

Insbesondere der Absatz 2 kann als Rechtsgrundlage dienen, zu jeder passenden Zeit eine Aussage machen zu können - nicht nur als sogenannte „Einlassung“ am Anfang, sondern auch in der Beweiserhebung, z.B. nach jeder Vernehmung eines/r ZeugIn. . Wird sie verwehrt, sollte darüber wiederum ein Gerichtsbeschluss eingefordert werden (siehe oben).
Für offensiv geführte Prozesse empfiehlt sich das aber nicht. Jede Aussage zur Sache kann verwendet werden. Wer erst mal anfängt zu erzählen, kann sich hinterher nicht mehr schadlos bei Fragen einfach durch Schweigen aus der Affäre ziehen. Geständnisse kürzen den Prozess ab, weil die Beweisaufnahme nicht oder nicht mehr in dem Umfang nötig ist. Auch wenn Menschen zu ihren Handlungen stehen wollen, hilft ein Geständnis nicht weiter. Gerichte sind nicht der richtige Ort heroischer Tateingeständnisse – die politische Erklärung zum eigenen Handeln kann zudem an vielen Orten und auch während der Gerichtsverhandlung später noch vielfach geschehen, z.B. persönliche Erklärungen abzugeben, ein politisch offensives Plädoyer zu halten, das letzte Wort zu nutzen, das dem Angeklagten zusteht - und vor allem intensiv selbst Anträge zu stellen, ZeugInnen zu laden (z.B. PolizeibeamtInnen, Nazis oder wer kenntlich gemacht und vorgeführt werden soll) und zu befragen. Bedenkt: ZeugInnen müssen antworten (sonst Beugehaft beantragen!), d.h. aus Polizei, HausbesitzerInnen, GenfeldbetreiberInnen, Nazis u.ä. lässt sich viel herausbekommen, was sonst verschwiegen wurde. Wer dagegen eigene Bekannte lädt, gefährdet die.
Politische Erklärungen zur Tat lassen sich ohne Aussage zur Sache machen. Wer eine Handlung richtig findet, kann das allgemein ausdrücken, z.B. „Ich finde solche Aktionen richtig, weil ...“. Das bringt den gleichen politischen Inhalt rüber wie „Ich habe das gemacht, weil ...“. Aber es ist kein Geständnis und nimmt damit dem Gericht nicht die Arbeit ab. Die strafprozessoralen Vorgaben zur Einlassung des Angeklagten mit der hierarchisierten und formalisierten Kommunikation schaffen nur den denkbar ungeeignetsten Moment dafür. Also eher auslassen statt einlassen ... und aufpassen, wenn eini Verteidigi etwas sagt: In einem Urteil legt der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes dar:
Schriftliche und mündliche Erklärungen des Verteidigers können ausnahmsweise als Einlassung des Angeklagten entgegengenommen und verwertet werden, wenn ein gesetzlich vorgesehener Fall der Vertretung vorliegt oder wenn der Angeklagte ausdrücklich erklärt, sie als eigene gelten zu lassen. Bei Verteidigerschriftsätzen muss - etwa durch Unterschrift oder Formulierung in Ich-Form - erkennbar sein, dass der Angeklagte die Erklärung als eigene Äußerung verstanden wissen will und sich seines Verteidigers gleichsam als "Schreibhilfe" bedient. Bei in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ausführungen des Verteidigers, in denen er Angaben des schweigenden Angeklagten wiedergibt, muss der Angeklagte diese Erklärung bestätigen oder erklären, dass er sie als eigene Einlassung verstanden wissen will.


Noch wichtiger ist der § 257 StPO. Danach müssen die Angeklagten nach jeder Beweiserhebung (jedi Zeugi, jedes Fotoangucken usw.) gefragt werden, ob sie was sagen wollen. Fast immer vergessen die Richtis das - aber dann könnt Ihr auch das rügen. Auch Verteidigis können sich jedes Mal äußern, müssen das aber aktiv verlangen. So lassen sich viele kleine Beiträge einstreuen mit Bemerkungen zum politischen Hintergrund, als Vortragen von Gedichten oder Aufklärung, was hier eigentlich gerade abgeht und welche Tricks angewendet werden.


Noch etwas wollen die Gerichte vom Angeklagten wissen: Wie viel Geld er/sie verdient, ob verheiratet, Kinder ... auch dazu muss niemand etwas sagen. Der Punkt ist weniger wichtig, aber bislang haben Leute mit konsequenter Aussageverweigerung die besseren Erfahrungen gemacht.

StPO § 136
(3) Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.


Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte versuchen oft mit Tricks, Aussagen und Geständnisse durch Drohungen oder Angebote herauszulocken. Klassisch ist das bei Verfahren, die auf einem Widerspruch gegen Strafbefehl oder Bußgeldbescheid beruhen. Da werden die Angeklagten schon mal zu Beginn gefragt, ob sie den Widerspruch nicht fallenlassen wollen - wegen der sonst zusätzlich entstehenden Gerichtskosten, weil auch höher verurteilt werden könnte usw. Wer den Paragraphen 343 des Strafgesetzbuches über Aussageerpressung liest, wird feststellen, dass der bei so etwas erfüllt sein dürfte.

StGB § 343 Aussageerpressung
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an
1. einem Strafverfahren, einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung,
2. einem Bußgeldverfahren oder
3. einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren
berufen ist, einen anderen körperlich mißhandelt, gegen ihn sonst Gewalt anwendet, ihm Gewalt androht oder ihn seelisch quält, um ihn zu nötigen, in dem Verfahren etwas auszusagen oder zu erklären oder dies zu unterlassen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.


