Projektwerkstatt Saasen

BOLO'BOLO (AUSZÜGE)

nima


1. Der grosse Kater
2. Die drei Grundbestandteile der Maschine
3. Drei Deals in Krise
4. Der A-Deal: enttäuscht vom Konsum
5. Der B-Deal: frustriert vom Sozialismus
6. Der C-Deal: genug von der Entwicklung des Elends
7. Der Bankrott der Realpolitik
8. Die Schattenwirklichkeit
9. Substruktion
10. Dysko
11. Triko ... und: bolo'bolo - Grundrisse für ein Projekt
12. Fahrplan
13. ibu
14. bolo
15. sila
16. taku
17. kana
18. nima
19. kodu
20. yalu
21. sibi
22. pali
23. sufu
24. gano
25. bete
26. nugo
27. pili
28. kene
29. tega
30. fudo
31. sumi
32. asa
33. buni
34. mafa
35. feno
36. sadi
37. fasi
38. yaka
39. Anmerkungen
40. Sechs Jahre bolo'bolo
41. Abfahrt

bolos entstehen nicht einfach aus irgendwelchen Nachbarschaften oder weil es praktisch ist. Das wirkliche Motiv, das die ibus veranlasst, in bolos zusammenzuleben, ist ein gemeinsames nima. Bestimmte nimas kann das ibu nur dann voll ausleben, wenn es andere ibus findet, die das gleiche haben. In einem bolo verwirklichen, ergänzen und verändern die ibus ihr gemeinsames nima. Umgekehrt können ibus, deren nima keine gesellschaftlichen Formen zulässt (Einsiedler, Vagabunden, Misanthropen, Individual-Anarchisten, Narren, Weise usw.) allein bleiben und in den "Zwischenräumen" der überall vorhandenen, aber nicht obligatorischen bolos leben.

Das nima enthält eine Lebensauffassung, die Grundstimmung, Philosophie, Interessen, Kleidung, Ernährungsweise (Kochstil), Umgangsformen, Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zu Kindern, Wohnräumen, Gegenständen, Farben, Tieren, Bäumen, Ritualen, den Tagesablauf, Musik, Tanz, Mythologie, kurz all das, was man als "Tradition" oder "Kultur" bezeichnen könnte. Das nima definiert das Leben, so wie das ibu es sich konkret wünscht.

Die Quellen des nima sind ebenso vielfältig wie es selbst. Es können ethnische Traditionen sein (noch lebendige oder wieder entdeckte), philosophische Schulen, Sekten, geschichtliche Gemeinsamkeiten, gemeinsam erlebte Kämpfte oder Katastrophen, Mischformen oder ganz neu erfundene. Ein nima kann sehr umfassend und detailliert sein (wie bei Sekten oder Volkstraditonen) oder aber nur Teilbereiche betreffen. Es kann extrem eigenartig sein oder nur die Variante eines andern nima. Es kann sehr offen und veränderungsbereit sein oder geschlossen und konservativ. nimas können auch wie Moden durch die bolos gehen, oder sich wie Seuchen verbreiten und wieder aussterben. Sie können sanftmütig sein oder rabiat, passiv-kontemplativ oder aktivextravertriert. Die nimas sind der eigentliche Reichtum der bolos. (Reichtum = Vielfalt der Möglichkeiten, geistig wie materiell!) (6)

Da alle möglichen nimas auftauchen können, ist es auch möglich, dass sich brutale, repressive, patriarchalische, stumpfsinnige, fanatische Terrorcliquen etablieren. Es gibt ja für die nimas weder humanistische, noch liberale, noch demokratische Gesetze oder Vorschriften und schon gar keinen Rechtsstaat, der sie durchsetzen würde. Niemand kann ein bolo daran hindern, Massenselbstmord zu begehen, an Drogenexperimenten drauf zu gehen, sich selbst in den Wahnsinn zu treiben. bolos mit einem Wikinger- oder Hunnen-nima können ganze Kontinente terrorisieren, Raubzüge veranstalten, brandschatzen: Freiheit und Abenteuer, soweit das Auge reicht.

