Seitenhieb-Verlag

ORGANISIERTE UNVERANTWORTLICHKEIT
BUCH, READER, VORTRAG UND VERSUCHTE MAULKÖRBE

Die Chronik des K(r)ampfes


1. Herzlich willkommen zu einer Lektüre, die keinen Spaß machen wird
2. Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit"
3. Wenn Gentechnik Häuslebauen wäre ...
4. Gute und böse Gentechnik?
5. Stichwort- und Personenverzeichnis
6. Fussnoten
7. Die Chronik des K(r)ampfes
8. Aus einer Schrift der DFG ... mit Kommentaren
9. Seilschaft im Fernsehen
10. Theoriebücher aus dem SeitenHieb-Verlag zum Thema und rundherum

Vorspiel: Erste Veröffentlichungen über die dunklen Geschäfte mit der Agro-Gentechnik
Die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" und der Vortrag "Monsanto auf Deutsch" waren nicht der Anfang der Auseinandersetzung um die Geflechte der Agro-Gentechnik, aber das erste Mal, dass diese eine breite Öffentlichkeit erreicht. Das hätte 2005 eine Veröffentlichung im Fernsehmagazin "Report" bereits schaffen können, aber es blieb überraschend still. Andreas Bauer mühte sich im Umweltinstitut München - vor allem zu speziellen Themen wie den Verflechtungen rund um Gatersleben oder das Agrobiotechnikum -, bis er dort gegangen und durch eine verbands- und grünennahe Sachbearbeiterin ersetzt wurde. Schließlich erschien die umfangreiche Studie "Kontrolle oder Kollaberation?" im Auftrag der Grünen. Das war erstmals ein großer Rundumschlag mit Schwerpunkt auf die Bundes- und EU-Behörden beim Zulassungsverfahren des MON810. Doch es blieb eine akademische Schrift, die in parlamentarischen Kreisen und Verbandsapparaten herumging. Vielleicht scheuten die Grünen auch selbst, aus allem mehr zu machen. Schließlich war, wie in der Studie noch verschwiegen wurde, die Rolle der Grünen-Oberen alles andere als applausverdächtigt. Auch später, als "Organisierte Unverantwortlichkeit" erschien, blieben die Grünen stumm ...

Im Original: Enthüllungschronik 2005 bis 2008 ...
2005: Die SWR-Sendung "Report" thematisiert die Verflechtungen rund um das BVL

2006-2008: Andreas Bauer veröffentlicht mehrere Abhandlungen über die Seilschaften in der Gentechnik, u.a. rund um Gatersleben, in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern

2008: Antje Lorch und Christoph Then veröffentlichen die Studie "Kontrolle oder Kollaboration?" im Auftrag der grünen Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfken. Die Studie wird in den Medien diskutiert.

Erster Hauptakt: Das Projekt "Monsanto auf Deutsch" startet
29. März 2009: Der rebellische Bio-Imker Micha Grolm hatte ins thüringische Schloss Tonndorf geladen. AkteurInnen aus verschiedenen Teilen gentechnikkritischer Bewegung sollten in entspannter Atmosphäre über das weitere Jahr nachdenken. Es kamen wenige - die Umweltverbände, zuhause an den Tischen der Ministerien und Hauptstadtbüros, glänzten mit Abwesenheit. Dennoch hatte die kleine Runde am Schlosskamin Folgen. Hier entwickelten die GentechnikkritikerInnen die Idee, eine massentaugliche Veröffentlichung zu den Verflechtungen zwischen Behörden, Konzernen und Lobbyisten in Deutschland zu machen. Vorbild waren Buch und Film der französischen Autorin Marie-Monique Robin, deren Film "Monsanto. Mit Gift und Genen" laut Arte-Bilanz der "größte Erfolg des Jahres 2008" war. Fraglos - der Film war es auch wert. Robin selbst hatte auch nie Zweifel gelassen, dass eine solche Recherche bei anderen Agrarchemie-Konzernen nicht besser ausfallen würde. Aber niemand hatte Bayer, BASF & Co. sowie die Behörden hierzulande je genauer untersucht. Das müsse nachgeholt werden, war sich die Runde einig. Und begab sich ans Werk: Recherchieren, schreiben und die Verteiligung organisieren. Vor allem Letzteres geriet zu einem beeindruckenden Zeugnis des Zustandes derer, die gegen die Agro-Gentechnik kämpfen: Kaum ein bundesweiter Umwelt- oder Biolandbauverband (siehe z.B. die Antwort von B.A.U.M.: Keine Reaktion auf Inhalt, stattdessen Mitgliederwerbung) und keiner der großen Saatgut- oder Lebensmittelhersteller im Biosektor unterstützte die Verteilung des Heftes. Mit dabei waren ungefähr die Hälfte der regionalen Belieferer von Naturkostläden und viele, viele kleine Initiativen und Vertriebe, von Dreschflegel über Cafe Libertád bis zu einigen Umweltmagazinen. Deren Aktivität und das Lauffeuer, was die Nachrichten aus der Broschüre entfachte, aber reichten, um ein ein kleines Wunder zu erzeugen: Nur wenige Tage nach der Auslieferung der ersten Auflage, von der immerhin 51.000 Stück gedruckt wurden, waren alle weg. Ein zweiter Druck musste her, nochmal 30.000 Stück ...

Im Original: 2009 - von der Idee zur Broschüre...
Juni 2009: Die erste Auflage der Seilschaftenbroschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" (Autor: Jörg Bergstedt) erscheint. Sie ist als Massenheft gedacht - auch angesichts dessen, dass Umwelt- und Biolandbauverbände genauso wie gentechnikkritische Medien meist wegen Feigheit für die Weiterveröffentlichung nicht in Frage kommen.

Juli 2009: Die erste Auflage ist vergriffen. Mit leichten Veränderungen geht die zweite Auflage in Druck.

Mit dieser zweiten Auflage war neben der weiteren Versendung noch etwas Besonderes geplant: AktivistInnen, die rund um die Hochburgen der deutschen Agro-Gentechnik aktiv sind, vor. Jeder Briefkasten rund um die das AgroBioTechnikum in Groß Lüsewitz und die BioTechFarm in Üplingen wurde mit der farbigen Enthüllungsschrift bestückt - insgesamt ca. 22.000 Stück. Das Wissen um die Verflechtungen gelangte aus den Bürosphären der Hauptstädte in die Auseinandersetzung vor Ort. Möglicherweise war es diese offensive Verteilung, die Uwe Schrader und Kerstin Schmidt veranlassten, gegen die Veröffentlichung vorzugehen. Der getroffene Hund jault ... und zog vor Gericht.

Doch unbeeindruckt davon wuchs das Projekte - und zwar fast nur über Basisgruppen, engagierte Einzelpersonen. Es war ein Graswurzelprojekt nach Bilderbuch, geschnitten von den Zentralen der Umweltverbände, aber getragen auch von deren AktivistInnen vor Ort. Die Broschüre blieb ein Verteilungserfolg. Über Spenden wurden die Druckkosten gedeckt - als perfekter Zufall waren die Spenden nach der zweiten Auflage fast ebenso hoch wie die Druckkosten einschließlich des Versand der Pakete an die VerteilerInnen. Mehr hatte das Projekt auch nicht gekostet. Alle Beteiligten taten, was sie taten, nicht für Geld, sondern aus Überzeugung. Einige Zeitschriften, z.B. "Kritische Ökologie", "Ökologisch wirtschaften", "grünes blatt" und "Rabe Ralf" machten die Recherchen zu ihrem Thema und veröffentlichten Zusammenfassungen oder Texte zu bestimmten Themen aus der Sammlung der vielen Geflechte in der Agro-Gentechnik.
Anfangs zögerlich, im Winter 2009/2010 dann in intensiven Veranstaltungstouren wurde der Autor zu Vorträgen eingeladen. Ihn selbst drängte es zudem vorzugsweise an die Standorte der Genversuchsfelder, wo er in Nachbargärten, Dorfgemeinschaftshäusern oder Kneipen referierte. Er baut eine Ton-Bilder-Schau zusammen, die inzwischen von über 5.000 Menschen angesehen wurde - auf rund 100 Einzelveranstaltungen. Die größten liefen ab Dezember 2009 in Bayern, im Allgäu und in Oberschwaben. Spitzenreiter: Die Halle in Kammerstein, wo 180 Menschen vom Ökobauer bis zum CSU-Vorsitzenden eine faszinierende Kulisse bilden. Schon früh begannen auch andere AktivistInnen, diesen Vortrag zu halten, z.B. auf dem Wendlandcamp 2009. Die PowerPoint-Datei stellte der Autor mit Freunde zu Verfügung. Als wenig später auch noch eine DVD mit dem Vortrag über www.wunschfilme.net in Umlauf kam, konnten sich die Informationen noch schneller verbreiten.
  • Download der Vortragsdateien und Mitschnitte des Vortrags siehe unten ++ Bestellseite zu DVD und mehr