  • Fall Daschner: Frankfurter Polizei-Vize droht Folter an - Hessische Regierung applaudiert

Schritt für Schritt: Die Liturgie des Rechtsdienstes
In der Strafprozessordnung (StPO) ist der Ablauf eines Gerichtsverfahrens, aber auch der vorhergehenden Ermittlungsverfahren geregelt. Das Gericht muss sich daran halten ... eigentlich, aber Gerichte sind selbst rechts- und wahrheitsschaffende Gewalt sind. Das bedeutet, dass ihre Auslegung der Gesetzestexte selbst Recht schafft und in dem Moment der Verkündung zunächst unanfechtbar ist. Zwar kann jedes Gerichtshandeln per Antrag oder sog. Gegenvorstellung (nochmalige Begründung, warum die Annahme oder Ablehnung eines Antrages nicht richtig ist) angegriffen werden, aber das Gericht wird darauf in der Regel nicht eingehen. Es definiert zudem über das Protokoll, was geschehen ist. Schlechte Karten also ... Dennoch macht das Ausreizen der StPO Sinn, denn nur durch eigene Anträge läßt sich der Prozessverlauf immer wieder stichpunktartig auch protokollarisch festhalten. Wenn in einem Antrag kritisiert wird, wie das Gericht gehandelt hat, kann die Handlung beschrieben werden und gelangt so über das Protokoll in die Gerichtsakten. Ansonsten ist das Gericht nämlich Herrscher über das Protokoll und die Gerichtsakten. Von daher ist die Formalisierung des Prozesses durch ständige Anträge auch eine Einflussnahme auf das Protokoll - und damit der Ausgangspunkt für etwaige Berufungen, Revisionen, Wiederaufnahmeverhandlungen, ja schlicht für die formal geschaffene Wahrheit.
Das gilt auch für das Wechselspiel zwischen Angeklagtenbank und ZuschauerInnen. Werden Aktivitäten im ZuschauerInnenraum vom Gericht attackiert oder gar Leute rausgeworden bzw. bestraft, können die Angeklagten in einem Antrag den Vorgang beschreiben, die Rücknahme fordern und begründen. Dadurch wird jeder Akt auch zu einem formalen Akt, politische Positionen lassen sich hineinbringen usw. Wer einen Prozess politisch begreift, sollte keine Chance auslassen zum Politisieren der Justizhandlungen.

Aus Ludger Schwerte (2012), „Vom Urteilen“ (S. 80ff)
Die Darstellung dieser positiven Beweiswürdigung benötigt einen öffentlichen Spielraum, denn der Richter soll nicht in eigener Person sprechen, sondern wahlweise und möglichst gebündelt den Staat, die Nation, das Volk. das Recht repräsentieren. Der Gerichtsprozess findet auf einer Bühne statt, auf der die Funktionsträger agieren. Beim Strafgericht sind dies beispielsweise Staatsanwaltschaft, Angeklagte, Verteidiger, Zeugen, Gutachter, Richter. Vor dieser Bühne sitzen Zuschauer, räumlich deutlich von den Akteuren getrennt. Der Gerichtssaal ähnelt Hörsälen. anatomischen Theatern, aber auch Kirchenräumen: ein rechteckiger, langer, imposanter Tisch, hinter dem sıch die erhöhten Plätze der Richter befinden. An der Stirnwand oder seitlich die Türen, hinter die sich das Gericht zurückzieht oder aus denen es Einzug hält. Die Sitzgelegenheiten stellen die Differenzen in Hierarchie und Dignität von Richtern, Staatsanwälten und Angeklagten aus. Der Ritualcharakter der Handlung wird unterstrichen durch Kleidung und Requisiten, durch die Roben der Richter, Staatsanwälte und Verteidiger ebenso wie durch das Produzieren und Präsentieren von Akten, von Dokumenten, von Papieren. Die Ausstattung dient der Verbreitung einer weihevollen Atmosphäre. Das Funktionieren gerichtlicher Rituale basiert auf einer räumlichen und zeitlichen Gliederung. Deutlich werden die Raumgrenzen und die wesentlichen Zeitabschnitte (Beginn, Verhandlungsteil und Schluss) markiert und aufeinander bezogen. Nach der Initiationsphase erleben Kläger und Angeklagte den Prozess als Extremsituation, herausgelöst aus ihrem gewöhnlichen Leben, auch abgetrennt vom Alltag des Publikums im Gerichtssaal; sie sind exponiert, auf der Schwelle. „Der Prozess ist ein Ritual, in dem das bisherige und das zukünftige Leben suspendiert sind, und in dem sich der Angeklagte von allem abgeschnitten in einer ihn einschränkenden liminalen Situation befindet. Die Rituale des Gerichtsverfahrens unterwerfen ihn Prozeduren und Zwängen, denen er sich nicht widersetzen kann. Sie gehen auf tradierte institutionelle Vorbilder zurück, in deren Inszenierung sich die Macht des Staates ausdrückt [...]. Werden diese Rituale nach Vorschrift durchlaufen, dann steht am Ende eine Entscheidung ‚schuldig‘ oder ‚nicht schuldig‘ oder ein Freispruch ‚aus Mangel an Beweisen‘. Der rituelle Charakter des Prozesses ist so stark ausgeformt, daß aus seiner Nichtbefolgung leicht Verfahrensfehler entstehen, die zu einer Revision führen können. Daher ist die korrekte Inszenierung und Aufführung des Prozessrituals für die Geltung der Wahrheits- und Urteilsfindung notwendig [...]. Ohne Iudische Fähigkeiten können die Prozessbeteiligten ihre rituellen Handlungen nicht kompetent wahrnehmen.“
Die Prozessordnung, das Imaginäre und das Erlernte des Gerichtsrituals zeichnen als eine Art Skript die Handlungen der Teilnehmer zwar vor, legen deren Verhalten im Einzelnen jedoch nicht fest, sondern gewähren Spielräume für die individuelle Ausgestaltung. Besonders entscheidend ist dieser Spielraum für den Richter; er stellt die Bandbreite seiner Handlungsmöglichkeiten und die Unabsehbarkeit des Resultats geradezu aus. Doch die Fähigkeiten aller Teilnehmer, sich oder ihr Anliegen zu inszenieren, modifizieren das Ritual im Hinblick auf die spezifischen Bedingungen eines verhandelten Sachverhalts und beeinflussen das Urteil. In den Körperbewegungen der Beteiligten kommen soziale Haltungen und Beziehungen zum Ausdruck. Schon die kaum sichtbaren Gesten, mit denen die Beteiligten aufeinander und auf das (imaginäre oder anwesende) Publikum Bezug nehmen, enthalten ein ostentatives Element.
Der Experte verkörpert eine höhere Vernunft. Der Richter spricht Recht genau dann, wenn das Recht quasi durch den Richter spricht und in den Körpern der Anwesenden widerhallt. Das Ritual der Urteilsverkündung erzeugt eine momentane Gemeinsamkeit zwischen den Prozessbeteiligten, die die Normen und Werte, Schemata und Strategien der rechtlichen Ordnung durch ihre Unterwerfung unter das expertokratische Ritual inkorporieren.
Zu dem im Gerichtsverfahren unterstellten „Wir“ gehört. dass alle am Verfahren Beteiligten handeln und Fehler machen können. Fehlbarkeit und Verantwortlichkeit sind dabei asymmetrisch verteilt. Jemand ist zu Recht angeklagt, oder jemand klagt zu Unrecht an. Auch ein Experte darf sich im Urteil irren, ein Richter darf sogar mehrfach gravierende Fehlurteile sprechen - er wird dafür nicht zur Verantwortung gezogen.


