Offener Raum

KURZNACHRICHTEN ZU REPRESSIONSTHEMEN

2007


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Dezember 2007
§ 129a mal wieder gescheitert ...
Nach vielen Jahren relativer Ruhe an der Terrorismusfront hatten die TopfahnderInnen dieses Landes den § 129a des Strafgesetzbuches wieder zu neuem Leben erweckt - und zwar nicht nur im Zusammenhang mit der Dauerpropaganda vermeintlich überall lauernder Islamisten, sondern auch gegen linke politische Gruppen. Hausdurchsuchungen und Verhaftungen wurden mit dem Ermittlungsparagraphen begründet. Der entpuppte sich wieder als das, was er immer war: Ein Instrument, um Menschen willkürlich zu behandeln, aber nicht um sie damit auch anklagen zu können. Der Spuk könnte vorbei oder erheblich erschwert sein. Denn Stück für Stück zeichnete sich im Herbst ein Misserfolg für das Bundeskriminalamt (BKA) und die Bundesanwaltschaft (BAW) ab. Nun wurde der Vorwurf des §129a gegen die "Militante Gruppe" fallengelassen und die U-Haft von drei Beschuldigten außer Vollzug gesetzt. Der Bundesgerichtshof entschied, dass kleinere Sachbeschädigungen überhaupt nicht geeignet sind, um den Straftatbestand des §129a zu erfüllen. Diese Entscheidung wird möglicherweise weitreichende Bedeutung auch für andere Verfahren haben. Mehr: archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200814.shtml.

"Sicherheitszusammenarbeit" innerhalb Europas
Hier hat die deutsche EU- und G8- Präsidentschaft 2007 eine wichtige Rolle gespielt: Zur Einführung neuer internationaler Zusammenarbeit und der Änderung dafür benötigter gesetzlicher Grundlagen. Auch frühere G8-Gipfel waren zentrale Ereignisse, um nach dem 11. September 2001 einer "Globalen Sicherheitsarchitektur" näher zu kommen. So wurde etwa beim G8 2002 bzw. 2004 die Einrichtung der "Europäischen Gendarmerietruppe" im italienischen Vicenza beschlossen. Seit 2006 werden G8-Gipfel von der italienischen UN-Agentur "IPO" in Sicherheitsfragen betreut.
Für mehr Informationen zu Methoden, Strategien und Techniken von Überwachung und Kontrolle gibt es die neue Webseite euro-police.noblogs.org.

Broschüre zu Repression rund um den G8-Gipfel
Der diesjährige G8-Gipfel in Heiligendamm ist vielen AktivistInnen als Symbol der Repression auf allen Ebenen in Erinnerung geblieben. Eine umfangreiche Broschüre beleuchtet nun die verschiedenen Aspekte staatlicher Verfolgung und Rechtsbrüche. Die von RechtsanwältInnen, Bürgerrechts- und AntirepressionsaktivistInnen verfassten Texte zu einzelnen Themen werden durch Betroffenenberichte ergänzt. Mehr unter www.rote-hilfe.de.

29.11.: Das niedliche Ende eines langen politischen Prozesses
Es war einmal ein großer Prozess in Gießen. Verfolgt von politischen Interessen, gefangen in einem Weltbild von Recht und Ordnung, angetrieben von einem Innenminister Bouffier und geschüttelt von eigenartigen Phantasien bei der Erfindung von Straftaten und Beweismitteln wurde seit 2003 zwei Projektwerkstättlern der Prozess gemacht. Ausgemachtes Ziel: Hinter Gitter! Am Donnerstag, den 29.11.2007 nun fand das große Projekt Gießener Uniform- und RobenträgerInnen ein vorläufiges Ende mit einem beeindruckenden Ergebnis: Zu 100 Euro Strafe wurde der Hauptangeklagte verurteilt. Nach vier Jahren Auseinandersetzung mit der Justiz, einem (erfolgreichen) Gang vor das Bundesverfassungsgericht, je vier Gewalttaten gegen den Hauptangeklagten durch Politiker bzw. Polizei und illegalen Inhaftierungen war der Prozess noch mal von Kritik an Polizei und Justiz geprägt - bei Aktionen vor den Toren des Landgerichts, im Gerichtssaal und in den Anträgen und Erklärungen des Angeklagten.
Mehr unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200983.shtml.

ddp-Text verschwindet ...
Sind alle Medien in Deutschland gleichgeschaltet? Von Junge Welt bis BILD-Zeitung. Sicher nicht, aber dennoch lässt der folgende Vorgang aufhorchen. Am 22.11.2007 hatte die zweitgrößte Presseagentur des Landes eines Text veröffentlicht über unglaubliche Manipulationen und Fälschungen durch Polizei und Justiz. Die ersten Sätze lauteten: "Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich: Polizisten basteln einen Brandsatz oder fertigen Gipsabdrücke selbst an, um Beweismittel zu haben. Beweisvideos und -fotos verschwinden, Falschaussagen werden gedeckt, Observationen verschwiegen, um Straftaten erfinden zu können. Alles Hirngespinste von Verschwörungstheoretikern? Offenbar nicht. Denn die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat die Ermittlungen in einem Fall aufgenommen." Doch der Text konnte in keiner einzigen Zeitung gefunden werden. Lag es daran, dass die Opfer der Polizei- und Justizwillkür aus dem Umfeld der radikal herrschaftskritischen Projektwerkstatt (www.projektwerkstatt.de/saasen) kamen - und diese seit Jahren Tabu sind in bürgerlichen wie links-autoritären Medien? Der Vorgang lässt ein Gefühl von 1984 aufkommen ... Dokumentiert unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200326.shtml.

Unbequeme Nachrichten in Finanznot
Die unabhängige und knastkritische Zeitung "Unbequeme Nachrichten" ringt ums Überleben. Daher sucht sie AbonnentInnen, die 20 Euro pro Jahr zahlen können und damit das Erscheinen sichern. Dann könnten auch weiterhin Gefangene die "Informationen aus Psychiatrischen Anstalten, Heimen und anderen Abschiebe-Einrichtungen" kostenlos erhalten. Mehr Infos unter autonomes.knastprojekt@googlemail.com.

