Stiftung Freiräume

ALL THAT GENDER TROUBLE ... DOING GENDER!

Sprache

Die Sprachwissenschaftlerin Trömel-Plötz stellt im Vorwort zu dem von ihr herausgegebenen Buch “Gewalt durch Sprache- Die Vergewaltigung von Frauen in Gesprächen” die These auf, dass Frauen in jedem gemischtgeschlechtlichen Gespräch dem Risiko ausgesetzt sind, dass ihnen verbale Gewalt widerfährt. Neben aggressiven und vulgären Äußerungen versteht Trömel-Plötz unter verbaler Gewalt auch das dominante Sprechverhalten, das Männer oft zeigen. Es hat die Funktion, ihnen Macht und Anerkennung zu verschaffen, Frauen dagegen einzuschränken und klein zu halten.

Dabei geht sie davon aus, dass der ‚weibliche’ Sprachstil mit seiner größeren Sensibilität und zwischenmenschlichen Kompetenz aus der Anpassung an den ‚männlichen’ Sprachstil entstanden ist:

„Frauen MÜSSEN Männer mehr mit Namen ansprechen (...), um ihre Aufmerksamkeit zu bewahren und um mit ihnen im Gespräch zu bleiben.“

Gemeinsam mit anderen AutorInnen untersucht sie verschiedene Gesprächssituationen in der Schule, in der Universität, in gleich- und gemischtgeschlechtlichen Gruppen, in der Paarkonstellation, im medizinischen Kontext und in Fernsehdiskussionen. Hinsichtlich der verbalen Gewalt gegen Frauen fanden sie folgende Hypothesen heraus:

„1. Männer ergreifen öfter das Wort und reden länger als Frauen. (...)
2. Männer unterbrechen Frauen systematisch; Frauen unterbrechen Männer kaum. (...)
3. Frauen müssen um ihr Rederecht kämpfen und müssen kämpfen, es zu behalten. (...)
4. Männer bestimmen das Gesprächsthema und Frauen leisten die Gesprächsarbeit.“

Im Zuge der gesellschaftlichen und politischen Emanzipation der Frau sollte sich auch die Gesprächspraxis im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert haben.

Dennoch zeigt ein aktuelles Beispiel, dass selbst die wenigen „Frauen an der Macht“ anscheinend immer noch nicht gelernt haben, sich für „bestimmte ‘konversationelle Ereignisse’ spezifisch und gezielt (zu) wappnen.“ Kienzle analysierte zwei Sendungen der Talkshow „Beckmann“ hinsichtlich des Gesprächsverhaltens von Moderator Reinhold Beckmann , der in der einen Folge Gerhard Schröder (SPD), den amtierenden Bundeskanzler, in der anderen Angela Merkel, die CDU- Vorsitzende und damals noch potentielle Kanzlerkandidatin, interviewte.

Im Ergebnis stellt Kienzle herausragende Unterschiede im Kommunikationsverhalten Beckmanns gegenüber seinen Gästen sowie in der Weise fest, wie viel Raum Beckmann er ihnen für ihre Selbstdarstellung gibt. Kienzle folgert, dass der faire, beherrschte Stil Merkels nicht dazu beiträgt, sich gegen die fortwährenden Unterbrechungen und Diffamierungen zur Wehr zu setzen. Vielmehr müsste eine jede öffentlich und nicht-öffentlich agierende Frau andere Mittel nutzen, um all diejenigen auf ihren Platz zu verweisen, die zeigen wollen, dass ‚mächtig’ und ‚weiblich’ nicht zusammenpassen.

Auch die neueren Veröffentlichungen zu genderspezifischen Kommunikationsstilen stellen die gleiche Tendenz fest wie Trömel-Plötz im Jahre 1984: Männer neigen dazu, das Gespräch inhaltlich und strukturell zu dominieren, Frauen passen sich eher an und leisten die kommunikative Beziehungsarbeit.

Diese AutorInnen erklären die Unterschiede im Sprachverhalten mit Hilfe eines dialektischen Ansatzes: Die makropolitischen Machtstrukturen wirken sich einerseits auf den Mikrobereich der Kommunikation aus und beeinflussen die Kommunikation zwischen den hierarchisch unterschiedlich bewerteten Geschlechtern. Andererseits werden die konstruierten Unterschiede in der sozialen Interaktion immer wieder reproduziert. So können z. B. verinnerlichte Frauen- und Männerbilder sowie geschlechtsspezifische Rollenerwartungen das Handeln beeinflussen. Die Einstellung, Männer seien mehr wert als Frauen und ihre Meinung sei wichtiger, da sie kompetenter seien, könnte demnach zu oben genannten dominanten Verhaltensweisen wie Unterbrechen, Abschwächen etc. führen. Die Konsequenz die sich dadurch ergibt ist, dass im Laufe des Gesprächs bei Frauen Machtlosigkeit, Schwäche und Inkompetenz konstruiert und verstärkt werden, Männern dagegen wird – unabhängig vom Inhalt des Beitrags- ein besserer Gesprächs- und damit gesellschaftlicher Status verschafft.

Stephanie Auth (2005). Die alltägliche Konstruktion von Geschlecht - Möglichkeiten zur Auseinandersetzung durch performative Ansätze in der ästhetischen Praxis sozialer Arbeit.

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