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Ende Gelände: Von der Bündnisaktion zum Hegemon der Klimabewegung


1. Sei Rädchen im Protest - Einblicke in moderne Bewegungshierarchien
2. Simulation von Protest: Klicken und spenden
3. Bewegungsagenturen: Campact, .ausgestrahlt & Co.
4. Ende Gelände: Von der Bündnisaktion zum Hegemon der Klimabewegung
5. Ende Gelände kopiert: Kampagnen aus der Retorte
6. Der Wellenreiter: XR (Extinction Rebellion)
7. Fridays for Future - entstanden von unten, übernommen von oben?
8. Weitere Beispiele
9. Dienstleister: Firmen machen Verbände
10. Links

Dies ist die Eingangsseite zur Kritik an den Organisierungsformen der überregionalen Kampagnen und Bewegungsagenturen (Kurzlink: www.ende-gelaende.siehe.website, ehemals "www.ende-gelaende.tk"). Die Abschnitte dieses Textes sind über die Links direkt über dem Text, weitere Seiten zu großen Playern wie Campact, Sand im Getriebe oder Interventionistische Linke sind über das Menü oben unter Organisierung --> Moderne Hierarchien zu erreichen. ++ Gesamtübersicht "Organisierung"

Ende Gelande 2015

Fraglos: Eine geniale Aktion - und zusätzlich noch doppeltes Glück, nämlich erstens, dass mehrere Aktionsgruppen sich an die hierarchischen Vorgaben der von Campact, interventionistischer Linker und anderer NGOs mit Dominanzanspruch nicht hielten und so die Autobahn an mehreren Punkten über- und unterquert werden konnte, und zweitens dass Polizei und RWE einen richtig schlechten Tag erwischten. So gelang fast alles an diesem Tag und die Forderung nach Kohleausstieg schaffte es überall breit in die Medien.
Dennoch gab einiges, was wieder zeigt: Politische Bewegungen sind Konzerne. Der Erfolg wurde vermarktet. Hauptaugenmerk der Berichte lag auf der Geldbeschaffung.

Im Original: Nach der "Ende Gelände" Aktion
Auf der Internetseite von "Ende Gelände" als zentraler Eintrag nach der Aktion: Kein Inhalt, keine politischen Positionen, sondern die Kontonummer ... Tausende Menschen dürften auf diese Seite geguckt und dann keine politische Position, sondern den Spendenaufruf gesehen haben.
UFU-Strukturen

Campact war vor Ort dabei und stellte einen Großteil der Beteiligten als "Campact-Aktive" dar.
Campact-Meldung zu Ende Gelände
Aber das Wichtigste, was Campact immer macht, ist die Email-Adressen abzufischen. Trick: Irgendeine (meist sinnlose) Protestmail-Aktion anbieten ... und die "Schäfchen" werden klicken. Jeder Klick kann eine neue Emailadresse sein - das Kapital für den Campact-Konzern.

Nicht fehlen durfte die Ausgrenzung derer, die Hierarchien und Kommerzialisierung kritisieren - am besten gleich ganz weg (nicht einmal auf Camps, wo sonst jede*r rein und raus darf:

Aus einer Mail eines IL-Sprechers
Hi, ich würd Jörg Bergstedt ignorieren. Jemand der mit Verfassungsschutz-Mitarbeitern lebhafte Gespräche führt und das später noch als schlaue Strategie verkauft und sich ansonsten v.a. gern selbst als Messias inzeniert hat m.E. in unseren Kreisen nichts zu suchen. Ich mag jedenfalls nicht mit ihm Zusammenarbeiten und kenn auch viele denen das so geht und fand es schon befremdlich genug ihn auf dem Camp zu treffen. ... lg
Jonas, IL Berlin

Da war es eine bittere Ironie, dass jener, der nicht beachtet und am besten ganz aus der Bewegung rausgehalten werden sollte, zu der kleinen Aktionsgruppe gehörte, die kurz entschlossen für die Sperrung der im Wege liegenden Autobahn sorgte und so zumindest Teilen von Ende Gelände überhaupt ermöglichte, in den Tagebau zu gelangen.

Aus dem Wikipedia-Eintrag zu "Ende Gelände 2015"
Wegen einer Kletteraktion von Aktivisten an einer Brücke wurde die nahe A 61 am Kreuz Jackerath von der Polizei gesperrt. Die gesperrte Autobahn wurde von einigen Aktivisten für den Fußweg in den Tagebau genutzt.

Aus einer längerer Beschreibung des Aktionsablaufs auf dem Hambacherforst-Blog
Blau hatte versucht durch einen kleinen versteckten Tunnel zu kommen, war dann erfolglos ziemlich lang gelaufen um einen Übergang zu finden, als 2 Leute sich von einer Autobahnbrücke abgeseilt haben, so dass die Autobahn gesperrt werden musste. Dann ist der Blaue Finger über die Autobahn und über einen Steilhang ebenfalls in die Grube, hat 2 Polizei-stopversuche umflossen und ist nah beim 2. Förderband gelandet.

