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WAS IST RECHT?

Recht ist Herrschaft: Wer die Macht hat, schafft das Recht!


1. Behauptungen über das Recht
2. Recht ist das Höchste
3. Recht ist Herrschaft: Wer die Macht hat, schafft das Recht!
4. Herkunft des Rechts
5. Mythos der Freiheitsgarantie und Menschenrechte
6. Recht ist strukturkonservativ
7. Kritische Zitate zum Recht
8. Linke und AnarchistInnen für Recht?
9. Links
10. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Das Recht sind die Spielregeln, die die Mächtigen machen, damit ihr Handeln auch noch legal wirkt. Im Recht drücken sich auch soziale Kämpfe und eliten-interne Konkurrenzen aus. Das ändert aber nicht daran, dass das Recht gilt, was vom Stärkeren kommt. Damit ist die Stärke des Rechts auch das Recht des Stärkeren. Wenn Angela Merkel, wie am 20.7.2013 auf der Titelseite der SZ zitiert, sagt: "Bei uns ist Deutschland und in Europa gilt nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts", dann betreibt sie Propaganda. Denn wissen dürfte sie es besser. Dummerweise reden HumanistInnen, linke Gruppen usw. ähnlichen Unsinn.

Im Original: Recht ist menschengemacht
Aus Hannah Arendt (1963): "Über die Revolution", München
Die Menschenrechte sind keine Attribute einer wie immer gearteten menschlichen Natur, sondern Qualitäten einer von Menschen errichteten Welt.

Aus Hannah Arendt (1949): "Es gibt nur ein einziges Menschenrecht", in: Sternberger, Rolf (Hrsg.): "Die Wandlung I", Heidelberg (S. 754 ff.)
Als Gleiche sind wir nicht geboren, Gleiche werden wir als Mitglieder einer Gruppe erst Kraft unserer Entscheidung, uns gegenseitig gleiche Rechte zu garantieren.

Aus Diefenbacher, Hans (Hrsg., 1996): "Anarchismus", Primus Verlag in Darmstadt (S. 32)
Da das menschliche Recht immer ein gegebenes ist, so läuft es in Wirklichkeit immer auf das Recht hinaus, das die Menschen einander geben, d. h. 'einräumen'. Räumt man den neugeborenen Kindern das Recht der Existenz ein, so haben sie das Recht; räumt man's ihnen nicht ein, wie dies bei den Spartanern und alten Römern der Fall war, so haben sie's nicht. Denn geben oder 'einräumen' kann es ihnen nur die Gesellschaft, nicht sie selbst können es nehmen oder sich geben. Man wird einwenden: die Kinder hatten dennoch 'von Natur' das Recht zu existieren; nur versagten die Spartaner diesem Rechte die Anerkennung. Aber so hatten sie eben kein Recht auf diese Anerkennung, so wenig als sie ein Recht darauf hatten, daß die wilden Tiere, denen sie vorgeworfen wurden, ihr Leben anerkennen sollten. ...
Nietzsche hat diese These in polemischer Wendung gegen die Rechtsethik der Aufklärung nicht radikaler als Stirner zu formulieren vermocht. Der Hegelkritiker und Schleiermacherschüler Max Stirner war zudem ausgebildet genug, um zu wissen, daß die fällige Revolution, also die Alternative zur französischen und zur proletarischen, sprachphilosophisch und anthropologisch so zu beschreiben ist, daß das Prädikat (Mensch) dem Subjekt (Person) zuzuordnen ist (und nicht umgekehrt), und daß in diesem Sinne dem Einzelnen seine Person als sein Eigentum gehört. Prädikate sind begriffsfähig, und nur sie; "ich" ist es nicht.


