Demorecht

KIRCHE UND NATIONALSOZIALISMUS

Religions-Täter? (zur Rede von Martin Hohmann)


1. Einleitung
2. Religions-Täter? (zur Rede von Martin Hohmann)
3. Links

Die Angelegenheit um die Rede des CDU-Politikers Martin Hohmann zeigt, wie unsicher und beeinflußbar Menschen mit einer ethischen Orientierung sind, welche sich an einer beliebig interpretier- und verwendbaren Autorität wie ‚Gott' orientieren, anstatt an einem real bestimmbaren Wert wie ‚Verantwortliche Menschlichkeit'. Politiker und Medienmacher reagieren - wie einst bei Philipp Jenninger - auf tabuisierte Themenbereiche wie in einem Pawlowschen Reflex und instrumentalisieren Begriffe wie Antisemitismus, um öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung zu bekommen. Es scheint ihnen offensichtlich nicht bewußt zu sein, daß sie hiermit keineswegs der Problemlösung, sondern allenfalls ihrer persönlichen Profilierung bzw. der Kompensierung anerzogener Schuldgefühle dienen.

Bereits der Begriff Antisemitismus ist ebenso unsinnig wie z.B. der des Antiamerikanismus. Kein vernünftiger Mensch kann gegen ein ganzes Volk sein, weder gegen das amerikanische, noch das jüdische, das palästinensische, das irakische, andere semitische oder sonstige Ethnien. Der Begriff Antisemitismus hat Tradition und ist bequem, trägt aber nicht zur Klärung bei, im Gegenteil, er dient der Aufrechterhaltung von Mißverständnissen und Konflikten. Aus humanistischer Sicht sollte er auf beiden Seiten von verantwortlichen Menschen redlicherweise nicht mehr verwendet werden.
Der empfohlenen Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen und der Forderung nach Aufnahme des Gottesbezuges in die europäische Verfassung muß gerechterweise die Tatsache gegenübergestellt werden, daß oft gerade mit Bezug auf Gott die größten Verbrechen begangen werden.
So ist die eigentliche Ursache für den Dauerkonflikt in Israel/Palästina einerseits in der Berufung auf Gott begründet, der seinem auserwählten Volk ein bestimmtes Land zugesprochen haben soll. Auf der anderen Seite ist es die Vorstellung von Gott, der die Märtyrer ins Paradies führt, wenn sie sich und andere töten.

In Irland sind die Täter auf beiden Seiten gottgläubige Christen, die sich gegenseitig Gewalt antun und töten.
Auch Adolf Hitler hat sich auf Gott bezogen: "Der Nationalsozialismus ist weder antikirchlich noch antireligiös, sondern im Gegenteil, er steht auf dem Boden eines wirklichen Christentums." (Saarkundgebung 26.8.34 am Ehrenbreitstein bei Koblenz) "...Möge uns der allmächtige Gott wie bisher so in alle Zukunft seine Hilfe geben, um unsere Pflichten so zu erfüllen, daß wir vor unserem Volk und seiner Geschichte in allen Ehren zu bestehen vermögen." (Ausgewählte Reden des Führers; Zentralverlag NSDAP 1937)

Und Gottes Männer haben Hitler unterstützt: "Gott hat es zugelassen, daß das Vergeltungsschwert gegen England in unsere Hände gelegt wurde. Wir sind die Vollzieher seines gerechten göttlichen Willens." (Kathol. Kirchenblatt für das nördl. Münsterland 9.3.1941)
Auch der irakische Staatschef Saddam Hussein war im Bunde mit Gott: "Oh, Du großes irakisches Volk, oh, Ihr Angehörigen unserer mutigen Streitkräfte, oh Ihr Söhne der glorreichen arabischen Nation, oh, Männer, die Ihr guten Willens seid, die amerikanischen Teufel haben erneut einen Akt der Feigheit begangen und sich hinter einer Technologie versteckt, die sie in beschämender Weise einsetzen - doch das ist der Wille Gottes. ... Unsere Verluste sind gering. Gott hat den Angriff scheitern lassen - möge er sich jetzt der Seelen unserer Märtyrer annehmen. Gott ist der Größte, Gott ist der Größte, zum Teufel mit den Verfluchten!" (Aus einer Ansprache 1996 an das Volk.)

