Demorecht

PROJEKTWERKSTATT ODER WURFZELT?
GEDANKEN ZUR SCHWIERIGKEIT DES LEBENS ...

Einfach nur wohnen oder als Gruppe tagen? Nein danke!


1. Einleitung
2. Viele Wege führen in die Projektwerkstatt - und wieder aus hier heraus
3. Widerstandsnomadisch leben ... und die Projektwerkstatt nutzen!
4. Rückblicke
5. Einfach nur wohnen oder als Gruppe tagen? Nein danke!
6. Seiten zum Thema

Die "Klassiker" unpassender Aufenthalte in der Projektwerkstatt
Die folgenden Schubladen sind vereinfachend, aber tatsächlich sich wiederholende Phänomene. Sie belasten die Projektwerkstatt und noch mehr die Personen, die diese aufrechterhalten (was immer mal wieder ja nur ein Mensch ist).

  • Typ A: "einsame Männer"
    Leben schon lange einsam oder sind gerade irgendwo rausgeflogen, zum Beispiel mit 30 oder sogar 40 Jahren endlich bei den Eltern oder, dann meist in noch höherem Alter, endlich von der Ehefrau. Um sich ihr Elend nicht einzugestehen, interpretieren sie ihren Rauswurf als Ausgrenzung für aufmüpfiges Verhalten und kommen so als selbstgeglaubte Revoluzzer in die Projektwerkstatt. Sie wissen, dass es hier keine Privaträume gibt, dass das Haus nicht zum Wohnen, sondern für politische Aktivität da ist - und dass die Ressourcen durch Selbstorganisierung statt durch Geldausgeben entstehen. Sie glauben von sich, dass sie das auch wollen. Allerdings sind ihre ersten Handlungen: Sich einen Raum suchen, in dem sie allein leben können. Nach dem WLAN fragen. Durch Küchen und Keller gehen (immer wieder), um nach Essbarem zu suchen. Die meisten werden sich an Ressourcenbeschaffung und Reproduktion gar nicht beteiligen, sondern einfach "schmarotzen".
    Interessant: Bislang nur männlich gelesene Personen. Scheint eine Folge dessen zu sein, dass die in ihrer Sozialisation nie lernen, sich um ihr eigenes Leben zu kümmern. Brauchen Eltern, Ehefrau ... oder eben die Projektwerkstatt als Hotel-Mami-Ersatz.
    Sondertyp "Gesprächssuche": Zusätzlich zu obigem Verhalten noch die Tendenz, die sonstigen Anwesenden als Unterhaltungsprogramm zu sehen. Besonders die politisch Aktiven werden angebaggert, von ihren Aktionen zu erzählen. Hält, wenn mensch sich drauf einlässt, gesichert von neuen Aktionen ab.

  • Typ B: "Alles liegen lassen"
    Die Projektwerkstatt ist ein riesiges Reservoir an Ressourcen. Allein 15.000 Bücher stehen thematisch sortiert in der Bibliothek, dazu Videos, Werkzeug, Aktionsmaterialien und mehr. Wer nun etwas davon in die Hand nimmt, aber sich nicht notiert oder anders merkt, wo es herkommt, hat wenige Tage später nur noch geringe Chancen, sich an den Herkunftsort zu erinnern. Zwei Möglichkeiten des Folgeverhaltens:
    - Einfach irgendwo liegen lassen: Macht Arbeit für Andere, führt aber nicht zum Verlust.
    - Irgendwo hinstellen/-legen: Macht keine Arbeit für andere, ist aber wie Klauen, weil es unwahrscheinlich ist, dass zum Beispiel ein Buch jemals wieder zu finden ist, welches irgendwo in ein Regal gesteckt wird (Zusatz: Da der Standort aller Bücher in diesen notiert und/oder online zu finden ist, ist das Nichtzurücklegen reine Faulheit - aber genau deshalb passiert es).

Kombinationen mit Typ A sind möglich und häufig.