Ausgrenzung ist eben vor allem eine Sache von oben nach unten und - auch mangels Möglichkeiten - nicht auf Gegenseitigkeit. An den Ausgrenzungsgelüsten hat diese spektakuläre Unterstützung für die Großaktion auch wenig geändert ...

Ende Gelände danach: Ein Eroberungsfeldzug in der Klimabewegung

Eigentlich hatte Ende Gelände nur eine einmalige Aktion sein sollen - zumindest war nicht mehr geplant. Auch auf den Nachbereitungstreffen plante das bisherige Bündnis keine Weiterführung. Doch in einigen der beteiligten Gruppen, darunter auch - und mit klarem Machtanspruch - die interventionistische Linke, wuchs der Wunsch, das nun sehr bekannte Label für sich weiter zu nutzen. Daraus entstand eine Organisation mit Ortsgruppen, internen Verhaltensregeln und einer klaren Führungsstruktur. Dieser Prozess zog sich aber über viele Monate und war nicht unumstritten.
Von größerer Bedeutung war das Verhalten des entstandenen Verbandes "Ende Gelände", der eben nicht zu verwechseln ist mit der Aktion 2015, denn er entstand erst hinterher, in Bezug auf die Klimagerechtigkeitsbewegung insgesamt. Ende Gelände versuchte systematisch, die Meinigungsführerschaft zu erobern und erzeugte mehrfach den Eindruck, die Dachorganisation aller zu diesem Thema arbeitenden Gruppen und Verbände zu sein. Dadurch und durch bestehende Seilschaften mit Parteien, NGOs und Medien wurde Ende Gelände für einige Zeit zum zentralen Player der Klimaschutzaktionen.

Aus "Gedanken einer Waldbesetzerin zur aktuellen Situation", auf dem Blog vom Hambacherforst am 31.3.2019
Ich habe nicht das Gefühl, dass denen, die die letzten fast sieben Jahre im Hambacher Forst ihre Freiheit und ihre physische und psychische Gesundheit riskiert haben und das ganze, auch als sich noch niemand dafür interessiert hat, als unbezahlten Vollzeitjob gemacht haben, von Bewegungen wie Ende Gelände, von den Leuten die auf der Großdemo am Hambi waren und von all den anderen, die sich über das freuen, was wir erreicht haben, besonders viel Dankbarkeit oder Wertschätzung bekommen. Klar, ich hab das aus Überzeugung gemacht und nicht weil ich etwas dafür erwarte. Aber ein bisschen enttäuschend ist das dann doch. Dazu kommt das Desinteresse an den Gerichtsprozessen, die Aktivist*innen wegen ihres Einsatzes in dieser Zeit gerade noch führen müssen, samt hoher Geldstrafen oder sogar Haft.

Sich den Anschein zu geben, "die" (ganze) Klimabewegung zu sein, war offenbar noch nicht genug. in einer Mail vom 5.9.2019 war von der "Besetzung der Autobahnbaustelle der A-100 in Berlin in der Nähe der S-Bahn Treptower Park". Und dreist stand da die Behauptung: "Das wäre der nächste Schritt um Ende Gelände in die Städte zu tragen." EG ist also auch die Mutter aller Besetzungen. Eine Fläche zu besetzen, ist "Ende Gelände". Die vielen Besetzungen vor 2016 (dem Gründungsjahr von Ende Gelände) werden negiert - und auch etliche nach 2016, die mit EG nichts zu tun haben.

"Noch nie war die Bewegung so vielfältig", formulierte der Pressesprecher von Ende Gelände - aber tatsächlich haben sie während der Aktionstage, zu denen sich der Sprecher äußerte, immer nur geschrieben: Ende Gelände beendet ... Ende Gelände legt ... Protestcamp von Ende Gelände ... Ende Gelände fordert ... 6.000 Aktivist*innen des Aktionsbündnis Ende Gelände ... So sieht moderne Hierarchie aus: Einfach alles vereinnahmen. Erstmals gab es auch eine Ende-Gelände-Legalteam. Der Verband hatte sich seit Jahren daran gestoßen, dass das sog. "Legalteam für alle" nicht sein Label führen wollte.