Freiburger wegen Hausbesetzung verurteilt
Am 21. November 2007 wurde ein Linker wegen einer Hausbesetzung am 15. Januar 2007 zu 30 Tagessätzen à 3 Euro nach §123 StGB Abs. 1,2 (Hausfriedensbruch) verurteilt. Mehr unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200230.shtml.

Staatsschutz ermittelt gegen Band
Angezettelt hat es der berüchtigte Antifa-Jäger, Staatsanwalt Millionis aus Stuttgart. Er ermittelte gegen die Band "Mono für alle!" wegen deren Lied "Amoklauf". Da aber die Band aus einer anderen Stadt stammte, gab er das Verfahren an die dortigen Behörden ab. Und so wollte es der Zufall, dass das Duo Cofsky (Staatsschützerin) und Vaupel (Staatsanwalt) aus Gießen den Fall angingen - mit dem gleichen Verfolgungseifer und ähnlicher Blödheit wie schon seit Jahren gegen AktivistInnen aus der Projektwerkstatt in Saasen. Der offizielle Vorwurf lautet: "Die Band 'Mono für Alle' hat ein Lied mit dem Titel 'Amoklauf' produziert, das derzeit Anlass von sogenannten School Shootings ist und war (Erfurt!)". Es handele sich dabei um eine "Anleitung zu Straftaten" gemäß §130a StGB. Die Band erfuhr erst kürzlich per Zufall von den Ermittlungen und hat über einen Rechtsanwalt Akteneinsicht erlangt. Berichte unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200020.shtml und archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/11/200247.shtml.

November 2007
BGH-Urteil zu § 129a
Am 18. Oktober hat der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen eine Person, gegen die der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bestand, aufgehoben (StB 34/07). Es sei kein "dringender Tatverdacht" gegeben, beschloss der BGH, denn dieser bedeute, dass ein Beschuldigter aufgrund von "ermittelten Tatsachen ... "mit großer Wahrscheinlichkeit" die ihm angelasteten Taten begangen habe. "Bloße Vermutungen genügen dagegen nicht" (Rd.Nr. 4). Der BGH verneinte explizit den verschlüsselten Datenverkehr und eine nur unregelmäßig auftretende Häufung von solchem in zeitlichem Zusammenhang mit verbotenen Aktivitäten als hinreichenden Grund ab (Rd.Nr. 7 und 8). Ebenso reiche ein auf einer Seite mit Anleitung zum Brandsätzebauen aufgeschlagenes Heft nicht als hinreichender Tatverdacht, solche Aktivitäten auch ausgeführt zu haben (Rd.Nr. 10). Das Urteil enthielt nicht die angekündigten grundsätzlichen Aussagen zur Frage der Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen, sondern bewertete nur die Verhältnisse im Einzelfall (www.bundesgerichtshof.de).

Fliegende Überwachungskamera
In Frankreich sollen Kameras auf Modellbauflugzeugen ausgewählte Stadtteile von oben filmen. Darüber wird auf Indymedia berichtet (www.de.indymedia.org/2007/10/197458.shtml). Die als ELSA bezeichnete Technik kostet 10.000 Euro pro Stück und wurde bereits im Pariser Unruhe-Vorort Seine Saint Denis getestet. Für solche Wohngebiete dürften die Flugspione wohl auch gedacht sein.

Kampagne gegen Polizeikongress
Am 29. und 30. Januar findet in Berlin der "11. Europäische Polizeikongress" statt. Dort werden neue Überwachungs- und Ermittlungstechniken diskutieren, zudem können sich Law-and-Order-PopulistInnen aller Couleur dort mächtig ins Zeug legen. Eine Kampagne gegen den Kongress ist geplant (www.de.indymedia.org/2007/10/197876.shtml).

Fiese Tricks von Polizei und Justiz
Aktueller Schwerpunkt dieses Projekts der K.O.B.R.A.-Antirepressionsplattform sind Informationsveranstaltungen in vielen Städten. An fünf Fallbeispielen werden Manipulationen, Fälschungen und Erfindungen durch Polizei und Strafjustiz nachgewiesen (www.projektwerkstatt.de/fiesetricks). Für das Jahr 2008 sollen neue Tour-Pläne der Ton-Bilder-Schau entstehen. Anfragen können an K.O.B.R.A. per Tel. 06401/903283 oder kobra@projektwerkstatt.de gerichtet werden. Im Dezember dieses Jahres folgen noch:
  • 14.-16.12. auf der Linken Literaturmesse in Nürnberg (angefragt)
  • 16.12. in Leipzig
  • 17.12. in Jena
  • 18.12. in Halle
  • 19.12. in Dresden
  • 20.12. in Erfurt
Die Recherchen und Veröffentlichungen haben nach Jahren der Vertuschung inzwischen auch formale Wirkung: Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt im Auftrag der hessischen Generalstaatsanwaltschaft gegen Gießener RichterInnen und StaatsschützerInnen. Das Oberlandesgericht hat den Betroffenen die Anwendung von Methoden aus der "Nazi-Zeit" bescheinigt. Dennoch: Alle StraftäterInnen in Robe und Uniform sind aber weiterhin im Amt und verfolgen ungestört Menschen. Fast alle bürgerlichen und linken Medien verweigern bisher darüber die Berichterstattung - meist mit dem Ziel, die mit den Auseinandersetzungen verbundene Kritik an Justiz und Recht sowie die in Gießen seit Jahren praktizierte offensive und kreativ-feindliche Form des Widerstandes gegen Repression zu verschweigen.

Gegen Knäste? Oder gegen eigene FreundInnen im Knast?
Verstärkt werfen aktuelle Antirepressionsaktivitäten "linker" politischer Gruppierungen die Frage auf, ob eine Kritik an Gefängnissen und Strafjustiz überhaupt noch existiert. Schon seit längerem fehlt die Forderung nach Abschaffung aller Knäste oder Freilassung aller Gefangenen in "linken" Forderungen. Bei einer Kundgebung in Berlin am 20. Oktober vor der JVA Moabit wurde sogar derart offensichtlich nur die Freilassung einzelner, namentlich benannter Gefangener gefordert, dass für die überwältigende Mehrheit der Gefangenen das Gefühl entstehen musste (wenn sie von der Kundgebung erfuhren), dass ihr Dasein im tristen Alltag und der sozialen Isolation des Knastes befürwortet, akzeptiert oder zumindest nicht beachtet wird (www.de.indymedia.org/2007/10/197450.shtml). Diese Rückentwicklung entpolitisiert "linke" Antirepressionsarbeit zu einem reinen Daumendrücken für Menschen aus der eigenen sozialen Gruppe. Besser als diese Entpolitisierung bei deutschen "Linken" wird die Forderung nach Freilassung des Anti-Atom-Aktivisten Mario Camenisch in der Schweiz mit einer Kritik an allen Knästen verbunden.

