Stiftung Freiräume

Ö-PUNKTE 4/2001 ("WINTER")

Krieg im Kongo: Schwarzbuch BAYER


1. Rubrik Chemie: Gefahr für Umwelt und Gesundheit
2. Bayer-Gifte in Guatemala
3. Die Entsorgung eines Pharma-Skandals LIPOBAY: Kaum Nebenwirkungen für BAYER
4. Krieg im Kongo: Schwarzbuch BAYER

Von Jan Pehrke
"Die Top Drei unserer "Hitliste des Bösen" sind BAYER, TOTAL-FINA-ELF und MCDONALD'S", schreiben Klaus Werner und Hans Weiss, Autoren des im Herbst erschienenen "Schwarzbuch Markenfirmen". "Die Liste der Vorwürfe gegen den deutschen Chemie- und Pharma-Konzern (ASPIRIN u. a.) ist schier endlos," eröffnen sie das Sündenregister, ?BAYER nimmt durch unethische Medikamenten-Versuche bewusst schwere Gesundheitsschäden von Patienten in Kauf, BAYER bringt gefährliche Gifte in Umlauf, BAYER kämpft gegen billige AIDS-Medikamente in den ärmsten Ländern der Welt und BAYER ist letztendlich einer der wichtigsten Geldgeber für den Handel mit Rohstoffen im bürgerkriegsgeschüttelten Kongo.?
Der Handy-Boom ließ die Preise für das vor allem in elektronischen Bauteilen Verwendung findende Metall Tantalit in astronomische Höhen steigen. Deshalb stieg der Umsatz der 100-prozentigen BAYER-Tochter H. C. STARCK als weltgrößtem Tantalit-Verarbeiter im Jahr 2000 um 53 Prozent auf 665 Mio. Euro. Eines der größten Reservoirs des kostbaren grauen Sandes liegt im Kongo. Unter völlig unzureichenden Sicherheitsbedingungen wird es dort von den Einheimischen - viele noch nicht einmal 14 Jahre alt - für Hungerlöhne abgebaut. Erst im März diesen Jahres kostete ein Grubenunglück nordwestlich von Goma fast 100 Menschen das Leben.
Noch weit mehr Opfer hat der seit 1998 tobende Bürgerkrieg im Kongo, der sich laut einem UN-Bericht ?hauptsächlich um die Kontrolle und den Handel mit mineralischen Ressourcen dreht?, bis jetzt gefordert: ca. 2,5 Millionen. Aber das seltene Metall ist nicht nur ein Kriegsziel, es ist auch ein Schmiermittel der blutigen Auseinandersetzungen. Antonov-Flugzeuge aus russischer Herstellung liefern den Groß-Abnehmern das Roh-Tantalit nach Europa und bringen auf dem Rückflug Waffen mit. ?Die Verbindung zwischen der Fortsetzung des Konflikts und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen wäre nicht möglich gewesen?, heißt es dazu in dem Report der ?Vereinten Nationen?, ?wenn nicht einige, die nicht zu den Konflikt-Parteien zählen, eine Schlüsselrolle gespielt hätten, willentlich oder nicht.? Gemeint sind H. C. STARCK, CABOT INC. und NINGXIA sowie ihre Geschäftspartner vor Ort.
Diese Rolle will H. C. STARCK nie gespielt haben. Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch verweigerte Klaus Werner mit Verweis auf ?interne Daten? jegliche Auskunft. Ob die Firma das wertvolle Pulver auch aus dem Kongo bezieht, gab Bütefisch auch nach beharrlichem Insistieren nicht preis: ?Ich werde weder das eine noch das andere sagen.?
Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, sah sich der ?Schwarzbuch?-Autor deshalb gezwungen, die Wallraff-Methode anzuwenden. Er schlüpfte in die Haut eines Tantalit-Händlers aus dem Kongo - allerdings nur in die digitale. Er legte sich die Internet-Identität ?Robert Mbaye Leman, Wohnort: Arusha, Tansania, Beruf: Rohstoffhändler? zu und mailte H. C. STARCK ein Angebot. Die Antwort kam postwendend: ?Wir sind generell interessiert am Kauf allen Tantalit-Rohmaterials. Lassen sie uns bitte eine Analyse, eine Probe und ihre Preis-Vorstellung zukommen. Nachdem wir diese Informationen bekommen haben, werden sie schnell unsere Antwort erhalten.?