  • Typ C: "Kaputt machen oder klauen"
    Eine seltene Spezies ist das bewusste Kaputtmachen, also das Handeln mit dem Ziel der Zerstörung - entweder als direkte Sabotage (noch seltener) oder als eigene Überschätzung, technische Geräte "aufwerten" zu können. Leider werden sie dabei oft zu Schrott. Passiert das, wird das Gerät zur Vertuschung heimlich irgendwo abgelegt, bis es gebraucht wird, aber dann nicht mehr funktioniert.
    Viel häufiger ist der bewusst ahnungslose Umgang mit den Materialien. Obwohl Anleitungen vorhanden und viele Geräte empfindlich gegen Regen, Runterfallen oder falsche Bedienung sind, wird einfach drauflosgewerkelt. Lesen ist anstrengend - und Try-and-Error funktioniert im Internet doch auch.

  • Typ D: "Gruppen ohne Interesse am Haus"
    Es gibt kaum noch Gastgruppen, die wirklich an politischen Projekten werkeln und deshalb gezielt in die Projektwerkstatt kommen, weil die Ausstattung und das dort vorhandene Wissen für sie optimal ist. Die meisten Gruppen wählen das Haus zufällig aus oder haben einfach nichts anderes gefunden - also die Projektwerkstatt als Notlösung. So behandeln sie das Haus auch dann: Ohne Interesse daran, dass die Einrichtungen weiter funktionieren, ohne Interesse an dem, was sonst dort passiert, ohne Austausch mit anwesenden Menschen ...

Die Projektwerkstatt ist eine politische Aktionsplattform. Für reines Wohnen oder die Kombination von Wohnen und fremdbestimmter Tätigkeit (Lohnarbeit, Studium, Schule ...) soll sie nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Idee der kreativen, offenen und widerständigen Aktionsplattform ist unlösbar konkurrierend zum Anspruch von Menschen, sich nur ihr Nest zu bauen oder gar das für politische Ziele geschaffene zum Privaten umzunutzen. Für Letzteres stehen Millionen von Räumen in der Republik zur Verfügung. Die Projektwerkstatt ist ein Projekthaus mit Übernachtungsmöglichkeiten - einmal für Gastgruppen (Seminarhaus), einmal für Menschen, die hier mitwirken oder auf Zeit an etwas werkeln wollen. Sich einzurichten, private Zonen zu schaffen, ist nicht angesagt. Allerdings: Die Projektwerkstatt ist ein offener Raum. Es gibt keine Verbote. Aber Auseinandersetzung. Wer also doch Nester bauen oder in der Projektwerkstatt abhängen bzw. sich versorgen lassen will mit Essen, Wärme, Räumen, Technik, Lesestoff, Zeitvertreib (Aktionsberichte ...), sollte nicht überrascht sein über Konflikt-Kommunikation. Hoffentlich werden immer genügend Menschen den offenen Raum organisieren und verteidigen, dass die Menschen, die für sich Räume besetzen wollen, auf Banken, Gerichte, Bürotrakte und leerstehende Häuser ausweichen müssen. Auch wenn das anstrengender sein kann als bei Mami oder in der Projektwerkstatt.
  • Die Projektwerkstatt kann aber auch von Menschen genutzt werden, die systematisch versuchen, offene Räume zu organisieren und zu vernetzen. Formuliert ist das in der Idee der Widerstands-NomadInnen (siehe unten ++ Text in: grünes blatt 3/2007 (Bestellseite)
  • Daneben gibt es weitere nomadische Netzwerke, die weniger offene Räume und deren Aufrechterhaltung in den Mittelpunkt rücken, sondern das Herumreisen und Aktivsein bzw. Lernen an vielen Orten. Mehr hier ... ++ Kritische Diskussion in: grünes blatt 3/2007 (Bestellseite)