Totalverweigerer in Bundeswehrarrest
Am 14.10.2007 verhafteten Feldjäger einen Kriegsdienstverweigerer auf Neumünster. Er wurde ab diesem Zeitpunkt in Strausberg im Bundeswehrarrest festgehalten - was aber nur jeweils 21 Tage am Stück möglich ist. Danach ist eine Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft wahrscheinlich. Es käme dann zu einem Prozess vor einem Gericht, wo sich Menschen, die alle Zwangsdienste und die damit verbundene Einplanung auch zu Kriegszwecken verweigern, verantworten müssen (www.de.indymedia.org/2007/10/197360.shtml).

§129a-Verfahren: ZeugInnenvernehmungen
Im laufenden Verfahren gegen vermeintliche Aktivisten der "militanten gruppe" werden jetzt vor allem mögliche ZeugInnen vernommen. Durch Androhung von Zwangsgeldern oder -haft versuchen die Ermittlungsbehörden nicht nur, Informationen zu gewinnen, sondern auch weitere Menschen einzuschüchtern und Keile zwischen die Betroffenen zu schieben. Einen Überblick über den Stand bietet: www.einstellung.s36.net. Leider enthält die Seite keine Ideen einer offensiven Antwort, stattdessen die übliche Beschränkung auf das Geldsammeln, dass zwar nötig ist, aber alleinstehend defensiv wirkt - zumal das Geld zu guten Teilen an den Staat gezahlt werden soll, also dem Verfahrensgegner.

Oktober 2007
Freispruch I: Unglaubwürdige Belastungszeugen der Polizei
Das Dilemma ist bekannt: Wer von einem Uniformträger belastet wird, hat eine Verurteilung schon so gut wie sicher. Und noch schlimmer: Wer von PolizistInnen verprügelt wird, hat fast immer eine Anzeige mindestens wegen Widerstand, manchmal auch wegen Körperverletzung oder Landfriedensbruch am Hals. Schließlich können sich die BeamtInnen so vor Streß schützen, wenn es doch ungewünschte ZeugInnen oder gar Fotos bzw. Videos gibt (siehe viele Fälle hier). Wenn sie sich allerdings allzu blöd anstellen und die Richter verärgern, indem offensichtliche Falschaussagen mit Einschränkungen der Aussagebefugnis durch die Polizeichefs quittiert werden, dann kann es auch mal zu einem Freispruch kommen. Plötzlich steht dann die Polizei sichtbar so da, wie sie ist: Nackt, verlogen, manipulativ. Ein eindrucksvolles Beispiel lieferte ein Prozess gegen AntifaschistInnen in Berlin: archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/09/194869.shtml.

Freispruch II: Vermummung
Zweimal haben Gerichte jetzt entschieden, was der Gesetzestext ohnehin hergibt: Gegen das Vermummungsverbot verstößt nur, wer sich so der Identifikation durch die Polizei entziehen will. Verhüllt mensch sich, um sich z.B. gewaltbereiten Nazis nicht zu zeigen, ist das nicht verboten. So jedenfalls sah es unter anderem das Amtsgericht Berlin-Tiergarten: archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/08/192866.shtml.

Urteile: Demo auf Autostraße ... mehrmonatige Haft
Drei Studierende wurden am Montag, den 27.8. nach einer 11stündiger Verhandlung vor dem Marburger Amtsgericht zu Haftstrafen zwischen 4 und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt. Hinzu kommen je 200 Stunden Arbeit bei der Straßenmeisterei. Dieses harte Urteil deutete sich bereits im Vorfeld an, weil Richter Taszis sich weigerte, Strafbefehle auszustellen, um in einer Verhandlung zu prüfen, ob Demonstrationen auf Autostraßen nicht sogar Freiheitsberaubung sind (weil die FahrerInnen die Autos nicht verlassen dürfen). Trotz der vorhersehbaren Abstrafung wollten AnwältInnen und Rechtshilfegruppen auf offensive Verteidigungsstrategien verzichten und mahnten alle zur Ruhe – AnwältInnen sind eben Organe der Rechtspflege, die einen geordneten Ablauf von Prozessen gewährleisten sollen (und die meisten Rechtshilfegruppen sind ohnehin recht defensiv und rechtstreu eingestellt). Spätere Berichte sind folglich deutliche Übertreibungen: „Während der gesamten Verhandlung ging es recht turbulent im Gerichtssaal zu“ entstammt offenbar der Wahrnehmung von Menschen, die Widerständigkeit kaum noch gewöhnt sind. Immerhin gab es aber Proteste vor den Gerichtstüren (Protestcamp) und rund um die Verhandlungsphasen. Nach der Urteilsverkündung sollen Clownsnasen auf den Richter und den Staatsanwalt geflogen sein. Sollte es zu einer zweiten Tatsacheninstanz kommen, die dann beim Landgericht wäre, muss neu entschieden werden, wie die Verhandlungstaktik lauten. Absehbar ist, dass AnwältInnen und Rechtshilfegruppen jetzt erst recht auf die Angeklagten Einfluss nehmen werden, die Gerichte nicht zu provozieren. Den Roben- und UniformträgerInnen wird’s gefallen. Bericht mit Links auf Indymedia: archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/08/192773.shtml.

Blog zu mg-Verfahren
Es gibt eine neue Homepage zum Verfahren gegen vermeintliche Mitglieder der ‚militanten gruppe’. Der Blog ist aus der Überlegung entstanden, dass diejenigen, die Soli-Arbeit für die neuen 129a-Gefangenen machen oder sich öffentlich zu den Verhaftungen äußern, eine eigene Verantwortung haben, sich über die Formen ihrer Solidaritäts-Arbeit zu verständigen: delete129a.blogsport.de.