Wie alles beginnt: Aufruf der Sache und Formalia
Irgendwann geht es los. Das Gericht hat zur Hauptverhandlung geladen und (meist) alle sind gekommen: ZuschauerInnen, Angeklagte, Staatsanwaltschaft, Gericht sowie eventuell Wachtmeister, Presse und mehr. Die Lage im und vor dem Gerichtssaal kann recht unterschiedlich sein. Daher ist am besten, sich das vorher mal angeschaut zu haben. So können die RobenträgerInnen schon im Raum sein, wenn das Publikum eingelassen wird – oder sie treten zum angesetzten Termin ein. Dann sollen sich alle erheben, aber das kann bereits die ersten Verwicklungen hervorrufen. In jedem Fall wird drinnen und draußen die Sache aufgerufen, d.h. ein GerichtsdienerIn verkündet laut, dass es jetzt losgeht und alle eintreten sollen.
Dann folgen einige Formalia als Auftakt der eigentlichen Verhandlung – wie schon geschrieben steht das alles in der Strafprozessordnung:

StPO § 243
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. § 406g Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.


Das klingt harmlos, enthält aber schon alle wesentlichen Strukturmerkmale eines Prozesses. Dieses sind in der Regel (einige RichterInnen weichen davon ab oder lassen Abweichungen in einer liberalen Geste zu ...):
  • StaatsanwältInnen, RichterInnen und meist auch die VerteidigerInnen (so es welche gibt) sind in schwarze Umhänge gehüllt. Diese Uniform gibt ihnen einen Hauch höherer Weihen. Das passt zum sonstigen Geschehen im Gericht. Die drei Personengruppen sind so etwas wie Heilige, sprechen ihre eigene Sprache und kämpfen miteinander um die Wahrheit - mythisch aufgeladen, mit filmreifen Kostümen und oft pathetischem Gestus wie in einer schlechen Sage auf der Kinoleinwand. Die Kleidung kann thematisiert, demaskiert oder auch veralbert werden. Da für andere Beteiligte keine Kleidungsordnung existiert, aber RichterInnen meist ihre Ordnung und ihr Hausrecht im Saal heilig sind, kann schon durch skuriles Covern der Obrigkeits-Uniform (z.B. knallbunte statt schwarze Roben oder auch schwarze mit Flecken, Aufnähern usw. anziehen) Verwirrung bis zu offenen Auseinandersetzungen im Gerichtssaal Protest gezeigt werden.
  • Das Mobiliar in einem Gerichtssaal ist meist statisch und unterstreicht die Dominanzverhältnisse. So sitzt das Gericht meist erhöht, oft auch die Staatsanwaltschaft. Hier können z.B. Anträge gestellt werden, sich in einen Kreis zu setzen. Mensch kann sich in einer Pause mal nach oben setzen und begründen, auch mal "von oben nach unten" gucken und reden zu wollen. Natürlich kommen gleich die Sicherheitskräfte gerannt, was sich thematisieren lässt: "Auch so, stimmt, sie müssen ja aufpassen, dass Herrschaft weiterhin und einseitig besteht - ist ja ihr Job ..:" usw.
    • Passendes Zitat aus dem Bericht der Europaratskommission zu Folter und Misshandlung bei Freiheitsentziehung (PDF-Download). Der gilt zwar an dieser Stelle für Polizeiverhöre, aber ist von der Logik her übertragbar:
      Seite 11: "Vernehmungsräume sollten angemessen beleuchtet, beheizt und belüftet sein und allen an der Vernehmung Beteiligten gestatten, auf Stühlen ähnlicher Art und von vergleichbarem Komfort zu sitzen. Der vernehmende Beamte sollte im Verhältnis zur verdächtigen Person nicht in einer dominanten (z.B. erhöhten) oder weit entfernten Position platziert werden. Des weiteren sollte die Farbgebung neutral sein."
  • Im Regelfall stehen alle Anwesenden jedes Mal auf, wenn das Gericht reinkommt. Das ist eine absurde Unterwerfungsgestik und lädt das Gericht optisch wie Heilige auf. Das sind sie auch - Rechtsstaat ist eine Religion, in der Gerichte die wahrheitsschaffende Instanz sind, also an die Stelle der Propheten und Priester treten. Nicht aufzustehen reicht in diesem skurilen Rahmen schon, um aufzufallen, Zeichen zu setzen und eventuell eine Auseinandersetzung mit dem Gericht zu provozieren. Einem Zwang zum Aufstehen kann wieder mit einem Antrag, sitzenbleiben zu dürfen (mit Begründung, warum das Aufstehen eine anti-emanzipatorische Gestik und Logik hat), begegnet werden - die nächste Politisierung und ein Beispiel für das Wechselspiel zwischen Angeklagten und Publikum.
    • Aus den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), § 124, Abs. 2
      Pflicht des Staatsanwalts, des Urkundsbeamten und des Verteidigers ist es, schon vor Erscheinen des Gerichts ihren Platz im Sitzungssaal einzunehmen. Beim Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung, bei der Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel erheben sich sämtliche Anwesende von ihren Plätzen. Im Übrigen steht es allen am Prozess Beteiligten frei, ob sie bei der Abgabe von Erklärungen und bei Vernehmungen sitzen bleiben oder aufstehen.
  • In Bayern gibt es eine weitere Möglichkeit: Über dem Gericht hängt immer ein Folter-/Hinrichtungsinstrument, dass die Verknüpfung von Religion und Rechtssprechung noch deutlicher macht. Antrag stellen, das abzunehmen - und gut begründen (sollte nicht schwer fallen). Sich weigern, so weiterzuverhandeln, sich wegdrehen, nicht mehr zum Gericht gucken ...
  • Bei der Abfrage der Personalien wird der/die Angeklagte gefragt. Nun darf er/sie reden - und sollte das nutzen. Den Namen haben die Eltern ausgesucht. Staatsangehörigkeit - pah, die ist erst recht aufgezwungen und überflüssig. Religiöser Status - was eine Frage. Usw.
    • Kleines Beispiel für einen Dialog zu Beginn aus berühmten Vorgang (Prozess gegen Saddam Hussein ... ohne Hussein hier irgendwie positiv darzustellen, wofür es auch keinen Grund gibt!) ... aus der FR, 20.10.2005 (S. 7)
  • Das alles folgt der Logik konsequenter Widerständigkeit und Subversion, d.h. alles, was die VollstreckerInnen der Herrschaft tun, wird gegen sie oder zur Politisierung genutzt. Es dürfte klar geworden sein, welche Möglichkeiten bestehen - und dass es Stunden dauern kann, bis das Gericht diese Anfangsformalien erledigt hat.
  • Ungenannt sind noch die zusätzlichen Möglichkeiten des Publikums - angefangen von platten Störungen (Cola-Flasche umfallen lassen, Hustanfälle ...) bis zu theatralischen Einlagen, Überidentifikation mit RichterInnen (Anbeten, Applaudieren, harte Strafen fordern ...) oder scheinbare Anmachen gegen Angeklagte, worauf sich wiederum politisierende Dialoge entwickeln können ("Kannst Du nicht mal normal antworten?" - "Was ist normal und warum soll normal auch gut sein?").

