Kopfentlastung

Ö-PUNKTE 1/1998

MAI: Die Auflösung staatlicher Souveränität im Interesse internationaler Konzerne


1. MAI: Die Auflösung staatlicher Souveränität im Interesse internationaler Konzerne
2. Aktionen gegen das MAI
3. NABU unterstützt Siemens
4. Aufbruch 21
5. Führungsnachwuchs

Die Auflösung staatlicher Souveränität im Interesse internationaler Konzerne


Literatur

Umweltbundesamt

Daten zu Umwelt 1997

(1997, E. Schmidt in Berlin, 570 S.)

Nach vier Jahren Pause wieder Standard der offiziellen Seite: Das Umweltbundesamt hat in Tabellen und Karten die neuen Daten zusammengestellt, gegliedert nach den Themenbereichen Aktivitäten, Atmosphäre, Luft, Boden, Wasser, Meere, Natur und Landschaft, Wald, Abfall, Lärm, Radioaktivität und Gesundheit. Erläuternde Texte helfen bei der Zahleninterpretation. Es fällt auf, daß die positiven Zahlen im Vordergrund dargestellt werden.

CD-ROM

Das alternative

Branchenbuch

Erstmals gibt es das Adressenbuch auch als datengefüllte Glitzerscheibe für Computerfreaks sicher ein attraktives Angebot. Und sie hält, was sie verspricht. Fast sensationell ist, daß keine Daten auf die Festplatte müssen, alles läuft von der CD selbst. Das Suchprogramm ist sehr einfach, aber dadurch verständlich und funktioniert gut. Auf Dauer wäre wünschenswert, wenn zu den Schlagwörtern aus dem Buch zu jedem Eintrag auch noch weitere Stichworte möglich sind.
Vertreter der 29 reichsten Industrieländer der Welt (OECD-Länder) beabsichtigen ein Multilaterales Abkommen für Investitionen (Multilateral Agreement on Investment - MAI) zu schließen. Die Konzeption für den zu schließenden Vertrag beinhaltet, daß die Regierungen der unterzeichnenden Staaten nicht berechtigt sind, Entscheidungen zu treffen, die in irgendeiner Weise gegen wirtschaftliche Interessen von Unternehmen - vor allem von Großkonzernen verstoßen. Ein solcher Vertrag, der letztlich die Aufgabe der staatlichen Souveränität bedeutet, ist in höchstem Maße verfassungswidrig. Er beinhaltet die Auflösung des demokratischen Rechtsstaates.

Konkret heißt das: Die internationalen Konzerne bestimmen die Gesetzgebung in den Bereichen Arbeitsschutz, Arbeitsplatzsicherung, Mindestlohn, Umweltschutz, Konsumentenschutz, Presse- und Meinungsfreiheit, usw. Für die Bundesrepublik bedeutet dies, daß das Grundgesetz, in dessen Mittelpunkt die unantastbare Menschenwürde und das Wohl der Allgemeinheit steht, außer Kraft gesetzt wird. Jegliche Maßnahmen zum Schaden der Menschen in unserer Gesellschaft sind durchzuführen, wenn sie für die Großkonzerne von Vorteil sind.

Dr. Zimmer vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat erklärt, es sei ein Mißverständnis, daß im MAI Fragen der Souveränität, des Arbeitsschutzrechtes, der Tariffreiheit, und des Umweltschutzes berührt würden. Wenn die Verhandlungen abgeschlossen seien, werde das Ergebnis dem Bundestag zugeleitet, der sicherlich zustimmen würde. Von seinem Standpunkt aus gesehen hat Dr. Zimmer im gewissen Sinne sogar recht. Diese Fragen werden nämlich deshalb nicht berührt, weil sie im wesentlichen schon im Sinne des MAI entschieden sind. So wurde zu den 1996 verabschiedeten Deregulierungsgesetzen von den sie vorbereitenden Kommissionen (Schlichter- und Ludewig-Kommission) erklärt, ihr Sinn sei es, die Behörden als Dienstleister für die Wirtschaft zu installieren. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren ein Recht geschaffen, das unter Mißachtung der Bevölkerung allein die Interessen von Investoren berücksichtigt. Die Politiker in der Bundesrepublik, die sich diesem Recht unterwerfen, besitzen deshalb schon heute keinerlei Möglichkeiten mehr, um auf die Wirtschaft im Interesse von Natur und Umwelt Einfluß zu nehmen.

Der fehlende gesellschaftliche und politische Widerspruch zu dem ausschließlich im Interesse der Wirtschaft und zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger erfolgten Gesetzgebung wird als Einverständnis der Bevölkerung ausgelegt. Die Meinungsbildung dahingehend, daß man dem Verantwortungsbewußtsein der Unternehmen ruhig alles überlassen könne und Zertifizierung Garant für akzeptierbares Verhalten der Unternehmen sei, erfolgte auch ohne Kritik von seiten oppositioneller Kräfte bzw. von seiten der Umweltschützer. Die Lobbyisten des MAI lassen sich durch Umfragen bereits bestätigen, daß eine Mehrheit in der Bevölkerung sowieso den Einfluß der Politik gegenüber der Wirtschaft verringert sehen möchte, weil sie der Wirtschaft eher zutraut, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen.

Für die Vertreter sozialer Interessen und für Umweltschützer ist es deshalb dringend geboten, sich gegen die in der Bundesrepublik praktizierte Rechtsauffassung vom Vorrang der Wirtschaft gegenüber Menschen und Lebensgrundlagen zur Wehr zu setzen.

Traute Kirsch, Januar 1998

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