Gentechnik-Seilschaften

ALL THAT GENDER TROUBLE ... HERRSCHAFT UND GESCHLECHTERVERHÄLTNISSE

Was ist subversive Performanz?


1. Geschlecht und Performativiät
2. Was ist subversive Performanz?

Und wie führen uns diese Gedanken über psychische Identifikation zu der Frage zurück, was eine subversive Wiederholung ist? Wie werden verstörende Identifikationen in kultureller Praxis sichtbar? Wir sollten bedenken, auf welche Weise sich Heterose xualität durch die Schaffung gewisser Illusionen über die Kontinuität von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Begehren naturalisiert. Wenn Aretha Franklin singt: "You make me feel like a natural woman", so scheint sie zunächst anzudeuten, daß durch ihre Beteiligung an der kulturellen Position "Frau" als Objekt he terosexueller Anerkennung eine Art natürliches Potential ihres anatomischen Geschlechts verwirklicht wird. Irgend etwas an ih rem "Geschlecht" wird so durch ihre "Geschlechtsidentität" ausgedrückt, die in der heterosexuellen Szene vollständig bekannt und akzeptiert wird. Es gibt keinen Bruch, keine Diskontinuität zwischen "Geschlecht" (als biologische Tatsache) und Essenz oder zwischen Geschlechtsidentität und Sexualität. Aretha ist zwar offenbar nur froh, ihre Natürlichkeit bestätigt zu bekommen, sie scheint sich paradoxerweise jedoch zugleich der Tatsache bewußt zu sein, daß diese Bestätigung niemals garantiert ist- daß der Effekt der Natürlichkeit nur als Konsequenz jenes Augenblicks der heterosexuellen Anerkennung erreicht werden kann. Immerhin singt Aretha: "You make me feel like a natural woman ", womit sie impliziert, es sei eine Art metaphorischer Ersatz, ein Akt der Hochstapelei, eine Art sublime und vorübergehende Beteiligung an einer ontologischen Illusion, die durch die profane Funktionsweise heterosexueller Travestie produziert wird.

Was aber, wenn Aretha ihr Lied an mich richten würde? Oder wenn sie eine Fummeltunte ansänge, deren Performanz ihre eigene irgendwie bestätigen würde?

Wie erklären wir diese Formen der Identifikation? Es stimmt nicht, daß es eine Art Geschlecht (sex) gibt, das in verschwommener biologischer Form existiert, die sich irgendwie durch den Gang, die Haltung, die Gestik ausdrückt, und daß die Sexualität der betreffenden Person dann diese scheinbare Geschlechtsidentität bzw. jenes mehr oder weniger magisch vorhandene Geschlecht ausdrückt. Wenn Geschlecht gleich Travestie ist und eine Imitation, die regelmäßig das ideal, dem sie nahezukommen sucht, produziert, dann ist es auch eine Performanz, die die Illusion eines inneren Geschlechts, einer Essenz oder eines psychischen Kerns erst produziert. Auf der Oberfläche produziert sie die Illusion einer inneren Tiefe durch Gestik, Bewegung, Gang (jenes Arsenal körperlicher Requisiten also, die wir als Darstellung der Geschlechtsidentität verstehen). Als Folge davon werden Geschlechtsidentitäten naturalisiert, indem sie zum Beispiel als innere psychische oder physische Notwendigkeit konstruiert werden. Trotzdem ist es immer ein Zeichen an der Oberfläche -eine Bezeichnung auf dem und mit dem öffentlich sichtbaren Körper -, das diese Illusion einer inneren Tiefe, Notwendigkeit oder Essenz produziert, die irgendwie magisch und kausal verwirklicht wird.

Wenn wir den Status der Psyche als innere Tiefe bestreiten, bedeutet dies jedoch nicht, daß wir ihre Existenz leugnen. Im Gegenteil: Die Psyche muß als zwanghafte Wiederholung neu gedacht werden, als etwas, das die repetitive Performanz der Identität bedingt und sie zugleich unbrauchbar macht. Wenn sich jede Performanz wiederholt und damit den Effekt der Identität erzeugt, dann benötigt jede Wiederholung auch sozusagen eine Pause zwischen den Akten, in der Gefährdung und psychischer Überschuß die Konstitution der Identität zu stören drohen. Der Überschuß, der jede Performanz erst ermöglicht und sie zugleich anficht und der sich während der Performanz selbst niemals offen zeigt, ist das Unterbewußte. Die Psyche ist nicht "im" Körper, sondern in eben dem Bezeichnungsprozeß, durch den der Körper erst erscheinen kann; sie ist der Fehler bei der Wiederholung und zugleich deren Zwang, sie ist das, was die Performanz leugnen will, und das, was sie von Anfang an erzwingt.

Wenn wir innerhalb dieser Bezeichnungskette die Psyche als Instabilität aller Wiederholbarkeit verorten, so ist das nicht dasselbe wie die Behauptung, sie sei ein innerer Kern, der auf seine vollständige und befreiende Verwirklichung wartet. Im Gegenteil: Die Psyche ist das ständige Scheitern der Verwirklichung, das auch sein Gutes hat, denn es treibt zur Wiederholung an und erzeugt so die Möglichkeit der Störung erneut.

(Judith Butler: Imitation und die Aufsässigkeit der Geschlechtsidentität, S. 165-168. In: Andreas Kraß (Hg.) (2003): Queer Denken. Queer Studies. Frankfurt am Main: Suhrkamp.)

  • Zitate-Sammlung von Judith Butler als .rtf (lesbar mit Word, Open Office u.a.)

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