Seitenhieb-Verlag

FREIE MENSCHEN IN FREIEN VEREINBARUNGEN
THEORIE & PRAXIS DER HERRSCHAFTSFREIHEIT

Anarchie & (Neo-)Liberalismus


Worum geht es? Buch und Textsammlung Anarchie & (Neo-)Liberalismus Hirnstupser zum Thema Ideen, Texte und Links Materialien zum Thema

"Wenn alle Gesetze weg wären, würden sich die Menschen gegenseitig totschlagen."
"Der Mensch ist nunmal nicht so gut, dass er ohne Kontrolle leben kann."
"Es kommt darauf an, Institutionen zu demokratisieren, ihre Abschaffung wäre Anarchie und Chaos."

Gegenüber grundsätzlich herrschaftsfreien Entwürfen von Gesellschaft gibt es erhebliche Vorbehalte - ob nun bei "Linken", in der bürgerlichen Mitte oder bei Rechten. Wenn man die auf Autorität durch Staat, Führer, Herrenrassen, Gott oder wer weiß wem setzenden Konservativen, Rechten und Teilen der Bürgerlichen mal weglässt, weil deren Vorstellungen auf den ersten Blick emanzipatorischen Ideen der Befreiung des Menschen offensichtlich zuwiderlaufen, so überrascht die Staatstreue vieler sozialdemokratischer, sozialistischer und zum Teil auch linksradikaler Kreise oft. Ihre Argumentation lautet, dass die Menschen ohne eine ordnende Hand zum Faustrecht kommen würden. Unterschiede ergeben sich, wer die ordnende Hand sein und wer sie kontrollieren soll - mal ist es eine unklar definierte Mischung der zivilgesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Eliten namens Governance, mal sind es Räte oder schlicht das Proletariat. Ihnen sind zwei grundlegende Fehler gemeinsam: Sie glauben, Menschen würden besser, wenn andere Menschen sie kontrollierten. Zudem wollen sie als ordnende Hand wiederum Menschen einsetzen (was anderes gibt halt nicht) - und sie blenden die Frage aus, was denn mit diesen Menschen wird, die nun mit Macht ausgestattet sind. Werden die dann nicht viel eher konkurrierend agieren, wo sie bessere Durchsetzungschancen kraft Ihrer Macht haben?

Abwesenheit von Herrschaft fördert kooperatives Verhalten
Alle Modelle einer guten Führung scheitern an diesem Punkt: Wenn einige Menschen bessere Durchsetzungsmöglichkeiten haben als andere, werden sie eher geneigt sein, diese auch einzusetzen. Das heißt: Die Existenz von Herrschaft ist selbst der Grund für die Anwendung derselben. Kontrolle nützt da wenig, denn kontrollierbar ist höchstens konkretes Abstimmungsverhalten, nicht aber der privilegierte Zugang zu Ressourcen, Informationsweitergabe oder -veränderung, informelle Absprachen usw.
Die einzige Chance ist die Abwesenheit von Herrschaft. Dann ist die Chance am größten, dass Menschen miteinander kooperieren, weil sie den größten Nutzen und das geringste Risiko haben. Es gibt keine Garantie, aber es geht bei der Debatte um Utopien auch nicht um die Suche nach dem Paradies. Wichtiger ist, die Rahmenbedingungen zu entwickeln, die am stärksten zur Kooperation drängen und am wenigsten zur Konkurrenz.

Freiheit und Freiheit
Fanatiker des Rechtsstaates kritisieren den Wunsch nach Herrschaftsfreiheit, indem sie die neoliberalen Ideen mit denen anarchistischer oder anderer herrschaftsfreier gleichsetzen. Das ist verständlich als Propagandastrategie der StaatsfetischistInnen von Sozialdemokratie, Attac, Radikal- oder BasisdemokratInnen. Tatsächlich aber wäre jede Gleichsetzung von Liberalisierungsprogrammen z.B. der Grünen oder der F.D.P. mit herrschaftskritischen Positionen vor allem eines: Ein Armutszeugnis der Analysefähigkeit derer, die die Gleichsetzung betreiben.
Das Bild oben ist eine Anzeige der Industrie. Auch dort wird Propaganda gemacht. Denn tatsächlich sind Markt und Staat keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Eine Ausrichtung auf Profit und Verwertung ist nur möglich durch staatliche Rahmensetzungen. Die wirtschaftliche Globalisierung wird von den Nationalstaaten und ihren Institutionen gemacht. Die Verschärfung der Arbeitsgesetze, der Abbau des Sozialen - alles geht von den Regierungen aus. Profiteure sind die Konzerne, aber der Staat ist der Macher. Hinzu kommt immer mehr Kontrolle, Überwachung, Bestrafung für die, die nicht den Normen gemäß handeln. Auch das ist der Staat. Insofern sind Staat und Markt nicht Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Herrschaftsfreiheit wäre das Gegenteil von beidem. F.D.P. & Co. wollen gar nicht weniger Staat, sondern einen modernisierten. Und alle ...-DemokratInnen wollen mit ihrer Forderung nach mehr Staat auch vor allem mehr Kontrolle. Nützen wird das den Herrschenden und u.a. den Konzernen. Wer Freiheit will, muss weniger Staat und weniger Markt anstreben. Oder am besten ganz abschaffen - beides!

Günter Grass zu gesellschaftlicher Intervention, in: Werner A. Perger und Thomas Assheuer (2000): "Was wird aus der Demokratie?", Leske+Budrich in Opladen (S. 103f)
Der Neoliberalismus hat, ohne damit ideologisch etwas zu tun haben zu wollen, die Wunschvorstellung des Anarchismus übernommen, den Staat abzuschaffen, ihn zur Seite zu drängen. ...
Damit wir uns nicht mißverstehen: Der Neoliberalismus will natürlich nur die Dinge aus dem Staat heraushaben, die ihn wirtschaftlich interessieren. Der Staat darf weiter die Polizei stellen, den Ordnungsstaat repräsentieren. Aber wenn dem Staat die ordnende Kraft für die Gesellschaftsschichten weggenommen wird, die außerhalb stehen - nicht nur Sozialfälle, Kinder und alte Menschen, die aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind oder noch nicht drinnen sind -, wenn sich hier eine Ökonomie breit macht, die vor jeder Verantwortung in irgendeinen Globalismus hineinflüchtet, muß der Staat, dann muß die Gesellschaft über den Staat Für- und Vorsorge treffen. Die Verantwortungslosigkeit ist das bestimmende Prinzip des neoliberalen Systems.


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