Alltagsalternativen

Ö-PUNKTE 2/2001 ("SOMMER 2001")

Tempo 100: Genug studiert - jetzt probieren!


1. Kopenhagen - ein RadlerInnenparadies
2. Nicht nur in Amsterdam: Radeln lohnt sich
3. Politische Mühlen mahlen langsam
4. Rechtswidrige Radwege
5. Flughafen-Zubringerverkehr / Kooperation von Lufthansa und DB AG
6. Tempo 100: Genug studiert - jetzt probieren!
7. InformationsDienst Verkehr IDV Nr. 66 erschienen
8. MOBIL OHNE AUTO: Aktionstag am 17. Juni 2001

"Und das Tempolimit kommt doch" titelte die Süddeutsche Zeitung vor zehn Jahren. Wie wir jetzt wissen, sind wir von Tempo 100 weiter entfernt als zuvor. Dabei sprechen so viele Tatasachen für ein Tempolimit, aber die möglichen Emotionen der Autofahrer und die Angst der Politiker davor belassen die deutschen Autobahnen regellos. Noch 1992 wusste Gerhard Schröder: ?Das Tempolimit ist ein Gebot der Vernunft.? Aber was hat Politik schon mit Vernunft am Hut, wenn sie am Regieren ist?

Vorteile von Tempo 100.
  • Die Wahrscheinlichkeit einer Kollision wie auch die Schwere der Unfallfolgen steigen mit dem Quadrat der Fahrgeschwindigkeit