Antirepression I: Aktionstag in Wuppertal
Am Freitag dem 31.August fand auf der Hardt der Aktionstag gegen Polizeigewalt statt. Trotz Regens waren etwa 250 TeilnehmerInnen und fünf Livebands gekommen, die das Schweigen über Polizeigewalt in Wuppertal satt haben. In dem Bericht über die Demonstration, die in üblichen Bahnen verlief (Demo als einheitlicher Block, teils vermummt, Polizei benutzt das als Ausrede für massive Übergriffe, die ihr gegen den Einheitsblock auch einfach gelingen) heißt es über die Hintergründe: „Seit zwei Jahren sich die Polizeiführung die Strategie des harten Durchgreifens („Zero Tolerance“) zu eigen gemacht hat. Grund- und Menschenrechte werden da zu minderen Gütern. Damit fügt sich die Polizeistrategie in Wuppertal in die Linie von Innenminister Schäuble ein: Jeder Mensch ist ein mögliches Risiko für Sicherheit und Ordnung. Grundrechte werden eingeschränkt und von den Ordnungsbehörden immer mehr mit Füßen getreten. Gewünscht wird der Bürger, der zu Haus bleibt und den Mund hält. Die Ausübung des Demonstrationsrechts und der Meinungsfreiheit werden als Gefahr für die Ordnung ausgegeben. Statt immer nur in Autonomen, Punks und friedlichen Demonstrant/innen mögliche Gewalttäter zu erblicken, wäre es erfreulich, wenn die Medien und die Öffentlichkeit die institutionalisierte Gewaltausübung seitens der Polizei als Gefahr für unsere Demokratie begreifen, die in ihren Schranken gewiesen werden muss. Etwa durch Aktionstage gegen Polizeigewalt!“ Bericht unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/09/192969.shtml, abweichende Auffassungen zur Demokratie unter www.demokratie.siehe.website.

Antirepression II: Weitere Rückzugsgefechte in Gießen
Seitdem Polizei und Justiz in der erbitterten Auseinandersetzung um Kritik an Polizei und Justiz, Knast und Strafe, Überwachungspolitik und den in der Stadt wohnenden hessischen Innenminister Volker Bouffier einige derbe Schlappen und auch öffentliche Darstellungen rechtswidriger Ermittlungsmanipulationen haben einstecken müssen, geht es weiter rückwärts: In einem Verwaltungsgerichtsprozess musste die Polizei einräumen, falsch gehandelt zu haben – und inzwischen ist auch eine Staatsanwaltschaft in einer anderen Stadt mit Ermittlungen gegen RichterInnen, fast den gesamten Staatsschutz in Gießen und mehrere PolizeiführerInnen beauftragt worden, nämlich die in Wiesbaden. Die Gießener Staatsanwalt könnte befangen sein, daher die Ortsverlagerung. Mehr unter www.projektwerkstatt.de/14_5_06.

Knastleben I: Untersuchung
In der JVA (Justizvollzugsanstalt) Siegburg kam es im November 2006 zu der Ermordung eines Gefangenen durch seine Zellengenossen. Diesen Vorfall nahm das Justizministerium von Nordrhein-Westfalen zum Anlass die Situation in den Gefängnissen von einer Kommission untersuchen zu lassen. Auf knapp 250 Seiten wird die Situation in den 33 Anstalten des Landes kurz skizziert. Für jedes Gefängnis wird tabellarisch eine Belegungsübersicht (d.h. es wird die Zahl der Inhaftierten mit der eigentlich zulässigen Belegungszahl verglichen), eine Übersicht wie viele Gefangene arbeiten (oder Arbeit verweigern) und eine Darstellung über die Personalsituation geboten. Ferner werden kurz die nach Meinung der Kommission wichtigsten Missstände in der jeweiligen Anstalt dargestellt. Thomas Meyer-Falk, langjähriger politisch aktiver Strafgefangener (www.freedom-for-thomas.de) kommentiert das Werk so: „Aus meiner Sicht hat der Bericht positive und negative Seiten. Sicherlich ist positiv zu bewerten, dass sich erstmals seit langer Zeit wieder kritisch mit dem Thema „Knast“ beschäftigt wurde – und zwar nicht ausschließlich von politisch linker Seite aus, sondern auch und gerade von Seiten der Konservativen und der etablierten Parteien. Es bedurfte leider eines Mordes an einem Gefangenen (den Mord nennt der Bericht übrigens an einer Stelle ‚Todesereignis’, was geschmacklos klingt) um das Augenmerk auf die bedrückende Situation hinter den Gefängnismauern aufmerksam zu machen. Überhaupt nicht hinterfragt wird die Sinnhaftigkeit von Gefängnissen (dies würde wohl die Reflexionsfähigkeit der Kommissionsmitglieder überfordern), aber selbst nach Ansicht dieses Staates konstitutive Rechte werden stillschweigend übergangen: Eine Doppelbelegung einer Einzelzelle in der das WC nicht räumlich abgetrennt ist, ist verfassungs- weil menschenrechtswidrig. Anstatt also für eine Freilassung von Gefangenen zu plädieren, wird nach noch mehr Haftplätzen gerufen. Und dies in Zeiten in denen die Kriminalität zurückgeht (und nicht etwa exorbitant steigt, wie viele BürgerInnen aufgehetzt durch Medien und Politik, glauben) ...“ Mehr auf archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/09/195204.shtml.

Knastleben II: RePrint „Strafanstalt“
Knastkritik ist seltener geworden. Der Ruf nach Abschaffung aller Knäste ist vielfach reduziert auf die Forderung nach Freilassung der engeren GesinnungsgenossInnen. Da haben auch Bücher mit ungeschönten Innenansichten kaum Konjunktur. Ein solches war „Strafanstalt“, dass 1991 erschien und irgendwann vergriffen war. Dieses Buch ist nun neu aufgelegt worden, ergänzt um einige Texte zum Thema Knast – und zwar im nicht-kommerziellen SeitenHieb-Verlag (www.seitenhieb.info).

