Kopfentlastung

Ö-PUNKTE 1/1998

Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5


1. Mittelalterliche Idee als Zukunftsperspektive? Zur Geschichte des Nachhaltigkeitskonzeptes
2. Mittelalterliche Naturvorstellungen4 und Umweltprobleme5
3. Die Entstehung der Idee nachhaltiger Waldwirtschaft 8
4. Bewertung der mittelalterlichen Tradition der Nachhaltigkeitsidee
5. Aus der Idee wird ein aufgeklärtes Wirtschaftsprinzip
6. Bewertung des nachhaltigen, aufgeklärten Forstwirtschaftsprinzips
7. Die Entwicklung bis Rio im Überblick17
8. Bewertung der jüngeren Entwicklung
9. Die Konzeption von Rio22
10. Aufruf zur kritischen Diskussion

Die noch in der Frühzeit herrschende Vorstellung vom Menschen als Teil immerwährender Naturkreisläufe ist bereits zerbrochen. Auf der einen Seite steht der Mensch als Krone der Schöpfung. Auf der anderen Seite steht die Natur als bedrohliche Unordnung, die der Mensch als Lebensgrundlage in den Griff bekommen und seinen Zwecken gemäß bearbeiten müsse. Das Denken in Kreisläufen ist abgelöst von der Vorstellung, der Weltprozeß sei ein einmaliger und unwiderholbarer Ablauf (hin zum Reich Gottes), dem alles unterworfen ist.

In der Praxis spielt sich im Mittelalter eine fast unvorstellbare ökologische und soziale Katastrophe ab. Ihre Ursachen sind in stetiger Bevölkerungszunahme bei gleichzeitig wachstumsorientiertem Wirtschaftssystem zu suchen. In den Jahren von 800 bis 1150 verdoppelte bis verdreifachte sich die Bevölkerung in Altdeutschland.6 Um die Ernährung zu sichern, wurden ständig neue Flächen urbar gemacht. Der Waldanteil an der Landschaftsfläche sank bis zum Jahre 1300 auf 4 Prozent. (Heute sind es 30%). Holz war für die expandierende Wirtschaft der einzige wesentliche Energieträger für Bauten, Heizung, Nahrungszubereitung und sämtliche Gewerbearbeiten. Zur Herstellung eines Quadratmeters Kirchenglasfenster mußten beispielsweise 100 Quadratmeter Wald verheizt werden. Spätestens ab 1300 herrschte eine latente, totale Energiekrise. Und die Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen hinein in sandige, moorige und bergige Gegenden führte verstärkt zu Bodenerosion, Überschwemmungen und Schädlingsbefall. Ernteausfall war die Folge. Es wurde versucht, den Bedarf durch vermehrten Handel zu decken. Mit einem der Handelsschiffe kamen die Pesterreger nach Europa. Ihnen konnten die seit Jahrzehnten hungernden und frierenden Menschen keine Abwehrkräfte entgegensetzen. In manchen Gegenden starb bis zu Dreiviertel der gesamten Bevölkerung an Krankheiten und Seuchen. Die Pest beendete für die Verbliebenen das Rohstoff- und Energieproblem, erstmal reichten die Holzvorräte nun wieder.

Die typisch mittelalterliche Art der Reaktion auf Umweltprobleme bestand darin, Ge- und Verbote aufzustellen. Sie schlugen sich in Urkunden immer dann nieder, wenn die Grenze zur lokalen Unerträglichkeit erreicht oder überschritten war.7 Solch ein Vorgang ist die nachweisbare Entstehung der Nachhaltigkeitsidee gewesen.

 

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