Die schmutzige Quelle ?Kongo? schmälerte das Interesse an dem Tantalit ebenso wenig wie das Bekenntnis Lemans/Werners, er beziehe die Ware über die SOMIGL. Diese Firma wurde von der Rebellen-Organisation ?Kongolesische Sammlung für Demokratie? (RCD) gegründet und handelt nicht nur mit Bodenschätzen, sondern auch mit Waffen und nimmt es dabei mit den Zoll-Bestimmungen nicht immer genau. ?Geschäft ist Geschäft? - darauf können sich eben alle Beteiligten an der Kriegswirtschaft jederzeit einigen. Was das Interesse hingegen erlahmen ließ, war der Preis. Der Quer-Einsteiger Werner hatte einen Fehler begangen und ihn zu niedrig angesetzt, was der BAYER-Tochter spanisch vorkam.
Auch über einen eingeschalteten Zwischenhändler sollte der ?Schwarzbuch?-Autor mit H. C. STARCK zunächst nicht zu einem Abschluss kommen. Inzwischen hatte nämlich die taz über Kapital und Krieg im Kongo berichtet und das Unternehmen fürchtete, ein Image-Problem zu bekommen, ?da das Bild der SOMIGL in der deutschen Presse ein wenig unerfreulich sei?, wie Werners Kontakt-Mann berichtete. Aber das heimische Image-Problem erwies sich schließlich doch als lösbar, es trat einfach H. C. STARCK/Thailand als Kauf-Interessent auf - wozu ist man schließlich ein Welt-Konzern!
Damit war für Klaus Werner die Beweisführung abgeschlossen. Er hätte es allerdings auch einfacher haben können, wie er nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik feststellte. Er nahm Kontakt zu Karl-Heinz Albers auf, dem Geschäftsführer der kongolesischen Minen-Gesellschaft SOMIKIVU, die auf ein Handelsvolumen von 100 -150 Tonnen Konzentrat pro Monat kommt. ?Den Großteil davon liefern wir an H. C. STARCK?, gestand der skrupellose Geschäftsmann zur völligen Überraschung Werners bereitwillig.
Woher diese guten Geschäftsbeziehungen rühren, erzählte Albers ein wenig später dem Journalisten Nikolaus Förster. Der ging der im ?Schwarzbuch? beschriebenen Tantalit-Connection in der Financial Times Deutschland noch einmal nach und sprach ebenfalls mit dem SOMIKIVU-Chef. Karl-Heinz Albers erzählte ihm, dass viele jetzige H. C. STARCK-MitarbeiterInnen vorher bei der Nürnberger ?Gesellschaft für Elektrometallurgie? beschäftigt waren, die 70 Prozent der Anteile an der SOMIKIVU besitzt. ?In der Branche kennt man sich gut?, plauderte Albers aus dem Nähkästchen.
Davon und von allem anderen wollte H. C. STARCK auch nach der Veröffentlichung des ?Schwarzbuch Markenfirmen? nichts wissen. ?Wir sind erst durch den Bericht der Vereinten Nationen Mitte April auf die besondere Situation in dieser Region aufmerksam geworden?, bekundete die Firma. Zudem lasse sich das Unternehmen die Seriösität ihrer Geschäftspartner durch das Auswärtige Amt bestätigen. Eine dreiste Lüge mehr. Auf eine Nachfrage Försters wies das Amt darauf hin, dass es grundsätzlich keine amtlichen Stellungnahmen pauschaler Art über die Seriösität einzelner ausländischer Firmen abgebe.´

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