Aus Andreas Anter (2007), „Die Macht der Ordnung“ (S. 171)
Weder die Verfassung noch deren Interpretation kann eine wertfreie Angelegenheit sein, denn sowohl die Rechtsetzung als auch die Rechtsprechung sind zwangsläufig von Wertentscheidungen geprügt. Selbst wenn die Legitimität des Werturteils in der Jurisprudenz häufig bestritten wird und die wertende Betrachtung als subjektivistisch, irrational und dezisionistisch bekämpft wird, liegt auf der Hand, daß jede Rechtsordnung auf einer Wertsetzung beruht und ihre Auslegung stets eine Wertentscheidung ist. Da weder die Rechtsetzung noch die Rechtsprechung ohne Wertentscheidungen möglich ist, kann auch die juristische Arbeit nicht völlig wertfrei sein.

Philipp Eschenhagen, Promotionsjurist am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht in Kiel, im Interview auf Zeit online am 4.2.2023
Das Recht ist nicht nur Ausdruck von Machtverhältnissen, sondern konstituiert diese zugleich auch. ...
Es hat eine Ordnungsfunktion. Recht wird jedoch performativ erzeugt und ist fluide, es ist in Bewegung und immer auch abhängig von politischen Entscheidungen. Und es fließen Erfahrungshorizonte in seine Auslegung ein. Immer sind Menschen am Werk. ...
Wo immer Recht ausgelegt und angewandt wird, entsteht es neu.

Im Original: Recht wird von den Mächtigen gemacht
Aus G. Radbruch (1950), Rechtsphilosophie, Stuttgart, zitiert nach: Kühnl, Reinhard (1971): "Formen bürgerlicher Herrschaft", Rowohlt Taschenbuchverlag in Reinbek (S. 58)*
Die Rechtsordnung gilt, die sich faktisch Wirksamkeit zu schaffen vermag ... Wer Recht durchzusetzen vermag, beweist damit, daß er Recht zu setzen berufen ist.

Aus "Der Arbeiter darf wählen", einem Text des späteren SPD-Bundestagsfraktionschefs Herbert Wehner, in: Junge Welt, 25.9.2021 (S. 3)
Die deutsche Republik hat ein fein ausgeklügeltes System der Rechtsprechung, mit dessen Hilfe es möglich ist, jeden, der rebelliert, als »kriminellen Verbrecher« hinzustellen.

Aus Thomas Fischer, "Der Richter und sein Selbstbild", in: Zeit am 7.7.2015
Gesetze sind geronnene Macht und Politik, keine natürlichen Erscheinungsformen von Gerechtigkeit. Wer die Gesetze macht, kennt, auslegt und "anwendet", also durchsetzt, muss von "Gerechtigkeit" nicht unbedingt viel Ahnung haben. Sie wird aus anderen Quellen gespeist, auch wenn sie, etwa über das Verfassungsrecht, in die Gesetzeshierarchie hineinragen.
*Fischer war Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof und ist der führende Strafrechtskommentator (C.H.Beck-Kommentar zum StGB)

Aus Thomas Fischer, "Die andere Ansicht – Niedergang oder Sieg des Rechtsstaats?", in: Zeit am 25.8.2015
"Die Herrschende Meinung ist die Meinung der Herrschenden" – ein zutreffender, aber etwas banaler Wahrspruch des selbstdefiniert kritischen Juristen. Denn was sonst, außer der "Meinung der Herrschenden", sollte das Recht einer Gesellschaft wohl zum Gegenstand haben? Recht ist Herrschaft. Mit den "Herrschenden" sind dabei nicht der aktuelle Bundeskanzler gemeint oder die aktuelle Vorstandssprecherin der Deutschen Bank. Das Ganze ist ein bisschen "soziologischer" angelegt. Wir bewegen uns zwischen "Klassen"- und "Schichten"-Modellen, ohne dass der Kolumnist sich da einmischen will.
Auf ganz wundersame Weise schafft es die Rechts-"Wissenschaft" seit Jahrhunderten, in ihrer "Herrschenden Meinung" immer gerade das zu vertreten, was der sozial, ökonomisch, politisch "führenden" Ansicht, also jener der Dominierenden entspricht. Selbstverständlich sieht das die Rechtswissenschaft selbst nicht so, denn sonst müsste sie ihren Anspruch aufgeben, "Wissenschaft" zu sein und sich Interessen-Vertretung nennen.