Andererseits setzt die Logik von bolo'bolo der Möglichkeit und der Ausbreitung solcher Verhaltensweisen und Traditionen auch wieder Schranken. Plünderung und Raub haben ihre eigene Ökonomie. Es ist auch zum vorneherein absurd, Denkweisen aus der heutigen Geldwirtschaft einfach in einen andern Zusalnmenhang zu verpflanzen. (Damit nur schon bolo'bolo entsteht, müsste da ja einiges passiert sein.) Ein Banditen-bolo müsste relativ stark und gut organisiert sein und es braucht innere Disziplin und Unterdrückung. Für die herrschende Clique in einem solchen bolo bedeutet das dauernde Wachsamkeit und eine grosse Menge Unterdrückungsarbeit (Strafen, Einschüchtern usw.) Ihre ibus könnten das bolo jederzeit verlassen, das sie überall Aufnahme fänden. Fremde ibus könnten als Gäste auftreten, benachbarte bolos würden die seltsamen Vorgänge in einem Banditen-bolo von Anfang an beobachten. Diese könnten desse munu (Ansehen) ruinieren, den Austausch beschränken, den unterdrückten ibus gegen ihre Herren helfen usw. Schon die Ausrüstung eines Banditen-bolo würde daher grosse Probleme stellen. Woher die Waffen bekommen? Oder dann müssten sie zuerst einmal lange arbeiten, um überhaupt die ersten Überfälle machen zu können. Auch da riskieren die Häuptlinge schon Widerstand . Ohne einen Staatsapparat auf relativ hoher Stufe (zehntausende von Leuten) erfordert Repression zuviel Arbeit und lohnt sich für die Herren nicht. Raubzüge und Ausbeutung wären auch darum sinnlos, weil es keine Mittel gibt, gestohlenes Gut in leicht transportierbarer Form zu erhalten (kein Geld). Da keiner mit einem solchen bolo Tausch betreiben würde, müsste es alle Güter in ihrer Naturalform stehlen, was viel Transportarbeit erfordert. Die meisten Transportmittel wären öffentliche und stünden dem Banditen-bolo nicht exklusiv zur Verfügung, also könnte es nur umliegende bolos heimsuchen, deren Ressourcen bald erschöpft wären. Dazu kommt der aktive Widerstand der beraubten bolos, das Eingreifen von ad-hoc-Milizen grösserer Verbände (tega, vudo, sumi; siehe: yaka) und das Banditentum wird zu einem mehr zufälligen, seltenen und unlohnenden Verhalten.

Eroberung, Ausraubung und Unterdrückung unter Nationen entspringen nicht irgendeiner dunklen Seite der menschlichen Natur, sondern es sind Katastrophen, die entstehen, wenn Grössenverhältnisse aus dem Gleichgewicht geraten. Die bolos selbst sind gross genug, um eine gewisse Unabhängigkeit und Stärke haben zu können - das Einzel-ibu kann sich dort geborgen fühlen und kommt nicht in Versuchung, sich "starken Männern" oder mächtigen Organisationen anzuschliessen. Umgekehrt sind sie doch zu klein, um zu Nationen oder Staaten zu werden. Unterdrückung in ihrem Innern zahlt sich nicht aus, weil Unterdrücker und Unterdrückte sich zu nahe kommen. Sie sind wiederum unselbständig genug, um Kommunikation und Austausch zu einem Bedürfnis werden zu lassen. Und gerade diese Netzwerke planetarer Kommunikation (unterstützt durch Reisen, Telephon und einige transkontinentale Transportmittel) verunmöglichen Anonymität durch Distanz und damit den Aufbau von Feindbildern. Raub-nimas bleiben immer noch möglich, doch nur als eine Art l'art pour l'art und als Ausnahme. Die bolos müssen selbst wissen, was sie tun. Denn woher sollen wir die Welt-Kontrolleure nehmen, die uns vor uns selbst schützen?