Verlesen der Anklageschrift
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.

In der Regel ist die Anklageschrift schon übersandt worden an den Angeklagten oder die VerteidigerInnen - ist also langweilig. Allerdings tritt hier erstmal der formale Kontrahent auf ... eine Möglichkeit vor allem für das Publikum, mit allen Mitteln der Störung oder subversiven Kommunikation zu agieren. Der/die StaatsanwältIn kann sich dagegen formal nicht direkt wehren, sondern muss sich immer ans Gericht wenden, um z.B. Störungen zu beenden. Klar muss aber sein: Gerichte sind meist extrem aggressiv, wenn sie merken, dass sich nicht als Halbgötter in Schwarz akzeptiert werden. RichterInnen haben unglaubliche Vollmachten (was ihre Ausnahmestellung in diesem religiösen Regime "Rechtsstaat" unterstreicht), können z.B. Leute aus dem Saal werfen, dirigieren alle anwesenden Sicherheitskräfte und schaffen mit jeder Äußerung geltendes Recht. Ordnungsgelder und -strafen (ein oder mehrere Tage Knast für Ruhestörung im Gericht!) sind schnell verhängt - also immer aufmerksam sein, wie sich die Sache entwickelt und im richtigen Moment wieder unterschrauben ... eventuell wieder subversiv: "Ja, ich sage jetzt nichts mehr, hier haben Sie das sagen, ich habe die Klappe zu halten, auch wenn Sie später so tun, als sprächen sie in meinem Namen" oder ähnliches.
Formal ist der Staatsanwalt der Gegner der Angeklagten. Das Gericht ist formal neutral (guter Witz, gell?). Natürlich ist alles ein widerlicher Filz, es sind die gleichen Stellen, die sie bezahlen, sie haben zusammen studiert, gehen in die gleichen Kantinen, setzen die Gesetze derselben Leute um, die sie bezahlen und sind auf jeden Fall wichtige Mitglieder gesellschaftlicher Eliten, die vor allem Angriffe auf sie nicht mögen. Wer klaut, kann schon mal auf Milde hoffen - erst recht, wer besticht, betrügt oder in ähnlicher obrigkeitstypischer Weise sog. Straftaten begeht. Aber wer "von unten gegen oben" Politik macht, hat seine politschen GegnerInnen auf der Richterbank vor sich.

Hinweis: In der zweiten Instanz (Berufung) wird nicht die Anklage, sondern zu Beginn das Urteil der ersten Instanz verlesen. Ist ein Strafbefehl vorhergegangen, so wird dieser verlesen. Der Rahmen und die Handlungsmöglichkeiten dazu sind aber ähnlich.

Vernehmung des Angeklagten
(4) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.

