Gießen autofrei

IM NAMEN DES KAPITALS: URTEIL IM PROZESS GEGEN FELDBEFREIERINNEN (4.9.08)

Beschreibung des Versuchsfeldes


1. Einleitung
2. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Gießen
3. Es geht los: Gerichtsprozess gegen FeldbefreierInnen
4. Die ersten Prozesse: Gegen einen Journalisten - und gegen Zuschauer*innen
5. Vor der ersten Instanz: Aktionsmonat April 2008
6. Aktionen vor und rund um die erste Instanz
7. Dann doch eine erste Instanz
8. Erste Instanz: Die erste Seite des Urteils
9. Beschreibung des Versuchsfeldes
10. Tatablauf und Schadenshöhe
11. Rettet die Straftäter in Uniform
12. Im Prozess verboten, im Urteil aber untersucht: § 34 StGB
13. Raus ... die nachträgliche Erfindung von Gründen für den Angeklagten-Rauswurf
14. Und nun?
15. Wer es ganz genau wissen will
16. Beweisanträge (in 1. Instanz verboten, in 2. Instanz eingebracht)
17. 2. Instanz, mündliches Urteil (Abschrift): Der Geist ist aus der Flasche!
18. Zweite Instanz: Der Beginn des Urteils
19. Beschreibung des Versuchsfeldes
20. Tatablauf und Schadenshöhe
21. Skandalöser Versuchsablauf festgestellt ... na und?
22. Die Polizeitaktik
23. Motive der Angeklagten
24. Zur Rechtfertigung: Handlung ungeeignet, da Feldbefreiungen auch nichts (mehr?) nützen
25. Die Konsequenz: Volle Härte des Strafgesetzbuches
26. Demo am Tag des Urteils - und mehr Proteste
27. Lohnenswert anders: Freisprüche in Frankreich
28. Grundsätzliche Rechtsverstöße und verfassungsrechtliche Fragen

Den zwei Seiten zum Feld ist anzusehen, dass Richter Oehm die Fragen zum Feld weitgehend verboten hat. So sind wenig Information über das Feld hängengeblieben. Zudem ist von dem Wenigen einiges falsch, nämlich:




Urteil vom 4.9.2008, S. 13
  • Es waren nicht 120 Pflanzen pro Quadratmeter, sondern 300-320 Pflanzen pro 0,8qm.
  • Das Vögel und andere größere Tiere abgehalten werden sollten, ist inzwischen widerlegt. Gesprochen wurde im Prozess auch nur über Vögel. Die größeren Tiere hat sich Richter Oehm ausgedacht oder aus anderer Quelle beschafft. Allerdings ist die Information auch falsch. Die Akten zum Versuch bei der Überwachungsbehörde und bei der Universität selbst weisen aus, dass ein Mäuseschutz nicht existierte.
  • Damit ist auch die weitere Aussage falsch, nämlich dass "das Versuchsfeld und seine Anlage ... den im Genehmigungsbescheid erteilten Sicherheitsauflagen" entsprach. Das zu überprüfen, war von Richter Oehm untersagt worden. Es war u.a. Ziel der Fragen und Anträge von Verteidigung und Angeklagten. Aus den Akten zum Versuch bei der Überwachungsbehörde aber ist bekannt, dass z.B. ein Mäuseschutz nicht existierte. Der aber war vorgeschrieben. Damit entsprach der Versuch nicht den im Genehmigungsbescheid erteilten Sicherheitsauflagen.


Aus der Akte beim RP

Weitere Abweichungen des tatsächlichen Versuchsablaufs vom Genehmigungsbescheid sind dokumentiert. Vor Gericht kamen sie nicht zur Sprache, weil Richter Oehm alle Fragen dazu verbot und Beweisanträge als unbedeutend ablehnte. Unter anderem:
  • Es kam im Sommer 2006 zu einem unvorhergesehenen Anwachsen der gentechnisch veränderten Gersten außerhalb der Sicherungsanlagen. Keimfähige Samen lagen offen herum, danach standen mehrere Wochen die Pflanzen ohne Vogelschutznetz und andere Sicherungen im Freien.
  • Nach der Ernte 2007 wiederholte sich das teilweise sogar nochmals. Wieder standen samentragende, reife Ähren ungesichert herum - diesmal mehrere Tage.
  • Die Versuchsleitung kam der Auskunftspflicht bei besonderen Ereignissen gegenüber der Überwachungsbehörde nicht nach. So wurde der bei der Universität eingegangene Brief, dass die Bodenverhältnisse am Versuchsstandort verändert wurden und der Versuch nicht mehr auswertbar sei, nicht weitergereicht bzw. die Überwachungsbehörde gar nicht informiert.
  • Beim Aussaattermin 2007 wurde die Überwachungsbehörde zwar den Auflagen entsprechend vom Aussaatzeitpunkt informiert, als diese jedoch pünklich erschien, hatte die Aussaat schon stattgefunden.