September 2007
§ 129a, die Erste: Alte Tricks neu aufgewärmt
Viele Jahre war es ruhiger um den sog. „Ermittlungsparagraphen“ gewesen. Nur in Einzelfällen nutzten die meist bundesweit agierenden Oppositionsverfolger die seltsame Rechtskonstruktion, dass Menschen auch dann verfolgt werden können, wenn sie nicht selbst einer Straftat verdächtigt sind, sondern irgendwelche Roben- und Amtsträger meinen, sie würden zu einer Gruppe gehören, die so etwas plant oder durchführt. Was dabei eine Gruppe ist und wie das Dazugehören sich genau gestaltet, ist der willkürlichen Auslegung der Strafverfolger unterworfen. Im Vorfeld des G8-Gipfel überfielen Polizeikommandos recht plötzlich viele „linke“ Zentren auf der Suche nach irgendwelchen terroristischen Vereinigungen, so der Gegenstand des § 129a im Strafgesetzbuch. Mehr zur G8-129a-Kriminalisierung unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/05/176032.shtml.

§ 129a, die Zweite: Verfahren wegen militante Gruppe
Die Merkwürdigkeiten um die neue Neigung der Bundesrepressionsbehörden, mit dem Nebel-Paragraphen „terroristische Vereinigung“ zu agieren, nehmen zu. Der Paragraph dient ja dazu, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, wenn keine konkreten Beweispunkte vorliegen. Dann reicht der Verdacht, dass irgendjemand sich mit irgendwem irgendwo getroffen und über was geredet haben könnte. Das reichte auch in einem zweiten Fall, nämlich bei der Festnahme von zunächst drei Personen, später wurde eine vierte verhaftet. Die Logik des Paragraphen wird bei allen deutlich, denn die Ermittler haben nichts viel mehr Konkretes verkündet als die Behauptung, die drei bei einem missglückten Brandanschlag beobachtet zu haben und den vierten wegen stilistischer (!) Ähnlichkeiten zwischen seinen wissenschaftlichen Arbeiten und BekennerInnenschreiben zu verdächtigen. Feature zur MG-Kriminalisierung auf Indy anbieten: archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/08/192870.shtml
Bild: Anzeige der Roten Hilfe

Freilassungsforderung light
Die Forderung nach sofortiger Einstellung der unverschämten Verfahren und Freilassung der Betroffenen ist gerechtfertigt. Bedauerlich ist jedoch, dass in vielen Solidaritätserklärungen der Eindruck erweckt wird, es handele sich speziell in diesem Fall und nicht gerechtfertigte Verfolgung und daher seien speziell die hier Betroffenen freizulassen. Nein: Manipulationen seitens Polizei und Justiz nach ihren Interessen, die Erfindung von Tatvorwürfen und willkürliche Verhaftungen sind Alltag. Die geschehen in fast allen Fällen unbemerkt und geräuschlos. Daher ist die Forderung nach Abschaffung aller Knäste und Freilassung aller Menschen aus Gefängnissen, geschlossenen Psychiatrien und Heimen nicht nur weiterhin notwendig, sondern sollte immer dann mit erhoben werden, wenn konkrete Inhaftierungen das Straf- und Knastregime in den Vordergrund rücken. Wenn die vielen unbekannten Menschen im Knast auch dann nicht mitbenannt werden, wenn die Freiheit Ausgewählter verlangt wird (was wichtig ist), werden sie wohl vergessen bleiben.

Abenteuerliche Razzien
Kurdische AktivistInnen und von den Verfolgungsbehörden hinzugerechnete Personen sind zunehmender Verfolgung durch bundesdeutsche SicherheitsfanatikerInnen ausgesetzt. Der neueste Schrei: Personen aus diesem Spektrum würden die Ermordung eines deutschen Polizeibeamten planen. Anhaltspunkte: Keine. Genaue Informationen: Keine. Aber für Durchsuchungen von etlichen Wohnungen und Kulturzentren sowie etliche Kurzzeit-Verhaftungen reichte das allemal – so unter anderem beim Mesopotamischen Kulturverein in Gießen am 26. Juli 2007. Interessanter als die absurden Vorwürfe gegen die kurdischen Vereine könnte ein Blick auf den Grund sein, warum Menschen den Polizeibeamten Klaus B. nicht mögen. Der hatte nämlich 1994 in Hannover den Jugendlichen erschossen, als dieser Plakate klebte. Wie üblich wurde der Polizist freigesprochen – das sei aus Versehen passiert. So oder ähnlich klingt es immer, wenn Angehörige der gewalttätigsten Gruppen in dieser Gesellschaft (Polizei und Militär) jemanden umbringen: Versehen, Notwehr, nervöse Zuckung des Zeigefingers ... (gesammelte Fällehier).

Offiziell bescheinigt: Polizei und Gerichte mit Nazimethoden
Beeindruckender Beschluss des Oberlandesgerichts zu einem Polizeiüberfall auf politische AktivistInnen am 14. Mai 2006 nahe Gießen: Alle Beschlüsse werden klar als rechtswidrig bezeichnet und das Handeln von RichterInnen und Polizei mit Nazi-Methoden in Verbindung gebracht. Am Ende folgt ein Wink mit dem Zaunpfahl, die Verantwortlichen auch strafrechtlich zu attackieren. Ob das geschehen wird, liegt in der Hand der an den Rechtsbeugungen, Freiheitsberaubung, Fälschungen und der Verfolgung Unschuldiger beteiligten Staatsanwaltschaft in Gießen. Denn sowohl Oberstaatsanwaltschaft (Ebene: Hessen) wie auch die Bundesanwaltschaft lehnten es ab, zu agieren. So werden wieder die TäterInnen in eigener Sache ermitteln. Dennoch: Ein solches Urteil hat es wohl selten gegeben in der Geschichte der Republik. Leider ist es auch in „linken“ Printmedien bislang nicht veröffentlicht worden – zur Freude der Uniform- und Robenträger in der Stadt Gießen. Alle Informationen im Internet: www.projektwerkstatt.de/14_5_06.

Übersicht zu Polizeirepression in Freiburg
Viele Berichte und Beispielfälle zu Repression in Freiburg sind in einem Dossier zusammengestellt, das auf Indymedia erschienen ist unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2007/07/189395.shtml.

