Laienverteidigung

DIE MACHT DER RICHTER*INNEN

Das soziale Wesen Richter*in


1. Die Stellung von Richter*innen
2. RIchterrecht: Richter*innen können sogar selbst Recht schaffen
3. Was soll die Staatsanwaltschaft?
4. Macht-Durchgriffe im Verfahren
5. Freie Beweiswürdigung
6. Unabhängige Justiz? Richter*innen mit Parteibuch ...
7. Das soziale Wesen Richter*in
8. Links

Aus Thomas Fischer, "Fehlurteile", in: Zeit am 6.9.2015
Dabei gehen die Richter natürlich nicht, wie die Formulierungen suggerieren, wie unschuldige Kinder durch die Welt, sperren die Äuglein auf und schauen einmal, ob ihnen wohl ein Tatbestand bekannt vorkommt. Denn auch die Wörter, die sie benutzen und die das Gesetz benutzt, sind ja nicht unschuldige Laute, sondern jahrtausendealte Symbole, uralte Zaubersprüche, Träume, Erlebnisse, Freuden, Schmerzen. Ein Mensch kann nicht "Schmerz" denken, oder "Wunde", oder "Hass", ohne sich darunter etwas vorzustellen, also ohne es zu fühlen.
"Er versetzte ihr einen wuchtigen Faustschlag in das Gesicht, der ihr Nasenbein und den Oberkiefer brach." Das kann man so lange lesen, wie man will, und immerzu sagen: So ist das nun mal bei der Körperverletzung im Familienkreis. Man wird aber doch immer ein Bild haben, und jedes Bild wird anders sein; die Bilder sind so unterschiedlich wie die Menschen.
Deshalb ist es Unsinn, von Richtern zu verlangen (oder von Richtern über sich selbst zu sagen), sie sollten "neutral" sein gegenüber den Worten, Bildern, Erinnerungen, Gefühlen, Schlussfolgerungen, Erfahrungen ihres eigenen Lebens.

Richter*innen sind nicht nur allgemein in der Bevölkerung hoch angesehen, sondern halten sich selbst auch für etwas ungemein Tolles und Liebenswertes. Von Außen wie aus der Innensicht ist eine Wahrnehmung typisch, dass ihr Werk wichtig ist für das soziale Leben und sie den sozialen Frieden aufrechterhalten. Das ist reine Propaganda - und ziemlich absurd, dass ihr Job eine der brutalsten und widerlichsten Tätigkeiten dieser Gesellschaft ist. Fabrikmäßig wird soziales Leben zerstört, werden Menschen hinter Gitter geschickt, sozial isoliert ... und das alles in einer Symbolik, die an Ekligkeit kaum zu übertreffen ist (Sprache, Gehabe, Kleidung, Mobiliar ...).

Aus Thomas Fischer, "Der Richter und sein Selbstbild", in: Zeit am 7.7.2015
Selbst Medizinstudenten erleben nach Bestehen des Physikums während ihres Hauptstudiums den einen oder anderen leibhaftigen Menschen, genannt "Patient". Sie müssen sich also, nachdem sie die Namen aller Nerven im Unterarm auswendig gelernt haben, ein zerstörtes Ellenbogengelenk gelegentlich anschauen, selbst auf die Gefahr hin, dass noch ein Mensch dranhängt, der irgendwelche störenden Probleme macht, die neurologisch nicht wirklich spannend und für die Prüfung ohne Belang sind (Schmerzen, Sorgen, dumme Fragen).
Anders die Juristen: Ein Fall ist ein Fall ist ein Fall. Ein Fall ist "ein Sachverhalt", dieser ist lang oder kurz, so wie später die Akten dick oder dünn sind. Ob darin Menschen wohnen, weiß man nicht genau. Zwölf Semester lang und noch einmal 18 Monate heißen alle Menschen A., B., G., S. oder T. Wie lange kann man das einüben, bis sich für alle Zeit die Überzeugung eingebrannt hat, das eigentlich Störende an den Fällen seien die Menschen?


Aus Ludger Schwerte (2012), „Vom Urteilen“ (S. 17)
Zuallererst muss daher der erfolgreiche Jurist jedem Nicht-Juristen das Gefühl vermitteln, dieser könne mangels juristischer Kenntnisse die Dinge überhaupt nicht vernünftig beurteilen. Dann muss er es verstehen, seine Mutmaßungen, seine Sinnannäherungen, die Resultate seiner juristischen Texthermeneutik in performativen Äußerungen zur Form der Wirklichkeit werden zu lassen.