Dann also das erste Mal die Bühne für die Angeklagten. Zunächst wird er/sie befragt, ob er/sie sich überhaupt äußern will. Es wird gerade aus "linken" Quellen meist empfohlen, nichts zu sagen - und eventuell den/die AnwältIn sprechen zu lassen. Diese Position schafft Probleme:
  • Die VerteidigerInnen können über die Hintergründe von Anklagepunkten und politischen Interessen nie so genau Bescheid wissen wie die Angeklagten. In der Regel kennen letztere die angeklagten Abläufe selbst oder aus Berichten (wenn es nicht nächtliche Aktionen waren, mit denen sie nichts zu tun haben). Sie können daher Fragen eher einordnen und Tricks durchschauen.
  • Die Angeklagten wissen, wenn sie in politischen Bewegungen organisiert sind oder den Kontakt und Austausch wegen dem Prozess suchen, welche Interessen die Kriminalisierung antreiben, was die eigentlichen Ziele sind usw. Oft ist ein Prozess nur ein vorgeschobenes Ereignis. Der angeklagte Punkt ist nicht der eigentliche Anlass. Es sind andere Vorgänge, die die Herrschenden nerven, aber die Anklagepunkte lauten immer wieder "Beamtenbeleidigung" oder "Widerstand gegen die Staatsgewalt". Das ist nämlich einfach zu verurteilen, weil ein oder ein paar mehr Bullen als Zeugen als Beweis immer reichen vor deutschen Gerichten. Da müssen Staatsanwaltschaft und Gerichte nicht groß Beweis wälzen, sondern einfach 1 oder 2 Polizisten vernehmen - fertig. Das zu demaskieren, gehört zu den politischen Zielen einer offensiven Verteidigung. Eigentlich steht im Gesetz, dass niemand bestraft werden kann für etwas, was nach den Gesetzen nicht verboten ist. Das aber wird ständig mit diesem Trick übertreten - einfach etwas anderes anzuklagen stellvertretend für das, was politisch unerwünscht ist.
  • Wenn Angeklagte VerteidigerInnen haben, gibt es trotzdem keinen Grund, zu schweigen - denn zwei Menschen können mehr rausholen, sich ergänzen, sich auch ein bißchen zwischen politischen und juristischen Part aufteilen.
  • Schließlich gibt es auch grundsätzlich Bedenken, Menschen überhaupt zu empfehlen, grundsätzlich zu schweigen. Das entmündigt sie nämlich statt sie zu unterstützen, zu trainieren. Es akzeptiert die ExpertInnen der Gesellschaft. Danach ist die/der VerteidigerIn die kompetente Person, der/die Angeklagte hält lieber den Rand. Mit einer solchen Position werden Ohnmachtsgefühle eher gestärkt, die Angeklagten sollten sich der Logik unterwerfen, dass andere besser wissen, was für sie gut ist. Mami, Papi, LehrerInnen, ArbeitgeberInnen, RichterInnen ... und jetzt auch noch die eigenen politischen Gruppen und die eigenen AnwältInnen - das ist antiemanzipatorisch!
  • Richtig bleibt äußerste Vorsicht bei Aussagen zur Sache. Es sind nur wenige, gut zu durchdenkende Situationen vorstellbar, bei denen eine Aussage zur Sache Sinn macht. Denn jede Aussage kann gegen jemanden verwendet werden - z.B. als Teilschuldeingeständnis, als sich selbst belastend, als widerlegbare Lüge oder als Belastung anderer Personen. Auf eine Aussage zur Sache zu verzichten, heißt aber nicht, nichts zu sagen. Wer z.B. formuliert „ja, zu der Nacht kann ich was sagen“ und trägt dann die Monddaten, Sonnenauf- und –untergangszeit, Nachrichten der Tagesschau oder sogar justizkritische Informationen wie die Anzahl von Inhaftierten an diesem Tag, Verurteilungen usw. vor, sagt gar nichts zur Sache. Anders wären Aussagen wie „Ich war nicht da“ oder „Weiß nicht“ - das könnte aus irgendeinem Grund widerlegt wird und dann würde es eng. Auch die Aussage „Ich sage nichts, denn Entlastendes für mich könnte andere belasten - und ich helfe Ihnen nicht, weil ...“ kann eine gute Überleitung zur Justizkritik sein, ohne zur Sache etwas zu sagen. Anders als ZeugInnen müssen Angeklagte nämlich weder überhaupt was sagen noch müssen sie die Wahrheit sagen. Sie können zur Sache jede Aussage verweigern und dennoch offensiv am Prozess teilnehmen durch Fragen, Anträge und Erklärungen. Die Gratwanderung ist manchmal schwierig - aber statt plattes Schweigen ist reflektiertes Vorgehen sinnvoll. Genau überlegen - niemand kann Angeklagte zum Schnell-reden und -denken zwingen. Pausen beantragen, um mit anderen zu diskutieren und zu reflektieren, ob in einem Antrag nicht doch eine Aussage zur Sache drinsteckt. Aber immer selbst (mit)agieren und (mit)entscheiden! Sonst hat Selbstbestimmung mit linker Politik sowenig zu tun wie Sozialpolitik mit der SPD.

Die Einlassung zu Beginn ist auch deshalb nicht nötig, weil alles noch in den politischen Erklärungen danach gesagt werden kann, zum Beispiel die Benennung, warum das Verfahren läuft - aus wessen Interessen, mit welchen Erfindungen usw. Das gleich am Anfang zu nennen, kann sinnvoll sein, wenn dann im Prozess ZeugInnen dazu befragt werden sollen. Im Idealfall laufen dann zwei Prozesse parallel: Gericht und StaatswältInnen wollen politisch unerwünschte Personen hinter Gitter bringen - die Angeklagten aber wollen im Prozessverlauf aufdecken, was Polizei und Justiz antreibt, welche Methoden wie benutzen und welche Ziele sie verfolgen. Als Beispiel kann die Erklärung der Angeklagten im großen Prozess gegen Projektwerkstättler vom 10.3. bis 3.5.2005 in Gießen gelten - eine Einlassung mit Benennung sehr vieler Vorwürfe gegen die Polizei, Staatsanwaltschaft und andere, die mit dem Prozess ihre Kritiker zum Schweigen bringen wollten. Sie dauerte mehrere Stunden (mehr ...) und war bereits mit mehreren Beweisanträgen verknüpft, die Machenschaften der Polizei näher zu untersuchen. Die lehnte das Gericht natürlich alle ab, aber die Details wurden bereits durch Anträge genannt einschließlich der Quellen und Zitate aus Gerichtsakten, die mensch sonst nicht veröffentlichen darf. Jetzt stehen sie sogar umfangreich auf Internetseiten - und das völlig legal, weil was im Gerichtsprozess vorgelesen wurde, darf danach öffentlich zitiert werden. Auch das kann ein wichtiger Grund sein, nicht die Klappe zu halten! Anträge und persönliche Erklärungen schriftlich stellen, vollgepackt mit Quellen und Zitaten aus den Akten: Dann können sie öffentlich verwendet werden! Ein Gerichtsprozess ist immer eine Bühne der Enthüllung!

