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SCHÜTZEN GESETZE ODER VERFASSUNGEN?

Subversiver Rechtsgebrauch und die Rangfolge von Gesetzen


1. Grundgesetz
2. Landesverfassungen
3. Subversiver Rechtsgebrauch und die Rangfolge von Gesetzen
4. Eigenes Verhalten
5. Links und Materialien

Protest- und Widerstandhandlungen können auch durch Gesetze legitimiert oder zumindest straffrei gestellt werden.

Wichtiger Hinweis: Gesetze ändern sich - bitte guckt den aktuellen Wortlaut vorher immer nochmal in Internet nach!

Rechtfertigender Notstand (§ 34 StGB)
§ 34 StGB: Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.


Das ist ein sehr umfangreicher Paragraph, der für bestimmte Umstände die Beseitigung einer gegenwärtigen Gefahr auch dann straffrei stellt, wenn dadurch Strafparagraphen berührt sind (Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch ...). Er bietet bei allen Aktivitäten, die zu einem Strafverfahren führen, aber einen politischen Zweck verfolgt haben, die Chance, das Verfahren zu politisieren. Daher sollte dann der § 34 Strafgesetzbuch geprüft werden, ob eine Verteidigung auf diesem aufbauen kann (ganz oder als Teil-Strategie). Denn dann können Beweisanträge zu allen Kriterien gestellt werden (Notwendigkeit, Versagen staatlicher Stellen, Ausmaß der Gefahr usw.). Da politisiert einen Prozess sehr stark und ist den beteiligten Behörden, Firmen usw. oft sehr unangenehm. Neben der inhaltlichen Qualität dazu passender Zeugi-Vernehmungen kann das zur Einstellung führen.


Landfriedensbruch (§ 125 StGB)
Wer sich an 1. Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder 2. Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit, die aus einer Menschenmenge in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise mit vereinten Kräften begangen werden, als Täter oder Teilnehmer beteiligt oder wer auf die Menschenmenge einwirkt, um ihre Bereitschaft zu solchen Handlungen zu fördern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Auch hier: Haben die Beamtis korrekt gehandelt?
Oft wird dieser Paragraph sowieso nur benutzt, um Ermittlungen zu legitimieren, wenn Einzelperson nichts Konkretes vorgeworfen wird. Daher: Nicht vorzeitig einschüchtern lassen, oft kommt nichts nach oder wird schnell fallen gelassen.
Wer in Krawall mit Polizei verwickelt ist, hat die gleiche Chance wie bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Eine Bestrafung ist nur möglich, wenn die Polizei sich rechtmäßig verhalten hat in der Auseinandersetzung.

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)
(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ...
(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.
(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.


Diese Formulierung baut eine Brücke zwischen Polizei-/Versammlungrecht und Strafrecht. Wenn nämlich die Polizei rechtswidrig handelt, ist Widerstand nicht strafbar. Das kann nicht nur Angst vor Strafe nehmen, sondern bietet eine gesetzliche Grundlage für offensive Prozessführung. Wer nämlich nach diesem Paragraphen angeklagt wird, kann die Polizeihandlung in Frage stellen. Es darf vor Gericht nicht unterbunden werden, Fragen zum Polizeieinsatz und zu den konkreten Handlungen der Polizei einschließlich der Rechtsgrundlagen zu fragen. So verkehrt der Prozess die Anklage- und Verteidigungslogiken. Die Polizei muss ihr Verhalten erklären. Sie aber sitzt im ZeugInnenstand, d.h. sie muss antworten und (eigentlich) auch die Wahrheit sagen. Besser geht es kaum für offensiv geführte Prozesse ...
Politische Aktivistis sind von solchen Anklagen oft betroffen. Aber es gibt Auswege, vor Gericht die Bestrafung abzuwehren. In beiden Fällen geht es um die Befragung der Belastungszeug*innen. Folgende Fragen also stellen im Verfahren:
  • Welche Vollstreckung fand denn da statt?
    Frage 1: Was ist eine Vollstreckung, und hat die Person, die da angegriffen oder bedroht worden sein soll, eine solche durchgeführt? Das muss die Person vor Gericht schon hinkriegen, genau zu benennen, was sie da gerade gemacht hat. Bringt vielleicht nicht oft etwas, aber einen Versuch ist es wert.
  • Haben die Beamtis alles richtig gemacht?
    Das ist die Frage 2: Denn nur dann wäre der Widerstand strafbar. Steht im Absatz 3 des § 113: „Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist.“. Damit lässt sich der Gerichtsprozess umdrehen: Das Verhalten der Polizei (bzw. anderer Behördenleute) wird untersucht – und die sitzen noch im Zeugenstuhl, müssen antworten und die Wahrheit sagen. Wer sich so verteidigt, erreicht oft eine Einstellung.