Zweiter Hauptakt: Der getroffene Hund jault - Gentech-Lobby auf juristischen Barrikaden
Die schnelle und breite Streuung der Broschüre rief einige der darin erwähnten MehrfachfunktionärInnen auf den Plan. Schließlich lieben sie die Ruhe und agieren gern unerkannt. Da löst eine solche Enthüllungsschrift natürlich keine Freude aus. Aber Seilschaften wären keine Seilschaften, wenn sie für so etwas keine Strategie hätten. Die war da - in Person des Ex-Wirtschaftsministers und Gentechnikförderers Horst Rehberger. Der ist Inhaber einer Anwaltskanzlei und über diese reichten Kerstin Schmidt und Uwe Schrader, die sich auf den Schlips getreten fühlten, Klage ein, damit die unangenehmen Wahrheiten nicht weiter verbreitet würden. Er tat das ... in Saarbrücken. In Saarbrücken? Warum denn das? Die Stadt ist in der Broschüre mit keinem Wort erwähnt, auch spielt keine der dargestellten Handlungen in dieser Saar-Metropole. Doch in Saarbrücken sitzt die Anwaltskanzlei von Rehberger - und hier war er vor über zwei Jahrzehnten auch selbst Wirtschaftsminister und wichtiger Parteifunktionär. Verfügte der FDPler über einen gutem Draht zur zuständigen Kammer des Landgerichts dieser Stadt? Der Verdacht kam sofort auf - und er sollte sich bestätigen im Verlauf einer Gerichtsverhandlung, die nie eine war und ohne jegliche Beweiserhebung zu einem bemerkenswerten Urteil in erster Instanz kam. Doch bis dahin vergingen Monate absurder Schriftwechsel und seltsamer Prozesstermine im Landgericht. Es begann mit der Klageerhebung am 17.8.2009 und schleppte sich über Widersprüche, erste Vollstreckungen und Widerspruch auch dagegen bis zu den ersten Gerichtsterminen. Schrader und Schmidt geht alles zu langsam, das Gericht kämpft mit Terminumlegungen, aber will vor allem eins: Den Prozess ganz vermeiden, dabei aber den Maulkorb rechtswirksam werden lassen.

Chronologie: Von Klageerhebung bis zum ersten Prozess ...
17.8.2009: Kerstin Schmidt, Uwe Schrader (und Horst Rehberger als Anwalt) erheben Klage gegen den Vorwurf der Seilschaften und die Broschüre "Organisierte Unverwantwortlichkeit". Ihr Ziel: Ein Maulkorb!

20.8.2009: Das Gericht ist zu Diensten - und schnell. Per Beschluss wird das erwünschte Verbot, Schmidt und Schrader weiter zu kritisieren, verhängt und von einer Gerichtsvollzieherin dem Beklagten überbracht. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Anhörung oder Gerichtsverhandlung. Der Prozess beginnt mit dem Verbot!

4.9.2009: Der Betroffene legt (über einen Rechtsanwalt) Widerspruch ein. Zudem wird beantragt, Schmidt/Schrader zur Hauptsachklage eine Frist zu setzen. Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe wird gestellt mit entsprechenden Nachweisen.

2.9.2009: Schrader/Schmidt beantragen sehr schnell die erste Vollstreckung (2.9.2009), also eine erste Bestrafung - ohne dass der Beklagte überhaupt jemals angehört wurde. In ihrem Antrag behaupten sie, die Internetseiten und die Broschüre im Internet seien unverändert vorhanden. Das ist schlicht gelogen. Zudem richtete sich die ganze Verfügung gegen den Falschen, denn der Beklagte war und ist gar nicht Inhaber der Internetseite. Das Gericht wird sich dafür aber nicht interessieren, sondern Schmidt/Schrader auch hier zu Diensten sein. Am 21.9. legt der Beklagte gegen die Vollstreckung Widerspruch ein.

8.9.2009: Das Gericht lädt zur Verhandlung - am 28.9.2009 soll sie stattfinden. Eine Terminabsprache mit den Beklagten findet nicht statt. Die Anträge des Beklagten (Hauptsachklage und Prozesskostenhilfe) werden nicht behandelt.

17.9.2009: Schrader/Schmidt geht es nicht schnell genug - sie mahnen nochmal die Vollstreckung, also die erste Bestrafungsaktion, an. Wieder lügen sie hinsichtlich vermeintlich unterbliebender Veränderungen der Internetseite und der dort erhältlichen elektronischen Fassung der Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit".

28.9.2009: Auf Antrag des Beklagtenanwaltes wird der Termin umgelegt, aber wieder nicht direkt abgesprochen. Der neue Termin am 12.10. passt wieder nicht. Die Anträge des Beklagten (Hauptsachklage und Prozesskostenhilfe) werden weiter nicht behandelt. Der Beklagte kann daher keinen Anwalt bezahlen - ohne aber darf er am 12.10.2009 gar nicht teilnehmen.

Am 29.9.2009 schreibt ein Anwalt des Beklagten, dass die Nichtverschiebung bedauerlich sei und mahnt erneut an, dass die Anträge bearbeitet werden sollen. Doch das Gericht tut nur, was Schmidt/Schrader wollen.

30.9.2009: Schmidt/Schrader äußern sich nochmal zum Verfügungsantrag - unter anderem behaupten sie, dass sie den Richtigen beklagen, obwohl der die Internetseite gar nicht innehalt.

1.10.2009: Zum dritten Mal drängeln Schmidt/Schrader auf eine erste Bestrafung und widersprechen dort der Entgegnung vom 21.9.

Am 12. Oktober kam es dann zur ersten Verhandlung. Da das Gericht den Antrag des Beklagten auf Prozesskostenhilfe aber gar nicht bearbeitet hatte, konnte sich dieser keinen Anwalt leisten, der mit zum Gericht gekommen wäre. Allein aber durfte er nicht agieren. Ihm war vorgeschrieben, einen Anwalt zu nehmen, aber das Gericht verhinderte, dass er das auch konnte. Die logische Folge war ein Versäumnisurteil. Am 22.10.2009 legte der Anwalt des Beklagten Einspruch ein und das Gericht lud zu einem neuen Termin, der dann auch stattfand. Doch bis dahin geschah noch einiges mehr - tiefe Griffe in die Kiste der schmutzigen Tricks seitens des Gerichts bestimmten den Ablauf ...

Verschleppen, was dem Gentechnikkritiker nutzen könnte
Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung
Zu einer bizarren Auseinandersetzung entwickelte sich der Versuch des beklagten Autors, sich verteidigen zu können. Weil der Streit gleich vor dem Landgericht ausgetragen wurde, durfte er sich nicht selbst verteidigen, sondern musste einen Anwalt beauftragen. Das aber kostete Geld - Geld, dass er nachweislich nicht hatte. Ohne Anwalt aber wäre das Verfahren von vornherein verloren gewesen. Also beantragte er - was das geltende Recht so auch vorsieht - Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Anwaltes. Doch das Gericht reagierte nicht. Der erste Gerichtstermin fand ohne Beschluss zur Prozesskostenhilfe, deshalb ohne Anwalt statt. Der Beklagte kassierte folglich ein Versäumnisurteil, denn ohne Anwalt ist das gleiche wie gar nicht anwesend sein.

Im Original: Verschleppungstricks in Robe ...
Aus dem Widerspruch des Anwaltes vom 4.9.2009 gegen die einstweilige Verfügung: "Schließlich wird beantragt, dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zu bewilligen." Nichts geschah ...

Ganz ähnlich heißt es im Widerspruch des Anwaltes am 21.9.2009 gegen die kurz danach verhängte erste Vollstreckungsstrafe: "Da der Antragsgegner aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, wird beantragt, dem Antragsgegner auch für das Vollstreckungsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zu bewilligen." Auch hier: nichts geschah ...

Am 23.9.2009 schrieb das Landgericht in Sachen Prozeskostenhilfe - es stellte die Nachfragen, "wovon der Verfügungsbeklagte bei einem Brutteinkommen von 230 EUR seinen Lebensunterhalt bestreitet. Es mag ferner erläutert werden, wieso keine Wohnung vorhanden ist." Für die Beantwortung stellte das Gericht eine "Frist zur Stellungnahme" auf den 8.10.2009.
Da der erste Gerichtstermin am 12.10.2009 sich bedrohlich näherte, erinnerte der Anwalt mit Fax am 29.9. nochmals: "Zu den Fragen, die im Schreiben vom 23.09.2009 aufgeworfen worden sind, wird noch Stellung genommen. Rein vorsorglich wird schon jetzt darauf hingewiesen, dass dem Antragsgegner nach Vorlage der übermittelten Unterlagen stets ohne jede Rückfrage Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist." Kurz danach wurden die Fragen des Gerichts hinsichtlich Lebensunterhalt und Wohnung des Beklagten beantwortet - rechtzeitig vor Fristablauf. Doch die Frist hatte für das Gericht selbst offenbar gar keine Bedeutung. Jedenfalls passierte nach dem 8.10. weiterhin nichts.