Ebenso sei erinnert an US-Präsident George W. Bush: "Gott hat uns aufgerufen, unser Land zu verteidigen und die Welt zum Frieden zu führen."

"Ehrwürdige Betrüger benutzen Gott als Schleier zur Verhüllung ihrer verbrecherischen Leidenschaften."
Friedrich II, Preußenkönig (1712-1786)

"Gott ist immer der Verbündete der Herrschenden."
Erich Fromm, Psychoanalytiker (1900-1980).

"Hätte man Verstand, brauchte man keine Götter."
Decimus Iunius Juvenal, röm. Dichter (um 60-140)

"Wenn die Welt erst ehrlich genug sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahre keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein. ... Es gibt keine andere Offenbarung als die Gedanken der Weisen."
Arthur Schopenhauer (1788-1860)

"Wir werden von den Eltern in eine religiöse Zwangsjacke gesteckt, werden getauft oder beschnitten und sollen im Glauben unserer Erzeuger großgezogen werden (...). Werden die Kinder groß und wollen nichts mehr mit Kirchen und religiösen Dingen zu tun haben - das im Geburtsregister eingetragene Stigma werden sie nicht mehr los!"
(Magnus Hirschfeld)

"Man sollte sich zur heiligsten Pflicht machen, dem Kinde nicht zu früh einen Begriff von Gott beibringen zu wollen. Die Forderung muß von innen heraus geschehen, und jede Frage, die man beantwortet, ehe sie aufgeworfen ist, ist verwerflich. Das Kind hat vielleicht seine ganze Lebenszeit daran zu wenden, um jene irrigen Vorstellungen wieder zu verlieren."
(Friedrich Schiller, 1759-1805)

"Ist denn so groß das Geheimnis, was Gott und der Mensch und die Welt sei? / Nein! Doch niemand hört's gerne; da bleibt es geheim."
(Goethe, Venet. Epigr. 1790)


Unsere Zeit braucht dringend Wert-Orientierungen, denen die für jeden klar erkennbaren Erfordernisse zu einer würdevollen und sinnerfüllenden Lebensgestaltung zugrunde liegen und die den Menschen konkret zur Arbeit an sich selbst führen. Sinn unseres Lebens ist größtmögliche Entfaltung und Vervollkommnung der eigenen Persönlichkeit in größtmöglicher Harmonie und Verbundenheit zu unserer Mitwelt. Wenn es heute einen Glauben gibt, der vertretbar ist, dann ist es der Glaube an die Bildungsfähigkeit des Menschen zu einem sozial und ökologisch handelnden, verantwortlichen Gemeinschaftswesen und daran, daß die Natur den Menschen nicht braucht, wohl aber der Mensch die Natur.
Aufgabe aller Menschen guten Willens, besonders von bekennenden Humanisten wäre es, ‚Verantwortliche Menschlichkeit' als universellen, allem anderen übergeordneten Wert zu erkennen, zu verinnerlichen, anzuwenden und - mehr als bisher - allgemein bekannt zu machen. Mehr hierzu befindet sich auf der Seite www.humanistische-aktion.de/stiftung.htm.
Rudolf Kuhr, www.humanistische-aktion.de

Die Hohmann-Rede, so wie sie bis zum frühen Abend des 30.10.03 auf der Internetseite der CDU-Neuhof abbrufbar war, später wurde sie ersatzlos gelöscht. tagesschau.de gibt die Rede nur zu Dokumentationszwecken wieder und distanziert sich vom Inhalt: www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID2535644,00.html

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