Stiftung Freiräume

AKTUELLE THEORIEANSÄTZE: WORÜBER ANARCHISTINNEN NACHDENKEN, WENN SIE DENKEN

Einleitung


1. Einleitung
2. Zu wenig: Das traditionelle Verständnis von Herrschaft
3. Verschlafen oder vergessen: Moderne Herrschaftsanalyse
4. Das Menschenbild im Anarchismus
5. Links

Hier beginnt das Kapitel "Anarchie von Theorie bis Praxis: Theorien, Lücken und blinde Flecken" im Buch "Anarchie. ..." (Gliederung)

Wer sich anarchistische Zeitungen, Internetseiten oder Treffen anschaut, stellt etwas Bemerkenswertes fest: AnarchistInnen sind nicht nur herrschafts-, sondern auch theoriefeindlich. Zwar prägen die Schriften alter TheoretikerInnen viele Büchertische und Textsammlungen, aber die meisten Menschen, die anarchistische Camps oder Kongresse besuchen, haben eine andere Beziehung zu "ihren" Altvorderen namens Bakunin, Kropotkin, Rocker oder - ganz praktisch als Quotenerfüllung - Goldmann als die MarxistInnen zu Marx, Engels oder Lenin. Zugegeben: Auch (nervig) viele der AnhängerInnen des Sozialismus oder Kommunismus kleben an den Klassikern und sind desinteressiert oder nicht im Stande, moderne Herrschaftsanalysen in ihre Gedanken und Handlungen einfließen zu lassen. Doch es gibt Strömungen und Diskussionskreise, die marxistische Ideen auf die heutige Zeit anwenden, fortentwickeln und mitunter sogar zu überwinden versuchen. Bei den AnarchistInnen sieht das schlechter aus: Ihnen fehlt es weitgehend an aktueller Theoriearbeit zu Herrschaftsformen, Zwangsmechanismen und Befreiung meist völlig. Die alten Klassiker liegen auf den Büchertischen herum, ihr Verkauf schwankt mit dem "In"-Sein anarchistischer Symbolik. Doch eine Theoriearbeit, die sich auf neue Herrschaftsanalysen bezieht oder zumindest die klassischen TheoretikerInnen weiterentwickelt, fehlt. Mehr noch: Die führenden, sich anarchistischen Zeitungen wie "Direkte Aktion" und "Graswurzelrevolution" reagieren geradezu allergisch auf Texte mit theoretischen Neuerungen und Entwürfen. Sie halten dogmatisch an alten Konzepten fest, bejubeln lieber ihre langes Eigendasein als neue Ideen und glänzen beide mit der Zensur abweichender Positionen - obwohl die in der Regel der Auslöser von Theorie-Weiterentwicklungen wären.

Im Original: Theoriemangel im Anarchismus
Aus Cantzen, Rolf (1995): "Weniger Staat - mehr Gesellschaft", Trotzdem-Verlag in Grafenau (S. 127)
Im Umkreis der alternativen Betriebe und Projekte wird eher pragmatisch verfahren. Das Fehlen weitergehender Perspektiven wird oft begleitet von einer Abneigung gegenüber theoretischen Erörterungen. So stößt man häufig dort auf politische Orientierungslosigkeit, wo nicht immer noch die alten marxistisch-staatssozialistischen Konzepte der Gesellschaftsveränderung dominieren.
Die wenigen - bisweilen sehr naiven - Versuche, eine Perspektive zu entwickeln, wie man über eine schrittweise Ausdehnung der Alternativökonomie, über die Herausbildung einer Gegenkultur und über die Ausweitung und Vernetzung von Selbsthilfeaktivitäten "dem System" wirksam Konkurrenz machen könnte, um es schließlich überflüssig werden zu lassen, wurden schon vor einer ernsthaften Diskussion so massiv kritisiert, daß es kaum noch zu den notwendigen Modifikationen und Einschränkungen kommen konnte.‚ Vor allem die mit diesen Vorstellungen verbundenen Perspektiven einer dezentral organisierten Gesellschaft und Ökonomie blieben weitgehend unbeachtet.


Angesagt ist vor allem der Bezug auf die bekannten ökonomischen, sexistischen und rassistischen Unterdrückungsformen sowie die abstrakten Kapitalbesitzverhältnisse. Sie sollen daher zuerst beschrieben werden. Danach folgen die vergessenen Herrschaftsformen. Ihre theoretischen Grundlagen werden hier nur kurz dargestellt, da mit "Freie Menschen in freien Vereinbarungen" bereits eine Veröffentlichung vorliegt, die Herrschaftsverhältnisse und Perspektiven herrschaftsfreier Zukünfte umfangreich analysiert. Auf die dortigen Texte sei daher verwiesen.


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