  • Richter*innen schickten Leute in Knast (Isolation, soziales Morden ...) und kümmern sich dann rührselig ehrenamtlich darum, dass der Schaden wieder ein bisschen korrigiert wird ... in: Gießener Anzeiger, 27.12.2006

Im Original: Wie gehe ich mit einem Strafjuristen um?
Aus Watzke, Ed: "Empfehlungen für Sozialarbeiter im Umgang mit Strafjuristen", in: Komitee für Grundrechte und Demokratie (1998), "Alternativen zu strafrechtlicher Gewalt" (S. 80 ff.)
Juristen, insbesondere Strafjuristen sind im Grunde relativ einfach strukturierte Menschen. Erinnern Sie sich an jene allegorische Figur in der griechischen Mythologie, welche als Symbolfigur der Weisheit und Gerechtigkeit den Anbeginn abendländischer Juristerei markiert: Pallas Athene. Sie ist als Kopfgeburt dem Haupte Zeus' entsprungen, So ist es bis heute geblieben. Juristen bestehen in erster Linie aus Kopf und Hirn, Der restliche Körper dient im wesentlichen dazu, Kopf und Hirn oben und funktionsfähig zu halten. In ihren Gerichtssälen ist der restliche Körper denn auch zumeist verhüllt und kaum auszunehmen unter ihren Talaren. Wenn Sie ihre Körpersprache beobachten, werden Sie dieser sonderbar steifen bis hölzernen Art gewahr werden, in der sie sich bewegen.
Ihr Denken hin wiederum verläuft in sehr sonderbaren Bahnen: Juristen denken ausschließlich in einem binären Code. Etwas ist gegeben oder nicht gegeben, ein Faktum erwiesen oder nicht erwiesen, die gesamte Welt teilt sich auf in Personen oder Sachen, Angeklagte sind schuldig oder unschuldig und so weiter. Schwarz oder weiß, dazwischen fehlt die gesamte Palette an Farben, welche das Leben eigentlich ausmacht. So reduziert sich ihre Welt auf das, was sie durch das binäre Raster der kanonisierten, in Schriftform vorliegenden Rechtsnormen wahr nehmen. Eines gleich vorweg: Vergessen Sie als Konfliktschlichter jegliche Einflußnahme auf diese Denkungsart, vergebliche Liebesmühe, reinste Energieverschwendung. Ebenso könnten Sie versuchen, einem Hund das Fliegen beizubringen. Akzeptieren Sie diese Eigenart wie eine Art der Behinderung. Das wird Ihnen um so leichter fallen, als es ein Teil Ihrer Profession ist, mit Defiziten und Behinderungen der verschiedensten Art umzugehen.
Da ist noch eine zweite Eigenart im juristischen Denken, eng mit der vorhin erwähnten ver knüpft. Juristen sind darauf versessen, daß es eine, die einzige und echte, intersubjektiv über prüfbare Wahrheit gibt und daß sie über geeignete Mittel verfügen, diese klar, präzise und unmißverständlich herauszufinden. Sie zählen somit zu einer im Aussterben begriffenen Sorte erkenntnistheoretischer Fundamentalisten, insbesondere seit die Königsdisziplin der sogenannten exakten Wissenschaften, die Physik, das Paradigma des Entweder - Oder zu Gunsten des Sowohl - Als auch längst verlassen mußte.
Innerhalb ihres beschränkten Paradigmas sind sie darauf trainiert, sich bis in kleinste Details in exakten, linear kausalen Denkschritten vor- und rückwärts zu bewegen. Zirkuläres Denken ist ihnen völlig fremd und unzugänglich. Er begann als Holzfäller, nun betreibt er eine gutgehende Haarspalterei wäre eine Metapher für die Entwicklung juristischer Denkungsart.
Richter und Staatsanwälte neigen zu einer maßlosen Selbstüberschätzung ihrer gesellschaftli chen Funktion. Gleich jenem Hahn in der Fabel, der überzeugt ist, daß sein Krähen den täglichen Aufgang der Sonne bewirke, glauben Strafjuristen, das Unterlassen von Strafen würde mit einem Schlag die gesamte kulturelle Ordnung zusammenbrechen lassen, Chaos, Barbarei hervorrufen. Deshalb ist die strafrechtliche Verfolgung auch kleinster Vergehen unverzichtbar. Sie nennen das Generalprävention.
Eindimensional in diesen Bahnen denkend und danach handelnd, richten sie großen Schaden an, zerstören Existenzen, stigmatisieren viele Menschen wegen kleinster Vergehen, sorgen für überfüllte Gefängnisse, deren Insassen nur um so chancenloser entlassen werden, je länger sie in diesen verweilen mußten. Auf diese Weise produzieren sie permanent Kriminalität, um diese wiederum zur eigenen Legitimation heranzuziehen. Ein zirkulärer Prozeß.
Dabei erleben sie sich selbst als unverzichtbare Wohltäter der Gesellschaft, sind immer auf seiten des Rechts, welches sie nicht nur sprechen, sondern gewissermaßen selbst erzeugen, und leben dabei noch unreflektiert und unbewußt ihr eigenes psychisches Strafbedürfnis aus. Sie sprechen ihre vernichtenden Urteile wie zum Hohne im Namen des Volkes aus, gelangen so zu hohem Ansehen und Würden, ohne je für die schädlichen Auswirkungen ihres Treibens zur Verantwortung gezogen zu werden.
Sie als Konfliktschlichter sind angetreten, um diesem unhaltbaren Zustand etwas entgegen zusetzen, den Schaden einzudämmen, indem Sie darangehen, möglichst viele Opfer aus den Klauen dieser Justiz zu befreien und als Alternative die Lösung sozialer Probleme in die Eigenverantwortlichkeit der betroffenen Bürger zurückzuführen. Die Aufgabe ist riesig. Sie stehen als David dem Koloß Goliath gegenüber, aber hat nicht auch David gewonnen? Seien Sie voll Tatendrang und Energie, wachsam und unermüdlich! Sie wissen, Sie setzen sich für eine gute und sozial gerechte Sache ein, jedem Einzelnen Ihrer Klienten, egal ob Täter oder Opfer, erweisen Sie dabei unschätzbare Dienste.
Entscheidend für Ihre Erfolge dabei ist neben allerlei anderen notwendigen Voraussetzungen ein professioneller Umgang mit den Richtern und Staatsanwälten. Denn diese sind nun einmal, ob Sie es wollen oder nicht, vorwiegend Ihre Lieferanten. Sie werden unter ihnen vielen begegnen, die Ihnen schroffe Ablehnung, Mißachtung oder Gleichgültigkeit entgegenbringen. Lassen Sie sich dadurch nicht abschrecken. Wir werden später noch auf diese Gruppe zu sprechen kommen. Es gibt jedoch auch solche, die Interesse an Ihnen und Ihrem Vorhaben zeigen. Dort setzen Sie den Hebel an. Suchen Sie solange, bis Sie mindestens ein solches Exemplar aufgestöbert haben! Erst dann und nur dann können Sie Ihr Projekt starten.
Ich empfehle Ihnen, wie nachfolgend beschrieben vorzugehen. Das elaborierte Modell sieht zwei Blöcke gleichsam gebündelter Interventionen vor, welche, aufeinander abgestimmt und in ausgewogener Kombination zur Anwendung gebracht, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum angestrebten Erfolg führt: Persönlichkeitsentwicklung der Strafjuristen ist Block eins. Der Hierarchische Durchstieg Block zwei. Der gesamte Ablauf wirkt in der Folge zirkulär. Sie beginnen jedoch, auf welcher Hierarchieebene auch immer, mit Block eins. Dieser bewirkt die Initialzündung.