Ein paar Fragen nach den reproduktiven Arbeiten, die in einem komplexen Raum wie der Projektwerkstatt herrschen, können die Lage gut enthüllen. Fangen wir bei den ganz üblichen Sachen an: „Wer hat wie oft abgewaschen?“, so dürfte es noch ziemlich gut verteilt sein. Es fällt aber schon schwer, noch eine zweite Frage zu finden, die ein solches Ergebnis brächte. Schon bei „Wer ist wie oft containern gefahren?“, fallen die ersten Personen deutlich ab. Dummerweise gleicht sich das nicht mit anderen Bereichen aus, sondern wird schlimmer. Bei eigentlich noch ziemlich alltäglichen Fragen wie „Wer hat wie oft das Klo geputzt?“ oder „Wer hat wie oft Schnee gefegt oder geschippt?“, wird das Gefälle schon krass. Es dürfte Etliche auch derer geben, die länger in der Projektwerkstatt ihren Hauptort hatten, die da nur noch „Null“ angeben können – oder nur ganz kleine Zahlen. Aber mit diesen Fragen sind wir immer noch im ganz einfachen Alltagsgeschehen. „Wer hat wie oft in der Bibliothek oder im Tagungsbereich sauber gemacht oder aufgeräumt?“ ist schon ganz hoffnungslos. „Wer hat wie oft den Kopierer oder andere technische Geräte repariert?“ geht ganz übel aus – aber ist immer noch der einfachere Teil der alltäglichen Selbstorganisierungen. Nämlich der deutlich sichtbare. „Wer hat wie oft neuen Toner für Drucker oder Kopierer organisiert? Oder Papier? Oder ...?“ ist schon aussichtslos, ebenso: „Wer hat alles schon mal Heizholz gesägt?“. Schon bei der Frage „Wer hat sich eigentlich überhaupt mal Gedanken gemacht, wo das Material eigentlich immer so herkommt?“, dürfte es kaum Meldungen geben. Völlig unvorstellbar wird es dann in den Sphären von Buchführung, verkaufte Broschüren nachproduzieren (lassen) oder Bauanträge organisieren. Wenn es um Versicherungen, materielle Ausstattung, Geld, das Herumschlagen mit Behörden, den Trägerverein usw. geht. Diese letzten Sachen sind aber nicht nur eindeutig reproduktive Arbeiten, sondern viel eher der Kern der Reproduktion wie Abwachen. Denn die nicht täglich sichtbaren Dinge brauchen eine andere Qualität von Aufmerksamkeit, da mensch – bei üblichem, wenig aufmerksamen Blick in den eigenen Alltag – gar nicht mitbekommt, dass all so etwas ständig erledigt werden muss (halt von anderen).

Bibliotheksecke zu Wohnraum umgestaltet
Mai 2011: Zwei Personen, durchaus aus politischen Zusammenhängen, nisteten sich in der Projektwerkstatt ein. Er (also typische Konstellation) ging arbeiten. Der Weg hin zum privaten Wohnraum in der Bibliothek war gradlinig, dreist und voller Lügen. Aber einen offenen Raum kann mensch belügen, um eigene Vorteile zu erobern. Denn der wehrt sich nicht.