Im Original: Beispiele für eine politische Erklärung
Prozesserklärung von Marie vor dem Gericht in Dannenberg
Das Wendland
Das Wendland ist geprägt durch die Atomanlagen in Gorleben und dem damit zusammenhängenden Widerstand. Wenn man hier aufwächst, kann es passieren, dass der Widerstand zu Bruder oder Schwester wird. Die ersten Schritte macht mancher auf Demos. Anfangs ist alles noch ganz aufregend und unbekümmert. Der Castor jedoch schon ein undefinierbares Etwas. Ein Monster? - auf jeden Fall unheimlich und gefährlich. Die Unbekümmertheit verschwindet mit der Zeit und wird ersetzt durch ein ohnmächtiges Klarsehen und Unverständnis. Jetzt geh ich auf Demonstrationen, seitdem ich laufen kann. Die Beine sind länger geworden. Das Vertauen in den Staat immer kleiner - konnte sich in dieser Hinsicht auch gar nicht erst entwickeln. Mit drei Jahren bekam ich, wenn auch unwissentlich, direkten Bezug zum Thema Kernenergie. 1987 der Größte Anzunehmende Unfall in einem Reaktor in - Tschernobyl! Verstrahlte und verseuchte Landstriche. Es sind Krankheit und Tod, die diese Gebiete bis heute noch zeichnen. Auch wenn ich damals die vernichtende, gewaltige Macht, dieser allzu fortschrittlichen Art der Energiegewinnung, nicht wirklich nachvollziehen konnte, merkte ich mir jedoch genau, dass jede Regenwolke die bei uns, tausende von Kilometern entfernt, herunterkam „vergiftet“ sein konnte. D.h.: nicht im Sandkasten spielen, kein Obst oder Gemüse aus dem Garten essen - aufgrund der starken Strahlen-Belastung. Auch mein kleiner Bruder, damals noch ungeboren, war schon bedroht, bevor er überhaupt das - zu dieser Zeit „strahlende“ Licht der Welt erblickt hatte. Erst heute sind mir die Ausmaße des Unglücks bewußt. Bilder von mißgebildeten Kindern, die wie ich hätten aufwachsen können, beweisen, erschrecken und sind Mahnmal dieser Katastrophe.
Immer wieder gibt es Meldungen in den Medien von Störfällen in hiesigen AKWs. Meldungen, die so kurz sind, daß sie kaum Beachtung finden. Immer wieder stört das Thema Gorleben unseren Alltag. Kinder und Jugendliche im Wendland haben wahrscheinlich mehr Polizei, BGS-Beamte, Wasserwerfer und Natodraht gesehen und erlebt als mancher Erwachsene anderswo.

Die Dimension des Transports
Wenn man seiner Grundrechte, besonders die der Meinungsfreiheit enthoben wird, d.h. Demonstrationen verboten und brutal zerstreut werden, wenn mit sogenannten „geeigneten Mitteln“ auf Menschen los gegangen wird, wo bleibt da die Möglichkeit dieses Recht ausüben zu können? Wo bleibt da die Demokratie, die Gerechtigkeit?! Wenn Bahnübergänge stärker bewacht werden als Prominente oder Geldtransporte. Wenn Telefone abgehört werden. Wenn man Passierscheine beantragen muss, um seine Kinder von der Schule abholen zu können. Wenn Kinder auf dem Weg zur Schule von Polizeibeamten durchsucht oder verfolgt werden und und und.... Das ist der totale Ausnahmezustand. Wie soll man da ein gesundes Verhältnis zum Staat entwickeln?
Die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte wenden sich an alle drei Staatsgewalten. Wie war das mit der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Menschenwürde?!!?

