Gentechnik-Seilschaften

METHODENSAMMLUNG

Moderation


1. Hilfsmittel für Diskussions- und Entscheidungsfindungsrunden
2. Moderation
3. Visualisierung, Ergebniskontrolle
4. Kreativverfahren
5. Methoden zur Reflexion und Auswertung

Moderation ist weitverbreitet. Sie ist vor etlichen Jahren in vielen Gruppen eine Reaktion gewesen auf zähe Dominanzen, z.T. sehr mackriger Art. Allerdings wird Moderation selten hinterfragt - ist bei vielen Treffen inzwischen so etwas wie ein Standard. Dabei gibt es viele Gründe Moderation kritisch zu betrachten, weiterzuentwickeln und vor allem nur als Zwischenschritt zu begreifen. Denn Moderation kann zwar mackrige und formale Hierarchien brechen, ist aber selbst ein Mittel der Steuerung und Dominanz. Ziel der Moderation sollte nur das Strukturieren und Organisieren des Diskussionsprozesses sein. Die moderierende Person sollte nach Lehrbuch frei von Eigeninteressen und bestimmten Sympathien für Anwesende sein. Das aber ist bereits unmöglich und gar nicht wünschenswert, wenn Selbstentfaltung der Menschen als Ziel der Emanzipation begriffen wird. ModeratorInnen unterliegen vielen Einflüssen und steuern notwendigerweise nach ihren Überzeugungen. Gute ModeratorInnen sind meist die, deren Machtausübung weniger auffällig ist. Ob sie nach eigenen Vorlieben entscheiden oder Teil einer die Verfahrensabläufe so steuernden Elite sind, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ziel der Moderation sollte der gleichberechtigte Gruppenprozess sein. Einige ModeratorInnen sind ausgesprochene MethodenspezialistInnen, d.h. sie sind auf bestimmte Abläufe fixiert. Die Verfahrensvielfalt kann dadurch erheblich eingeschränkt werden.

Bewertung
  • birgt die Möglichkeit manipulierend einzugreifen => Pseudoneutralität
  • Konflikte können öffentlich gemacht werden
  • für Gruppen die im stukturieren noch ungeübt sind
  • schafft Unverantwortlichkeit
  • bremst das Überraschungsmoment und Dynamik
  • bei Arbeitsgruppen bremst die Anzahl der Moderatoren die Anzahl der AGs
  • Überforderung der Moderation (wenn Mitglied der Gruppe) wenn immer die gleiche Rolle
  • Gruppe lernt selbst die Methoden anzuwenden
  • hebt Dominanzen nicht wirklich auf
  • Weiterentwicklung Klärung der Nichtneutralität vor Beginn des Prozesses sinnvoll
  • Rotation der Moderation
  • Selbstmoderation (Alle achten auf den Gruppenprozess)
  • Moderation sollte nur Übergangsstadium zur Selbstorganisation sein

Praktisch ist es unmöglich, neutral zu moderieren. Menschen sind nie neutral, sondern reagieren je nach Inhalt, Sprache, Aussehen, Kleidung usw. unterschiedlich auf Menschen. Meist ist Neutralität aber ohnehin nur vorgegaukelt. Die Moderation wird von denen vorgeschlagen, die ohnehin dominant sind. Damit stärken und verschleiern sie ihre Position. Schlimmer noch ist, dass Moderation mal wieder die Verantwortung abgibt. So lernen die Beteiligten nie, aufeinander zu achten.

Im Original: Zitate zur Moderation
Richard Häusler in der Toolbox, punkt.um 12/2001 (S. 17)
Weder die formelhaften Bekenntnisse der Politik zur Nachhaltigkeit noch der Aktionismus selbst ernannter Agenda-Arbeitskreise treffen den Nerv der Sache. Die wirklichen Veränderungen finden dort statt, wo sich mit der Einführung von Moderationsverfahren das "Wie" des politischen Prozesses ändert.

Aus dem Einladungstext zum 7. Open-Space-Symposium "Selbstorganisation", 21.-24.4.2001 in Hamburg
Sie möchten die Kraft, den Esprit der Beteiligten nutzen, aber nicht die Kontrolle verlieren. ... Führung und Selbstorganisation, ergeben sie zusammen einen Sinn? Oder, wenn Führung Sinn stiftet, ist Selbstorganisation dann eine mögliche oder gar zwingende Folge? ... Wie könnte ein selbstbestimmtes, sinnorientiertes, kraftvoll beherztes Handeln erzeugt werden? Welche Rahmenbedingungen braucht es und welche Art Führung?

Anzeige von TuWas e.V. in Ökologisches Wirtschaften 6/2003 (S. 9)
Moderation ist die Führungstechnik der Zukunft!

Aus: ToolBox für Agenda-ModeratorInnen, punkt.um 6/2001 (S. 13)
Auch ModeratorInnen (müssen) manipulieren
Die kommunikativen Fäigkeiten, von Agenda-ModeratorInnen, reichen für den Erfolg häufig nicht aus. Es müssen weitere Qualifikationen hinzu kommen, die mit dem öffentlichkeitswirksamen Charakter des Agenda-Prozesses zu tun haben. Und hier geht es eindeutig nur um das eine - Manipulation. ...
... Wichtig ist es, die Energie zu besitzen, sich ständig zu wiederholen - die Werbung macht es auch so.
... Ein absolutes Muss ist es, Gefühle anzusprechen. Gefühle steuern das Verhalten viel unmittelbarer als rationale Beweggründe.