Im Original: Ideenliste für Projekte und Netzwerke 2016
Kurz die Geschichte: Zunächst tauchte nur der Typ auf. Er hätte Schulden und müsse in der Nähe von Frankfurt arbeiten, um Geld zu verdienen. Er stellte seinen zum Wohnwagen umgebauten LKW vors Haus und wollte die Projektwerkstatt "nur für Waschen, Duschen, Toilette, Wasser und Strom" nutzen. Genau das sei Wohnen - und die Projektwerkstatt auf keinen Fall dafür da, den Wohnraum für Leute zu bieten, die per Erwerbsarbeit am deutschen Bruttosozialprodukt mitschrauben. Interessierte ihn nicht. Er fuhr mit dem Motorrad morgens zur Arbeit, kam abends wieder. Irgendwann stand das Motorrad defekt vor dem Scheuentor (schön überdacht, dummerweise ging das Tor nicht mehr auf), der Wohn-LKW verschwand, vom Arbeitgeber gab es offenbar nun einen Dienstwagen. Die Partnerin zog nach und beide richteten sich nun in der Bibliothek der Projektwerkstatt einen Privatraum ein (siehe Foto). Nun waren auch die eigenen Versprechungen nichts mehr wert, binnen weniger Wochen war der Schritt vom Täuschungsmanöver zur Eroberung offener, politischer Plattformen als Privatraum vollzogen - so wie es die beiden schon von der Zeit davor kannten, denn sie gehörten zu denen, die in der Altmark in den vergangenen Jahren ein politisches Zentrum komplett zu Privatwohnungen umorganisiert hatten (sogenannte "TS"). Das scheint der neue Zeitgeist zu sein: Nicht mehr Privathäuser besetzen, um alternative Zentren zu machen. Sondern alternative Zentren besetzen, um Privathäuser zu schaffen!
Politisch wirkt das Ganze bizarr. Denn erstens gibt es ja Millionen langweilige Wohnungen in Deutschland, die für Allein- oder Pärchenwohnen mit täglichem Dienst am Kapitalismus zweckgemäß sind. Warum müssen ständig die letzten Aktionshäuser vernichtet werden? Klar: Es ist bequem, kostenlos - und die das Haus aufrecht erhaltenden Leute werden als Dienstleistungs-Hintergrund dreist mit erobert (bis sie entnervt aufgeben und wieder ein Aktionshaus weniger ist ...). Der konkrete Fall ist doppelt absurd: Im Job organisiert der Typ Mobilfunkmasten - aus der Projektwerkstatt heraus werden jetzt also die Anlagen geplant und gebaut, wegen der Hunderte von BürgerInneninitiativen Sturm laufen.

Kritische Gedanken zum Wohnen in der Projektwerkstatt

Persönliche Einschätzungen zur Frage, warum ein Wohnprojekt in der Projektwerkstatt vielleicht einfach falsch ist ...
Stand: März 2006

Die Projektwerkstatt ist eine "eigentumsfreie Zone". Seit Anfang 2006 gibt es auch kein Zimmer mehr, das jemand als Privatbereich hält (bis dahin hatten Einzelne das einfach noch gemacht). Seit dem ist alles "offener Raum" - also ein unkontrollierter Bereich, in dem die jeweils Anwesenden und am Haus Interessierten durch ihr Handeln das Geschehen prägen.
  • Zweimal hat es schon Phasen mit 4-6 Leuten in der Projektwerkstatt gegeben und es war auch viel los dann immer. Allerdings hielt das nicht - für viele ist alternatives Leben nur eine Art Auszeit, ein kurzer Lebensabschnitt des (oft enthusiastischen, aber nicht fundierten) Protestes gegen Etablierung und Normalität, in die die Menschen dann aber wieder eintauchen. Zur Zeit gibt es gerade wieder keine WG.
  • Platz ist im Wohnbereich für viele Leute - aber es gibt keine Privaträume, sondern ein großer Dachraum mit Betten und Hochbetten sowie 2 Bauwägen, die noch auf Renovierung warten. Privaträume aber sind nicht angesagt ... davon gibt es schließlich Millionen in Deutschland.