1998 der Kontaminations-Skandal
Es ist nicht von ungefähr daß die amerikanische Atomaufsichtsbehörde schon vor Jahren an die inländischen Kernkraftwerke eine Warnung mit dem Hinweis auf das „Weeping-Phänomen“ herausgegeben hat, wobei die Kontamination (feinster radioaktiver Staub) beim Beladen an den Behältern haften bleibt und über die Atemwege eingenommen und zu schwersten Krankheiten führen kann. (wissenschaftlich nicht erklärbar)
Endlich wurden auch in Deutschland Messungen durchgeführt, die nach jahrelanger Informationszurückhaltung auch an die Öffentlichkeit gelangten. Die Messungen ergaben Kontaminationswerte bis über das 2000fache oberhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwertes. Diese wurden seit mehr als zwei Jahrzehnten bei Transporten überschritten.
Die damalige Bundesumweltministerin Frau Dr. Merkel stoppte daraufhin die Transporte der abgebrannten Brennelemente. Alles andere hätte sie ihren Ministerposten gekostet. Die eigentlichen Verantwortlichen kamen konsequenzenlos davon.
Seit 2001 rollen sie wieder.
Solange die Sicherheit der AKWs und der Transporte nicht gewährleistet und nicht geklärt sind, ist der sogenannte Atomkonsens meiner Meinung nach nicht praktizierbar.
Wenn von besagtem sogenannten Konsens gesprochen wird und man lesen muss, dass einige AKWs wie Lingen; Grohnde oder Brokdorf noch an die zwei Jahrzehnte am Netz bleiben werden und allein diese drei Werke bis dahin zusammen noch insgesamt 1780t Radioaktivmüll produzieren und dieser wiederum im Ausland vervielfältigt wird, macht mir das Angst. Angst auch um die Zukunft der nachfolgenden Generationen.
In wie weit kann von einem Ausstieg die Rede sein, wenn der Staat um seine Beschlüsse durchzusetzen, sich nicht anders zu „wehren“ oder reagieren weiß als mit Gewalt. Wie soll da Vertrauen in denselben entwickelt werden?! Bilder und Berichte im Fernsehen oder in der Zeitung zeugen von regelrechten Schlachten (ich erinnere an die X-tausendmalquerblokade in Splietau 1997) Sobald man versucht sich vor den eingesetzten sogenannten „geeigneten Mitteln“ d.h.Wasserwerfern, Schlagstöcken, „sogenannter einfacher körperlicher Gewalt“ und mittlerweile sogar vor Pferden und abgedrehten Hunden zu schützen, verstößt man gegen das Vermummungsgesetz. Sobald das Halstuch oder der Schal zu hoch rutscht und die Mütze zu tief in die Augen.... Verstoß nach Paragraph... sowieso. Hier tritt Angst auf. Angst die zu Wut wird und zu dem Verlangen aufzuschreien gegen diese Ungerechtigkeit. Es ist doch Wahnsinn, wenn ein Beschluß „unserer“ Regierung gegen den Willen eines nicht zu übersehenden Teils der Bevölkerung mit solchen „geeigneten“ Mitteln“ durchgesetzt werden muß!
Nach all den vielen Demonstrationen und mit meinem Wissen im Hinterkopf reichte mir weder die Resonanz in der Bevölkerung noch die in der Politik. Das mitleidige Lächeln über die Spinner im Wendland, eine Reaktion auf den Widerstand gegen die Atommüllindustrie, wollte ich aus den Gesichtern löschen.
Um aufzurütteln, sah ICH MICH „geeignet“ für diese gewaltfreie, aber bewußt auffallende Art des Protestes. Um darauf aufmerksam zu machen, daß gerade dieser Transport im März 2001 ein Beginn war für eine Flut von Transporten in die WAAs in Sellafield und La Hague und somit auch nach Gorleben. Fast im Zwei-Wochen-Takt starteten Transporte zur Wiederaufarbeitung ins Ausland. Die Antwort blieb nicht aus, siehe Gorleben-Transport im November 2001. Und solange es keine endgültige Lösung für die Endlagerung gibt, ist es unverantwortlich, daß trotz der Unsicherheit der Gorlebener Hallen weiter mit dem Atommüll gehandelt wird wie mit Lebensmitteln. Import - Export. Und auch jetzt steht uns wieder ein Teil des sogenannten Konsens bevor.
Ein weiterer Grund für diese Form des Protestes war das Bedürfnis dem Bild meiner angepaßten Generation etwas entgegenzusetzen. Es machte mich nachdenklich und wütend zugleich als ich merkte, daß dieses Bild in großen Teilen der Wahrheit entsprach. Um zu zeigen, dass es Jugendliche gibt, die ihren eigenen Kopf haben und sich für oder gegen etwas einsetzen und stark machen können.
Stellvertretend für diejenigen, die wie ich, diesem Wahn der Atommafia ein Ende setzen wollen, habe ich mich auf eben diese Art im Widerstand eingebracht.
Ich denke, daß solidarische Briefe von Gleichaltrigen, Beweis dafür sind, dass ich das, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, erreicht habe. Wie soll jemand, der im Wendland aufwächst, sich rund um die X-Tage in einem Loch verkriechen und Blinde Kuh spielen?
Das Letzte was ich oder wir vorhatten, war jemandem Schaden zuzufügen oder Gesetzte zu brechen. -Meine Freunde und ich haben uns für eine Sache eingesetzt, nämlich den gewaltfreien Widerstand. Nationale und internationale Solidaritätsbekundungen bestärkten uns in unserem Handeln. Als Aufruf und Protest zugleich habe ich unsere Art des Widerstandes gesehen. Als Appell an das Bewußtsein aller, die bis jetzt die Augen zu gemacht und die drei Affen gespielt haben (nix hören, nix sehen, nix sagen).
Die Staatsgewalt hat ihre „geeigneten Mittel“ - Wir auch!
Dies alles kann vielleicht deutlich machen, daß ich kein Mittel zum Zweck gewesen bin, sondern aus reiner Überzeugung gehandelt habe. Ich bitte Sie mir hieraus keine Mutwilligkeit zu drehen, wobei die Aktionsform dies auch nicht zugelassen hätte. Sondern als ein Ankratzen an alte Ideale und als ein Aufruf zum Umdenken.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Marie