Ton-Bilder-Schau „Fiese Tricks von Polizei und Justiz“ im Internet
Seit Jahren sammeln politische AktivistInnen im Raum Gießen Materialien über die Fahndungs-, Ermittlungs- und Anklagemethoden von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Verurteilungspraxis der Gerichte. Dabei sind meterweise Gerichts- und Polizeiakten durchgesehen und ausgewertet worden. Seit 2004 erschienen die Zwischenberichte in jährlichen Dokumentationen, die auch heute noch unter www.polizeidoku-giessen.siehe.website einzusehen und herunterzuladen sind.
Nun wurden ausgewählte Beispielfälle in einem größeren Medienprojekt zusammengestellt. Der Mitschnitt einer Veranstaltung am 2. Januar 2007 nahe Berlin wurde im Internet mit Auszügen aus den Akten und ergänzenden Texten eingestellt (Mitschnitt eines späteren Vortrags). Der Referent steht auch für Veranstaltungen zur Verfügung. Im Juli dieses Jahres erschien zudem das Buch zum Thema unter dem Namen „Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz“ im SeitenHieb-Verlag (www.seitenhieb.info).

Workshops
Die Initiative „Gendreck weg!“ lädt am ersten Novemberwochenende nach Kassel zu einem Gerichtsprozess-Training ein (www.gendreck-weg.de). Am gleichen Wochenende soll in Köln ein Workshop zu kreativer Antirepression laufen: Samstagnachmittag (3.11., 18 Uhr, Salierring 37) die Veranstaltung „Fiese Tricks von Polizei und Justiz“, sonntags (12-17 Uhr) ein Tagesseminar zu konkreten Aktionsmethoden bei Gericht, Personalienkontrollen, Festnahmen usw.

August 2007
Nazimethoden
Beeindruckender Beschluss des Oberlandesgerichts zu einem Polizeiüberfall auf politische AktivistInnen am 14. Mai 2006 nahe Gießen: Alle Beschlüsse werden klar als rechtswidrig bezeichnet und das Handeln von RichterInnen und Polizei mit Nazi-Methoden in Verbindung gebracht. Am Ende folgt ein Wink mit dem Zaunpfahl, die Verantwortlichen auch strafrechtlich zu attackieren. Ob das geschehen wird, liegt in der Hand der an den Rechtsbeugungen, Freiheitsberaubung, Fälschungen und der Verfolgung Unschuldiger beteiligten Staatsanwaltschaft in Gießen. Denn sowohl Oberstaatsanwaltschaft (Ebene: Hessen) wie auch die Bundesanwaltschaft lehnten es ab, zu agieren. So werden wieder die TäterInnen in eigener Sache ermitteln. Dennoch: Ein solches Urteil hat es wohl selten gegeben in der Geschichte der Republik. Leider ist es auch in „linken“ Printmedien bislang nicht veröffentlicht worden – zur Freude der Uniform- und Robenträger in der Stadt Gießen. Alle Informationen im Internet: www.projektwerkstatt.de/14_5_06.

Übersicht zu Polizeirepression in Freiburg
Viele Berichte und Beispielfälle zu Repression in Freiburg sind in einem Dossier zusammengestellt, das auf Indymedia erschienen ist.

§ 129a StGB wieder in Mode
Viele Jahre war es ruhiger um den sog. „Ermittlungsparagraphen“ gewesen. Nur in Einzelfällen nutzten die meist bundesweit agierenden Oppositionsverfolger die seltsame Rechtskonstruktion, dass Menschen auch dann verfolgt werden können, wenn sie nicht selbst einer Straftat verdächtigt sind, sondern irgendwelche Roben- und Amtsträger meinen, sie würden zu einer Gruppe gehören, die so etwas plant oder durchführt. Was dabei eine Gruppe ist und wie das Dazugehören sich genau gestaltet, ist der willkürlichen Auslegung der Strafverfolger unterworfen. Im Vorfeld des G8-Gipfel überfielen Polizeikommandos recht plötzlich viele „linke“ Zentren auf der Suche nach irgendwelchen terroristischen Vereinigungen, so der Gegenstand des § 129a im Strafgesetzbuch. Erklärung der Verteidigergruppe hier ...

Ton-Bilder-Schau „Fiese Tricks von Polizei und Justiz“ im Internet
Seit Jahren sammeln politische AktivistInnen im Raum Gießen Materialien über die Fahndungs-, Ermittlungs- und Anklagemethoden von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie die Verurteilungspraxis der Gerichte. Dabei sind meterweise Gerichts- und Polizeiakten durchgesehen und ausgewertet worden. Seit 2004 erschienen die Zwischenberichte in jährlichen Dokumentationen, die auch heute noch unter www.polizeidoku-giessen.siehe.website einzusehen und herunterzuladen sind.
Nun wurden ausgewählte Beispielfälle in einem größeren Medienprojekt zusammengestellt. Der Mitschnitt einer Veranstaltung am 2. Januar 2007 nahe Berlin wurde im Internet mit Auszügen aus den Akten und ergänzenden Texten eingestellt und kann unter www.projektwerkstatt.de/fiesetricks angesehen und angehört werden. Der Referent steht auch für Veranstaltungen zur Verfügung. Im Juli dieses Jahres erschien zudem das Buch zum Thema unter dem Namen „Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz“ im SeitenHieb-Verlag (www.seitenhieb.info).

Juni 2007
Gleich mehrfach: Verfassungsgericht zum Demonstrationsrecht
Im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm hat das Bundesverfassungsgericht eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen. In der Sache hat es meist zwar Demonstrationsverbote verhängt oder diese bestätigt, aber dabei die vorher geltenden als rechtswidrig bezeichnet. Von Bedeutung ist der Spruch des höchsten Gerichtes, dass sich Versammlungsbehörden, Polizei und Gerichte nicht als Versammlungsverhinderer aufspielen dürfen, sondern in der Hauptsache zu klären haben, ob bzw. wie eine Versammlung durchführbar (und eben nicht verhinderbar) ist. Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind auf deren Seite (www.bverfg.de) zu lesen, etliche Kommentar finden sich auf den Seiten der G8-ProtestiererInnen und auf www.de.indymedia.org.
Fast zeitgleich ist ein Gießener Urteil aufgehoben worden, bei dem es auch um das Demonstrationsrecht ging. Am 11. Januar 2003 hatte der Innenminister eine ihm unangenehme Versammlung durch die Polizei zerschlagen lassen. Weder bestand dafür ein Grund noch wurde die Demonstration vorher aufgelöst, sondern sofort eine Gruppe mit Transparent attackiert und der Redner auf der Demonstration festgenommen. Weil sich dieser gewehrt haben sollte, wurde er zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt – ohne Bewährung. Staatsanwaltschaft und die Gerichte aller Instanzen befanden den Angriff auf die Versammlung als rechtmäßig. Das Verfassungsgericht wischte diese Wertungen vom Tisch. Alles sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Da die Rechtsfehler sehr auffällig waren, ist kaum anzunehmen, dass Staatsanwälte, RichterInnen und Innenminister das nicht wussten. Sie verurteilen im Wissen, rechtswidrig zu handeln. Mehr über www.projektwerkstatt.de/prozess.