Dann kam der 12.10.2009 und damit der Tag der ersten Verhandlung vor Gericht. Das Gericht hatte selbst dafür gesorgt, dass sich der Beklagte nicht verteidigen konnte. Der Gerichtstermin war daher kurz. Im Beschluss vom 12.10.2009 wird kurz und bündig "für Recht anerkannt: Die einstweilige Verfügung vom 20.08.2009 wird bestätigt."
War das Absicht? Wollte das Gericht mit seiner Verschleppungstaktik die Teilnahme des Beklagten verhindern, um dann ein solches Abwesenheitsurteil fällen zu können? Immerhin war dann sicher, dass keine Erörterung zur Sache stattfinden müsste. Denn die dürften Rehberger, Schmidt und Schrader angesichts der hervorragenden Quellenlage der Broschüre gefürchtet haben. Wurde mit dem Gericht vereinbart, das auf jeden Fall zu verhindern? Der weitere Verlauf des Verfahrens ließ aus dieser Vermutung allmählich Gewissheit werden. Denn der Beklagte ließ einen Anwalt (selbst darf er das ja nicht) Einspruch einlegen. Eine Wiederholung und damit letzte Chance biligt das Zivilrecht zu. Doch der Beklagte hatte immer noch keine Prozesskostenhilfe: Würde das Gericht noch einmal das gleiche Spiel wagen?

Bereits vier Tage nach dem Einspruch flatterte die neue Ladung ein. Die zweite Verhandlung wurde terminiert auf Montag, 7.12. um 12.15, weiter am Landgericht Saarbrücken (Hardenbergstr. 1). Wieder begann der absurde Streit um die Prozesskostenhilfe. Immer deutlicher zeigte sich, dass das Gericht tatsächlich die Taktik verfolgte, den Beschluss zugunsten von Schmidt und Schrader erst gefällt zu haben und ihn nun in die endgültige Rechtsgültigkeit zu retten, in dem einfach nie darüber verhandelt werden konnte. War es beim ersten Prozesstermin noch der Tricks, den Antrag auf Prozesskostenhilfe gar nicht zu bearbeiten und dann in Folge der vom Gericht selbst herbeigeführten Lage ein Versäumnisurteil zu fällen, so warteten die GentechnikunterstüterInnen in Robe diesmal mit einer neuen, noch unverschämteren Variante auf: Sie lehnten den Prozesskostenhilfeantrag ab, weil der Beklagte zwar kein Geld habe, aber ja arbeiten gehen könnte!

Es folgte das übliche Prozedere, was einem Beklagten nur übrig bleibt, wenn ein Gericht blockt:


Doch keine Chance! Das Gericht steigerte den Grad seiner sozialrassistischen, d.h. der vermeintlich sozial Benachteiligter diskriminierenden Beschlüsse: Der offiziell als Schriftsteller geführte Beklagte solle gefälligst solche Sachen schreiben, die im Mainstream gewünscht sind (Schreiben des Gerichts vom 16.11.2009).
Ganz nebenbei stellte es - immerhin zu diesem Zeitpunkt noch ohne jegliche Überprüfung oder Verhandlung zur Sache - fest, dass die bisherigen Angaben von Schmidt/Schrader "schlüssig" seien. Dabei wusste das Gericht bereits, dass Schmidt/Schrader mindestens zweimal falsche Angaben gemacht hatten (siehe oben). Wie auch immer - der Vorgang ging nun an das Oberlandesgericht. Dort musste neu entschieden werden.
Das geschah auch - und wie: Am 20.11.2009 beschloss das Oberlandesgericht aufgrund der Beschwerde vom 10.11.2009: "Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 02.11.2009 (9 O 298/09) abgeändert und dem Verfügungsbeklagten rückwirkend ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Gießen, bewilligt." Auch zur Sache stellte das Gericht abweichend vom Landgericht fest, "dass schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen zu klären sind". So einfach, wie geplant, dürfe es sich das Landgericht nicht machen. Sagte das OLG - doch das Landgericht wollte es anders - und machte es anders!

Hauptsacheverfahren verhindern
Zu einer endlos wirkenden Hängepartie entwickelte sich der Antrag auf eine Fristsetzung zur Hauptsachklage. Dazu kurz erklärt: Wer Opfer einer einstweiligen Verfügung wird, kann nicht nur Beschwerde einlegen, sondern vom Gericht verlangen, dass die Verfügungskläger einen Schritt weiter gehen müssen. Üblicherweise geschieht das innerhalb von 14 Tagen auch. Dann wird nicht nur im Eilverfahren, sondern im Hauptverfahren verhandelt. Das bietet mehr Platz, um die ganzen Fragen, Beweismittel usw. ausführlich zu klären. Es ist also vor allem dann gut, wenn mensch sich Chancen ausrechnet - während die andere Seite dann überlegen muss, ob sie diesen Schritt auch wagt. Tut sie es nicht, hat sie auch das erste, d.h. das Eilverfahren verloren. Ein Pokerspiel. Da die Quellenlage zur Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" gut war, gingen Autor und Anwalt von Beginn an diesen Schritt. Doch der Antrag auf Fristsetzung zur Hauptsachklage wurde vom Gericht einfach ignoriert. Das Spiel wurde so zwar immer offensichtlicher, dass es darum ging, einen Maulkorb ohne Beweiserhebung zu verhängen. Mit geltendem Recht hatte das aber wenig zu tun. Nur: Was lässt sich gegen RichterInnen machen, die Recht verdrehen?

Im Original: Verweigerte Fristsetzung zur Hauptsachklage ...
4.9.2009: Schon in der ersten Erwiderung "beantragt, ohne mündliche Verhandlung anzuordnen, dass die Antragsteller binnen einer Frist, deren Länge in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, Hauptsacheklage zu erheben haben."

29.9.2009: Nachdem über drei Wochen reaktionslos vorüber waren, fragt der Anwalt nochmals nach: "Mit Schriftsatz vom 04.09.2009 ist beantragt worden, den Antragstellern eine Frist zur Erhebung der Hauptsachklage zu setzen. Nach Lage der Handakten des Unterzeichners hat dieser Antrag noch immer keine Reaktion erfahren". Es sollte so bleiben ...

22.10.2009: Die nächste Nachfrage: "Nach Aktenlage wurde dem Verfügungsklägern bis heute auch keine Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache gesetzt. Damit werden die Rechte des Verfügungsbeklagten massiv beschnitten. Der Verfügungsbeklagte bitte nun um Bekanntgabe sachlicher Gründe, die einer Bescheidung der bestellten Anträge entgegen stehen." Doch auch das änderte nichts. Das Gericht mauerte weiter. Ebenso wurden Beiordnungsgesuch und Prozesskostenhilfeantrag nicht bearbeitet. Auch das monierte der Anwalt am 22.10.2009 nochmals. Faulheit als Grund der Verweigerung schied aus, denn gleichzeitig erließ das Gericht am 15.10.2009 die erste Vollstreckungsstrafe - Geld zahlen oder 10 Tage Knast bekam der Autor von "Organisierte Unverantwortlichkeit" schon mal verpasst, obwohl immer noch weder verhandelt noch irgend ein Beweis geprüft wurde.

4.11.2009: Der nun als Anwalt mitmischende Tronje Döhmer legt namens Beklagten eine umfangreiche Begründungsschrift mit Quellen und Belegen vor.

24.11.2009: Der Anwalt fragt erneut nach, warum sich in der Hauptsachklage nichts tut. Der Text ist diesmal energischer: "Mit Schriftsatz vom 04.09.2009 beantragte der Verfügungsbeklagte, das Gericht möge den Verfügungsklägern eine Frist zur Klageerhebung in der Hauptsache setzen (§ 926 ZPO). In der Folgezeit ließ der Verfügungsbeklagte mehrfach nachfragen, warum über den Antrag noch nicht entschieden worden ist. Eine Reaktion auf die Anfragen erfolgte nicht. Bis heute ist über den Antrag nach § 926 ZPO nicht entschieden worden. Namens und im Auftrage des Verfügungsbeklagten wird das Gericht hiermit aufgefordert, bis spätestens 03.12.2009 mitzuteilen, welche sachlichen Gründe einer Bescheidung des Antrages vom 04.09.2009 entgegenstehen."