Aus Thomas Fischer, "Soll man mit dem Strafrecht Politik machen?", in: Zeit am 11.11.2015
Ist Strafrecht "neutral"? – Gewiss nicht. Es gibt viele Regeln seiner Entstehung, Auslegung und Anwendung. Stets aber gilt: In seiner jeweiligen historischen Form schützt es die jeweils Mächtigen und benachteiligt die Schwachen. Das gilt selbst dann, wenn "der Staat" sich wie ein Alleinherrscher über die Gesellschaft erhebt, wie dies in Militärdiktaturen der Fall ist. Aber das bedeutet nicht, dass man die Bemühungen um seine demokratische, freiheitliche Legitimation und Funktion aufgeben dürfte.

Aus Thomas Fischer, "Rechtswelten", in: Zeit am 29.12.2015
Die Ordnungen der Welt sind allesamt gemacht: Zwiebelschale auf Zwiebelschale. Und in jeder Haut stecken alle Ingredienzien der Wirklichkeit: Macht und Ohnmacht, Reichtum und Armut, Produktion und Verzehr.

Aus Eppler, Erhard (2005): "Auslaufmodell Staat?", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 9)
Natürlich fällt das Recht nicht vom Himmel. Zuerst wird in Rechtssätze gegossen, was üblich ist. Und üblich ist, daß die Starken sich die Rechte nehmen, die sie brauchen. ...
Es ist eben nicht so einfach, die Willkür des Stärkeren in Paragraphen zu fassen. Unrecht schwarz auf weiß weckt mehr Widerstand als Unrecht, praktiziert im hintersten Dorf. ... Das vom Staat gesetzte, getragene und durchgesetzte Recht schützt alle, die sich nicht selbst schützen können.

Georg Büchner, Der Hessische Landbote (gefunden in: G. Büchner, 1813-1837, Verlag für literarische Produkte, Fernwald 1985)*
Das Gesetz ist das Eigentum einer unbedeutenden Klasse von Vornehmen und Gelehrten, die sich durch ihr eigenes Machtwerk die Herrschaft zuspricht.

Aus dem Vorwort von Donnevert, Dr. Richard* (1939), "Wehrmacht und Partei"
Recht bekommt, wer sich im Daseinskampf durchzusetzen versteht.
*Mitarbeiter im Stab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess, zitiert nach Sander, Ulrich (2004), "Die Macht im Hintergrund", PapyRossa in Köln (S. 39)