Gewahrsam muss sofort gerichtlich bestätigt werden
Das Landgericht Rostock hat am 3. Juni 2006 in einem Urteil festgestellt, dass ein Gewahrsam, bei dem nicht sofort eine richterliche Vorführung erfolgt ist, auch nicht durch eine spätere hinterher rechtmäßig werden kann. Das heißt, wenn die Vorführung verschleppt wurde (meist durch die Polizei), so ist die Inhaftierung während der Verschleppung und auch danach rechtswidrig. Ein rechtmäßiger Gewahrsam kann nicht aus einem unrechtmäßigen entstehen. Zitat aus dem Urteil: „Im vorliegenden Fall ist nach der Dokumentation die Festnahme am 02.06.2007 um 19.05 Uhr erfolgt und die Zuführung zur Gefangenensammelstelle um 20.50 Uhr (die Kammer geht davon aus, dass die entsprechende Angabe auf dem Kurzbericht Bl. 7 d. A. neben der GESA-Nr. die Aufnahmezeit in der GESA dokumentieren soll). Die Durchsuchung des Betroffenen ist ausweislich des Durchsuchungsprotokolls vom 02.06.2007 (BI. 12 d. A.) um 21.11 Uhr durchgeführt worden. Nach der Aufnahme in der GESA und der Durchführung der Durchsuchung hätte anschließend die Vorführung des Betroffenen vor den zuständigen Richter zur Herbeiführung einer Fortdauerentscheidung veranlasst werden müssen. Tatsächlich ist der Betroffene jedoch Stunden später, nämlich am Folgetage, dem 03.06.2007 um 04.39 Uhr dem Richter vorgeführt worden, ohne dass sich den Akten entnehmen ließe, dass diese Verzögerung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Da somit nach der Dokumentation nicht festgestellt werden kann, dass die Vorführung des Betroffenen vor den Richter unverzüglich erfolgt ist, konnte die Ingewahrsamnahme nicht aufrecht erhalten beleiben.“

Feldbefreiungen
Die zweite Instanz (Landgericht) hat die Verurteilung der beiden FeldbefreierInnen (Badingen im Juli 2006) bestätigt. Im Plädoyer des Staatsanwalts und in der Urteilsbegründung des Richters hoben beide vor allem darauf ab, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Rechtsgut ist, dem aber Grenzen gesetzt sind. Sitzblockaden seien gerade noch erlaubt, Sachbeschädigungen aber nicht. Mit der Argumentation des
rechtfertigenden Notstandes setzten sich beide nicht ernsthaft auseinander. Entsprechende Beweisanträge wurden einfach abgelehnt. www.gendreck-weg.de.

April 2007
Antifa-Symbolik keine Straftat
Erwartungsgemäß hob der Bundesgerichtshof ein Urteil aus Stuttgart auf. Letzteres hatte entschieden, dass das Zeigen von Symbolen des Nationalsozialismus auch dann strafbar sei, wenn eindeutig erkennbar ist, dass es sich um eine gegen den Nationalsozialismus gerichtete Symbolik handelt. Durchgestrichene Hakenkreuze waren davon unter anderem betroffen. Ob die Stuttgarter Justiz generell eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit erschweren wollte, äußerte es nicht. Nun ist das Urteil höchstrichterlich aufgehoben und es darf wieder gegen den Faschismus protestiert werden - auch mit Bildern.
Mehr ...

Psychiatrisierung eines Angeklagten
Am 19. März 2007 sollte vor dem Landgericht Tiergarten die Berufsverhandlung gegen einen politischen Aktivisten stattfinden, der auf einer Demonstration gegen Studiengebühren einen Polizisten beleidigt haben soll. Ohne dass es überhaupt zum Aufruf der Sache kam, endete die Verhandlung mit einem Eklat: Richter Kiworr ordnete an, die Verhandlung auszusetzen und den Angeklagten aus medizinisch-psychiatrischer Sicht auf Verhandlungsfähigkeit zu untersuchen. Der Betroffene und unabhängige ProzessbeobachterInnen sprechen von dem Versuch, politischen Protest und offensive Verteidigung mit Psychiatrisierung zu ersticken.
Bericht ...

Amtsgericht gibt klein bei
Während des politischen Prozesses gegen einen Projektwerkstättler im Herbst 2006 wurden Aktivistis im Stadtgebiet Gießen ständig observiert. Die gelangweilte Polizei nutzte das gleich, um vermeintliche Kleinstdelikte minutiös zu notieren und zur Anzeige zu bringen: Straße überqueren bei roter Ampel usw. Nach Widersprüchen müsste es darüber jetzt zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht kommen. Das hatte auch schon einen Termin abgesetzt. "Nach erneuter Prüfung" zog das Gericht jetzt den Termin zurück und stellte alles ein. Offenbar war die Angst vor einem neuen umfangreichen Prozess mit riesigem Sicherheitsaufgebot und mehr wegen solcher Delikte größer ...
Siehe ...

März 2007
Redaktionsdurchsuchung war verfassungswidrig
"Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von CICERO und die Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel stellen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers dar." So heißt es in der Presseinformation des Bundesverfassungsgerichts. Die Attacke der Repressionsbehörden auf die Zeitung war bundesweit in den Schlagzeilen. Das Urteil kann auch kleineren und selbstorganisierten Medien helfen, auf die Angriffe Alltag sind - und für die sich die Eliten der Republik dann nicht stark machen. Der Grund im Cicero-Fall: "Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln." Mehr im Urteil vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 538/06; 1 BvR 2045/06 –

Freispruch in zweiter Instanz
Nach der ersten Gendreck-weg-Aktion 2005 in Strausberg wurden die beiden Imker Michael Grolm und Jürgen Binder verurteilt, weil sie mit einem Infoschreiben an alle Unterstützer und Unterstützerinnen zu Straftaten aufgerufen hätten. Jürgen außerdem noch, weil er Anmelder der Homepage www.gendreck-weg.de ist. Michael Grolm beantragte unterstützt von der Rechtshilfegruppe Revision. Mit Erfolg: Er wurde jetzt in zweiter Instanz freigesprochen. Damit blieb auch von Jürgen Binders Strafe "nur" ein Teil übrig, wegen der Internet-Seite.