Auch im § 114 (tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamtis) ist ein solcher Straffreiheitspassus drin.

  • Extra-Seite zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamtis

Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.


Grundsätzlich ist eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch überflüssig. Denn mit einem kleinen, subversiven Trick kann zumindest die erste Tatbestandsvariante (unbefugtes Betreten) außer Kraft gesetzt werden: Bringt einfach vorher und unbemerkt ein Schild "Betreten auf eigene Gefahr" oder ein Einladungsplakat "Tag der offenen Tür" bzw. "Zur Veranstaltung" oder ähnliches am Haus oder der Fläche an. Sollte dann ein*e Hausrechtsinhaber*in erscheinen, müsst ihr dann gehen, könnt aber auch erstmal einen Nachweis der Berechtigung verlangen. Die beizubringen, ist nicht immer ganz einfach ...
Zudem: Wenn das Betreten nicht strafbar war, könnt Ihr auch vor einer wirksamen Aufforderung durch den Berechtigten eine Situation herbei führen, wegen der Ihr dann leider nicht mehr gehen könnt (obwohl Ihr es doch so gerne tun würdet ...). Also z.B. Anketten, wenn es noch erlaubt ist. Und danach gerne gehen wollen, aber nicht können.


Diebstahl (§ 242 StGB)
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ...

Diebstahl ist also nur, wenn die Sache „fremd“ ist, also jemensch anders gehört. Ist das bei Sperrmüll der Fall? Oder bei weggeworfenen Lebensmitteln? Die Supermarktkette „tegut“ sagte im Sommer 2016 selbst: Nein. Sie wollte damit einen Prozess gegen eini Containeri verhindern. Und tatsächlich: Der § 959 im BGB legt das nahe: „Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt.“
Mehr Infos unter www.alltagsalternativen.siehe.website

Erschleichung von Leistungen (§ 265a StGB) = u.a. Schwarzfahren
Der Wortlaut des § 265a StGB Erschleichen von Leistungen
(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.


Hinweis zu (3): Dabei geht es darum, dass in der Regel ein Strafantrag vom Betroffenen gestellt werden muss

Wesentlicher Angriffspunkt ist die Frage, ob die Leistung überhaupt erschlichen wurde. Dazu viele Texte, Urteile und Kommentare auf www.schwarzstrafen.siehe.website

Verjährungsfristen bei Straftaten

Möglichkeiten nach Straßenverkehrsordnung (StVO)
§ 25 StVO Fußgänger
Wer zu Fuß geht und Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführt, muss die Fahrbahn benutzen, wenn auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen andere zu Fuß Gehende erheblich behindert würden. Benutzen zu Fuß Gehende, die Fahrzeuge mitführen, die Fahrbahn, müssen sie am rechten Fahrbahnrand gehen; vor dem Abbiegen nach links dürfen sie sich nicht links einordnen.

Die Idee, die sich daraus ergibt: Gehzeuge und Radlzeuge
Eine schöne Idee für kleine Aktionen, aber auch als Teil größerer Blockaden: Ein Mensch geht mit einem Holzrahmen in Autogröße auf der Straße oder an anderen Orten und zeigt damit, wie viel Platz autofahrende Menschen einnehmen. Machen das mehrere nebeneinander, entsteht ein deutlicher Effekt. Auch als Radlzeug möglich, also mit einem Fahrrad in der Mitte und dem Holzrahmen auf den Schultern der Radler*in.

Möglichkeiten nach dem Versammlungsrecht

Möglichkeiten im Gerichtsverfahren (nach Strafprozessordnung = StPO)
§ 138 StPO Wahlverteidiger
(1) Zu Verteidigern können Rechtsanwälte sowie die Rechtslehrer an deutschen Hochschulen im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden.
(2) Andere Personen können nur mit Genehmigung des Gerichts gewählt werden.

Aha – also nicht nur Leute, die ein Jurastudium und die Referendariate in den Justizhöllen durchgehalten haben, sondern auch meine Freundis, solidarische Menschen und alle, die sich Rechtskenntnisse verschaffen, damit wir uns gegenseitig besser unterstützen können.
Mehr auf www.laienverteidigung.siehe.website

§ 140 StPO Notwendige Verteidigung
(1) Die Mitwirkung eines Verteidigers ist notwendig, wenn ...
(2) In anderen Fällen bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn ... oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Dem Antrag eines hör- oder sprachbehinderten Beschuldigten ist zu entsprechen.