Aus Ludger Schwerte (2012), „Vom Urteilen“ (S. 34ff)
Gesetze lassen sich nur verstehen, wenn man sie als Teil einer Herrschaftstechnik analysiert. Diese Technik ist durch eine Asymmetrie gekennzeichnet, die das System des Wahrnehmens, Denkens und Sprechens durchzieht. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass bis in die Struktur der Sprache hinein nur die Eigenschaften der wenigen Mächtigen zählen, sodass die einen befehlen und die anderen gehorchen. Die in Gesetzen sich äußernde Macht ist nicht auf Rechtsdiskurse, Bürokratie und Polizeigewalt beschränkt, sondern etabliert sich vor allem über die Logik der Wahrnehmung: Die Herrschaftstechnik entscheidet darüber, was wahrgenommen wird, was zählt und wer sich artikulieren darf.
In der Moderne werden die Wahrnehmung und vor allem die Aufmerksamkeit für das Dürfen und Sollen durch Gesetze geregelt, die festlegen, was es gibt, was etwas zählt und wie es anzusehen ist. Wir leben in einer Gesetzeswelt. Jeder Stein, jeder Weg. jeder Luftzug manifestiert ein Gesetz. Das Wirkliche tritt als Produkt eines Sein-Sollens auf. Alles, was wir wahrnehmen können, manifestiert damit Eigenschaften von Herrschaft. Die Gesetzförmigkeit des Existierens lässt die Unbestimmtheit bloßen Erscheinens nicht Zu. Die Gesetzesform verbindet das Wissen mit dem Willen der Herrschenden und entzieht dem Beliebigen die Entscheidung über das Wirkliche. Die Frage ‚wie könnte es anders sein?‘ stellt sich uns nicht mehr, seit uns die Wirklichkeit bis hinunter zu den kleinsten technischen Dingen in Befehls- und Aufforderungsform entgegentritt. …
Im „Rechtsstaat“ wird die Theorie, dass alle die Gesetze befolgen müssen. weil alle sie gewollt haben und weil vor den Gesetzen alle gleich sind, zum Instrument der Regierungskunst. Der politische Streit wird mit Hinweis auf die Gesetze und den notwendigen Konsens unterbunden, weil der Konsens aber auf der bloßen Fiktion einer vorausliegenden Zustimmung beruht, muss er tatsächlich als freiwillige Gängelung, stets neu organisiert werden. Dies gelingt durch die ständige Befragung und Bewirtschaftung des (Wohl-)Fühlens und der Stimmung. Die Bewirtschaftung der Stimmung, die Ästhetik, grundiert das Postulat und die Fiktion. Wo Gesetze qua Ästhetik herrschen, gibt es keinen politischen Streit. Die Herrschaft regelt alles über Gesetze die alle Probleme zu objektivieren und zu neutralisieren versprechen. Die erforderliche Zustimmung wird ästhetisch organisiert. …
Die Funktion der Paragrafen und der Rede vom Rechtsstaat ist es, das Recht als eine schon gegebene Gemeinsamkeit zu behaupten, als Grundlage einer Regelung jeglicher Probleme, die man den Rechtstechnikern und -experten überlassen muss. Die Regierung stützt sich auf die Richter, auf die Experten, die sagen, was das Gesetz verlangt. Solange Gesetze herrschen, werden grundsätzliche Fragen eliminiert und steht die Rollenverteilung innerhalb des Staatstheaters fest. …
Der Paragrafendschungel führt nicht nur zu politischer Bewegungsunfähigkeit, zu Expertokratie und einem technischen Verständnis von Gemeinschaft. sondern vor allem zur latenten Kriminalisierung von allem und jedem. Nur eine Überzeugung rechtfertigt das Rechtssystem, in dem wir leben: Das Volk muss beaufsichtigt, gemaßregelt, unter Verschluss gehalten werden.


Wer die Macht hat, definiert Schuld und Unschuld ... das ist Recht
Chefredakteur Arnold Schölzel weint in der Jungen Welt, 13.1.2006 (S. 1) über das Selbstverständliche am Recht:
Milosevic für ein deutsches Bombardement auf Belgrad verantwortlich zu machen, paßt zum Rechtsverständnis des Haager Tribunals: Wer einen Angriffskrieg gewinnt, muß die Angegriffenen zu Schuldigen erklären. Das Recht als Groteske.

Das Recht trennt in gute Staatsgewalt und schlechten Terrorismus
Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei.PDS, dokumentiert in: Junge Welt, 4.12.2006 (S. 10 f.)
Die Bundesregierung teilt die Ansicht, daß es den Rechtsbegriff "Staatsterrorismus" gibt, ausdrücklich nicht. Das bedeutet nicht, daß die in der Kleinen Anfrage mit dem Begriff des "Staatsterrorismus" in Verbindung gebrachten Handlungen von Staaten keinerlei rechtlichen Regelungen unterlägen. Das Gegenteil ist der Fall. Handlungen von Staaten, insbesondere die Anwendung bewaffneter Gewalt durch diese, unterliegen Normen des Völkerrechtes, insbesondere dem humanitären Völkerrecht und dem System der Menschenrechte. Sie dem Begriff des "Terrorismus" zuzuordnen, ist daher weder systemgerecht noch erforderlich.

