Offener Raum

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

kodu


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

Landwirtschaftliche Selbstversorung ist die Grundlage der Unabhängigkeit der bolos. Welches kodu ein bolo wählt, was es anbaut und mit welchen Methoden, ist von seiner kulturellen Eigenart bestimmt. Ein Vegi-bolo würde sich auf Gemüse, Früchte, Getreide spezialisieren und die Viehzucht andern überlassen. Ein Allah-bolo würde sich nicht mit Schweinen befassen; ein Franko-bolo einen grossen Kräutergarten unterhalten. Ein Italo-bolo braucht viel Tomaten, Oregano und Knoblauch. Ein Hasch-bolo pflanzt Cannabis an, ein Alko-bolo Hopfen und Malz (Brauerei in der Scheune), ein Azteko-bolo Mais und Bohnen.

Gewisse bolos würden ihre Lebensmittelversorgung stark mit Austauschverträgen ergänzen, weil sie Wert auf Abwechslung legen. Andere, für die die Gastronomie nicht so wichtig ist oder die gerne immer das gleiche essen, könnten sich fast ganz aus ihren eigenen Produkten ernähren.

Da die Landwirtschaft ein Ausdruck der Eigenart eines bolos ist, würde auch hier jedes zu einer andern Lösung kommen. Der Umgang mit der "Natur" zur Erzeugung von Lebensmitteln kann daher nicht auf allgemeiner Ebene beschrieben werden, weil "Natur" für jedes bolo einen andern Wert hat. Selbstverständlich setzt das voraus, dass sich alle über einige Grenzen einig sind - z.B. darin, dass zur Natur als landwirtschaftlicher Existenzgrundlage Sorge getragen wird. Daher ist es auch nicht vorstellbar, dass jedes bolo völlig isoliert Landwirtschaft betreibt. Selbstbestimmte Zusammenarbeit mit Nachbarn und innerhalb einer Region ergibt sich ganz von selbst, weil sie notwendig und für alle lohnend ist (z.B. Maschinenparks, Abstimmung der Fruchtfolgen, Kombination der Produktion, Energieversorgung, Transport, Schädlingseindämmung). Darüber hinaus bleibt noch viel Spielraum für die Entfaltung der eigenen Agri-kultur.

Diese Agri-kultur wird nicht in jedem bolo gleich wichtig sein. Sie kann als eine Art "Arbeit" erscheinen und wird dann wohl gleichmässig auf alle boloMitglieder verteilt, sodass jeder einen Monat im Jahr oder ca. 10°70 seiner aktiven Zeit auf dem Land verbringt. Wenn es Leute gibt, die ohnehin lieber auf dem Land leben oder in der Landwirtschaft ihren "Beruf" sehen, dann verringern sich die Verpflichtungen für die andern entsprechend. Auf jeden Fall ist kodu keine gravierende Einschränkung der kulturellen Freiheit jedes Einzelnen: die Landarbeit kann dank der Grösse der bolos (500 Leute) flexibel und individuell geregelt werden und sie fällt zeitlich nicht gross ins Gewicht. All das bedingt natürlich, dass jeder sich mit der Zeit einige landwirtschaftliche Grundkenntnisse und -fertigkeiten erwirbt - auch das geht schneller, als man denkt. Dies ist der Preis, der für die Unabhängigkeit der bolos zu bezahlen ist . Es gibt ja keine Läden mehr, keinen parasitären Zwischenhandel, keine Supermärkte, keine unfair billigen Importe aus wirtschaftlich erpressten Ländern. Es gibt auch keine zentralisierte Verteilung durch einen Staatsapparat (etwa in der Form von Rationierung oder zentralen Depots). Wenn die bolos autonom sein sollen, sind sie zu einem gewissen Grad auch auf sich gestellt. (8)

Die Unterscheidung Bauer/Städter wird durch das kodu hinfällig. Der Interessengegensatz zwischen den für höhere Preise kämpfenden Bauern und den auf billige Lebensmittel drängenden Konsumenten besteht nicht mehr. Niemand hat mehr ein Interesse an Verschwendung, Verknappung, Verschlechterung, Verteuerung, landwirtschaftlicher Produkte (das gilt für alle andern Produkte natürlich auch). Der schonende Umgang mit dem Boden, den Tieren und vor allem mit sich selbst wird ganz selbstverständlich, da jedes bolo langfristig seine Ressourcen bewahren muss. Die bolo-Mitglieder haben selbst das grösste Interesse an der Erzeugung gesunder Lebensmittel, da sie sie selbst essen und auch für ihre Gesundheitspflege (bete) selbst aufkommen müssen. Es können keine "sozialen Kosten" (in der Form von chemischer Verseuchung, Bodenerosion, Überarbeitung abgewälzt werden. Die Anwendung bio-dynamischer oder bewährter traditioneller Methoden ist auch darum wieder möglich, weil mehr und besser motivierte landwirtschaftliche Arbeitskräfte pro Fläche zur Verfügung stehen werden. (In der Schweiz würde das kodu mindestens zu einer Verdoppelung der auf dem Land arbeitenden Leute führen.)

