Demorecht

VERFASSUNGSBESCHWERDEN

Merkblatt über Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht


1. Nutzbare Paragraphen im Grundgesetz
2. Grundgesetz im Netz
3. Merkblatt über Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht
4. Weitere Hinweise zu Verfassungsbeschwerden
5. Kurzanleitung: Verfassungsbeschwerde
6. Weitere Wege zum Verfassungsgericht
7. Tricksereien von oben
8. Europäische Klage vor dem EGMR
9. Hessischer Staatsgerichtshof
10. Links

I. Allgemeines:
Jedermann kann Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte (vgl. Art. 1 bis 19 GG) oder bestimmten grundrechtsgleichen Rechten (Art. 20 Abs. 4, Art. 33, 38, 101, 103, 104 GG) verletzt glaubt.

Das Bundesverfassungsgericht kann die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt feststellen, ein Gesetz für nichtig erklären oder eine verfassungswidrige Entscheidung aufheben und die Sache an ein zuständiges Gericht zurückverweisen.

Andere Klageziele (z.B. Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, Stellung von Strafanträgen u.ä.) können im Wege der Verfassungsbeschwerde nicht erreicht werden. Der einzelne Staatsbürger hat grundsätzlich auch keinen mit der Verfassungsbeschwerde verfolgbaren Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers.

Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen führen nicht zur Überprüfung im vollen Umfang, sondern nur zur Nachprüfung auf verfassungsrechtliche Verstöße. Dass die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung eines Gesetzes oder seine Anwendung auf den einzelnen Fall möglicherweise Fehler enthalten, bedeutet für sich allein nicht schon eine Grundrechtsverletzung.

II. Form und Inhalt der Verfassungsbeschwerde:
Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich einzureichen und zu begründen. Die Begründung muss mindestens folgende Angaben enthalten (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG):

1. Der Hoheitsakt (gerichtliche Entscheidung, Verwaltungsakt, Gesetz), gegen den sich die Verfassungsbeschwerde richtet, muss genau bezeichnet werden (bei gerichtlichen Entscheidungen Ünd Verwaltungsakten sollen Datum, Aktenzeichen und Tag der Verkündung bzw. des Zugangs angegeben werden).

2. Das Grundrecht oder grundrechtsähnliche Recht, das durch den beanstandeten Hoheitsakt verletzt sein soll, muss benannt oder jedenfalls seinem Rechtsinhalt nach bezeichnet werden.

3. Es ist darzulegen, worin im Einzelnen die Grundrechtsverletzung erblickt wird. Hierzu sind auch die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Gerichtsentscheidungen, Bescheide usw. in Ausfertigung, Abschrift oder Fotokopie vorzulegen. Zumindest muss ihr Inhalt aus der Beschwerdeschrift ersichtlich sein.

III. Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen:
1. Die Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen der Gerichte und Behörden ist nur innerhalb eines Monats zulässig. Auch die Begründung (s. oben II) muss innerhalb dieser Frist eingereicht werden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Konnte der Beschwerdeführer die Frist ohne Verschulden nicht einhalten, so kann binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verfassungsbeschwerde nachgeholt werden. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen. Das Verschulden eines Verfahrensbevollmächtigten bei der Fristversäumung steht dem Verschulden des Beschwerdeführers gleich (§ 93 Abs. 2 BVerfGG).

2. Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn der Bürger zuvor alle ihm sonst durch die Rechtsordnung, eingeräumten Rechtsbehelfe (also z.B. Berufung, Revision oder Beschwerde zur nächst höheren Instanz) vergeblich genutzt hat und keine anderweitige Möglichkeit besteht (oder bestand), die Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder auf anderem rechtlich möglichem Wege ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis dasselbe zu erreichen. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht wird dagegen für eine zulässige Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht nicht vorausgesetzt.

3. Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen können mit der Verfassungsbeschwerde nur ausnahmsweise unmittelbar angegriffen werden und zwar dann, wenn sie den Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar beschweren. Die Verfassungsbeschwerde muss in diesem Fall binnen eines Jahres seit dem In-Kraft-Treten der Rechtsvorschrift erhoben werden.
In der Regel bedürfen Rechtsvorschriften jedoch des Vollzuges, d.h. der Anwendung im einzelnen Fall durch eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung, gegen die der Betroffene den Rechtsweg vor den zuständigen Gerichten erschöpfen muss. In aller Regel ist die Verfassungsbeschwerde daher in solchen Fällen erst nach der Entscheidung des letztinstanzlichen Gerichts zulässig (§ 90 Abs. 2 BVerfGG).

IV. Vertretung:
Der Beschwerdeführer kann die Verfassungsbeschwerde selbst erheben. Will er sich vertreten lassen, dann kann dies grundsätzlich nur durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt oder durch einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule geschehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Eine andere Person lässt das Bundesverfassungsgericht als Beistand nur dann zu, wenn es dies ausnahmsweise für sachdienlich hält (§ 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG). Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen und muss sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beziehen (§ 22 Abs. 2 BVerfGG).

V. Annahmeverfahren:
Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung (§ 93 a Abs. 1 BVerfGG). Sie ist zur Entscheidung anzunehmen, a) soweit ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, b) wenn es zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist; dies kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) .

Eine Verfassungsbeschwerde hat regelmäßig keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, wenn die von ihr aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt sind.

Zur Durchsetzung der Grundrechte kann die Annahme der Verfassungsbeschwerde - beispielsweise - angezeigt sein, wenn einer grundrechtswidrigen allgemeinen Praxis von Behörden und Gerichten entgegengewirkt werden soll oder wenn ein Verfassungsverstoß für den Beschwerdeführer besonders schwer wiegend ist.

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde kann durch einstimmigen Beschluss der aus drei Richtern bestehenden Kammer erfolgen. Der Beschluss bedarf keiner Begründung und ist nicht anfechtbar (§ 93 d Abs. 1 BVerfGG).

VI. Gerichtskosten:
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist kostenfrei. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch dem Beschwerdeführer eine Gebühr bis zu 2600 9 auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt (§ 34 Abs. 2 BVerfGG).

VII. Rücknahme von Anträgen:
Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jederzeit möglich. Eine Gebühr (vgl. VI) wird in diesem Fall nicht erhoben.

VIII. Allgemeines Register (AR):
Eingaben, mit denen der Absender weder einen bestimmten Antrag verfolgt noch ein Anliegen geltend macht, für das eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts besteht, werden im Allgemeinen Register erfasst und als Justizverwaltungsangelegenheit bearbeitet.

Im Allgemeinen Register können auch Verfassungsbeschwerden registriert werden, bei denen eine Annahme zur Entscheidung (§ 93 a BVerfGG) nicht in Betracht kommt, weil sie offensichtlich unzulässig sind oder unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich keinen Erfolg haben können (s. oben V).

Begehrt der Einsender nach Unterrichtung über die Rechts lage eine richterliche Entscheidung, so wird die Verfas sungsbeschwerde in das Verfahrensregister übertragen und weiterbehandelt 61 Abs. 2 GOBVerfG).

GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBl I S. 1)
BVerfGG Gesetz über das Bundesverfassungsgericht i.d.F. vom 11.8.1993 (BGBl I S. 1473), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.Juni 2001 (BGBl I S. 1046)
GOBVerfG Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1986 (BGBl I S. 2529) i.d.F. vom 18.12.1995 (BGBl 1 1996, 474)
(Quelle: Merkblatt des Bundesverfassungsgerichts)


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