Stiftung Freiräume

WAHLEN ALS LEGITIMATION

Was sind Wahlen?


1. Was sind Wahlen?
2. Zitate zu Wahlen und Abstimmungen
3. Funktion von Wahlen
4. Manipulation
5. Wer wählt?
6. Wahlboykott - eine Alternative?
7. Losen - demokratischer als Wählen?
8. Links und Materialien

Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber. Berthold Brecht
Nie wird soviel gelogen wie nach einer Jagd, im Krieg und vor Wahlen. Bismarck

Mit dem bürokratischen Management von Menschen wird der demokratische Prozeß in ein Ritual verwandelt. Ob es sich um die Aktionärsversammlung eines großen Unternehmens, um eine politische Wahl oder um ein Gewerkschaftstreffen handelt, der einzelne hat fast seinen gesamten Einfluß auf die zu treffenden Entscheidungen verloren und nimmt keinen aktiven Anteil mehr daran. Besonders im politischen Bereich werden Wahlen mehr und mehr auf Volksentscheide reduziert, bei denen der einzelne zum Ausdruck bringen kann, welche von zwei Wahllisten mit Berufspolitikern ihm mehr zusagt, so daß man bestenfalls sagen kann, daß er mit seiner Einwilligung regiert wird. Erich Fromm, 1985: "Über den Ungehorsam", dtv München (S. 10 f.)

Wer nicht wählen geht, gibt die letzte Mitbestimmung, die ihm bleibt, auch noch aus der Hand. Sahra Wagenknecht, Linke-Vizefraktionschefin im Bundestag, im Juni 2013 im HR

Aus einem Rundbrief von Mehr Demokratie am 11.6.2021
Wählen gehen! Das ist nicht gering zu achten. Auf also, zwei Kreuze machen. Dann müssen wir wieder vier Jahre warten, um ernsthaft Einfluss nehmen zu können auf die Bundespolitik.


Definition von "Wahlen" auf www.hanisauland.de der Bundeszentrale für politische Bildung
In der Schulklasse können nicht alle gleichzeitig reden und ihre Meinung durchsetzen. Dafür braucht man einen Klassensprecher oder eine Klassensprecherin, der oder die mit der Mehrheit der Mitschüler und Mitschülerinnen gewählt werden. Sie versuchen, die Interessen derjenigen, die sie gewählt haben, richtig zu vertreten, zum Beispiel gegenüber Lehrerinnen und Lehrern oder in der Schulversammlung.
In der Politik ist es ähnlich. In bestimmten Zeitabständen wählen die Wahlberechtigten (in Deutschland ab 18 Jahren) ihre Vertreterinnen und Vertreter aus bestimmten Parteien, von denen sie glauben, dass sie von ihnen am besten vertreten werden. Diejenigen, die gewählt sind, werden in die Volksvertretung, das Parlament, geschickt. In Deutschland ist das der Deutsche Bundestag. Dort versuchen die Volksvertreter und Volksvertreterinnen, die Abgeordneten, das Beste für ihre Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Wichtig ist, dass bei den Wahlen jeder für sich geheim in einer Kabine eine Partei und seine Vertreter und Vertreterinnen wählen kann. Niemand soll dabei von außen beeinflusst werden, niemand braucht Angst zu haben, wegen seiner Wahl Nachteile zu erleiden.


Definition "Wahlkampf" (dito)
In den Wochen und Monaten vor einer wichtigen Wahl (z.B. zum Bundestag) versuchen die Parteien und Kandidaten, die gewählt werden wollen, alle Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen, dass sie die Besten sind. Auf Plakaten an der Bushaltestelle und anderen öffentlichen Plätzen, in Zeitungen, im Rundfunk und insbesondere im Fernsehen in Werbespots und vielen Talkshows stellen sie sich und ihre Botschaften und Programme möglichst gut und verständlich dar. Die Leser und Zuschauer sollen das Gefühl bekommen: Genau diese Partei oder diese Kandidatin oder dieser Kandidat will das, was für mich am besten ist. Und damit die Menschen diejenigen, die sie wählen sollen, noch persönlich kennenlernen können, kommen die Kandidaten in ihre Stadt, sprechen auf Marktplätzen und in großen Sälen, damit im Wahlkampf vielleicht noch die überzeugt werden können, die bis kurz vor der Wahl nicht wissen, wen oder welche Partei sie wählen sollen.