Doch auch diese gesetzte Frist ließ das Gericht tatenlos verstreichen. So rollte die Sache auf den 7. Dezember zu, den Tag, an dem die erste Gerichtsverhandlung in Saarbrücken tatsächlich stattfinden sollte. Dort führte die Verweigerung zu einem Befangenheitsantrag gegen das Gericht. Nach wenigen Sekunden war der Prozess vorbei. Das Gericht befand später jedoch: Die Verweigerungen waren völlig okay und die RichterInnen daher nicht befangen.

Tempo, wo es den Gentechnik-FunktionärInnen hilft: Die erste Vollstreckungsstrafe
Das die verweigerte Fristsetzung zum Hauptsacheverfahren und die erst verschleppte, dann rechtswidrig (siehe OLG-Beschluss dazu) abgelehnte Prozesskostenhilfe keine Folge von Faulheit war, zeigte das Gericht immer dann, wenn es den Gentechnik-FunktionärInnen zu Hilfe kam. Hier ging es schnell - die Knute des Gesetzes wurde ausgefahren. Zwischen dem ersten Urteil am 12.10.2009 und der ersten Bestrafung brauchte das Gericht gerade einmal drei Tage. Am 15.10.2009 fällte es den ersten Vollstreckungsbeschluss: 10 Tage Haft für den Autor der Broschüre. Schon das Datum überraschte, denn schließlich hatte das Gericht am 21.9.2009 einer Verlegung des Termins vom 12.10. nicht zugestimmt mit der Behauptung, dass "das Gericht in der Kammer-Besetzung nur 14tägig tagt." Jetzt fiel der nächste Kammerbeschluss schon nach drei Tagen. Der Beschluss erging zudem ohne direkte Anhörung des Betroffenen und übernahm einfach die Angaben der KlägerInnen Schmidt und Schrader. Die behaupteten, dass die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" unverändert im Netz zu sehen sei. Das Gericht überprüfte laut Vollstreckungsbeschluss nur, dass die Broschüre dort noch war und behauptete dann einfach: "Die Broschüre selbst ist in unveränderter Form erreichbar". Da glaubte es blind den KlägerInnen. Kein Ausdruck wurde zum Beweis erstellt - er fehlt bis heute. Doch der Vollstreckungsbeschluss hielt auch ohne jegliches Beweismittel.

Tatsächlich hatte der Beklagte, obwohl er gar nicht Inhaber der Internetseite war, wider seiner Überzeugung nach dem Erlass der Verfügung eine neue Version der Broschüre erzeugt und verbreitet. Die Internetseiten www.gentechnik-seilschaften.siehe.website, wegen derer er in Saarbrücken vor Gericht stand, liefen nie auf seinen Namen. Doch Schrader und Schmidt ging es darum, den Autoren der Broschüre mundtot zu machen - und brav beschloss das Gericht, dass der Beklagte für die Internetseite verantwortlich sei. Geprüft hat es das nie. So blieb dem Beklagten wieder nur die Beschwerde (22.10.2009) und zwei Tage später die Abgabe einer genaueren Begründung.

Während also das Gericht seine zwei Geschwindigkeiten beim Verfolgen eines politisch gewünschten Zieles zeigte, näherte sich der neu geladene Termin des 7.12.2009. Erstmals sollten sich die KontrahentInnen im Gerichtssaal treffen - vor den drei RichterInnen, die ihre Voreingenommenheit und Befangenheit so deutlich gezeigt hatten. Sicherlich gegen eigene Überzeugung gewährten sie dem Beklagten am 2.12.2009 sogar Fahrtkosten. Unter dem Druck des eindeutigen Beschlusses des höheren Gerichts zur Prozesskostenhilfe wollte das Landgericht wohl keine weiteren Fehler machen.

Außerdem flatterte noch ein Brief der KlägerInnen ins Haus. Schrader und Schmidt ließen die Anwaltskanzlei am 17.11.2009 zum Widerspruch gegen die Vollstreckung Stellung nehmen. Der Text erreichte die Beklagten am 3.12. und war starr vor Hass - ein, am Ende ja erfolgreicher, letzter Versuch, das Gericht weiter gegen die Person des Beklagten einzuschwören. Argumente fehlten weitgehend. Es ging um die Vollstreckungsstrafe. Denn obwohl noch gar kein Gerichtstermin stattfand, hatte der Autor der Broschüre über die Seilschaften ja schon die erste Strafe kassiert. Den Beleg, dass verbotene Aussagen im Internet enthalten waren, blieben Schmidt und Schrader jedoch schuldig. Stattdessen beriefen sie sich nun auf die Aussage des Gerichtes, eine solche Broschüre gesehen zu haben - doch niemand konnte sie je vorlegen. Ein Ablauf ganz nach dem Geschmack der Gentechnikfans, die die Beweiserhebung ja umgehen wollten. Die KlägerInnen sagten dem Gericht, es sei so und so. Das Gericht überprüfte das nicht, sondern beschloss: Ja, es war so und so. Und darauf stützten dann die Kläger alles Weitere. Als der Beklagte widersprach, warfen sie ihm "den Tatbestand der üblen Nachrede, wenn nicht gar der Verleumdung" vor. Der sei erfüllt, stand als Tatsachenbehauptung im Schreiben - obwohl nie ein Gericht dazu geurteilt hatte. Wer einem Gericht widerspricht, verleumdet automatisch, weil das Gericht immer recht hat: "Der Verfügungsbeklagte bezichtigt das erkennende Gericht mit seinen Ausführungen somit der Lüge". Und das ist dann eben auch gleich eine Straftat, so die Logik. Einmal in Fahrt, warfen sie selbst mit Beleidigungen um sich: "Er ist es nämlich, der unbescholtenen Bürgern kriminelle Handlungen vorwirft, ohne diese Vorwürfe auch nur im entferntesten nachweisen zu können. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass er in einem der 'Feldzerstörer-Prozesse' bereits in zweiter Instanz zu einer 6-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Dies zeigt doch eindeutig, dass der Vollstreckungsschuldner über keinerlei nennenswerte Selbstreflexion verfügt und sich vielmehr fast ausschließlich der Konstruktion von Verschwörungstheorien widmet." Die Verurteilung wegen einer Feldbefreiung gehört zwar gar nicht zum Thema, klingt aber mächtig böse.

Im Original: Schreiben der Kläger am 17.11.2009 ...





Entgegnung der Beklagten am 11.12.2009

7.12.2009: Erstmals vor Gericht ...
Jeder Akt sollte ein Vorspiel haben - so war es auch hier. Es begann am Sonntag 6.12., 18 Uhr in Saarbrücken im Kultur- und Werkhof und war ein Vortrag über die Seilschaften. Am Folgetag luden Aktion 3. Welt Saar und Attac zu einem Pressegespräch und vor dem Gerichtsgebäude standen DemonstrantInnen, die sich gegen Zensur und die Agro-Gentechnik wehrten (siehe Fotos). Eine Überraschung kam aus Berlin: Passgenau zum Prozessauftakt präsentiert das Gen-ethische Netzwerk etwas Neues. Das Gen-ethische Netzwerk schaltete sein Lexikon der Gentechnik-Seilschaften im Internet frei und bewarb es in einer Presseinfo mit Bezug "zu dem heute in Saarbrücken stattfindenden Prozess gegen den Gentechnik-Kritiker Jörg Bergstedt." In der richtigen Ahnung sagten die Autoren der Presseinformation voraus: "Auch vor Gericht wird an der Sache - dem engen Beziehungsgeflecht zwischen den Behörden und denen, die eigentlich kontrolliert werden sollen - vorbei gestritten." So geschah es auch.