Die Einsamkeit politischen Engagements
Inzwischen ist die zweite Projektwerkstatts-WG (2001-2004) aufgelöst und die letzten Leute verabschieden sich - manche gerieren sich gleich als handfeste Projektwerkstatts-GegnerInnen in Abarbeitung der Vergangenheit. Letztlich ist das keine Überraschung und passt auch zu den Einstellungen vieler politischer Gruppen rund um die Projektwerkstatt, die vielfach einen ganz anderen politischen Stil fahren von hoch-identitär (als feste Gruppe mit festem Namen und Label - und auch immer in dieser Runde als "Wir" auftretend) bis stark orientiert auf Machtstrukturen (AStA-Posten ergattern, Parlamentarismus und Wahlkämpfe führen, Kungeln mit der Stadt für Gebäude, Demoanmeldungen, Zuschüsse oder gemeinsame Veranstaltungen) und formal vorgegebene Politikformen (vor allem Demonstrationen - also die Protestform, die der Staat auch offiziell als anerkannte Protestform festgeschrieben hat). Insofern gibt es zwischen Aktiven in der Projektwerkstatt und festen organisierten politischen Gruppen immer wieder Reibereien. Darüber hinaus gilt auch in Gießen, was überall gilt: Die meisten Gruppen interessieren sich vor allem für sich selbst und ihr Detailthema. Kooperation und Austausch finden insgesamt kaum statt. Die meisten Gruppen paktieren öfter mit der Gegenseite (Stadt, Staat, Polizei, Wirtschaft ...) als mit anderen politischen Gruppen. Wer das weiterhin will, muss zur Projektwerkstatt Distanz halten, denn Papi Staat und seine Interessensgruppen mögen die nicht - und auch alle nicht, die mit ihr kooperieren. Wer was werden will als Gruppe oder im Leben, sollte sich dem bunten Haus in Saasen fernhalten.

Besonderheiten des Lebens und Agierens in der Projektwerkstatt
Das wichtigste voran: Es gibt die Projektwerkstatt als Gruppe gar nicht. Zwar wird das von allen möglichen Seiten immer wieder behauptet, aber das macht es nicht richtiger. Die Polizei spricht von "Umfeld der Projektwerkstatt", weil sie einen TäterInnenkreis für lauter Sachen brauchen, wo ihre Aufklärungsquote einfach Null ist (siehe z.B. die Polizeistatistik des Jahres 2003). Die Presse macht einzelne Personen, die auch in der Projektwerkstatt agieren, zu Leitern oder Führern derselben. Wie das aber genau gehen soll, erklären sie nicht. Wie leitet mensch ein Haus? Lassen sich Möbel, Türen oder Waschbecken dirigieren? Den Vogel schießen dann autoritäre linke Gruppen ab, die auf die Kritik von Menschen aus der Projektwerkstatt an Hierarchien keinen Bock haben (z.T. weil es ihre Position gefährdet) und deshalb gegen die Projektwerkstatt stänkern. Höhepunkt: Das sei eine Sekte mit einem Guru vorne dran. Nun sei hier über Personen und ihre Art nicht spekuliert - aber was ist ein Guru ohne Menschen, gegenüber denen er Guru ist?
Denn: Die Projektwerkstatt ist ein Haus, ein offener Raum mit einer attraktiven Ausstattung für politische Aktionen, Projektetreffen, Seminare usw. Eine feste Gruppe im Haus oder für das Haus gibt es aber gar nicht. Es gibt keine regelmäßigen Treffen, kein Plenum - einfach nichts. Das soll auch so bleiben. Wer sich in der Projektwerkstatt engagiert, macht das aus eigenem Antrieb und mit eigenen Ideen. Kooperationen und Kommunikation sind möglich und gut - aber nicht als identitäres Gehabe. Es entsteht keine feste Gruppe und kein formalisierter Zusammenhang, der die Projektwerkstatt dann trägt. Mal sind es mehr, mal weniger Personen. Mal haben sie viel Kontakt, mal wenig. Mal wohnen mehrere davon länger im Haus, mal nicht. Es gibt keine Regel, keine Form und deshalb auch keine Gruppe. Die Projektwerkstatt ist das Haus. Wenn Leute unbedingt formalisierte Gruppen gründen und ihnen Namen geben wollen - bitte. Es hält sie hier niemand ab. Aber sie sind dann eben diese Gruppe, nicht die Projektwerkstatt. Das Haus bleibt ein Haus.