Fehlende Sachaufklärung zeigt sich in der Frage des Versuchsverlaufs. Denn zwar hatten ZeugInnen in der Tat von einer Planung für vier Jahre gesprochen, aber der Versuch fand nicht über diese Zeitdauer statt. Aufklärung hätte nur ein Beteiligter am Versuch selbst geben können. Es wurde aber niemand geladen.

Blütezeit der Gerste (S. 17)
Geradezu absurd ist die Feststellung im Urteil zur Blütezeit der Gerste. In der Tat hatte Richter Oehm eine solche Frage an den Zeugen Dr. Langen gestellt. Es war die einzige Frage zum Versuchsfeld selbst - und Oehm wird auch daraus gelernt haben, dass solche Fragen schnell peinlich werden konnten für die Universität. Der Zeuge, obwohl Beauftragter für biologische Sicherheit bei dem Versuch, konnte die Frage nämlich nicht beantworten und musste einräumen, sich mit Gerste nicht auszukennen. Der Wortlaut seiner Vernehmung:

Oehm: „Wann hätte die denn angefangen zu blühen?“
„Also die Aussaat ist ja relativ spät schon erfolgt, aber die Gerste holt das praktisch noch mal ein. Also normalerweise wäre die Ernste halt, also abgereift ist eine Gerstenpflanze Ende Juni, Anfang Juli. Das ist normal die Erntezeit.“
Oehm: „Und die Blüte?“
„Auf jeden Fall noch lange nicht zu dem Zeitpunkt, wo halt diese Teilzerstörung stattgefunden hatte.“
Oehm: „Das ist ein dehnbarer Begriff.“
„Äh – also Sie meinen diese Zeit selber, bis die dann anfangen zu blühen. Also ich bin kein Landwirt. Aber ähhh, also ich denke, die hätten Ende Mai/Anfang Juni geblüht. Das ist ein bisschen schwierig, weil das für die Gerste nicht der typische Aussaatzeitpunkt war. Das waren wir ja schon relativ in der Vegetationsperiode.“
Oehm: „Und sie meinten: Blütezeit Ende Mai oder Anfang Juni. Jetzt sind wir aber am 2. Juni.“
„Ja, wie gesagt, dadurch dass wir spät ausgesät haben, ...“
Oehm: „Wenn Sie es nicht wissen, dann ...“
„Ja, ich sach ja, kann ich so schlecht abschätzen.“


Aus diesem Dialog leitet Oehm nun für das Urteil ab:


Urteil vom 4.9.2008, S. 17


Dauer und Ziele des Versuchsfeldes
Über die Versuchsdauer wird im Urteil behauptet, das Projekt sei über vier Jahre angelegt worden. Überprüft wurde das in der Hauptverhandlung nie. Dabei hätte jedermensch leicht ausrechnen können, dass das 2005 gestartete Projekt dann auch 2008 noch hätte laufen müssen. Es fand aber nicht statt. Daher wäre naheliegend gewesen, statt einfacher Feststellungen im Urteil nach Aktenlage tatsächliche Sachaufklärung zu betreiben. Tat aber tat Richter Oehm nicht.
Stattdessen wusste er sogar über die Ziele des Versuches Bescheid. Auch hier waren alle Fragen verboten. KritikerInnen des Genfeldes hatten intensiv recherchiert und konnten inzwischen nachweisen, dass der Versuch ganz anderen Zielen diente (siehe Seite dazu). Doch Fragen und Anträge dazu wurden nicht zugelassen. Dennoch schrieb Oehm ins Urteil, welchen Zielen der Versuch diente. Zeugen wurden dazu nicht befragt - es waren ja auch gar keine geladen, die am Versuch mitwirkten.


Urteil vom 4.9.2008, S. 35


Mitschriften zum Abwürgen aller Fragen zum Genversuch und zur Gentechnik

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