Demonstration vor dem Landgericht Saarbrücken am 7.12.2009


Doch der Prozess dauerte nur 30 Sekunden und platzte dann. Uwe Schrader, Chef des Gentechnik-Lobbyverbandes InnoPlanta, hatte da noch gar nicht Platz genommen. Der Anwalt des Beklagten hatte einen Befangenheitsantrag vorgelegt und stichhaltig begründet, dass das Gericht die Sachaufklärung fortgesetzt behindere. Konkreter Anlass war die inzwischen drei Monate andauernde Weigerung, eine Frist zur Hauptsachklage zu setzen (siehe oben). Denn nur im Hauptsacheverfahren wäre eine präzise Aufklärung möglich. Das aber schien das Gericht nicht zu wollen - und so der Befangenheitsantrag. Als zusätzlicher Grund wurden Verschleppung und sozialrassistische Anwandlungen im Umgang mit der Prozesskostenhilfe geltend gemacht. Dieser Antrag musste nun erst einmal bearbeitet werden - und so war das Verfahren schnell zu Ende.
Gut vertreten waren Medien von Rundfunk über Zeitungen bis zu Presseagenturen. Uwe Schrader versuchte nach dem Prozess in seinen Erklärungen, den Spieß umzudrehen und behauptete, dass der Befangenheitsantrag die Aufklärung verhindern solle. Dass die Behinderung von Aufklärung Gegenstand des Antrags war, erwähnte er nicht. Klar dürfte aber sein, dass die Gegenseite den Plan hatte, den Maulkorb schnell und geräuschlos zu verhängen. Ohne die Intervention des Oberlandesgerichtes gegen die rechtswidrigen Ablehnungen der Prozesskostenhilfe durch das Landgericht (mit Nachtreten) wäre der Plan vermutlich sogar aufgegangen. Nun aber wirkte das Gericht überrascht, dass Gegenwehr kam und zog deshalb wohl auch schnell die Reißleine. Jetzt musste hinter den dicken Mauern des Gerichts und vielleicht auch in den Seilschaften der Gentechnik ein neuer Plan her, wie dieser Prozess zwar mit Maulkorbverhängung, aber ohne Verhandlung zur Sache zu Ende zu bringen sei.

Nach dem Prozess führten viele Anwesende noch einige Diskussionen vor dem Gebäude - auch mit den anwesenden JournalistInnen. Während Uwe Schrader eher unzufrieden wirkte und seinen Anwalt um Aufklärung zu dem unvorhergesehenen Ablauf bat, signierte der als Zuschauer anwesende Horst Rehberger brav sein Buch "Unterwegs", in dem er davon träumte, dass Europa weiter mit seiner Technik die Welt beglücken solle (wie bisher schon?) und mitteilte, dass er mit Uwe Schrader die "Leidenschaft" für die grüne Gentechnik teile.


Ausschnitt von S. 243 aus dem Buch "Unterwegs" von Horst Rehberger ... und die Widmung


Rehberger (bzw. Kanzlei) ist allein schon interessant, tritt hier doch ein skandalumwobener Ex-Minister von Sachsen-Anhalt auf, der dort nicht nur die Gentechniklobby mästete, sondern offenbar auch sich selbst:
  • Rehberger und andere Westpolitiker importierten nicht nur westlichen Kapitalismus von oben herab ins Ost-Bundesland, sondern füllten sich die eigenen Taschen. Der Spiegel nannte sie "Raffkes", in: "Alles ausgegeben", Spiegel 47/1995 (20.11.1995) ++ Späterer Strafprozess, in: Die Welt, 30.8.1996 ++ Rehberger zweites Mal Minister - und wieder ..., in: "Harsche Kritik an Wirtschaftsminister Rehberger", MZ am 23.7.2004
  • Strafanzeige gegen Horst Rehberger (SR Online, 15.7.2010)

Das Nachspiel zum 7.12. ist das Vorspiel zum nächsten Verhandlungstermin
Der Druck auf das Gericht wirkte: Schrader/Schmidt wurd eine Frist von 14 Tagen zur Erhebung der Hauptsachklage gesetzt. Jetzt mussten sie sich entscheiden - ein umfangreiches Verfahren, in dem alles genau geprüft werden würde, oder klein beigeben! Sie entschieden sich - möglicherweise nach Vorabklärungen mit dem Gericht - für die die große Auseindersetzung und reichten Hauptsachklage ein. Jetzt hätte es spannend werden können - aber das genau wollte das weiter befangene Gericht ja nicht und entwickelte einen neuen Plan. Wussten Schrader und Schmidt davon bereits, als sie Hauptsachklage einreichten?
Absurderweise fällte die gleiche Kammer die ersten Beschlüsse. Als ginge es nicht um die gleiche Sache! Im Eilverfahren lief gerade ein Befangenheitsantrag, aber hier machen die gleichen Personen einfach weiter. Formal korrekt, aber eben ein Zeichen, wie wirklichkeitsfremd Justiz ist. Auch sonst ging zunächst alles seinen formalen Lauf: Die RichterInnen gaben nichtssagende Erklärungen zum Befangenheitsantrag ab - und schließlich wurde die Befangenheit abgelehnt. Da hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. Anwalt Döhmer legte wieder Beschwerde ein ( was bleibt einem sonst?) und reichte die - wie immer zusammen mit dem Beklagten erstellte - Begründung am 22.1.2010 nach. Doch auch das höhere Gericht (OLG am 8.2.2010) fand alles völlig in Ordnung. Sozialrassismus, Verschleppung in politischer Absicht ... das ist schlicht normal. Wahrscheinlich haben sie sogar recht. Am 12.3. setzte das, formal ja von jeglichem Befangenheitsverdacht reingewaschene Gericht den nächsten Termin fest: Montag, 29.3., um 12 Uhr. Gleicher Ort. Derweil riss der Briefeschreibfluss, den ein solches Verfahren auszeichnet, nicht ab. Während der Befangenheitsantrag durch die Instanzen getrieben wurde, erwiderte der Beklagte am 8.3.2010 die Hauptsachklage und legte nun das umfangreiche Beweismaterial vor: Dicke Aktenordner wechselte per Paket den Besitzer. Darauf schickten die KlägerInnen am 22.3. ein Schreiben zur Klageergänzung. Der Kurs der KlägerInnen blieb: Nichts sei beleigt und über die Broschüre werde nicht geredet. Offenbar schien ihnen diese zu gut belegt. Verboten werden sollten die zentralen Aussagen und Fazite aber trotzdem.

Mehr Einschüchterung: Strafanzeige
Schrader wandte sich auch an die Staatsanwaltschaft - und die zettelte brav ein Ermittlungsverfahren an, obwohl die Texte aus der Akte selbst deutlich zeigen, dass es überhaupt keine Hinweise und Anhaltspunkte gibt. Weder wird eine Beleidigung konkret beschrieben noch liegt außer dem Hass auf die Kritiker ein Hinweis vor, wer das als Anlass genommene Flugblatt verteilt haben soll. Für die willigen Vollstrecker*innen der Macht- und Kapitalinteressen aber scheint der Wunsch schon ein ausreichender Grund ...



Oben: Aus der Anklageschrift und dem Ermittlungsbericht ++ Unten: Aus der Strafanzeige


Auf ein Neues: Gerichtsverhandlung am 29.3.2010
Auch diesmal hatte alles wieder in kleines Vorspiel. Am Freitag, den 26. März, lief um 19 Uhr im BioFrischMarkt Saarbrücken der Vortrag "Monsanto auf Deutsch" zu den Gentechnik-Seilschaften. Als es dann losgehen sollte, waren wieder einige UnterstützerInnen gekommen - leider erneut nur wenige aus Saarbrücken selbst. Das sollte sich ändern, fanden viele, denn auf Dauer ist es nicht zumutbar, dass Menschen solch lange Strecken fahren (diesmal waren u.a. Unterstützer aus dem Bodenseeraum und nahe Stuttgart dabei).

Der zweite Verhandlungstag dauert knapp eine halbe Stunde - obwohl jetzt sogar zwei Verfahren in einem abgewickelt wurden. Denn es war der zweite Termin im Eilverfahren und der erste im neuen, inzwischen ja eröffneten Hauptsachverfahren . Wieder wurden nur die eigentlich schon ausgetauschten Schriftstücke nochmal erwähnt, die schon gestellten Anträge nochmal gestellt. Das hat allein formale Ursachen, denn Anträge müssen mündlich benannt werden, sonst zählt es nicht. Das Gericht wusste immer schon, wer was vorschlägt und legte den beiden Anwälten die Formulierungen in den Mund.

Am Ende legte das Gericht dann für den 26.4. um 9 Uhr, Saal 114 im Nebengebäude des Landgerichts einen Verkündungstermin fest. Was sie dort verkünden wollten, verrieten sie nicht. Dass es bereits das Ende von Allem sein würde, ahnte niemand. Denn Beweise waren noch keine erhoben. Und sollten es auch nicht. Das Gericht blieb der alten Linie treu - auch im eigentlich der umfangreicheren Beweiserhebung dienenden Hauptsachverfahren: Maulkorb verhängen ohne Prüfung in der Sache!
Das strebten auch die KlägerInnen an, die ihre Anwälte am 16.4.2010 nochmal zu allem Stellung nehmen ließen. Denen lagen jetzt alle Quellen in einem dicken Aktenordner vor (siehe Downloads dieser Akte unten), dennoch wurde weiter behauptet, es gäbe keine Belege zu den untersagten Formulierungen. Darum schickte auch der Beklagte am 19.4.2010 nochmal ein Schreiben, in dem zu allen verbotenen Aussagen noch einmal die gesamten Beweise und Quellen zusammengestellt werden. Dieses Schreiben bildete, weil entsprechend den untersagten Passagen sortiert, die übersichtlichste Gegendarstellung zur Maulkorbklage. Für die Welt draußen wurden die Neuigkeiten am 18.4.2010 zusammengefasst.

