Seitenhieb-Verlag

ABSURDE VERFAHREN: BELEIDIGUNG

Rechtliches zur Frage von Staatskritik und Beleidigung


1. Der Ablauf
2. Was bedeutet "Fuck"?
3. Manche sind gleicher als andere
4. Beleidigungshauptstadt Gießen
5. Anzeige gegen Polizisten wegen Falschaussage
6. Rechtliches zur Frage von Staatskritik und Beleidigung
7. Links

Soldaten sind Mörder

"Die Polizei" ist nicht beleidigungsfähig
Das sagen alle Urteile, Lehrtexte zu Jura usw. - nur Gießener und Hessische Gerichte sehen das anders ...
  • Klare Aussagen auf www.lehrer-online.de zu Beleidigung der Polizei:
    Institutionen und Personengemeinschaft können beleidigt werden, wenn sie eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Funktion wahrnehmen und einen einheitlichen Willen bilden können. Dies trifft z.B. auf die Bundeswehr, politische Parteien, Gewerkschaften oder karitative Organisationen zu. Dagegen ist die Polizei als Ganzes nicht beleidigungsfähig (Fall 2). Dies ergibt sich daraus, dass "die Polizei" keinen einheitlichen Willen bilden kann, da es "die Polizei" rechtlich überhaupt nicht gibt. Aufgrund des föderalen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland muss zwischen den verschiedenen Landespolizeien (z.B. die Landespolizei Thüringen) oder den Polizeibehörden des Bundes (z.B. Bundeskriminalamt) unterschieden werden. Beleidigungsfähig ist damit aber z.B. die "Polizeidirektion München".
  • Freispruch nach Bezeichnung "Wegelagerer" für Polizisten bei Verkehrskontrolle
  • Nur wenig Besonderheiten bei Beamtenbeleidigung (Wikipedia dazu)
  • Aus Urs Kindhäuser (2002): "Strafgesetzbuch - Lehr- und Praxiskommentar", Nomos Verlag Baden-Baden (Vor § 185, Rd-Nr. 4 und 6)
    Beleidigungsfähig sind ... Personengesellschaften, wie sich aus § 194 Abs. 3, Abs. 4 erschließen läßt (vgl. BGHSt 6, 186 [191]). ... Nicht dagegen: "die" Ärzte; "die" Polizei (aber: die "Frankfurter Polizei", vgl. OLG Frankfurt/M NJW 1977, 1353) ...
    Für eine solche Form der Beleidigung ist es erforderlich, dass unter der Kollektivbezeichnung überhaupt bestimmte Personen angesprochen werden können: Der betroffene Personenkreis muss überschaubar und die ihm zugehörenden Personen müssen individualisierbar sein (vgl. BGHSt. 36, 83 [85 ff.]). Aus größere Personenkreise können betroffen sein, falls das herabsetzende Kriterium eindeutig allen Mitgliedern zuzuordnen ist (etwas Berufssoldaten der Bundeswehr, wenn sie mit "Folterknechten, KZ-Aufsehern oder Henkern" vergleichen werden, BGHSt. 36, 83). Keine Kollektivbeleidgungen sind dagegen negative Äußerungen über "die" Katholiken oder "die" Frauen, wohl aber über die Ärzte des X-Krankenhauses, die Richter der 3. Strafkammer in Y ...

Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht
Aus Richter am Bundesgerichtshof Dr. Manfred Lepa (1990): "Der Inhalt der Grundrechte" (S. 118, zu Art. 5, Rd-Nr. 12+13)
b) Die Entscheidung darüber, auf welche Weise - mit welchen Mitteln und in welchen Formen - die Meinung kundgetan wird, bleibt grundsätzlich dem Grundrechtsträger überlassen (BVerfGE 60, 234 [241]; Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt insbesondere grundsätzlich auch die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie ein Gedanke formuliert werden soll (BVerfGE 42, 143 [149f.]. Das Mittel der Meinungsäußerung kann beispielsweise die Verteilung eines Flugblatts (BVerwG, MDR 1978 S. 869) oder das Tragen einer Plakette oder eines Aufklebers sein, z.B. "Atomkraft - Nein Danke" (BVerwG NJW 1982, 118; BAG NJW 1982, 2888; BVerwG NVwZ 1988, 837). Insbesondere fällt auch eine demonstrative Meinungsäußerung grundsätzlich unter den Schutz des Art. 5 Abs 1 GG (BVerwGE 7, 125 [131]). Das Grundrecht gewährt jedoch nur Spielraum für Auseinandersetzungen mit Worten, duldet aber keine Erweiterung auf tatsächliches Verhalten (BGH NJW 1969 S. 1770; OLG Köln, NJW 1970, 1324; OLG Celle, NJW 1970, 207).
c) Für die Beurteilung der Form der Meinungsäußerung im öffentlichen Meinungskampf hat die Rechtsprechung besondere Grundsätze und insbesondere ein "Recht zum Gegenschlag" entwickelt, das auch der Regierung zusteht (BVerwG NJW 1984, 2591). Danach muß derjenige, der im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwerten Urteil Anlaß gegeben hat, eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert. Es kommt darauf an, ob und in welchem Ausmaß der Betroffene senerseits an dem von Art. 5 1 GG geschätzten Prozeß öffentlciher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluß den Bedingunge ndes Meinungskampfes unterworfgen und sich durch dieses Verhalten eines Teil seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat (BVerfGE 54, 129 [138]; vgl.zu den Grenzen der Verwendung ehrverletztender Formulierungen BVerwG NJW 1982, 1008 [1010f.]).
Herabsetzende Werturteile staatlicher Stellen gegenüber dem Bürger müssen das Übermaßverbot wahren und dürfen nicht willkürlich, besonders aggressiv und unsachlich sein (OVG Münster, NVwZ 1985, 123).

Polizei prügelt - Opfer wird wegen Beleidigung verurteilt
Aus: Junge Welt, 11.10.2006 (S. 5)
Sunny Pius Ebilueye war im August vergangenen Jahres von einem Schaffner zum Verlassen eines Zuges aufgefordert worden, da sein "Bayern-Ticket" "wegen Unleserlichkeit der Unterschrift" nicht gültig sei. Da sich Ebilueye weigerte auszusteigen, wurde die Polizei gerufen. "Als ich wehrlos im Polizeigriff hing, schlug ein Polizist auf meine Schulter, und ich stürzte zu Boden", berichtete Ebilueye, dessen Brille bei dem Sturz zerbrach. Mit auf den Rücken gefesselten Händen sei er in eine Arrestzelle gesperrt worden. Da die Polizei seine Rufe ignorierte, mußte er in seine Kleidung urinieren. Zwar verweigerte ihm die Polizei einen Anruf, doch gelang es Ebiluye, einen Anruf seiner Verlobten auf Handy entgegenzunehmen. Als Ebilueye auf deren Intervention aus der Haft entlassen wurde, hatte er rote Striemen von den Handschellen.
Ein Strafverfahren gegen die Burgauer Polizisten wurde von der Staats anwaltschaft Memmingen eingestellt. Statt dessen mußte sich das Opfer vor Gericht verantworten. Vor Prozeßbeginn am Dienstag Nachmittag demonstrierten mehrere Dutzend Unterstützer aus antirassistischer Gruppen vor dem Justizgebäude.
Das Gericht ging von der Richtig keit der Tatvorwürfe aus, ohne zu klären, worin die Beleidigung der Polizisten bestanden hätte. Er habe Ebilueye "etwas von Rassismus" rufen hören, konnte ein Zeuge lediglich angeben.

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