Für Menschen, die die Projektwerkstatt nutzen wollen - egal ob nur mal kurz oder für länger - bedeutet das, dass sie nicht (wie sonst in politischen Zusammenhängen und in der ganzen Gesellschaft üblich) in eine bestehende Gruppe einfach eintauschen, Mitglied u.ä. werden und dann die Verhaltensweisen der Gruppe kopieren. Alltag und politische Aktion sind hier selbstorganisiert. Das ist nicht ein Label, sondern eine Form des Handelns. Das Haus ist eine große Experimentierfläche dazu. Niemand muss schon fit sein in Sachen Selbstorganisierung. Aber die bloße Ablehnung von Fremdbestimmung und dann das sich Einnischen in identitäre Gruppen, das reine Mitmachen bei der Sache anderer - das ist keine Selbstbestimmung. In der Praxis schafft das vor allem Probleme. Das Normale zu tun, ist einfacher, wenn mensch 10, 15, 20 oder mehr Jahre darauf gedrillt wurde ...

Es knirscht im Getriebe, richtig dolle ...
Nein, die Projektwerkstatt ist keine Insel der Glückseligkeit. Der Wille, auf interne Hierarchien, identitäres Geborgenheitsgefühl in der festen Gruppe, Fremdbestimmung durch regelmäßige Termine und Aufgabenverteilung per Gruppenabsprache oder gar Plenum zu verzichten, schafft eine extreme Offenheit, in der viele sich nicht mehr zurechtfinden - jedenfalls, wenn sie ohne einen klaren Begriff für diese Situation in der Projektwerkstatt herkommen.
  • Politische Aktivitätsphasen sind bei fast allen Menschen nur kurz, meist nur ein oder wenige Jahre. Aus einer Unzufriedenheit, euphorisiert durch oft naive Vorstellungen von der Wirksamkeit bestimmter Aktionen, Parolen oder Gruppen steigen Menschen ein und verschwinden nach dem Erlöschen der Euphorie wieder in die gesellschaftliche Normalität - ganz ohne politisches Engagement oder reduziert in eine stark formalisierte Art, z.B. regelmäßig einmal pro Woche einen Abend in einer festen Gruppe. Die meisten politischen Gruppen und auch fast alle ex-politischen Kommunen sind diesen Weg mitgegangen. In der Projektwerkstatt war das immer anders - am Ende gingen die ermüdenden Personen, damit das dann erstmal wieder leere Haus die Chance für einen Neuanfang hat, der zwar wieder nur eine neue solche Welle wird, aber immerhin. Der Ausstieg am Ende einer solchen Phase ist dabei immer eine Härte und mit Streit verbunden, die der Entfremdung folgt. Vielleicht sollte eine Lehre sein, zukünftig früher den Schlussstrich zu ziehen nach dem Motto: Das war gut, aber nun das Haus räumen für etwas Neues. Die Projektwerkstatt soll nicht alt werden mit den Leuten in ihr, sondern in der Konzeption des "offenen Raumes" immer wieder mit neuen Ideen gefüllt werden. Nur dem stetigen Anfang wohnt der Zauber der Widerständigkeit inne ...
  • Projektwerkstatt ist ein ständig offener sozialer Prozess - und daher anstrengend. Alles hier ist "offener Raum". Das ist gelebter Kulturbruch und steht den Zurichtungen auf Hierarchien, Ordnung, Zuständigkeiten und Normierung völlig entgegen. Es gibt nur begrenzt Rückzugsmöglichkeiten und Privatheit. Das ist gewollt, schließlich stehen für das andere Millionen anderer Wohnungen zur Verfügung. In der Projektwerkstatt ist nichts sicher, alles kann immer in Frage gestellt werden. Das eben noch Selbstverständliche ist plötzlich umkämpft. Themen wechseln, Aktionsstile auch ... das jedenfalls ist die Idee. Praktisch scheitert sie daran, dass die meisten Menschen genau Wiederholung, Identität, feste Orientierung usw. im Leben suchen, auch wenn sie sich das mit linksradikaler Attitüde nicht eingestehen. Hier in der Projektwerkstatt geht es aber nicht um linksradikalen Schein, sondern um das Ausprobieren bunten, selbstorganisierten Lebens.