26.4.2010: Der Schock - Urteil bereits im Hauptsachverfahren!
Was am 26.4. dann verkündet wurde, war selbst für die, die das Gericht von Anfang an als befangen erlebt hatten, überraschend. Die drei RichterInnen fällten nämlich bereits das Urteil im Hauptsacheverfahren. Der Maulkorb wurde wunschgemäß verhängt. Ohne jegliche Erörterung, Beweiserhebung oder Vernehmung von ZeugInnen fiel in einem Hauptsachverfahren ein Urteil. Und das hatte es in sich: Etliche Tatsachenbehauptungen wurden einfach zu Meinungen umgedeutet, um ihren Wahrheitsgehalt nicht überprüfen zu müssen. Dabei hatten selbst die Kläger schon ganz zu Beginn am 30.9.2009 ausgeführt: "Tatsachen sind solche Sachverhalte, die dem Beweis zugänglich sind, dies ist bei den o. g. Passagen des Dokuments der Fall, es handelt sich mithin um Tatsachenbehauptungen." Sie wiederholten das bis zum Schluss, nämlich auch noch in ihrem letzten Schriftsatz vom 16.4.2010 (Fehler im Original): "Hinsichtlich der streitgegenständlichen Passagen wird nach wie vor davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Tatsachenbehauptungen, welche dem Beweis zugänglich sind und nicht um Werturteile handelt, welche auf einer persönlichen Meinung beruhen. Hiervon geht der Verfügungsbeklagte im Übrigen selbst aus, da er davon spricht, dass bei der in der 'Broschüre mitgeteilten Tatsachen sorgfältig recherchiert worden sind und der Wahrheit entsprechen'." Damit hatten sie völlig recht. Doch obwohl KlägerInnen und Beklagte sich hier einig waren, fällte das Gericht genau die gegenteilige Entscheidung. Aus fast allen Tatsachenbehauptungen wurden zunächst Meinungsäußerungen, um die Belege gar nicht mehr anschauen zu müssen. Sodann deutete das Gericht alles zu unerlaubten Schmähkritiken um, damit die Meinungsfreiheit nicht mehr greift. "Offensichtlich ist, dass das Gericht durch solche Umdeutung eine Beweiserhebung, wie sie für Tatsachenbehauptungen notwendig wäre, verhindern und so den Verfügungsklägern auf nicht zulässige Art zum Erfolg verhelfen und gleichzeitig vor einem genaueren Blick hinter die Kulissen ihres Wirkens schützen wollte", schrieb der Anwalt des Beklagten später in der Berufung.

Propaganda - kommt nur in Diktaturen vor ...
Das einzige, was dem Landgericht überhaupt zu bescheinigen werden konnte, war eine beachtliche Phantasie im Verdrehen von Recht. Denn ganz so einfach war das nicht, aus Begriffen wie Propaganda oder Geldwäsche eine Schmähkritik zu basteln - und dann noch das Schreiben des Beklagten vom 19.4.2010 mit genauen Erklärungen dieser Vorwürfe wegzuwischen. Dem Gericht gelang das wie folgt: Zunächst wurde die Tatsachenbehauptung umgedeutet, anschließend die Meinungsäußerung im zweiten Schritt zur Schmähkritik aufgewertet. So gelangt es selbst, den Begriff „Propaganda“ zu verbieten. Das eigentlich harmlose, in Literatur und Medien vielfach benutzte Wort wurde im Urteil zum Begriff für Manipulation, der nur in diktatorischen Systemen gebräuchlich sei, umdefiniert. Dann leitete das Gericht aus dieser willkürlichen und mit nichts belegten Definition die Ungerechtfertigkeit des Vorwurfs ab, um ihn folglich als Schmähkritik zu untersagen. Es wäre für das Gericht einfach gewesen, den allgemeinen Gebrauch und den Sinngehalt des Begriffes „Propaganda“ zu prüfen. Er ist in vielen Medien, z.B. in einem Bericht in „Der Spiegel“ für Werbung der Atomkraftindustrie an Schulen: "Der Unterrichtsbogen zur Kernenergie wirkt jedenfalls wie ein Propagandapapier der Atomlobby und das ist er auch." Die Neue Rheinische Zeitung bezeichnete Äußerungen des Präsidentschaftsbewerbers Joachim Gauck am 7.7.2010 als "Neoliberale Propaganda". In Braunschweig heißen sogar gewöhnliche Werbeagenturen so - alles Diktatur? Lexika wird das Gericht auch nicht benutzt haben. So gibt es beispielsweise in der Internetenzyklopädie „Wikipedia“ keinerlei Hinweise auf die Verwendung nur in Diktaturen. Als Belege stellte der Beklagte für die Berufung deshalb eine Sammlung von Beispielen zusammen.

Im Original: Begriff "Propaganda" im deutschen Sprachraum ...
Definition auf Wikipedia:
Propaganda bezeichnet einen absichtlichen und systematischen Versuch, Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu steuern, zum Zwecke der Erzeugung einer vom Propagandisten erwünschten Reaktion. Der Begriff 'Propaganda' wird vor allem in politischen Zusammenhängen benutzt; in wirtschaftlichen spricht man eher von 'Werbung', in religiösen von 'Missionierung'. Nicht jedes politisch werbende Handeln ist Propaganda; z.B. werden Sichtweisen auch unbeabsichtigt durch erfahrene Wohltaten oder beobachtete Verdienste geformt. Propaganda im modernen Sinne ist demgegenüber eine eigens zur Beeinflussung, Manipulation und Herrschaftssicherung eingesetzte Werbetechnik. Entscheidend ist dabei die geschickte Auswahl und gegebenenfalls die Manipulation der Nachricht und nicht ihr Wahrheitscharakter. Durch die Monopolisierung der Propaganda in diktatorischen Regimen - insbesondere des Nationalsozialismus und Stalinismus - erhielt der Terminus einen stark pejorativen Charakter. Dennoch ist die gezielt einseitige Darstellung von Informationen eine gängige Praxis, auch in Demokratien.

Ex-Report-Moderator Franz Alt am 13.6.2010 zur Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: "Was BP trotz aller grüner Propaganda wirklich treibt, können wir seit sieben Wochen jeden Abend in der Tagesschau beobachten."

„Der Spiegel“ über Werbung der Atomkraftindustrie an Schulen: "Der Unterrichtsbogen zur Kernenergie wirkt jedenfalls wie ein Propagandapapier der Atomlobby und das ist er auch ..."

Die Neue Rheinische Zeitung über Äußerungen von Joachim Gauck am 7.7.2010: "Neoliberale Propaganda".

Straßenschild einer Werbeagentur in Braunschweig

Den Unsinn, den diese Argumentation darstellt, kann jedeR selbst nachprüfen: www.google.de/news oder www.paperball.de aufrufen und den Begriff "Propaganda" als Suchbegriff auf den Pressesuchmaschinen eingeben, gerne auch in Verbindung mit anderen Begriffen. Die Liste ist lang - und alles Einträge in Medien aus Deutschland. Leben wir in einer Diktatur oder hat die 9. Kammer des Landgerichts Saarbrücken schlicht nicht alle Tassen im Schrank?

