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STREIT: ORGANISIERTE VIELFALT UND ANTRIEB FÜR DEN WEITEREN PROZESS

Kreative Streitorte schaffen und Methoden "erfinden"


1. Einleitung
2. Anbahnung von Kommunikation und Kooperation
3. Kreative Streitorte schaffen und Methoden "erfinden"
4. Alltagstauglichkeit: Direkte Intervention üben
5. Links

Streiten zu lernen und zu üben, ist eine Kunst, die schon im Alltag sehr nützlich sein kann. Schließlich würde so mancher Knatsch dann nicht zu persönlichen Zerwürfnissen, sondern zur Verbesserung der Situation genutzt - und sei es der Kommunikationsfähigkeit zwischen den Beteiligten, oft aber auch für eine bessere Ressourcenverteilung, Zugang zu Wissen, mehr Transparenz usw. Schon für die Konflikte, die zwei oder drei Menschen miteinander erleben, lohnt sich eine Kultur des Streitens. Harmonisierung würde Gegensätze zukleistern oder zu Verdrängungen führen. Vor allem würde sie die Kraft ungenutzt lassen, die im Streit liegt. Denn dessen Ausgangspunkt ist immer der Wille, etwas anders zu wollen - anders als die jetzige Situation oder anders als andere Menschen. Diese Energie sollte nicht ungenutzt vorübergehen oder sich destruktiv wenden.

Spätestens wo mehr Menschen aufeinandertreffen, können verabredete Streitformen eine Hilfe sein. Sie können eine frühe Wahrnehmung sowie dann die Formulierung von Gegensätzen erleichtern. Sie können zum Streiten einladen, Angebote für Steitformen unterbreiten und so auch dafür sorgen, dass der Streit möglichst früh ausgetragen wird, bevor er sich als Kampf um feststehende Positionen zeigt. Bei der Entwicklung von Streitmethoden bedarf es vieler sozialer Innovationen und Experimente. Streiten muss geübt werden, um nicht nur zu lernen, aus Gegensätzen produktive Weiterentwicklungen entstehen zu lassen, sondern um ihm den Flair des Unangenehmen zu nehmen. Es wird noch eine Zeit vergehen, bis das Aufkommen von Gegensätzen frohlockt, weil in ihm sofort die Chance zur Weiterentwicklung gesehen wird: Endlich die Chance zum Weiterkommen, weil Menschen mit dem Bestehenden nicht (mehr) zufrieden sind.

Die sozialen Innovationen, die gebraucht werden, betreffen unter anderem:
  • Das Teilen und Zusammenfügen im Kommunikationsprozess: Jede Diskussion ist ein gesellschaftlicher Subraum, in dem - mit Ausnahme der Situation, wo es nur 2-3 Menschen sind - das Ziel einer Welt, in der viele Welten Platz haben können, eine Bedeutung haben kann. Debatten in großen Runden vereinheitlichen, sie fördern die Zuspitzung auf vereinfachte Lösungen, z.B. Ja/Nein-Entscheidungen. Streitkultur sollte das Teilen und Zusammenfügen von Debattensträngen enthalten, also zum Beispiel den Wechsel zwischen Kleingruppen und großer Runde - sei es in einem Saal, in einem Dorf oder auf entsprechend programmierten Internet-Streitportalen.
  • Transparenz: Vielfalt schafft unterschiedliche Wahrnehmungen und Ergebnisse. Diese sind besonders dann wertvoll, wenn alle Beteiligten die Möglichkeit haben, von diesen zu erfahren. Dafür sind Methoden der Informationsbereitstellung zu entwickeln - von den Ergebnissen bis zur Kontaktvermittlung, damit Menschen auch einander befragen, Kooperationen beginnen oder neuen Streit anfangen können.
  • Positive Bezüge auf Unterschiede: Herausarbeiten von Differenzen, Benennen von Verschiedenartigkeiten und Widersprüchen sowie Aufmerksamkeit für unterbliebenen Protest befeuern den kreativen Streit mit immer neuem Futter, das voran treibt.
  • Dokumentation: Nicht nur Ergebnisse, sondern auch offene Frage, Diskrepanzen und mehr werden festgehalten und so für alle auch später noch sichtbar.

Solange Streit den Ruf des Unangenehmen hat, Menschen ihm gerne aus dem Weg gehen oder - dann schon beladen mit Frust und Verbitterung - den Zank spontan vom Zaun brechen ohne irgendeine Streitkultur, können praktische Hilfen die Art der Auseinandersetzung beeinflussen. Anlaufpunkte für das Streiten könnten die Möglichkeiten der Streitkultur sichtbar machen und einladen, aus einem Gegensatz einen kreativen Prozess zu machen. Solche festen bzw. jederzeit leicht einrichtbaren Orte können sein:
  • Programmierungen im Internet als Streitportale: Die Programmiertechniken dürften längst ausreichen, um interessante Streittechniken zu entwickeln, bei denen die oben genannten Kriterien wie Teilen und Zusammenfügen von Kommunikationsprozessen, Transparenz, experimentelle Streitformen usw. miteinander kombiniert werden können.
  • Streitplätze schaffen: Bei Kongressen, auf Camps, in Dörfern und Stadtteilen können besondere Orte des Streitens geschaffen werden. Das Aufkommen von Streit wird zum sozialen Ereignis und - zumindest in den Kreisen, wo es passt - einladend bekannt gegeben. Bestimmte Räume können bereits über eine passende Ausstattung zum Streiten verfügen, sei es von der Möblierung her oder von passenden Pinnwänden zum Festhalten von Streitpunkten oder Zwischenergebnissen. Eine bereits entwickelte Form des Streitens in größeren Gruppen ist z.B. die sogenannte Fish Bowl, für die eine entsprechende Raumausstattung nötig ist (Bestuhlung, bei großen Räumen mit entsprechender Sprachverstärkung, die aber alle an der Diskussion Beteiligten gleichzeitig hörbar machen muss - sonst funktioniert die Methode nicht).
  • Pinnbrett des Streits: Offene Fragen und Streitpunkte transparent machen und dadurch die weitere Auseinandersetzung fördern.

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