Aus einem Interview mit dem ehemaligen venezolanischen Außenminister Ali Rodriguez Araque, in: Junge Welt, 10.3.2007 (Beilage)
Gesetze sind nicht nur Instrumente, um die Beziehungen im Innern der Gesellschaft und zwischen Gesellschaft und Staat zu regulieren, sie dienen auch dazu, den Erfolg einer bestimmten Strategie, einer Politik sicherzustellen. ...
Die Kräfteverhältnisse im Land haben es bislang nicht erlaubt, den revolutionären Prozeß viel weiter zu vertiefen. Deswegen hat das Parlament dem Präsidenten jetzt "Sondervollmachten" eingeräumt. Er kann so eine Reihe von Gesetzen überarbeiten, damit sie mit der angestrebten Verfassungsreform übereinstimmen. Wir haben uns die Zeit genommen, um harmonisch beide Prozesse voranzubringen. Am Ende werden diese in einem einzigen zusammenlaufen: Die Ausrichtung aller gesetzlichen Strukturen des Landes auf die Ziele der Revolution. ...


Aus Kropotkin, Peter (1985): "Gesetz und Autorität", Libertad Verlag in Berlin (S. 13)
Ebensowenig wie das kapitalistische Privateigentum, welches durch Betrug und Gewalt entstanden ist und sich unter dem Schutze der Autorität entwickelte, hat das abstrakte Gesetz einen Anspruch auf den Respekt der Menschen. Entsprungen aus Gewalt und Aberglauben, eingeführt im Interesse der Priester, Eroberer und reichen Ausbeuter, muß es am Tage, wo das Volk entschlossen ist, seine Ketten zu brechen, gänzlich abgeschafft werden.

Aus Klenner, Hermann: "Revolution der Rechtslehre" über Marx'sche Rechtstexte, in: Junge Welt, 5.1.2011 (S. 10 f.)
... an der Kritik des bürgerlichen Rechts führt für die Arbeitbewegung schon deshalb kein Weg vorbei, weil diess Recht den Ewigkeitsanspruch kapitalistischer Herrschaft im Mentel allgemeinmenschlicher, also auch proletarischer Interessen- und Werteverwirklichung behauptet. ...
... geht man den Weg von einer Kritik der Realität durch deren Idealität zu einer Kritik der Idealität durch deren Realität konsequent zu Ende - und Marx war der Mann, der sich an die Ideen schmiedete, die seine Intelligenz besiegt und seine Gesinnung erobert hatten-, dann gelangt man unausweichlich zur Einsicht in den Klassencharakter des Rechts, in die Emanzipationsbedingungen des Menschen und schließlich in den kategorischen Imperativ der Arbeiterbewegung: Alle Verhältnisse sind umzuwerfen, in denen der Mensch ein ausgebeutetes, ein unterdrücktes, ein erniedrigtes Wesen ist.


Im Original: Freie Definitionsmacht über das Recht
Wer die Macht hat, kann das Recht sogar rückwirkend ändern ...
Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2008 (Az. II R 62/07)
Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Zwar beziehen sich die Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO und die sich unmittelbar daraus ergebenden Folgen für die Kraftfahrzeugsteuer auch auf bereits vor der Verkündung der Änderungsverordnung vom 2. November 2004 zugelassene Fahrzeuge; dabei handelt es sich jedoch um eine verfassungsrechtlich zulässige tatbestandliche Rückanknüpfung ("unechte" Rückwirkung), die unter Berücksichtigung der vergleichsweise geringen Intensität des in der Steuererhöhung liegenden Eingriffs durch die Interessen des Staates und des Gemeinwohls gerechtfertigt ist.
Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93 u.a., BVerfGE 105, 17, 40).