  • Die Projektwerkstatt ist ein widerständiges Haus und damit kein einfaches Pflaster. Hobby-Politik ist woanders, in den Einmal-in-der-Woche-abends-Gruppen, wo sich auch getroffen wird, wenn nichts ansteht, aber auch keine zusätzliche Kraft entsteht, wenn es mal nötig wäre. Wo es auch nicht so schlimm ist, wenn es nicht klappt. Die Projektwerkstatt soll ein Ort sein, wo gesellschaftliche Veränderung wirklich zumindest gewollt ist. Widerstand ist hier nicht nur eine Simulation, auch wenn Üben, Trainieren, Ausprobieren und aus Fehlern lernen immer dazu gehören.
  • Gemütlichkeit soll hier nicht einziehen. Wer nur Entscheidungen im Konsens treffen will, der Rest solle aber normal bleiben, ist hier falsch. Und wer findet, dass es vor allem und am besten 24 Stunden am Tag darum geht, über seine eigenen Probleme zu reden, auch. Nicht dass das falsch wäre - aber viele andere Orte der genannten Art gibt es schon. Ebenso haben fast alle Häuser Privatzimmer, Privateigentum usw. Die Projektwerkstatt nicht. Und das soll so bleiben, weil es absurd wäre, eines der wenigen Häuser, die mal anders sind, zu normalisieren - und das dann noch als politische Kommune oder alternatives Leben zu verkaufen. Natürlich heißt das nicht, dass die Hängematten im Archiv oder Partyraum nicht benutzt werden dürfen. Ganz im Gegenteil: Ein selbstorganisiertes Leben heißt auch, sich immer wieder neu zu erfinden und bewusst zu entscheiden, welcher Lebensstil und welcher Alltagsinhalt gerade angesagt sein soll.
  • Selbstorganisierung ist in der Projektwerkstatt keine Nebentätigkeit. Nur so zum Spaß mal ein bisschen containern oder, weil es cool ist, ein bisschen Mohrrüben anbauen, das ist Hobby, aber kein selbstorganisiertes Leben. Wenn das nicht klappt, wird doch einkaufen gegangen? Und wenn das Geld nicht reicht, wird gejobbt? Nein danke, diese Welt soll draußen bleiben. Hier ist Selbstorganisierung Gegenwelt, d.h. sie ist der Normalfall. Das aber geht nicht, wenn sie nur nebenbei oder nur bei gutem Wetter betrieben wird. Selbstorganisierung braucht Know-How, um effizient zu gelingen - und das soll sie, damit sie Zeit und Energie für ein widerständiges Leben spart und nicht kostet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Fast alles Handwerkliche kann hier selbst gemacht werden, die Container-Raubzüge füllen den Keller mit einem beeindruckenden Lebensmittelreichtum an, Mobilität per Fahrrad und Trampen gelingen planvoll usw. Die Unterstützung von außen ist dabei leider minimal, aber dennoch klappt es recht gut - eben deshalb, weil es inzwischen effizient geregelt ist und die Menschen hier sich viel Know-How aneignen.
  • Der Umgang mit den materiellen Ressourcen der Projektwerkstatt ist immer ein Problem gewesen. Der "offene Raum" lebt davon, dass viel an Arbeitsmöglichkeiten in ihm zu finden ist. Selbstorganisierung gelingt dann effizient, wenn nicht alles Mögliche ständig neu organisiert werden muss, weil es verloren ging, jemand geklaut oder versehentlich mitgenommen, geliehen und nicht wieder zurückgebracht hat, weil es im Regen draußen liegenblieb oder überhaupt ständig am Ort des letzten Benutzens fallengelassen wurde und dort von niemandem mehr gefunden wird ... bislang war das nie besonders befriedigend. Nur weil einige sehr viel Zeux ranschleppten, spendeten oder einige auch viel reparierten, ist die Projektwerkstatt richtig gut ausgestattet. Dass hier alle, die das Haus nutzen, auch an der Weiterentwicklung