Pflichtverteidigis werden vom Staat bezahlt – und in der Regel können wir dem Gericht vorschlagen, welches Anwalti wir haben wollen. Mehrfach konnte in Fällen von subversivem Rechtsgebrauch schon durchgesetzt werden, dass die Rechtsmaterie kompliziert ist und daher eine sogenannte Beiordnung notwendig ist.

§ 147 StPO Akteneinsichtsrecht
(4) Der Beschuldigte, der keinen Verteidiger hat, ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 befugt, die Akten einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen, soweit der Untersuchungszweck auch in einem anderen Strafverfahren nicht gefährdet werden kann und überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter nicht entgegenstehen. Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können ihm an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten bereitgestellt werden.

Wer kein Verteidigi hat, kann sich selbst die Akte anschauen oder Kopien bekommen. Auch Abfotografieren sollte in der Regel drin sein. Der etwas schwammige Paragraph wird durch ein Urteil des EGMR präzisiert. Zusammen bedeuten sie volles Akteneinsichtsrecht.
Hierzu findet ihr viele Infos unter www.prozesstipps.siehe.website.

§ 148 StPO Kommunikation des Beschuldigten mit dem Verteidiger
(1) Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.

Klingt unbedeutend, ist aber vor allem dann wichtig, wenn die beschuldigte Person eingesperrt ist. Ein (Laien-)Verteidigi kann sie immer besuchen und der Postverkehr wird nicht kontrolliert.
Siehe www.laienverteidigung.siehe.website

§ 153 StPO Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.

Dieser Paragraph fällt Staatsanwaltschaft und/oder Gericht oft ein, wenn ein Verfahren sehr anstrengend verläuft. Und dass sollte es …

§ 153 StPO Absehen von der Verfolgung bei Geringfügigkeit
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen.

Merkt das Gericht erst während der Verhandlung, dass alles anstrengend wird und vielleicht besser eingestellt werden soll, muss dier Angeklagte zustimmen. Das gibt Verhandlungspotential, die Einstellung zu guten Bedingungen durchzusetzen, z.B. auf Staatskosten.

§ 158 StPO Strafanzeige; Strafantrag
(2) Bei Straftaten, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, muss der Antrag bei einem Gericht oder der Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll, bei einer anderen Behörde schriftlich angebracht werden.

Gilt für Hausfriedensbruch, Beleidigung und einfache Formen von Sachbeschädigung und Körperverletzung. Das schafft Handlungsmöglichkeiten: Wenn die sog. Geschädigten das Gerichtsverfahren nicht wollen, findet es auch nicht statt.

§ 160 StPO Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung
(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.

Der Paragraph fällt den Verfolgis immer ein, wenn es gegen Opposition oder sozial Geschwächte geht. Bei Strafanzeigen gegen Polizei und Obrigkeit fehlt der Ermittlungswillen. Dabei müssten sie eigentlich … Lässt sich mit argumentieren.

§ 160 StPO Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung
... (2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.

Wer angeklagt ist, hat ein Recht darauf, dass die Staatsanwaltschaft auch entlastende Punkte zusammenträgt. Das tut die nie – oder verschweigt sie vor Gericht. Dieses Versäumnis kann dann aber kräftig kritisiert werden.

§ 229 StPO Höchstdauer einer Unterbrechung
(1) Eine Hauptverhandlung darf bis zu drei Wochen unterbrochen werden.
(2) Eine Hauptverhandlung darf auch bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat.

Überschreitet eine Pause die Höchstdauer, muss von vorn angefangen werden. Damit lassen sich Gericht und Staatsanwaltschaft unter Druck setzen.

§ 243 StPO Gang der Hauptverhandlung
... (5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen.

Das Wichtigste dieses Paragraphen: Du musst nichts sagen. Und zur Sache solltest du auch nur in besonderen Ausnahmen etwas sagen. Die Sachaufklärung geht über Zeugi-Vernehmung und Beweisanträge viel besser, politisch und poetisch kannst du nach § 257 noch viele Mal agieren. Denkbar ist, an dieser Stelle ein inhaltliches Intro zu halten, welches nichts über dich aussagen sollte, auch nicht über deine Gesinnung – also z.B. ein Zeitungstext, ein Zitat verlesen oder ein Gedicht.
Und noch drei Bemerkungen zur Aussageverweigerung: Wenn du etwas zur Sache vor Gericht sagst, kann es gegen dich ausgelegt werden, wenn du bei unangenehmen Fragen schweigst. Zur Sache oder über Strukturen plaudern, ist auch gegen Polizei und anderen Behörden falsch – es hilft nur denen. Und: Keine Aussage machen heißt nicht, sich weg zu ducken. Wir lieben offensive Gegenwehr, nur eben so, dass Polizei und Gericht keine Infos draus ziehen können.

