Offener Raum

BERUFUNGSVERHANDLUNG ZWEITER ANLAUF: PLÄDOYERS DER ANGEKLAGTEN

Rahmenbedingungen eines jeden Gerichtsverfahrens


1. Plädoyer allgemein, Anfang
2. Rahmenbedingungen eines jeden Gerichtsverfahrens
3. Spezielle Rahmenbedingungen dieses Verfahrens
4. Plädoyer allgemein, Ende
5. Symbolisch: Polizeigewalt am 2.3. und 11.4. in/vor dem Landgericht
6. Anklagepunkt „Wahlplakate“
7. Anklagepunkt "Farbschmierereien an der Gallushalle"
8. Anklagepunkt "Körperverletzung" (vermeintlicher Fusstritt)
9. Anklagepunkt "Hausfriedensbruch" (Gaile Lügen)
10. Anklagepunkt "Körperverletzung" (Puffs Daumen-Kino)
11. Anklagepunkt "Beleidigung" (Gülle prügelt)

  • Sitzordnung
  • Allmacht Gericht: Ordnungsstrafen, Rechtsetzung, Entscheidung der Tagesordnung und Verhandlungspunkte – es gab sehr beeindruckende, schmerzende Momente, wo sich das zeigte, z.B. die dauernde Formel von der „ungebühr“, die auch im wörtlichen Sinne von oben herab die Dinge hier im Saal regelte bis zum traurigen Höhepunkt des zweifachen, rüden Rauswurf eines Menschen, der ohnehin überall in dieser Welt zu den Ausgegrenzten gehört. Soweit ich ihn kenne, ist er obdachlos und mehrfach zwangsweise in der geschlossenen Psychiatrie festgehalten worden. Er wurde wegen einer Lappalie, beim zweiten Mal sogar ohne Verstoss gegen irgendwelche Absprachen rücksichtslos aus dem Saal geräumt. Die Bilder, wie diese Person da rausgezerrt wurde, sind mir sehr deutlich in Erinnerung und gehören zu den intensivsten Eindrücken dieser Verhandlungen. Mich berührt die Unmenschlichkeit der mit Autorität verbundenen Befugnis, zu definieren, was gebührlich ist und was nicht. Und mich berührt, wie immer sofort willige Vollstrecker da sind, um auch die unsinnigste und menschenverachtende Anweisung sofort auszuführen. Insofern würde ich nicht nur an das Gericht appellieren, die eigene Entscheidungssetzung zu überdenken, sondern auch an die Beamten, die hier offensichtlich Befehle auszuführen, ohne noch zu bemerken, dass sie auch selbst ein Organ besitzen, mit dem sie denken und erst mal in jeder Situation auch selbst überprüfen können, ob ein Befehl sinnvoll ist bzw. ihrem eigenen Gewissen entspricht.
  • Wahrheitsdefinition ... wie eine religiöse Handlung. Wahrheit gibt es nicht ...
  • Massenbetrieb, Gleichgültigkeit, Abstumpfung gegenüber den Folgen des eigenen Tuns – nochmals erinnert an die Studie: „Die zu einer freiheitsentziehenden Sanktion Verurteilten weisen ein höheres Rückfallrisiko auf als die mit milderen Sanktionen Belegten“ = Aus der Studie des Bundesjustizministeriums (2004)
  • Wenn ich verliere, muss ich zahlen – Geld und/oder mit meiner relativen Freiheit. Wenn ich gewinne, müssen auch die Steuerzahler zahlen. Der Staatsanwalt, die Polizei usw. können nicht verlieren, höchstens kann sie etwas an ihrem Stolz kratzen. Ähnlich Polizeihandeln, dort als Alltag ...
  • Eliten mit gemeinsamen Treffpunkten
  • Und schließlich stößt mich ab – das habe ich mehrfach deutlich gemacht – dass überhaupt Institutionen „richten“, d.h. formal abgesichert über anderen stehen. Sie tun das mit einem wahrlich wirren, konstruierten Bezug auf eine Legitimierung ausgerechnet durch die, über die sie richten, die sie aus dem Saal schmeißen können, denen sie sogar das Lachen verbieten können usw. Der symbolischste Moment dieser geradezu wahnhaften Konstruktion steht noch bevor, wenn zu Beginn der Urteilsverkündung die salbungsvollen Worte „im Namen des Volkes“ gesprochen werden, während auch in dieser Situation jegliche Äußerung derer, die zu diesem Volk dazugerechnet werden, sanktioniert sind, niemand von denen überhaupt mitreden kann und bei jedem kleinen Verstoss das sog. Volk entfernt wird. Der Satz „im Namen des Volkes“ ist das deutlichste Zeichen einer Selbstermächtigung von Institutionen. In meinem Inneren bäumt sich alles gegen eine solche Welt und ich bitte schon jetzt darum, dass ich in dieser Passage des Beginns der Urteilsverkündung nicht in diesem Raum weilen muss, sondern mich draußen aufhalten darf und erst zur weiteren Urteilsverlesung wieder herauskommen brauche, weil ich nicht glaube, dass ich widerstandslos diesen Akt der Instrumentalisierung für einen offensichtlichen Hoheitsakt hinnehmen könnte. Da ich aber an dieser Stelle einem Konflikt und dem Ausgeliefertsein einer möglichen Ordnungsstrafe lieber aus dem Weg gehen will, bitte ich um eine Lösung der angedeuteten oder ähnlicher Art. Das hat auch nichts mit dem Urteil zu tun – auch bei einem möglichen Freispruch lehne ich ab, dass einfach so behauptet wird, dieser erfolge „im Namen des Volkes“. Jenseits dessen, dass ich schon die Konstruktion des Volkes als einheitliche Masse, die überhaupt mit einer Stimme sprechen kann, für falsch halte, finde ich insbesondere Auftritte unaushaltbar, in denen Einzelne ungefragt im Namen aller sprechen. „Wir“ sind weder Papst noch werden „wir“ Weltmeister. Deutschland ist weder für noch gegen den Irak-Krieg und Gerhard Schröder ist nicht „unser“ Bundeskanzler. Ich kann nur sagen: Ich bin nie gefragt worden. Und so ist es mit „im Namen des Volkes“ auch.

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