Im Original: Rechtsgläubigkeit und Zurichtung
Aus Kropotkin, Peter (1985): "Gesetz und Autorität", Libertad Verlag in Berlin (S. 6)
In der Tat wiederholen die, die uns regieren, seit Jahrtausenden nur immer in allen Tonarten: "Respekt vor dem Gesetz, Gehorsam vor der Autorität!" Vater und Mutter erziehen ihre Kinder in diesen Gefühlen. Auch die Schule befestigt dieselben, indem sie durch einige schlau ausgewählte Brocken einer falschen Wissenschaft deren Notwendigkeit beweist; sie macht aus dem Gehorsam vor dem Gesetz einen Kultus; sie verbindet Gott und Gesetz der Herrscher zu einer einigen Gottheit. Die Heroen ihrer fabrizierten Geschichte sind jene, welche den Gesetzen gehorchen und sie gegen die Rebellen schützen. Später, wenn das Kind in das öffentliche Leben tritt, werden ihm durch die Gesellschaft und Literatur, täglich mit jedem Schritt, gleich dem fortgesetzten Fallen des Wassertropfens, der Steine höhlt, diese Vorurteile eingeprägt. Die Bücher der Geschichte, Politik und Ökonomie sind mit diesem Respekt vor dem Gesetz vollgepfropft. Selbst die Naturwis senschaft wird tributpflichtig gemacht, indem man eine der Theo logie und dem Autoritätsprinzip entnommene falsche Sprache ein führt und so auf geschickte Weise unseren Verstand verwirrt, immer zu dem Zwecke, den Respekt vor den Gesetzen in uns zu erhalten. Dasselbe geschieht durch die Zeitungen. Es gibt kaum einen Artikel, der nicht den Gehorsam vor dem Gesetz propagiert, selbst wenn jeden Tag auf der zweiten und dritten Seite die Blödsinnigkeit dieses oder jenes Gesetzes konstatiert und gezeigt wird, wie die Gesetze von jenen in alle Gossen und Kotlachen gezerrt werden, welche die Aufgabe haben, dieselben aufrecht zu erhalten. Die Servilität vor dem Gesetz ist eine Tugend geworden, und ich zweifle sehr, ob es einen einzigen Revolutionär gibt, der in seiner Jugend nicht damit angefangen hätte, der Verteidiger der Gesetze gegen deren sogenannten "Mißbrauch" zu sein; des "Mißbrauchs", der eine unvermeidliche Folge der Gesetze selbst ist.
Die Kunst stimmt in den Chor der sogenannten Wissenschaft ein. Die Heroen der Skulptur, der Malerei und Musik decken das Gesetz mit ihrem Schilde; mit flammenden Augen, aufgeblasenen Nüstern stehen sie bereit, jeden mit ihrer Lanze zu durchbohren, der es wagt, daran zu rühren. Man baut ihm Tempel, ernennt ihm Hohepriester, an deren Heiligkeit selbst Revolutionäre nicht zu rühren wagen; und wenn die Revolution einmal alle diese Institutionen hinwegfegt, ist es wiederum mittels eines Gesetzes, daß man die Revolution zu weihen sucht.
Die wirre Masse von Verhaltensmaßregeln, welche uns die Sklaverei, die Leibeigenschaft, Feudalismus und Königtum an Gesetzen hinterlassen haben und die man Gesetz nennt, ist heute an die Stelle jener steinernen Götzenbilder getreten, denen man Menschenopfer hinschlachtete und die der geknechtete Mensch aus Furcht, von den Blitzen des Himmels zerschmettert zu werden, nicht zu berühren wagte.


Recht-Extremismus
Wenn es einen selbst oder die eigenen Clans trifft, ist es meist Willkür. Gegen die ideologischen GegnerInnen aber kann Recht gar nicht hart genug sein. "Linke" wollen alle "Rechten" im Gefängnis sehen, deren Ideologie ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Die Polizei soll härter gegen Demonstration vorgehen, diese am besten sogar verboten werden. Selbst die Grundrechte sind gleichgültig, wenn sie den ideologischen GegnerInnen nützen würden. Die "Rechten" sind noch schlimmer - sie wünschen sich nicht nur die "Zecken" (ihr Ausdruck für Linke) unter den Polizeiknüppel, sondern wollen Frauen hinter den Herd und Nichtdeutsche hinter stacheldrahtgesicherte Grenzen. Aus der bürgerlichen Mitte wird wechselweise in alle Richtungen geschossen. AntiglobalisiererInnen wünschen sich die Aufhebung des Bankgeheimnisses, um die bösen SpekulantInnen zu ärgern - auch wenn es wahrscheinlich eher die Hartz-IV-EmpfängerInnen treffen würde, aber zu denen gehören die MeinungsmacherInnen der NGOs auch selten. Die Liste wäre unendlich ...