§ 244 StPO Beweisaufnahme
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. 2Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. 3Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
1. eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2. die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3. die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4. das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5. das Beweismittel unerreichbar ist oder
6. eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

Beweisanträge dürfen nicht einfach so abgelehnt werden, sondern nur mit einem der im Gesetz genannten Gründe. Wer dass bei der Antragsformulierung schon berücksichtigt, kann auch aus Ablehnungen viel Positives schöpfen. Wenn z.B. etwas „ohne Bedeutung“ ist, darf das Gericht darauf im Urteil nichts mehr stützen.
Genauer erklärt auf www.prozesstipps.siehe.website

§ 250 StPO Grundsatz der persönlichen Vernehmung
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen.

Das sichert den Prozess als Tribunal gegen die, gegen die sich eine politische Aktion richtete und die dann zur Anklage führte. Im Regelfall müssen die vor Gericht erscheinen und können ausgefragt werden.

§ 257 StPO Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte nach einer Beweiserhebung
(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.

Das bietet richtig viele Gelegenheiten, vor Gericht das Wort zu ergreifen – für Vorträge rund um die verhandelte Sache, für politische Erklärungen, für Kritik an der Logik von Strafe und Justiz usw. Da das Gericht den Paragraphen regelmäßig übersieht, kann es nach dem ersten Versäumnis dafür auch gerügt werden.

§ 258 StPO Schlussvorträge; Recht des letzten Wortes
(1) Nach dem Schluss der Beweisaufnahme erhalten der Staatsanwalt und sodann der Angeklagte zu ihren Ausführungen und Anträgen das Wort.
(2) Dem Staatsanwalt steht das Recht der Erwiderung zu; dem Angeklagten gebührt das letzte Wort.

Plädoyers und letztes Wort können zu einer schönen Dramaturgie zusammengefügt werden. Wenn erst die Angeklagten plädieren und dann die Verteidigis, haben als drittes nochmal die Angeklagten das – dann letzte – Wort. So können z.B. Bewertungen der Beweisaufnahme und politische Statements getrennt werden. Das letzte Wort kann auch ein Gedicht oder Lied sein – wie Ihr wollt!

Die Rangfolge von Gesetzen und politischer Widerstand
Nur wenige Gesetze schaffen den Rahmen für politischen Protest, setzen dem Schranken (häufig) oder erweitern die Handlungsmöglichkeiten (selten). Zu letzteren gehört das Versammlungsrecht, welches niederrangige Gesetze außer Kraft setzt, z.B. Polizeirecht oder Straßenverkehrsordnung. Zwar setzt es gleichzeitig auch neue Schranken durch Formvorschriften und demospezifische Straftaten, aber bei geschickter Anwendung verdrängt es mehr Beschränkungen als es neue schafft. Hintergrund ist eine Rangfolge von Gesetzen. Höchstes Recht in Deutschland ist das Grundgesetz, an zweiter Stelle folgen alle unmittelbar aus dem Grundgesetz abgeleiteten Gesetze. Hierzu gehören das Presserecht, die Strafgesetze und vieles mehr – und eben auch das Versammlungsrecht (abgeleitet aus Artikel 8 GG). Leider ist das Grundgesetz selbst kaum direkt zu nutzen, weil die konkreten Formulierungen ungenau sind für eine Einklagbarkeit. Umso wichtiger ist die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, denn dieses bietet die zur praktischen Anwendung nötigen Definitionen und Konkretionen. Wer diese nicht alle lesen will, kann sich der Kommentarbücher bedienen, die zu allen wichtigen Gesetzen erschienen sind. Zum Grundgesetz gilt das Werk „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deuschland“ von Dieter Hömig und Heinrich Amadeus Wolff (12. Auflage 2018, 1006 S., 39 €) als Standardwerk. Für jeden Artikel finden sich umfangreiche Erläuterungen mit Angabe der Fundstellen bei Bundes- und Landesverfassungsgerichten. Die Auslegung des für politische Aktion besonders wichtigen Versammlungsfreiheits-Paragraphen umfasst beispielsweise 12 Seiten mit 24 Randnummern.

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