Geldwäsche ist doch ganz anders gemeint ...
Ganz ähnlich ging das Gericht im Fall des Begriffs „Geldwäsche“ vor. Dieser Begriff bezeichnet das gesetzwidrige Verwenden von Geldern. Genau das hatte der Verfügungsbeklagte auch gemeint. Zudem hatte er umfangreiche Beweismaterialien vorgelegt, dass tatsächlich gegen Förderbestimmungen verstoßen und mehrfach Betrug mit Fördergeldern begangen wurde - allerdings weniger von den KlägerInnen, sondern direkt von den VersuchsbetreiberInnen, denen die KlägerInnen die nötige Infrastruktur bereitstellten. Offenbar wollte das Gericht aber so oder so vermeiden, diese Beweise zu sichten, wäre doch unzweifelhaft das Ergebnis so gewesen, dass den Verfügungsklägern oder ihren AuftraggeberInnen die Veruntreuung von Fördermitteln nachgewiesen worden wäre. Um das zu vermeiden, hat das Gericht im Urteil ohne jegliche Beweiserhebung und auch gegen die ausdrückliche Aussage des Verfügungsbeklagten angenommen: "Der Begriff der Wäsche von Steuergeldern ist ebenfalls nicht in klassischem Sinne der Geldwäsche zu verstehen. Es ist vielmehr ein sprachliches Mittel in der Bezugnahme von Gehirnwäsche zu Geldwäsche." Doch diese Vermengung der Begriffe „Gehirnwäsche“ und „Geldwäsche“ geschah völlig zusammenhanglos. An keiner Stelle führt das Gericht dafür einen Beleg an. Tatsächlich hatte der Beklagte die Veruntreuung von Steuermitteln genau beschrieben, belegt und sogar Strafanzeige erstattet - was aber von den zuständigen Staatsanwaltschaften nie verfolgt wurde. Das Verrühren der beiden Begriffe erfolgte, um nun auch diese Tatsachenbehauptung zur Meinungsäußerung umdefinieren zu können. Eine Beweiserhebung entfiel dann - und wiederum im zweiten Schritt behauptete das Gericht, es handele sich bei "Geldwäsche" zudem um eine unzulässige Schmähkritik. Selbst das wäre aber nicht haltbar gewesen, aber die zu solchen Meinungen längst vorliegende Rechtsprechung war im gesamten Urteil ohnehin nicht erkennbar.
Wenn es anders besser passte, wählte das Gericht im Urteil auch beliebig eben mal die fast gegenteilige Auffassung: "Bei der Aussage 'Die Beteiligten sacken für ihre dubiosen Firmenkonstrukte umfangreiche Förder- und Steuergelder ein.' handelt es sich wiederum um eine Tatsachenäußerung. Es ist dem Beweis zugänglicb, inwieweit die beteiligten Untemehmen und Personen Zahlungen erhalten." Also los, mag mensch denken: Zahlen angucken! Aber nicht so das Gericht. In die dicken Quellen-Aktenordner schauten die RobenträgerInnen nämlich lieber nicht hinein - und zu der am 19.4.2010 eingereichten Sortierung der Beweise zu den einzelnen Vorwürfen behauptete es sicherheitshalber, der "Schriftsatz vom 19.04.2010" sei diesbezüglich "nicht mehr zuzulassen" (zum Unsinn dieser Behauptung siehe unten). Frei jeglichen Wissens und jeglicher Beachtung der Schriftsätze des Beklagten urteilte das Gericht einfach: "Auch hier hat der Beklagte keine konkrete Zahlung, die zu einem näher bestimmten Zeitpunkt geflossen sein soll, dargelegt, so dass ihm eine entsprechende Außerung zu untersagen war." Tatsächlich sind die Zahlen sogar schon in der Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" enthalten und mit den dicken Quellenordnern auch belegt worden. JedeR kann selbst die Broschüre (4. und letzte Auflage) aufschlagen und z.B. auf Seite 13 (der 2. Auflage, die vor Gericht verhandelt wurde) eine lange Liste von Zahlungen sehen. Ebenso auf Seite 20 (Zahlungen an InnoPlanta). Das Gericht aber guckte weg und behauptete dann frech, es sei nichts benannt worden. So handelt ein Gericht, das lieber keine Beweiserhebung will, um das eigene Vorurteil nicht hinterfragen zu lassen ...
Das gesamte Urteil strotzte von solchen Umdeutungen. Selbst das Wort "Macher" und die Erwähnung von Schraders FDP-Mitgliedschaft verkamen jetzt zu einer unzulässigen Schmähkritik, aufgeladen mit allerlei vom Gericht frei erfundenen Inhalten, die diese unscheinbaren Wörtchen so alles aussagen sollten.

Beweise ignorieren, immer neue einfordern und diese dann "nicht mehr zulassen"
Einer der auffälligsten Punkte ist der Umgang von KlägerInnen und Gericht mit den vorgelegten Beweisen. Weder die umfangreichen Aktenordner noch das nach expliziter Aufforderung der KlägerInnen genau zu den einzelnen angegriffenen Passagen alle Belege nochmal benennende Schreiben des Beklagten wurden beachtet. Die Ordner wurden von den KlägerInnen ignoriert und in den Schriftsätzen penetrant behauptet, es seien keine Belege vorgelegt worden.
So handelte auch das Gericht. Zu den umfangreichen Belegeordnern fand sich im Urteil gar nichts, sondern immer nur die Leier, dass "der Beklagte die Behauptung nicht in ausreichender Form substantiiert dargestellt" hätte. Das letzte Schreiben vom 19.4.2010 wird zwar erwähnt, aber - obwohl von den KlägerInnen ausdrücklich eingefordret - mit einem bösen Trick einfach weggewischt:"Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 19.04.2010 neuen Sachvortrag bringt, der keine Erwiderung auf das Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 22.03.2010 darstellt, war er wegen § 296a ZPO nicht mehr zuzulassen". Sichtbar hatte das Gericht erkannt, dass die Quellenlage sehr gut war - und wollte sich lieber nicht damit beschäftigen. Möglicherweise hat das Schreiben vom 19.4.2010 das Gericht sogar erst dazu gebracht, schnell und ohne weitere Beschäftigung mit den Sachfragen auch im Hauptsachverfahren zu entscheiden. Hatte es die dicken Quellenordner nämlich einfach nur missachtet, so musste es durch den Schriftsatz vom 19.4. doch erkennen, dass die Kritik an den Gentechnik-Seilschaften schlicht hieb- und stichfest erfolgt war. Die öffentliche Schmach, dieses in einem Urteil festzustellen, wollte das Gericht - wahrscheinlich absprachegemäß - aber verhindern. So urteilte es einfach ohne irgendeine Prüfung oder Erhebung von Beweisen.

Im Original: Erfundene Abwesenheit von Belegen ...
Vor, während und nach dem Prozessende ...
Am 22.3.2010 behaupteten die KlägerInnen trotz der vorgelegten Belege-Ordner weiterhin, dass zu den angegriffenen Tatsachenbehauptungen keine Beweise erbracht worden seien (Fehler im Original):
Zunächst ist nochmals festzustellen, dass lediglich die in der Klage genannten Passagen Gegenstand des Rechtstreites sind. Daher ist völlig unerheblich, ob weitere Passagen des Dokumentes substantiiert bestritten wurden. Die Kläger haben in der Klageschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass die streitgegenständlichen Passagen, bei denen es sich zudem ausschließlich um persönliche Angriffe handelt, unwahr sind. Der Beklagte mag seine Broschüre ohne die streitgegenständlichen Angriffe im Netz belassen.
Weiterhin handelt es sich bei diesen Behauptungen um üblen Nachreden, da der Antragsteller Tatsachenbehauptungen über die Beklagten verbreitet hat, die geeignet sind, diese verächtlich zu machen und auch deren Ansehen in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen, da er ihnen u.a. kriminelle Handlungen vorwirft. Tatsachen sind solche Sachverhalte, die dem Beweis zugänglich sind, dies ist bei den o. g. Passagen des Dokuments der Fall, es handelt sich mithin um falsche Tatsachenbehauptungen. Den Beklagten träfe vorliegend die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen, dass die Kläger
- beabsichtigten, "Steuermittel in eine Zentrale für Genetikpropaganda und undurchsichtiger Firmengeflechte zu verschieben",
- einer Seilschaft für Fördermittelveruntreuung angehören,
- beabsichtigten in Üplingen ein neues El Dorado für Geldwäsche entstehen zu lassen,
- rücksichtslos und profitorientiert seien
- für "ihre dubiosen Firmenkonstrukte umfangreiche Firmen- und Steuergelder" einsacken würden
- Angehörige einer "Gentechnikmafia" seien
und dass das AgroBioTechnikum, dessen Geschäftsführerin die Klägerin ist, vor allem"der Propaganda und der Veruntreuung großer Mengen von Steuergeldern" diene sowie die BioTechFarm in Üplingen,
deren Geschäftsführerin ebenfalls die Klägerin ist, „wichtig zur Wäsche von Steuergeldern in einem unübersichtlichen Gewirr von Firmen" sei;
sowie dass der Kläger
- der "Macher aus dem IPK-Filz in Gatersleben" sei und Demonstranten "gekauft" habe.
Für die Wahrheit dieser Aussagen bietet der Beklagte jedoch keinerlei Beweis an. Die bisher angebotenen Beweismittel sind zum Beweis der streitgegenständlichen Behauptungen des Beklagten ungeeignet. Der Vortrag liegt neben der Sache.