Für die Aufteilung des Bodens (oder anderer Nahrungsquellen) unter die bolos einer Region sind verschiedene Lösungen möglich, die sich auch allmählich ergeben können. Selbständige Bauern können langsam mit Stadt-bolos zusammenwachsen. Städter helfen zuerst nur landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften, verschmelzen dann mit diesen. Das kodu braucht auch nicht aus einem einzigen zusammenhängenden Landstück zu bestehen. Kleinere Kräutergärten sind schon in der Stadt in Höfen, auf Dächern usw. möglich. Reine Agro-bolos (Dörfer auf dem Land) haben ohnehin keine Probleme, da sie das umliegende Land bebauen. Anderes Land dazwischen gehört dann vielleicht zu Stadt-bolos (siehe S.92). Um grössere Städte, wo das zugehörige Land weiter weg ist, wäre es praktisch, einen Gartengürtel am Stadtrand anzulegen, wo die bolos Frischgemüse für den täglichen Verbrauch erzeugen. Diese Gärten wären noch zu Fuss oder mit Velos innert Minuten zu erreichen und die transportierten Mengen wären gering (einige Dutzend Kilos pro Tag). Die eigentlichen Landsitze, kodu'kanas, befänden sich dann weiter weg, bis zu 15 oder 20 km, oder auch weiter, wenn es sich um besondere Kulturen wie Jagdgebiete, Alpen, Fischgewässer, Wälder usw. handelt. Zu einem bolo könnte ein einziger Landsitz (ca. 80ha) oder auch mehrere Höfe (4 x 20 ha, etc.) gehören, je nach geographischen Gegebenheiten und persönlichen Beziehungen. Diese bolo-Höfe würden vor allem Grundnahrungsmittel haltbarer Art in grösseren Mengen erzeugen (Getreide, Kartofflen, Soja, Milchprodukte, Fleisch, Gemüse). Die Transportmengen würden sich hier im Tonnenbereich bewegen. Für das kodu grösserer Städte ergäbe sich ein dreistufiges System, das Frische, Transportmenge und Distand am besten kombiniert:



Damit kodu leichter funktionieren kann, sollte die heutige Entvölkerung grosser Städte (über 200000 Einwohner) noch etwas weiter gehen oder gerade von den bolos gefördert werden. Diese Entwicklung braucht keineswegs erzwungen zu werden; sie wird heute nur durch die Lage auf dem Arbeitsmarkt behindert. In vielen Gegenden (Frankreich, Spanien, Griechenland, Afrika...) würde dies zu einer Wiederbesiedlung verlassener Dörfer führen, da sie kulturell durch die bolos wieder attraktiver gemacht würden. (10)

Obwohl reine Agro-bolos natürlich möglich sind, kann jeder sowohl auf dem Land wie in der Stadt wohnen und die Vorteile beider Lebensweisen geniessen. Von der Stadt aus gesehen haben die koduBauernhöfe auch die Funktion erholsamer Landsitze, wo man Ferien machen kann, allerdings ohne falsche ländliche Idylle. Die Zersiedlung der Landschaft durch Wochenendhäuschen würde damit rückgängig gemacht. Umgekehrt beseitigt der enge Kontakt (es sind ja die gleichen Leute) zwischen Stadt und Land die oft dIückende kulturelle Isolation auf dem Land und belebt er die Städte. Die Stadtzentren werden nicht mehr von "Provinzlern" heimgesucht und als Vergnügungs- und Einkaufszentren missbraucht, mit all den negativen Folgen für die verbliebenen Stadtbewohner (Pendlerverkehr, City-Wüste, Sex-Business, Quartierverödung) . Die Bauern haben wie englische Adelige ihre Stadthäuser, ihre persönlichen Beziehungen, ihre kulturellen Interessen. Keiner braucht mehr an der Scholle zu kleben oder in der Stadt zu verkümmern. Keiner ist mehr Sklave seiner Kühe oder seines Geschäfts.




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