Hanna Poddig über Ende Gelände, in: Klimakämpfe (2019, Unrast-Verlag, S. 77f)
Ich frage mich, ob das fließbandmäßige Aktionsangebot dazu führt, dass Menschen hier einfach blind ein Angebot konsumieren, ohne sich als gestaltenden Teil der Aktion zu begreifen. Ich frage mich, inwieweit der Aktionsrahmen tatsächlich als ein ausgehandelter Konsens der Beteiligten verstanden oder als unumstößliches Gesetz wahrgenommen wird.
Ich muss an eine Situation in der Lausitz denken. Menschen errichten auf den Schienen der Kohlebahn aus Ästen eine Barrikade und andere Aktivist*innnen kommen hinzu, um zu sagen, das dürfe nicht geschehen, es widerspreche dem Aktionskonsens. Sie argumentieren nicht in der Sache gegen die Barrikade, sondern beziehen sich auf den Aktionskonsens, als handle es sich dabei um ein nicht zu hinterfragendes Gesetz. ...
Ich frage mich darüber hinaus, ob diese Aktionsform Menschen auf dem Weg ihrer persönlichen Emanzipation unterstützt, inwieweit sie ihnen Mut macht, auch eigene Aktionen zu organisieren, sich neues zuzutrauen, auszuprobieren. Denn manchmal fühlt es sich bei Ende Gelände etwas so an wie in einem Fußballstadion: Eine von wenigen vorgedachte Choreografie wird mit einer von beängstigend wenigen Menschen steuerbaren Masse umgesetzt, nachdem diese Menschenmenge zuvor aufgeheizt und in die richtige Stimmung gebracht wurde. Es ist eben ambivalent, weil aus einer großen Gruppe heraus Mut und Entschlossenheit erwachsen können, um gemeinsame Aktionen zu starten, sich gegenseitig Angst zu nehmen. Ebenso kann eine solche Gruppendynamik aber auch die Individuen verschlucken, sie zu bloßen Mitlaufenden machen und dem ganzen dadurch den Charakter eines einmal jährlich stattfindenden Festivalevents geben. Und gerade, weil im Hintergrund jedenfalls ein Teil der Leute mit viel organisatorischer Verantwortung sichtlich Gefallen daran findet, tausende von Menschen zu lenken und strategisch an bestimmte Orte laufen zu lassen, wird es gruselig. Bewegung ist meiner Überzeugung nach nicht dann besonders schlagkräftig, wenn sie immer wieder fast folkloristisch das Gleiche tut, sondern unkalkulierbar und unkontrollierbar ist. Diesen Grundgedanken vermisse ich bei Ende Gelände.


Aus dem Text "Bewegung kommt von Bewegung!" (Anti-Atom-Büro Hamburg im Juni 2016)
Segen und Fluch der Bewegungskampagnen ist es, wachsen zu können, aber auch zu müssen. Jedes Kampagnenereignis muss das vorhergehende übertreffen, um weiterhin die Hoffnung vermitteln zu können, im Moment der wichtigste Interventionsort der Bewegung zu sein. Das ist sehr bedauerlich, aber anscheinend nicht ad hoc zu ändern. Auf lange Sicht hilft da nur, kontinuierlich soziale Orte des Widerstandes aufzubauen, und sich selbst ein Kampagnenhopping zu versagen. Nur so kann es gelingen nach dem Abbruch eines Bewegungszyklus den Widerstand zu reorganisieren und nachhaltig wirken zu lassen, wie es im Wendland gelungen ist.

Am Ende kam es, wie es kommen musste: Die Aktion 2015, die den Slogan "Ende Gelände" populär machte, so dass sich die Organisation danach unter diesem Namen gründete, wird inzwischen als erste Aktion der Organisation dargestellt. Auf der Internetseite ist von "unserer ersten Aktion im Jahr 2015" genau zu lesen, wie im englischsprachigen Handbuch für Aktivist*innen: "In 2015, Ende Gelände was lucky to start its first action".

Sog. Bewegungsforschung verstärkt die Vereinnahmung
Michael Neuber (sog. Bewegungsforscher an der Technischen Universität Berlin und Mitglied im Institut für Protest- und Bewegungsforschung) sortiert in einem Vortrag auf der Tagung "Sozial-ökologische Transformation und gewaltfreie Aktion" am 25.5.2022 alle Aktionen irgendwelchen Labeln zu. Offenbar ist ihm gar nicht bekannt, dass Aktionen auch ohne Label gelingen können und stattfinden. Nach seiner Auffassung besetzte Ende Gelände die Wälder, zum Beispiel den Hambacherforst, obwohl die Besetzung vier Jahre vor Gründung von EG startete.


Momentaufnahme aus dem Vortrag von Michael Neuber am 25.5.2022 (online)


Das Gleiche in einer anderen pseudowissenschaftlichen Arbeit (Titel: "Klimagerechtigkeit erzählen", IASS Study von Moritz Melchior, Manuel Rivera)
Bereits im ersten Jahr gelang es ca. 1000 EG-Aktivist*innen, den Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinland zu blockieren.

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