Richter*innen als Teil von Elite
Aus "Woher kommt unser Rechtsbewusstsein?", in: FR, 24.7.2007 (S. 23)
Den Anstoß gab Ralf Dahrendorf, der in seinem Buch "Gesellschaft und Demokratie in Deutschland" konstatierte, dass deutsche Juristen, namentlich die Richter, typischerweise aus den oberen sozialen Schichten stammen, sozial immobil und konservativ sind, und daran die kritische, vielfach als Provokation empfundene Frage knüpfte, was es bedeute, dass eine solche Schicht über den ihr unbekannten Rest der Gesellschaft zu Gericht sitzt. Der Verdacht der Klassenjustiz wurde alsbald geäußert, konnte später allerdings durch empirische Untersuchungen widerlegt werden: die Denkweise der Richter wird nicht von ihrer sozialen Herkunft geprägt, sondern von tradierten und rechtsimmanenten Denkmustern, welche in der Universitätsausbildung gelernt werden.

Konstruktion von Wahrheit - Richter*innen wie Götter: Wahrheitsschaffende Instanz
Heinz von Förster/Bernhard Pörksen (8. Auflage 2008), „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“, Carl Auer Verlag in Wiesbaden (S. 40)
Mein Wunsch wäre es, meine Sprache so zu beherrschen, daß Ethik in jedem Dialog - ganz gleich, ob es um Politik, Wissenschaft, Poesie oder was auch immer geht - implizit bleibt, so daß ich, wenn ich einen bestimmten Satz gesagt habe, immer noch ein anständiger Mensch bin. Ein Mensch, der andere nicht zu etwas zwingen will. Ein Mensch, der sich nicht zum Richter oder Polizisten aufschwingt, sondern dem anderen seinen Raum läßt. Das ist der Grund, warum ich eigentlich keine weiteren Kriterien und Checklisten für eine endgültig richtige Sprache und Form der Darstellung nennen möchte.

Bertolt Brecht, 1898 - 1956, Dramatiker und Lyriker
Nicht nur die deutsche Justiz ist unbestechlich!
Auf der ganzen Welt kann man mit der größten Geldsumme keinen Richter mehr dazu verführen, Recht zu sprechen.


Jeremy Bentham
Advokaten sind die einzigen Leute, bei denen Unkenntnis des Rechts nicht bestraft, sondern belohnt wird.

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