beteiligt sind - davon ist der Laden aber weit entfernt. Das liegt auch an der Zurichtung von Menschen. Wenn im Leben sonst die unsichtbare Hand der Mami hinter dem eigenen Rücken alles wieder klarmacht oder sich im anonymen Markt alles wieder neu einkaufen lässt, warum soll mensch dann Aufmerksamkeit üben und hingucken, was wo gerade verloren geht ... auch hier ist die Projektwerkstatt Gegenwelt und es ist wichtig, dass Menschen sich hier vornehmen, den Umgang mit den vorhandenen Ressourcen zu lernen - vom Retten vor der Zerstörung bis zum Reparieren oder Neu-Organisieren.
  • Selbstorganisierung heißt, sich selbst organisieren bei den Aktivitäten. Wer ein Projekt startet, eine Aktivität beginnt oder eine Baustelle in der Projektwerkstatt aufmacht, sollte sich so organisieren, dass das im Normalfall auch zuendegeführt wird - sei es als Vollendung oder als Rückbau des Begonnenen. Hier besteht bis heute ein krasses Problem: Da in der Projektwerkstatt immer auch Leute waren, die nicht einfach abgehauen sind, wenn was nicht klappte, konnte mensch die wie Mami und Papi nutzen - sprich, wenn mensch keinen Bock mehr auf was hatte, einfach liegenlassen, aufhören, die räumen es schon weg. So manche Baustelle musste schon von Leuten beendet werden, die keine Lust drauf hatten, weil andere einfach ausstiegen. Das ist das Gegenteil von Selbstorganisierung.
  • Falsche Vorstellungen herrschen auch oft von der Arbeitsmenge, die ein selbstorganisiertes Leben bedeutet. Selbstorganisierung ersetzt den Job und auch andere Formen der Fremdbestimmung im Alltag, in der politischen Aktion usw. Die meisten Menschen vollbringen absurde Arbeitsleistungen, wenn sie dazu gezwungen werden. Lohnarbeit ist das beste Beispiel: 8 Stunden plus Fahrzeit, Überstunden usw. pro Tag, dann noch Einkaufen und mehr - vollkommen durchgeknallt. Aber sie sind das gewohnt und deshalb bekommen sie das hin. Wenn aber für die Projektwerkstatt Heizholz gesägt werden muss, so ist es regelmäßig aus - zwar sind das "nur" 2-3 Wochen intensive Räum- und Sägearbeit (und auch nicht 8 Stunden pro Person und Tag), aber es ist offensichtlich: Das kriegt kaum jemand hin. Mit der Renovierung von Räumen ist es ähnlich. Noch dicker kommt es bei der Aneignung von Know-How. Wer mit Computern, Elektrik, Sanitäranschlüssen, Holzbearbeitung, Videotechnik oder Fahrrädern wirklich was anfangen können will, muss sich das Wissen aneignen. Das geht nicht in 20 Minuten. Und auch hier ist beeindruckend, wieviele nur unter Zwang lernen können - obwohl sie das eigentlich doof finden. Wenn das Essen alle ist, aber es draußen schneit, muss trotzdem zum Container gefahren werden. Es sei denn, am Tag davor, als das Wetter gut war und ohnehin der bessere Containertag war, ist schon jemand gefahren, obwohl noch was zu Essen da war. Das wäre die höhere Kunst der Selbstorganisierung. Die aber lohnt sich ...

Insgesamt bleibt: Projektwerkstatt ist der Ernstfall von Selbstorganisierung und Widerständigkeit - nicht ein bißchen Schein und Selbstbetrug, nicht der Hobby-Widerstand zwei Stunden am Abend in der Woche, während der Rest des Lebens eher das Gegenteil ist. Wer auf dieses Experiment Lust hat, ist hier richtig. Reinschnuppern, die Räume nutzen und mehr ist auch für alle anderen jederzeit möglich. Aber auf mehr sollte mensch sich lieber nicht einlassen, wenn "Alternativ leben" nur heißt: Besseres Gewissen, aber möglichst normal weiterleben. Die meisten der Kommunen in Deutschland sind da passender ...

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