Gießen autofrei

EIN KRIMINELLER ALS MINISTERPRÄSIDENT? PASST DOCH ...

Presse als Propagandaabteilung des Ministers


1. Volker Bouffier - zur Person
2. Presse als Propagandaabteilung des Ministers
3. Bouffier mag Kritik nicht ...
4. Sicherheitswahn und Law-and-Order-Politik
5. Polizei- und Justizwahn in Bouffiers Heimatstadt Gießen
6. Volkersnahe Politik
7. Polizeiskandale zu Volkers Innenministerzeiten
8. Bouffier in Gießen, Mittelhessen und seine Kumpels bei der Landes-CDU
9. Aktionen gegen Bouffier & Co.
10. Links und Infos zum Thema
11. Kreidekrieg, die Erste: Die Anwaltskanzlei - Law-and-Order-Minister und Täterschützer
12. Kreidekrieg, die Zweite: Polizei überredet Minister zum Strafantrag
13. Kreide-Krieg, die Dritte: Kurz vor dem Strafprozess
14. Lift-Gate - Verordnungen missachten, die mensch selbst gemacht hat (April 2020)

Ein unglaublich absurder Artikel erschien am 30.1.2010 in der Gießener Allgemeinen. Redakteur Burkhard Möller verband einen peinlichen Pro-Bouffier-Text mit einem Rundumschlag gegen die Ministerkritiker. Gefragt hatte er niemanden, recherchiert auch nichts. Denn in seinem Artikel behauptete er, Bouffier-Gegner würden dessen Eintrag bei Wikipedia manipulieren. Das Absurde: Nicht nur diese Behauptung war frei erfunden, sondern es gab seit über einem Jahr gar keine Veränderungen am Bouffier-Artikel dort. Der gesamte Artikel war frei erfunden - eine peinliche Freundlichkeitsgeste für einen autoritären und kriminellen Politiker. Im Folgenden der Text der Gießener Allgemeine vom 30.1.2010 und jeweilige Hinweise auf die Unsinnigkeit:

Gießener Allgemeine:
Im Internet-Volkslexikon geben die Gegner des Hessischen Innenministers den Ton an. Sein Ministerium will vor dieser Situation "nicht kapitulieren". Mittlerweile gilt für die Seite eine "Vandalismussperre".

Falsch! Die ganze Story ist frei erfunden. Selbst die Vandalismussperre ist vom Redakteur erfunden.

Wenn Menschen heutzutage schnell etwas wissen wollen, bedienen sie sich in der Regel einer der großen Internet-Suchmaschinen oder werfen gleich einen Blick in die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Mit über einer Million Einträgen ist die deutsche Version weltweit hinter der englischen die zweitgrößte. Auch über etliche Gießener Persönlichkeiten kann man sich bei Wikipedia informieren - und wird dabei weitgehend sachlich bedient. Mit einer Ausnahme: Ausgerechnet des Lebenslaufs des - neben Prof. Horst-Eberhard Richter - wohl bekanntesten lebenden Gießeners, Hessens langjähriger Innenministers Volker Bouffier, haben sich dessen Gegner bemächtigt.

Falsch! Niemand hat sich der Seite "bemächtigt", sondern die Seite dümpelt vor sich hin. Niemand hat in den letzten Monaten überhaupt an ihr gewerkelt.

In den Kapiteln "Leben und Beruf", "Positionen" und vor allem im auffallend umfassenden Abschnitt "Kritik" brachten die Bouffier-kritischen freien Autoren jede Menge tatsächliche oder vermeintliche Negativereignisse aus der politischen Karriere des CDU-Politikers unter und benannten dazu Quellen. Selbst unter der Überschrift "Ehrungen" fehlt es nicht an Seitenhieben, wenn auf die Verleihung des Hessischen Verdienstordens an Bouffier und die Tatsache verwiesen wird, dass sich Minister für diese Ehrung selbst vorschlagen können. Es folgt ein hämisches Zitat des Fraktionschefs der Grünen im Landtag, Tarek Al-Wazir.

Das stimmt zwar, sind aber alles überwiegend mehrere Jahre alte Einträge. Was hier weggelassen wurde: Früher wurden schon viele kritische Einträge wieder zensiert, d.h. richtig wäre eher die Aussage, dass die Bouffier-Freunde die Seite dominieren.

Im Hessischen Innenministerium ärgert man sich seit langem über diese Darstellung und muss gleichzeitig einräumen, dass man wenig dagegen machen kann. "Das Prinzip Wikipedia macht es schwer, dieses Zerrbild aufzulösen", sagt Bouffiers Sprecher Thorsten Neels. Angesichts des basisdemokratischen Autorensystems würde es zum Beispiel nichts bringen, als Ministerium bei Wikipedia zu intervenieren. Dies wäre eher kontraproduktiv, meint Neels.

Falsch! Wikipedia ist nicht (mehr) basisdemokratisch, sondern längst von einer autoritären Clique übernommen, die mit einer Art Internetpolizei darüber wacht, dass nicht Unerwünschtes passiert. Die Clique ist dabei sehr regierungsnah und kapitalismusfreundlich. Wer das überprüfen will, sollte mal die Beiträge zu grüner Gentechnik u.ä. lesen.