Prozesserklärungen bei Verfahren wegen Aktionen gegen Atomkraft
Ohne Herrschaft wäre vieles nicht möglich. z.B. Atomkraft... und das ist auch gut so!
Der Gesammte folgende Text entspricht ausschließlich meiner Meinungund Wahrnehmung. Da es keine Objektivität gibt, kann es keine gerechteVerurteilung von Menschen geben.
Atomkraft muss von Beginn der Atomspirale an, durch die ausführendeGewalt demokratischer Staaten durchgesetzt werden. Beim Uranabbau in Australienund anderswo, wo die dort lebenden, indigenen Gesellschaften, vertriebenoder durch den Abbau vergiftet werden. Dann kommt die Aufbereitung der Brennstäbeund deren Transport in die Atomkraftwerke. Trotz der Unglückein Tschernobobyl, Harrisburg und anderswo, wird der tägliche WahnsinnNormalbetrieb fortgesetzt. Der Wahnsinn Normalbetrieb schließt alleoben genannten Punkte mit ein, zusätzlich kommen noch die „unerklärlichen“Leukemiefälle rund um Sellafield, Neckarwestheim und Krümmel, derständige Polizeigewalt bei Castortransporten, die Speicherung der Datenvon Atomkratgegener und die Bespitzelung durch den Verfassungsschutz. Unddann schließlich die Verfolgung durch Staatsanwaltschaft, Polizei undGerichte, also das was mit heute hier blüht und täglich Millionenvon Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen vor Gericht gezerrtwerden.
Gerichte sind dann der Ort wo massenweise soziale Existenzen zerstörtwerden, sie sind der Ort wo per Daumen nach oben / Daumen nach unten, darüberentschieden wie es im Leben eines Menschen weiter geht. Gerichte sind derOrt an denen Fremdbestimmung stattfindet, genauso wie Schule, Lohnarbeit,Kindergarten, Elternhaus, Rathaus, Arbeitsamt, Knäste; dies alles sindOrte wo institutionelle Herrschaft stattfindet und all dies muss weg.
Daneben gibt es die Teile im Leben eines Menschen, wo diskursive Herrschaftstattfindet; die Festlegung des Geschlecht und die Ableitung gesellschaftlicherNormen davon, die Festlegung der Nationalität und die Zurichtung danach.
All dies sind die Normen und Werte die, dass Leben von Menschen zerstörenkönnen, nämlich immer dann wenn ihre gesellschaftliche Zurichtungund ihr Ausbruch aus diesen Verhältnissen dazu führt, dass dieserMensch an der Reibung mit der Gesellschaft zerbricht. Denn solange Menschenin ihrer Käseglocke von Herrschaft, Verwertung und gesellschaftlicherZurichtung leben, scheint es ihnen gut zu gehen, der Ausbruch aus diesenführt zu einigem. Der Marginalisierung durch sein bisheriges Umfeldund der Verfolgung durch Polizei, Staatsschutz, Verfassungsschutz, Richter,Staatsanwaltschaft. Auch beim Atomforum trafen sich größtenAtomlobbyistInnen Deutschlands, auf der Tagesordnung standen solche Themen,wie der Export von Atommüll nach Russland, der Export von Technologienund vieles mehr. Die Menschen, die dort Widerstand leisteten, werden, wieimmer, kriminalisiert und verfolgt. Ein Mensch aus der Aktionsgruppe „TheFlying Carlsons“ wurde erst mal unter Berufung auf sehr fadenscheinige Gründeacht Tage lang in Untersuchungshaft gesteckt, drei andere zur Zahlung horrenderSummen verurteilt. Das alles ist Demokratie!
Aber wie könnte es anders gehen? Die Frage ist wie sich Menschen inkooperativen statt in konkurierenden Verhältnissen verhalten. Also inVerhöltnissen ihne Knast, Staat, Markt, Verwertung, Herrschaft etc.Wie würde sich Menschen miteinander frei vereinbaren, assozieren unddisozieren. Denn auch die freie Trennung von Menschen halte ich fürwichtig. Ein erster Schritt ist die Entwicklung von Linux. Hier zeigt sichsehr klar, wie ein Produkt ohne kapitalistische Profitlogikerstellt werdenkann, welches vielen kommerziellen Produkten überlegen ist.
Ohne die staatlichen Gewaltorgane wäre Atomkraft nicht möglich.Und deshalb: Für eine Herrschaftsfreie Gesellschaft!

[Dieser Text steht unter GPL. Copyright 2002 Lars Strojny]

Die Sichtweise der Welt spielt eine erheblicheRolle in der selektiven Wahrnehmung. Meiner Überzeugung nach kann iches nicht unterstützen, wenn sich Menschen auf eine Organisationsformeinigen, in der manchen mehr Entscheidungsgewicht als anderen zugewiesenwird. konkret macht sich das in diesem Raum bemerkbar, in dem die Staatsbeamtennur Funktionen erfüllen. diese Beamten genießen zwar ein Machtgefällegegenüber meiner Position, welches ihnen aber ihre Subjektivitätund die Legalität selbstbestimmten Handelns versperrt. Das Festhaltenan dieser Form ist ein Festhalten an ihrer eigenen Entfremdung.
Weiterhin sehe ich es als trügerisch, die Verwaltung von Eigentum Privatpersonenoder Kollektiven zuzusprechen, mit der Option verbunden, dieses fremdzuverwalten.in diesem Fall waren die Bewohner des Max-Kade-Hauses nicht von der hierverhandelten Öffentlichkeitsarbeit, sondern vom Versuch ihrer Unterbindungund ihrer juristischen Verfolgung gestört. Mittlerweile habe ich 45Unterschriften mit der Bitte um das Zurückziehen der Klage und um Bemühungum eine außergerichtliche Klärung von Bewohnern des Max-Kade-Hausesgesammelt, die aber vom Anwalt des Studentenwerkes nicht angenommen wurde.Die vorgeschobenen Ausfälle und Fehlzeiten der Mitarbeiter sind vornehmlichdurch den Wunsch der Leitenden des StudentInnenwekes nach juristischer Verfolgungentstanden.
Unser Angebot, die durch unsere Öffentlichkeitsarbeit entstandenen Ausfallstundenbeim StudentInnenwerk zu begleichen wurden vom Geschäftsführerabgelehnt. Ein Zeichen dafür, daß nicht Einigung, sondernStrafe und Maßregelung eine leitende Rolle Im Geist des alleine entscheidendenGeschäftsführers spielt.
Der Rechtssprechung werde ich mich beugen müssen, doch erkenne ich ihre Legitimität nicht an.


Ein nettes Bild dazu ist in einem Buch des Otto-Schmidt-Verlages von 1962 enthalten. Der Verlag hat ausdrücklich verboten, seine Bilder in diesem justizkritischen Kontext zu verwenden. Offensichtlich sind ihm seine früheren Positionen heute peinlich. Als Dokumentation, dass auch der Otto-Schmidt-Verlag mal justizkritische Bilder veröffentlicht hat, kann das Folgende dienen:

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