Gewaltfrage

ORGANISIERUNG VON UNTEN

Angst vor Vielfalt, Dynamik und produktivem Streit


1. Einleitung und Thesen zu allen Bereichen
2. Gesamter Text "Organisierung ... WIE GEHT DENN DAS?
3. Grundsätze für eine "Organisierung von Unten"
4. Was funktioniert nicht, und warum funktioniert es nicht?
5. Gesellschaftliche Konstruktionen und Mechanismen des Sozialverhaltens wirken weiter
6. Eigene Ohnmacht gegenüber unendlichen Ressourcen von Staat und Gesellschaft; Irrelevanz und Marginalisierung der politischen Arbeit und ihrer AkteurInnen, der Individuen und ihrer freien Zusammenschlüsse überhaupt
7. Bedürfnis nach schnellen Erfolgen
8. Unwillen zu kontinuierlicher Arbeit
9. Geringe Handlungsmöglichkeiten durch Einbindung der AkteurInnen in gesellschaftliche Zwänge (Arbeit, Familie, Ausbildung usw.)
10. Fehlende Phantasie, Vorstellungskraft für Organisierung von unten und Alternative zu gesellschaftlichen Zwängen
11. Angst vor Vielfalt, Dynamik und produktivem Streit
12. Aktiv gegen Repression
13. Angst vor Vereinzelung, Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Offenheit
14. Kommunikation
15. Abschließendes und konkrete Pläne zur Umsetzung
16. Viertes Treffen Organisierung von unten in Saasen
17. Debatte auf Hoppetosse-Mailingliste (Auszüge)

Diese drei Aspekte gehören zu jenen Dingen, die wir auf jeden Fall brauchen und wollen. Vielfalt, Dynamik und produktiver Streit gehören zu einer emanzipatorischen, gleichberechtigten, selbstorganisierten und kreativen Bewegung. Sie lebt praktisch von Veränderung, welche wiederum auf jenen drei Aspekten aufbaut.
Angst vor Streit haben verschiedene Typen Mensch. Für uns sind zwei Kategorien wichtig. Diejenigen, die ihren Machtverlust zu befürchten haben, und diejenigen, die harmoniesüchtig sind. Deshalb sind verschiedene Taktiken zur Überwindung erforderlich.
Dass mensch Streit schlecht findet und einem Harmoniezwang verfällt ist allerdings nicht verwunderlich. Eigentlich beinhaltet dieses Verhalten noch eine Menge anderer Ängste. Denn die Welt "da draußen" erscheint uns oft als kalt und bedrohlich, wir haben Angst, alleine dazustehen. Einheit erscheint uns als Stärke, gibt uns Geborgenheit. Die meist aggressiven und destruktiven Streits, die patriarchisch geführt werden, also mit der Erniedrigung des/der GegnerIn zu tun haben, erinnern uns an die gesellschaftliche Kälte, die uns umgibt, wir fallen dann in ein ziemliches Loch. Und das ist nachvollziehbar. Die meisten Streits, die auch in unseren "linken Sphären" so ablaufen, sind Machtkämpfe und Verleumdungen. Dazu kommt dann ein selbstauferlegter Konsensdruck und Einigungszwang, der alles nur noch schlimmer macht. Und was nicht gegeneinander ausgetragen wird, wird "hintenrum" ausgetragen. Eine solche Atmosphäre verdirbt leicht die Lust am Streiten.
Angst vor Vielfalt und Dynamik ist meist eine Angst vor dem ungewissen Chaotischen, die Angst, dass dann alles aus dem Ruder läuft, unübersichtlich wird, und das ist natürlich eine Angst vor Kontrollverlust.


a) Lösung von Oben:
  • Vielfalt, Dynamik und produktiver Streit werden hier komplett nicht gewollt. Einige behaupten das zwar, erweisen sich dann aber als starre und unflexible, schwerfällige Strukturen. Durch eine ständige Betonung der Einheit ist Vielfalt meist eben ausgeschlossen, auch wenn das so nicht gesagt werden würde, mensch möchte ja für alles offen wirken. Produktiver Streit bedeutet im emanzipatorischen Sinne auch, dass die AkteurInnen auf gleicher Augenhöhe stehen. Das ist in den zentralisierten Vereinigungen aber automatisch nicht der Fall, denn die einen haben einen anderen Status als die anderen. Es ist feststellbar, dass eine solche Organisierung sehr schwerfällig und langsam im Lernen ist. Unflexibilität entsteht, wo die Dynamik, die aus der sich im produktiven Streit befindlichen Vielfalt entstehen könnte, nicht existiert, weil sie nicht existieren kann.

b) Lösung von Unten:
  • Denen, die Angst um ihre Macht und Kontrolle haben, können wir nur sagen: das ist es ja, was wir wollen, die BeHERRschung verlieren!
  • Streit ist cool. Er muss keine negative Stimmung oder Hass hervorrufen. Es ist wichtig, eine Meinung zu haben, und noch besser, diese auch zu äußern. Ein Streit dient der Klärung, nicht dem Entwickeln gemeinsamer Positionen, sondern der Weiterentwicklung de verschiedenen Positionen, der Neuentwicklung von Ideen und der Entwicklung von Strategien für ein besseres Mit- und Nebeneinander. Das vielen als so selbstverständlich erscheinende Streckenkonzept im Castorwiderstand haben sich die unterschiedlichen Strömungen in langen Streits einander abgerungen. Die Positionen sind geklärt, eine Strategie entwickelt, die sich gegenseitig stützt und der Phantasie und Wirksamkeit des Castorstoppens hat das mit Sicherheit keinen Abbruch getan. Das Nebeneinander ist hier ein Miteinander, das viel wirkungsvoller ist als eine erzwungene, scheinbare Einheit. Leider ist dieses Beispiel eine ziemliche Ausnahme.
  • Dominanzen und die oben genannten Ängste abwickeln können wir, indem wir alle Zentralen abschaffen. Streitpunkte werden nur in Betroffenen- und Interessiertenplena diskutiert. Das ist produktiver. Ein Hauptplenum dient nur der Transparenz, der Information und dem Austausch. Konsens- und Mehrheitsentscheidungen sind, wie alle Ja-Nein-Entscheidungen, abzulehnen. Wir wollen weder manche ausschließen, zu etwas zwingen oder gemeinsam lauwarme Forderungen, nur weil sie dann gemeinsam sind. Das schließt ja eine Kooperation nicht aus. Das Durchzuziehen, kann Angst vor Streit und Vielfalt abbauen.
  • Auch die Form von Streit muss sich ändern, d.h. direkte Intervention statt Hinter-dem-Rücken-Ablästern; direkte, offene Auseinandersetzung statt anonymer Mails. Der zur Zeit gängige Stil der (Nicht-)Auseinandersetzung ist mit schuld daran, dass immer wieder Missverständnisse, Vorurteile und unverarbeitete Aggressionen aufkommen.

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