Aus: Bettina Oppermann/Kerstin Langer, 2000: Umweltmediation (S. 11)
Mediations und Partizipationsverfahren können politische Entscheidungen jedoch nur vorbereiten und damit die Argumentationsbasis qualitativ spürbar verbessern. Da die Mitglieder eines Rundes Tisches nicht demokratisch legitimiert sind, können sie die Entscheidungsfindung in politischen Gremien nicht ersetzen.

Auszug aus Len Fisher (2010): "Schwarmintelligenz", Eichborn in Frankfurt (S. 85 f.)
Unabhängige Schlichter können zwar gelegentlich zur Lösung eines Problems beitragen, aber in der Regel werden sie ein Teil des Problems.



Verbesserung
Alle moderieren - oder eben niemensch. Stattdessen werden alle jeweils zu Beginn aufgefordert, selbst darauf zu achten, dass alle Menschen bemerkt, gehört und berücksichtigt werden (können). Oft ist es dafür wichtiger, die großen Runde mit Kleingruppenphasen zu unterbrechen oder Streitdebatten z.B. als FishBowl zu gestalten. Dann ist Moderation ohnehin überflüssig. Wenn trotz Aufmuntern, dass alle drauf achten sollen, mal Menschen unterdrückt werden, sollte das zur Reflexion in der Gruppen führen. Ziel ist die Selbstermächtigung zur gleichberechtigten Kommunikation, nicht die Fremdsteuerung durch ein*e Aufpasser*in im pseudoneutralen Gewand.

Steigerung: Mediation
Im Original: Mediation bei Stuttgart 21
Aus H. Stuhlfauth, "Schön, dass wir drüber geredet haben", in: GWR 1/2011 (S. 8)
Denn die Methode der Schlichtung, hier gespielt durch einen im Kern autoritären, allmächtigen Vermittler, der als weiser mann oder Volkstribun daher kommt, hat mindestens drei historische Wurzeln: Einmal ist sie dem bürokratisch überformten (bzw. entstellten) deutschen Streikrecht entlehnt, das zu bestimmten Eskalationsstufen eines Arbeitskampfs bzw. Tarifstreits eine Schlichtung vorsieht.
Geißler hatte sich zuvor im vielleicht wichtigsten deutschen Gewerkschaftskampf der vergagenen 10 Jahre, dem Konflikt zwischen Lokführergewerkschaft GDL und deutschen Bahn AG als Vermittler einen Namen gemacht.
Die andere Wurzel liegt in der Alternativ-Bewegung nach 1968, die auch die Partei der Grünen hervor gebracht hat, in Hippie-Kommunen, Alternativ-Betrieben, Wohlkollektiven, Bürgerinitiativen etc. Dort herrschte stets ein besonderes Augenmerk auf Redeverhalten, Kritik von Machtstrukturen, eine Lust am Ausdiskutieren und oft auch ein nervenzerfetzender Drang bzw. Zwang zur Harmonie. Und es gibt sicher nicht wenige (ehemalige) AbonnentInnen der Graswurzelrevolution, die aus der Mediation und ähnlichen sozialpsychologischen Methoden inzwischen einen Beruf gemacht haben und dieses Handwerk ursprünglich in alternativen Strukturen erlernt haben.
Eine dritte historische Spur führt möglicherweise zu den Runden Tischen der untergehenden DDR ...
"Schön, dass wir drüber geredet haben", reicht heute absolut nicht mehr aus. Eine merkwürdige Verirrung libertärer Organisationsformen besteht darin, dass Treffen vor allem dann für gut befunden werden, wenn die Art des Redens vermeintlich konfliktfrei, egalitär und spannungsarm war. Und wenn möglichst viele zu Wort gekommen sind. Aspekte, die wichtig sind - dieser Text soll nicht als Plädoyer für einen Rückfall in autoritäre Strukturen verstanden werden - eine durchaus entscheidende Frage an ein Treffen muss aber dennoch bleiben: Was ist heraus gekommen? Was hat sich bewegt? Was ging voran?
Möglicherweise muss es für einen Fortschritt in und wieder auch mal ordentlich im Karton rappeln. Es sei den, wir einigen uns darauf, dass wir unsere Treffen tatsächlich nicht abhalten, um die Wirklichkeit zu verändern, sondern als sozialpsychologische Sondermaßnahmen, als soziale Wärmstube und Feel-good-event.
Eine Mediation - sowohl im gewerkschaftlichen als auch im Hippie-Sinne - nützt immer denen, die in der stärkeren Position sind. Das sind meist die AuftraggeberInnen, am Arbeitsplatz also die UnternehmerInnen und Vorgesetzten. In sozialen Konflikten wie in Stuttgart oder im Wentland sind die Ressourcen Geld, Macht, Wissen und Medien ebenfalls eindeutig asymmetrisch verteilt. ...
Nur wenige scheinen zu führen, dass dieses Gutmenschentum im Kern höchst aggressiv ist, weil es seine historische Mission darin erfüllt, radikalere und unversöhnliche Elemente einer Elemente zu isolieren und auszugrenzen.


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