  • Verschiedene Institute verschiedene Angaben, der Trend jedoch ist immer eindeutig: Umweltbundesamt 25-50% weniger Tote und Verletzte BASt 17% oder z.B. für den Fall von Tempo 80/100 außerorts prognostiziert das UPI eine Halbierung der Verletztenzahlen. Auch der Rückkehrschluss ergibt stets das gleiche Bild: Aufhebung des Tempolimits lässt die Unfallzahlen hochschnellen (USA in den Achtzigern/ BRD 1974/ 75). Eine Verteuerung des Kraftstoffs allein senkt das Geschwindigkeitsniveau und damit die Unfallzahlen nicht, wie die Erfahrungen des letzten Jahres zeigen (elf Prozent mehr Unfalltote auf den Autobahnen als im Vorjahr).
  • Laut Umweltbundesamt würde Tempo 100 das auf Autobahnen ausgestoßene Kohlen-dioxid um 19% bei einem Befolgungsgrad von 80% senken. Insgesamt wären das drei Prozent CO² gesamten Verkehrs
  • Entsprechendes lässt sich zum Energieverbrauch sagen, der parallel mit dem Kohlendioxid-Ausstoß zunimmt. Der Kraftstoffverbrauch steigt überproportional zur gefahrenen Geschwindigkeit
  • Bei Tempo 110 würde sich der Stickoxid-Ausstoß um zehn Prozent laut Wuppertal-Insitut senken
  • Die Bildung von Sommersmog/ Ozon wird durch Tempolimits gemindert
  • Tempolimit allein bringt eine Stickoxid-Senkung von über fünf Prozent, eine Kombination mit Fahrverboten ist selbstverständlich deutlich wirksamer. Allerdings sinken der Ozonspiegel und seine Vorläufersubstanzen erst ein bis zwei Tagen nach Eingriffen ins Verkehrsgeschehen. Das spricht für konstante Tempolimits und nicht für Hau-Ruck-Aktionen. Im Bereich Sommersmog/Tempolimit wird ein sinkender Handlungsbedarf suggeriert, da die den Pro-gnosen über die Entstehung von Sommersmog zugrundeliegenden Annahmen zu optimistisch sind. Sie gehen von konstantem lebenslangen Funktionieren der Katalysatoren aus und berücksichtigen nicht die im Laufe der Zeit ansteigenden Geschwindigkeiten der Pkw und Lkw auf den Autobahnen.
  • Bei höheren Geschwindigkeiten dominieren die Reifen- die Motorgeräusche. Flächendeckend Tempo 80/100 würde den Lärm um zwei dB(A) mindern., Tempo 100 auf Autobahnen allein werktags mindestens um einen Dezibel
  • Aufgrund der Reifengeräusche ist der vermehrte Einsatz von Elektro- und Brennstoffzellen-Fahrzeugen keine Lösung für das Problem ?Lärm von Schnellstraßen?. Der Trend, immer breitere Reifen einbauen zu lassen, erhöht den Lärmpegel. - Tempo 100 wirkt sich sonntags am stärksten aus, da zu dieser Zeit keine Lkw auf Autobahnen unterwegs sein sollten.
  • Schmalere Fahrbahnen mit einer mehr der Landschaft angepassten Trassierung sparen Fläche und Kosten bei Bau und Bodenerwerb
  • In Deutschland ist man stolz auf die gut ausgebauten Autobahnen. Die Fahrstreifen sind breiter als die in den Nachbarländern, die Kurven so angelegt, dass man das Stauende schon von Ferne sieht. Dabei übersehen allerdings die Politiker, dass die gefahrene Geschwindigkeit vom Platzangebot abhängig ist. Durch den Ausbau von Autobahnen werden Unfallzahlen nicht gesenkt. Das zeigen Untersuchungen aus den siebziger Jahren über Unfallschwerpunkte auf gut ausgebauten Landstraßenabschnitten, aber auch aktuellere Unfallzahlen: 1999 lagen die Unglücksschwerpunkte in Brandenburg auf den neu ausgebauten, sechsspurigen Autobahnabschnitten. Die Polizei begründete das explizit mit dem Ausbaustandard.
  • Allein im Gesundheitsbereich könnten durch Einführung von Tempo 30/80/100 jährliche volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von über 5,7 Milliarden DM eingespart werden
  • Die Gesundheitskosten setzen sich aus den Behandlungs- und Ausfallkosten (z.B. bei der Arbeit) zusammen. Relativ gesehen würde ein Autobahn-Tempolimit die volkswirtschaftlichen Kosten für Getötete und Schwerverletzte auf diesen Straßen um knapp 40% senken.
Die hier zusammengestellten positiven Auswirkungen eines Tempolinits von 80 bzw. 100 km/h ergeben sich nicht durch das alleinige Aufstellen entsprechender Verkehrsschilder. Diese Maßnahme würde die gefahrene Geschwindigkeit lediglich um sechs Prozent senken, da sich nur etwa jeder dritte Kfz-Lenker daran hielte. Statt der z.B. möglichen 19%igen Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes und Kraftstoffverbrauchs bei einem Befolgungsgrad von achtzig Prozent wären es nur noch fünf.
Tempo 100 darf nicht zur bloßen Richtgeschwindigkeit verkommen wie die heutige Regelung. Neben einer guten Überzeugungsarbeit muss es daher auch engmaschige Kontrollen und Sanktionen geben. Erfreulicherweise erhöht sich der Druck von außen auf Deutschland. Nicht nur die EU-Kommission sondern auch die OECD bemängelte jüngst das Fehlen eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen.
Literatur:
Zur Geschichte der Tempolimits: Heinrich Praxenthaler, Die Sache mit der Geschwindigkeit, in: Straßenverkehrs-technik 9/95, 2, 10 + 12/96,
UPI, Möglichkeiten der Einsparung volkswirtschaftlicher Kosten durch Geschwindigkeitsbeschränkungen, UPI-Bericht 42, Heidelberg 1997
UPI, Bodennahes Ozon, UPI-Bericht Nr. 48, Heidelberg 1999
IDV 65, Der Ölkrisen-Test, Berlin 2000
Angaben für die aktuellen Umweltauswirkungen: Umweltbundesamt, Fachbereich Verkehr und Umwelt

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