  • In allen politischen Lagern ist man fest davon überzeugt, daß einige Kunst auf irgendeine Weise entartet sei und folglich zu vernichten ist. Die Kriterien werden anhand eigener Dogmen entsprechend der eigenen Ideologie getroffen - die einen für "deutsche Kunst", die anderen dagegen usw. - einig sind sich Linke, Rechte und die sog. "Neue Mitte" aber darin, dass Zensur sein muss. Eine neue Diktatur müsste keine neue Regel aufstellen, sondern nur die Ausrichtung den eigenen Wünschen anpassen.

Aus der Vorbemerkung in: Informationen für politische Bildung Nr. 216 (Neudruck 1991, S. 1)
Das Unbehagen am Recht ist aber häufig auch darauf zurückzuführen, daß es an Einsichten in seine Notwendigkeit und an genaueren Vorstellungen von seiner Leistung für die Gesellschaft mangelt.

Aus Christian Meier, "Die Parlamentarische Demokratie", dtv in München (S. 267)*
Die Mehrheiten der bisherigen Gesellschaften werden, bei aller Beweglichkeit und allen Wanderungen, ihren Lebensmittelpunkt im eigenen Lande behalten. Sie müssen darauf sehen, ihr Zusammenleben einigermaßen zivilisiert zu regeln. Es braucht Recht. Es braucht Schutz.

Rechts: FR, 23.12.04, S. 3

Mythos vom guten Recht (wer macht das eigentlich?)
Aus Vorländer, Hans: "Demokratie - die beste Herrschaftsform " in: Informationen zur politischen Bildung 284 (S. 57)
Individuen und Minderheiten müssen sich nicht bedingungslos einer Mehrheit beugen, die sich ja auch irren kann. Leben, Freiheit und Eigentum genießen den Schutz des Rechtes.

Aus Kornelius, Stefan im Kommentar in der SZ, 8.12.2010 (S. 4)
Der Rechtsstaat lebt nicht von Phantasien über Verschwörungen, sondern von Fakten.


Recht als Phase in der Geschichte der Unterwerfung
Aus Kropotkin, Peter (1985): "Gesetz und Autorität", Libertad Verlag in Berlin (S. 8)
So kam es, daß, als die Retter der bedrohten Bourgeoisie, die Robespierre und Danton, auf die philosophischen Schriften von Rousseau und Voltaire gestützt, "den Respekt vor dem Gesetz, welches für alle gleich ist", proklamierten, das Volk, dessen revolutionäre Spannkraft, angesichts der immer mächtiger organisierten Bourgeoisie, immer mehr und mehr erschlaffte, diesen Kompromiß annahm. Es beugte seinen Nacken unter das Joch des Gesetzes, um sich aus der Gewaltherrschaft des Adels und der Pfaffen zu retten.

Pflichten
Untertitel zu Marion Meier, "Staatsbürger sein heißt auch Pflichten haben" in: FR, 7.9.2005 (S. 32)
Zur Schule gehen, das Land verteidigen, der Justiz helfen.

Aus dem Einbürgerungstest der Hessischen Landesregierung, zitiert aus: FR, 16.3.2006 (S. 9)
Die Verfassung der Deutschen ist von der Erkenntnis geprägt, dass auch ein demokratischer Staat nur existieren kann, wenn ein Konsens über bestimmte Werte besteht. Der Kernbestand unseres Staatswesens ist deshalb jeder Disposition entzogen. Er ist ein Konsens, der einen weiten Spielraum für unterschiedliche, gegensätzliche Standpunkte und Interessen bietet. Die Bürgerinnen und Bürger sollen diese Verfassung, die sie tragenden Grundsätze und damit auch diesen Staat innerlich bejahen und sich ihnen verpflichtet fühlen.

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