Aus der Rede von Gerhard Leibholz auf einer Tagung der Friedrich-Naumann-Stiftung, in: "Parteien, Wahlrecht, Demokratie", Westdeutscher Verlag in Köln (S. 55)
Vor allem aber kann man nur so verstehen, warum die Wahlen in den funktionierenden parteienstaatlichen Demokratien in zunehmendem Maße dahin tendieren, zu echten plebiszitären Entscheidungen zu werden, d. h. Entscheidungen, in denen die Aktivbürgerschaft ihren Willen zugunsten der von den Parteien benannten Wahlbewerber und der von den Wahlkandidaten unterstützten Parteiprogramme kundgibt.

Wahlen als Kanalisierung von Protest und Hoffnung
Demokratie ist die Staatsform, bei der gesellschaftliche Konflikte darauf kanalisiert werden, den Personalwechsel an der Macht zu wollen. Von Wahlen bis Straßenschlachten geht es immer um die in konkrete Personen (oder Personengruppen, die als FührerInnen von Parteien auftreten) projizierten Hoffnungen auf Wandel oder eigene Vorteile. Demokratie verhindert damit effektiv die Verschiebung der Macht von den Eliten zu den vielen Menschen.
Dieser Tricks klappt selbst bei Menschen, die schon mehrfach durch Wählen anderer oder auch neu gegründeter Parteien schwer frustiert wurden angesichts dessen, was die Gewählten dann machten. Doch ein Lerneffekt setzt nicht ein. Wieder und wieder werden Parteien neu gegründet, dackeln Wähler*innen zu den Urnen. Dabei reicht eigentlich schon der Umstand zur Skepsis, dass Gesetze für alles, was Menschen formal korrekt gründen, Staatstreue und hierarchische Strukturen vorschreiben. Wer Fremdbestimmung durch Selbstermächtigung ersetzen will, kann wählen gehen oder nicht - als Hoffnungsträger taugt beides nicht.

Aus Christoph Spehr (2003): "Gleicher als andere", Karl Dietz Verlag in Berlin (S. 97)
Seit dem Ende des Kalten Krieges erleben wir eine Welt im Wahl-Wahn. Die Probleme der Welt sollen sich angeblich dadurch lösen lassen, dass überall repräsentative Strukturen politischer Vertretung etabliert werden, die den Modellen Westeuropas oder der USA entsprechen. Die Vorstellung von Demokratie und Demokratisierung reduziert sich weitgehend darauf. Nun sind Wahlen an sich nicht unbedingt schlecht, eher so wie Hustensaft: Gegen Husten hilft er, gegen Fußpilz nicht; und dass er den Hustenreiz unterdrückt, kann manchmal nützlich und manchmal schädlich sein. Im Kontext neokolonialer Politik ist allzu deutlich, dass Wahlen gern eingefordert werden, um sich unangenehme Verhandlungen vom Hals zu schaffen: Bauen wir eben eine neue Partei auf. Wahlen haben auch sonst den Nachteil, dass sie nur eine äußerst rudimentäre Form des Verhandelns sind. Einerseits erlauben sie eine Entscheidung nur in Paketen, nach dem Muster des "Geht doch rüber!", andererseits setzen sie meist das Bestehen starrer Regelwerke gerade voraus. Auf die sechs Siebtel des Eisbergs, die unter der Oberfläche liegen, haben wir keinen Einfluss.


Wahlen als Ansprache des Souveräns

Die Stimme des Volkes
Aus Nutt, Harry, „Ambivalente Demokratie“, in: FR, 12.4.2006
Seit einiger Zeit aber ist der symbolisch aufgeladene Moment der Wahlentscheidung bestimmt von weitgehender Ratlosigkeit. Immer häufiger vernimmt man die Stimme des demokratischen Souveräns, aber man versteht sie nicht.

Aus Axel Brüggemann (2009): "Wir holen uns die Politik zurück!"
Die Wähler müssen auf ihr Recht bestehen, als Souverän der Staatsgewalt zu agieren. ... (S. 175)
Für mich ist die Demokratie eine eigene Autorität geworden, die jedem Menschen eines Landes die Chance gibt, seinen Staat mitzubestimmen. Indem er eine Partei wählt - oder die Wahl nutzt, um seine Stimme ungültig zu machen.
(S. 191)

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Kommentare

Tahiri am 03.07.2018 - 12:46 Uhr
Dem meisten, was hier steht, kann ich so ziemlich zustimmen, aber ich gehe trotzdem immer wählen, allein schon aus Prinzip.

Man sollte seine Stimme Kandidaten und Parteien wie DIE PARTEI und APPD geben. Denn nicht wählen wird immer als Desinteresse und ungültig wählen als Doofheit interpretiert, solche Spaßparteien sind aber wenigstens witzig und lassen die anderen teils echt alt aussehen. :-O


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