Aufgrund dieser nochmaligen Aufforderung stellte der Beklagte die bereits vorgelegten Beweise nun so zusammen, dass sie von der Gliederung her den angegriffenen Behauptungen entsprachen. Dazu war der Beklagte nicht verpflichtet. Er hatte alle Belege für die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" insgesamt überreicht und diese passend zur Broschüre sortiert. Da die Broschüre auch die angegriffenen Passagen enthielt, waren auch die Belege bereits ins Verfahren ordnungsgemäß eingebracht. Doch die KlägerInnen behaupteten - wie das Gericht im Urteil später auch - es sei nichts belegt worden. Offenbar hatten sie den Belege-Ordner nie angeguckt oder es taktisch für sinnvoller erachtet, den nicht zu erwähnen. So entschloss sich der Beklagte, noch einmal die jeweils zu den angegriffenen Passagen gehörenden Belege sortiert zusammenzustellen (siehe Schreiben vom 19.4.2010, Seite 4 bis 39). Die Zusammenstellung war eingeleitet mit den erklärenden Worten: "Obwohl es aus den genannten Gründen, vor allem weil in der Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" und den vorgelegten Quellen bereits ausreichende Beweise enthalten sind, überflüssig ist, diese nochmals vorzutragen, sollen im Folgenden die bereits vorgetragenen Beweise zu den einzelnen streitgegenständlichen Äußerungen noch mal aufgeführt werden. Die Äußerungen sind dabei in der Reihenfolge aufgeführt, wie sie in der Klage enthalten sind."

Daraufhin kam das Urteil - und was machte das Gericht? Es behauptete zum einen weiterhin, es seien keine Belege erbracht worden. Dann aber setzte es noch einen drauf und wischte das Schreiben vom 19.4.2010 einfach weg: "Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 19.04.2010 neuen Sachvortrag bringt, der keine Erwiderung auf das Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 22.03.2010 darstellt, war er wegen § 296a ZPO nicht mehr zuzulassen". Dabei war völlig eindeutig, dass die KlägerInnen selbst am 22.3.2010 gefordert hatten, dass den Beklagte "die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen" treffe. Genau das erfüllte der Beklagte mit dem Schreiben vom 19.4.2010. Trotzdem stellte das Gericht nebulös in den Raum, dass der Sachvortrag "neu" und "keine Erwiderung auf das Vorbringen der Kläger" sein könnte, deshalb "wegen § 296a ZPO nicht mehr zuzulassen" sei. Was genau das Gericht damit meinte, blieb im Unklaren. Da aber im Urteil zu allen Punkten behauptet wurde, es seien keine Belege vorgebracht worden, muss angenommen werden, dass das Gericht mit diesem Trick einfach alle Belege wegdefiniert hat.

Auch im vorgelagerten Eilverfahren (einstweilige Verfügung), das formal aber mit dem Hauptsacheverfahren nicht so viel zu tun hatte, wurde um die Frage ständig gestritten, was eigentlich Gegenstand des Verfahrens sei. So schrieben die KlägerInnen am 30.9.2009 (Fehler im Original): "Zunächst ist nochmals festzustellen, dass lediglich die im Antrag der einstweiligen Verfügung genannten Passagen Gegenstand des Verfahrens sind. Daher ist völlig unerheblich, ob weitere Passagen des Dokumentes substantiiert bestritten wurden. Die Antragsteller haben in der Antragsschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass die streitgegenständlichen Passagen, bei denen es sich zudem ausschließlich um persönliche Angriffe handelt, unwahr sind. Der restliche Inhalt des Dokumentes ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und hat somit außer acht zu bleiben. Die Antragsteller und nicht der Antragsgegner bestimmen den Streitgegenstand.
Weiterhin handelt es sich bei diesen Behauptungen um üblen Nachrede, da der Antragsteller Tatsachenbehauptungen über die Antragsteller verbreitet, die geeignet sind, diese verächtlich zu machen und auch deren Ansehen in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen, da er ihnen u.a. kriminelle Handlungen vorwirft. Tatsachen sind solche Sachverhalte, die dem Beweis zugänglich sind, dies ist bei den o. g. Passagen des Dokuments der Fall, es handelt sich mithin um Tatsachenbehauptungen.
Da die vom Antragsteller getätigten, streitgegenständlichen Behauptungen somit unzweifelhaft den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen, trifft den Antragsteller vorliegend die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen, ...
" (es folgte die gleiche Aufzählung wie am 22.3.2010, siehe daher oben). Das weitere Schreiben prägten wüste Beschimpfungen und Unterstellungen mit dem Tenor, es gäbe keine Beweise und der Beklagte hätte auch keine zu bieten: "Die Wahrheit dieser Aussagen weist der Antragcsteller weder in dem Dokument 'Organisierte Unverantwortlichkeit' nach, noch wird sie in dem Widerspruch glaubhaft gemacht. Bei den streitgegenständlichen Passagen es handelt sich vielmehr um unverifizierbare Behauptungen, die nur zu dem Zwecke getätigt wurden, das Ansehen der Antragsteller herabzusetzen und sie in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen. Beweise für diese Behauptungen legt der Antragsteller jedenfalls nicht vor, er ergeht sich vielmehr in Verschwörungstheorien. Völlig zu Unrecht geht der Antragsgegner davon aus, dass den Antragstellern die Beweislast für die Unwahrheit seiner Behauptungen obläge. Vielmehr liegt die Beweislast für die Wahrheit dieser Behauptungen allein beim Antragsgegner. Der Versuch von den Antragstellern daher eine Rechtfertigung bezüglich ihres Handelns bzw. ein substantiiertes Bestreiten des gesamten Inhaltes des Dokuments zu fordern ist geradezu absurd. Es wäre daher durchaus interessant zu erfahren, wie der Antragsteller die streitgegenständlichen Passagen 'sorgfältig recherchiert' haben will und in welchen allgemein zugänglichen Quellen die Antragtragsteller in der beanstandeten Art und Weise bezeichnet werden." Am 17.11.2009 legten die KlägerInnen sogar noch einmal und behaupteten nun, der Beklagte sei es, "der unbescholtenen Bürgern kriminelle Handlungen vorwirft, ohne diese Vorwürfe auch nur im entferntesten nachweisen zu können." Doch die umfassende Zusammenstellung mit allen Belegen einschließlich passgenauer Übersicht nahmen KlägerInnen und Gericht nie zur Kenntnis ...


Auch absurd: Das Eilverfahren lief noch weiter. Will heißen: Das eigentlich vorgelagerte Eilverfahren lief noch, als die Hauptsache schon beendet war - phantasievolle Prozessgestaltung eines Gerichts im Dienst der Gentechnik-Seilschaften. Die Kläger nahmen nochmal Stellung im Eilverfahren. Dann fiel auch dort das Urteil - abgeschrieben vom Urteil im Hauptsacheverfahren.



Zweite Instanz: Glatter Erfolg für die Meinungsfreiheit
Womit die Kläger wohl nicht rechneten: Der Beklagte und Buchautor hielt weiter durch und rief die nächste Instanz an - mit Erfolg. Am Oberlandesgericht wurde das Urteil des Landgerichts aufgehoben und genau andersherum gefasst: Alle Kritik blieb erlaubt!



Gentechnik-Seilschafter*innen reichen Verfassungsbeschwerde ein - mit Erfolg!
Mit obigem Urteil war es aber doch noch nicht zuende. Rehbergers Kanzlei kämpfte weiter im Namen der Gentechnik-Strippenzieher*innen Schmidt und Schrader. Die Verfassungsbeschwerde war ungewöhnlich schlecht geschrieben - aber die Eliten helfen sich untereinander. Die Beschwerde wurde angenommen und Teile des OLG-Urteils aufgehoben. Es waren zwar nur wenige Details, aber gefühlt dürfte das wie ein Sieg für die Gentechnik-Seilschaften gewesen sein.


Wiederholungen am Oberlandesgericht
Das OLG musste also nochmal ran und verhängte erstmal einen Maulkorb zu den Teilen, die das Verfassungsgericht moniert hatte (Bericht in Saarbrücker Zeitung vom 16.10.2012). Wie zu erwarten war, stand dabei die Einschränkung im Mittelpunkt - nicht mehr die Sachen, in denen Schmidt/Schrader verloren hatten.

Dann lief wieder das Hauptsacheverfahren an ...

Dann folgte die Gerichtsverhandlung, in dem ein Vergleich ausgehandelt wurde (Protokoll vom 16.9.2013). Doch der wurde von Schrader/Schmidt bzw. deren Anwälten am 27.9.2013 widerrufen. Die Beklagten nahmen dazu am 14.10.2013 noch einmal Stellung. So musste das Gericht ein Urteil fällen - und tat das am 15.11.2013 mit der Untersagung der Vorwürfe von Geldwäsche und Betrug. Eine Verfassungsbeschwerde seitens des Beklagten wurde vom Verfassungsgericht nun nicht angenommen - manche Menschen sind halt gleicher als andere. Genützt hat das den Seilschaften aber nichts mehr - in der Zwischenzeit waren sie vom Protest völlig zerrieben, die meisten Firmen aufgelöst und die Versuchsfelder verlassen ...

Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit": Dritte Auflage ++ 4. Auflage (nur noch als PDF)

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