Immerhin sei über die Seite jetzt eine sogenannte "Vandalismussperre" verhängt worden, nachdem freie Autoren wiederholt versucht hätten, Links zu Internetseiten zu setzen, auf denen sich - so der Adminstrator - nicht nur mit Albernheiten, sondern zudem in verhöhnendem und hetzerischem Tonfall mit Bouffier auseinandergesetzt werde. Im für Wikipedia-Nutzer zugänglichen Anhang "Diskussion" ist die Auseinandersetzung zwischen dem Administrator, der die Bouffier-Seite betreut, und einigen Autoren dokumentiert. Sie sprechen von Zensur durch "Pro-Regierungskreise" und beklagen, nunmehr keine "kritischen Sachen" mehr hinzufügen zu können.

Alles falsch! Zum einen sind alle beschriebenen Sachen z.T. mehrere Jahre alt. Der Protext gegen die Zensur durch "Pro-Regierungskreise" stammt aus dem Mai 2006, wie auf der Seite zu erkennen ist. Der Text der Allgemeinen suggeriert, hier sei gerade in letzter Zeit einiges vorgefallen. Das ist frei erfunden. Ebenso ist erfunden, dass die Seite gesperrt wurde. Vielmehr existiert das übliche Zensursystem, was seit längeren auf Wikipedia generell gilt.
Falsch ist auch die Behauptung, es seit "wiederholt versucht" worden, Links zu kritischen Internetseiten zu setzen. Gemeint ist damit diese Seite. In der Tat ist es ein Skandal, dass der Link zu dieser Seite auf Wikipedia zensiert wurde. Aber zu behaupten, das sei wiederholt versucht worden, ist falsch. Das alles ist auf dem hochzensierten Wikipedia gar nicht möglich.

Hinter den Verfassern, die den Lebenslauf des Gießener Politikers maßgeblich verfasst haben, steckt offenbar die Projektwerkstatt Saasen. Diesen Schluss lassen einige der verwendeten Adressen zu. Unter anderem sollte der abgelehnte Link zur Homepage der Projektwerkstatt führen. Deren Mitglieder liegen seit Jahren im Clinch mit den Gießener Polizei- und Justizbehörden. Der nicht uneitle Gründer der Projektwerkstatt, der selbsternannte "Anarchist" Jörg Bergstedt, hat sich bei Wikipedia ein biografisches Denkmal gesetzt. Unter anderem wird er dort als "Verfechter der Kommunikationsguerilla" bezeichnet. Der Wikipedia-Lebenslauf seines Intimfeinds Volker Bouffier bestätigt diesen Ruf.

Alles Unsinn! Nun brennt Redakteur Möller offenbar völlig die Phantasie durch - unklar ist eigentlich nur, welche Droge er sich eingeworfen hat, um das zu erfinden. Von der Projektwerkstatt Saasen aus kann seit Jahren nicht mehr auf Wikipedia gearbeitet werden. Im Zuge des Aufbau der internen Internetpolizei wurde der Account der Projektwerkstatt auf Dauer gesperrt. Das ist Jahre her. Dass ein Link auf diese Seite gelegt werden sollte, beweist nicht, dass die MacherInnen dieser Seite auch den Link eingetragen haben. Der Redakteur hat dazu auch keinerlei Recherchen angestellt. In einen Artikel zur Rettung von Bouffiers Ehre gleich noch eine üble Beleidigung eines seiner Kritiker einzutragen, zeigt die politische Stoßrichtung des Allgemeine-Textes. Die Behauptung, der Gescholtene hätte sich selbst zum Anarchisten ernannt, ist frei erfunden. Stattdessen wird er gerade von solchen Leuten wie den Schmutzredakteuren aus der Gießener Allgemeine mit diesem Titel belegt - als Schimpfwort. Frei erfunden ist auch die Behauptung, der Gescholtene hätte seinen Wikipedia-Eintrag selbst geschrieben. Das ist in der Diskussions- und Versionsseite zu dem Eintrag sogar nachzulesen. Aber Recherche ist in der Gießener Allgemeine offenbar ein Fremdwort ...

Den politischen Freunden des mittlerweile dienstältesten deutschen Innenministers bleibt wohl nicht anders übrig, als das Wikipedia-Bild durch eigene Autorenschaft schrittweise zu korrigieren, wenn die Seite wieder frei ist. Dem Vernehmen nach haben das Mitarbeiter der Gießener CDU-Kreisgeschäftsstelle früher auch schon versucht, aber dabei offensichtlich nicht viel erreicht. Auch im Ministerium will man sich nicht dauerhaft mit dem Sachstand abfinden. Pressesprecher Neels: "Wir kapitulieren nicht."

Ein bemerkenswerter Kniefall vor dem Minister. Mit dem Begriff "korrigieren" behauptet Redakteur Möller, dass die Einträge im Wikipediaartikel falsch seien. Dafür legt er keinerlei Beweis vor. Sein Artikel ist ein wirres Hirngespinst - sowohl die Ausgangsstory ist frei erfunden als auch die politisch Wertung peinlich CDU-unterwürfig. Begriffe wie "Dem Vernehmen nach" deuten auf den journalistischen Stil hin. Wikipedia bietet eine Versionsgeschichte aller Einträge. Die hätte Möller sich mal angucken sollen statt dem Minister nach dem Mund zu reden. Ist gerade ein gut bezahlter Job in der Pressestelle der CDU freigeworden?

Die Gießener Allgemeine knickte auch sofort ein, als ein Anwalt sich meldete (auf einfache Menschen reagieren die nicht). Die Erklärung vom 9.2.2010 (als PDF) :



Hessischer Rundfunk

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