In einer grösseren Stadt könnten wir also z. B . folgende bolos finden: Sym-bolo, Anti-bolo, Istan-bolo, Les-bolo, Play-bolo, Sado-bolo, Vegi-bolo, Arabolo, Hebro-bolo, Para-bolo, Franko-bolo, Italobolo, Ibero-bolo, Dia-bolo, Anglo-bolo, Bocks-bolo, Bier-bolo, Alko-bolo, Hasch-bolo, Pyramidobolo, Konstantino-bolo, Paläo-bolo, Agro-bolo, Modul-bolo, Maso-bolo, Biblio-bolo, Medito-bolo, Bi-bolo, Tri-bolo, Poly-bolo, Mix-bolo, Paranobolo, Tao-bolo, Disco-bolo, Nekro-bolo, Marx-bolo, HighTech-bolo, Öko-bolo, Sozi-bolo, Sowjetbolo, Marx-bolo, Helio-bolo, Ikaro-bolo, AIDSbolo, Anarcho-bolo, Logo-bolo, Mago-bolo, Tarabolo Clean-bolo, Coca-bolo, Palm-bolo, Thai-bolo, Mongolo-bolo, Olo-bolo, Anonymo-bolo, Intimo-bolo, Marl-bolo, Hyper-bolo, Medio-bolo, Barbolo, Wotan-bolo, Blue-bolo, Ton-bolo, Basketbolo, Mono-bolo, Metro-bolo, Krischna-bolo, Jesu-bolo, Alp-bolo, Bala-bolo, Inka-bolo, Alemanobolo, Frieso-bolo, Bom-bolo, Ur-bolo, Neo-bolo, Baby-bolo, Entro-bolo, Digito-bolo, Ana-bolo, Liban-bolo, Pluri-bolo, Orgo-bolo, Sparta-bolo, Thermo-bolo, Frigo-bolo, Punko-bolo, Norm-bolo, Waldmeister-bolo, Geissen-bolo, Inkommensura-bolo, Ras-le-bolo usw. Danebengäbeesnatürlich auch viele völlig normale und gewöhnliche bolos, die von sich selbst nichts wissen und von denen nichts bekannt ist, weil sie nicht einmal einen Namen haben (Banal-bolos).

Die Vielfalt der Lebensweisen löst unsere heutige Massenkultur, den individualistisch verbrämten Kollektivismus unseres Alltags, die zentral gesteueren Moden und auch die genormten Staatssprachen auf. Jeder kann das Leben wählen, das ihm passt, verreisen, wenn er will, so viel Individualität oder Gemeinschaftlichkeit erleben, wie er für gut hält. Viele bolos hätten auch ihre eigene Sprache. Das könnte eine bestehende Sprache sein, ein Dialekt, ein besonderer Slang oder auch neu erfundene Sprachen. Damit verliert die Normsprache ihre Wirksamkeit als Herrschaftsmittel und es entstehen "babylonische" Verhältnisse, d.h. Unregierbarkeit durch Dysinformation (siehe Einleitung). Damit aber Reisende oder sonst Leute, die mit vielen bolos verkehren, nicht ganz verloren sind, gibt es eine Art Not-Code, das asa'pili, Das asa'pili ist keine richtige Sprache, denn es besteht nur aus wenigen Wörtern (ibu, bolo, nima, asa, pili usw.) und den dazugehörigen Zeichen (für solche, die nicht reden oder schreiben wollen, können oder dürfen). Mit Hilfe des asa' pili kann sich jeder in drigenden Fällen behelfen und zu Nahrung, medizinischer Hilfe, Unterkunft usw. kommen. Und danngibtsgenugZeit, umdieörtliche Sprache in aller Ruhe zu lernen und zugleich mehr über die Gastgeber zu erfahren. Das Erlernen der jeweiligen Sprachen fördert die Kontaktaufnahme und das gegenseitige Verständnis der Kulturen. Warum sollte es jemand eilig haben.


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