Genfeld-Befreiungen vor Gericht
Zum Jahresende erhielten zahlreiche Feldbefreierinnen und Feldbefreier Strafbefehle und Einladungen zum Prozess. Die ersten acht von ihnen mussten sich am 11. Januar in Zehdenick wegen "gemeinschaftlicher Sachbeschädigung" verantworten. Der Saal war voll, da zahlreiche Gentechnik-GegnerInnen ihre Solidarität mit den Angeklagten ausdrücken wollten. Nacheinander fanden ihre Verhandlungen statt. Der Richter musste sich von einigen der Feldbefreier Nachhilfe geben lassen über die Risiken der Gentechnik. Immerhin bekannte er, auch gegen Gentechnik zu sein. Ein wichtiges Argument der Angeklagten wollte er aber nicht gelten lassen: Sie beriefen sich auf den Notstandsparagrafen, der es erlaubt, eine große Gefahr auch mittels einer Sachbeschädigung abzuwenden. Fast alle Angeklagten erhielten 10 Tagessätze zu 14 bis 40 Euro. Einem der Feldbefreier gelang es, seinen Prozess platzen zu lassen. Er hatte seine Akte genau studiert und Widersprüche bei den Polizeizeugen entdeckt. Weitere Aktive haben Strafbefehle erhalten - es wird also auch deshalb Fortsetzungen geben.
Am 18. Januar standen sich dann vor einem Zivilgericht der Imker Michael Grolm von Gendreck-weg und der Anwalt des Monsantokonzernes Stiebler gegenüber. Schon vor dem Gebäude des Landgerichtes in Neuruppin konnten die Journalisten ihre Fotoapparate zücken. Eine Mauer aus Bienenkästen war dort aufgerichtet, die Kästen trugen den Schriftzug "Wir klagen Monsanto an!"
Der Gentechanbauer, der 2006 der Aktion auf seinem Feld zusehen musste, wollte eine Erklärung von dem Berufsimker haben, dass der nie wieder seinen Feldern zu nahe käme. Die konnte er natürlich nicht bekommen. Da die Konzernseite aber getrödelt hatte mit dem Zustellen schriftlicher Unterlagen zu ihrer Klage, endete der Termin vorzeitig und erstmal noch ohne Urteil. Mehr ...
Noch keine Anklage ist in Bezug auf die erste Feldbefreiung 2006 in Gießen erhoben. Die Betroffenen haben ihre offensive Verteidigung aber schon vorbereitet und einigeshier präsentiert.

Keine Kontrolle von Polizeigewalt
In Rostock und Gießen sind mehrere Verfahren gegen Polizeiattacken abgewiesen worden. In Rostock ging es um zwei Vorfälle während des G8-Camps im Sommer 2006. Im ersten wurden Personen beim Besuch der direkt neben der Bereitschaftspolizei Dummerstorf gelegenen Stasi-Unterlagen-Stelle gehindert und von der Polizei per Platzverweis verjagt. Die verwaltungsrechtliche Überprüfung läuft noch, die Polizei hat sich aber bereits in der Weise geäußert, dass die betroffenen Personen vom Aussehen her wie G8-Gegner aussahen und deshalb zu Recht attackiert wurden. Außerdem seien die Aufzeichnungen der Polizisten zum Vorfall im Aktenvernichter gelandet. Das wiederum könnte der Polizei in einem zweiten Fall geholfen haben. Am Rande des ebengenannten Geschehens wurde nämlich eine andere Person verhaftet und von der Polizei im Gewahrsam schwer misshandelt (Kopf gegen Wand und Boden schlagen usw.). Dieses gab die betroffene Person in der Vernehmung (natürlich wurde gegen das Polizeiopfer ermittelt) als einzige Aussage zu Protokoll. Die Staatsanwaltschaft muss nach geltendem Recht einem ihr bekanntwerdenden Hinweis auf eine Straftat immer nachgehen, auch wenn keine Anzeige erfolgt. Natürlich tat sie das nicht - wenn Uniformierte die TäterInnen sind, tut sie das äußerst selten freiwillig. Auf Nachfrage teile die Staatsanwaltschaft mit, dass sie keine Ermittlungen aufnimmt, weil es auch sein könne, dass der Betroffene sich seine Verletzungen selbst beigebracht hätte. Sind in Rostock also auch Banküberfälle möglich, weil ja möglich ist, dass die Bank das Geld selbst weggeworfen hat?
In Gießen war es am 14.5.2006 zu einem krassen Polizeiüberfall gekommen (sieheExtra-Seite). Einen Widerspruch hatte die Polizei mit Verweis auf den Weg vor das Verwaltungsgericht zurückgewiesen. Ein Betroffener ging auch vor das Verwaltungsgericht. Dieses bezeichnete nun in einem Beschluss diesen Weg aber als unzulässig. Dabei räumte das VG ein, dass die Polizei einen falschen Rechtsbehelf formuliert hatte. Andere Möglichkeiten bestünden jetzt wegen versäumter Fristen auch nicht mehr. Auf die Frage, ob das eine Nachhilfestunde für die Polizei sei, in Zukunft ihre Handlungen durch falsche Rechtsbehelfe unüberprüfbar zu machen, antwortete ein Richter sehr ehrlich, dass es so sei (nicht die Nachhilfestunde, aber der Inhalt).

Dokumentation von "Fiesen Tricks von Polizei und Justiz"
"Ihr macht eine Gedichtelesung ... und landet im Polizeiknast mit dem Vorwurf, einen Brandanschlag versucht zu haben. Einen Brandsatz haben sich die Bullen selbst gebastelt. Das glaubt niemand? Die Polizeiakten selbst belegen es. Aber das ist nur ein Fall: Verfolgung wegen Graffitis, die es nie gab. Gipsabdrücke von Schuhen des Täters, die aber nicht am Tatort, sondern von der Polizei später selbst hergestellt wurden. Videofilme der Polizei verschwinden, Falschaussagen werden gedeckt: Das Leben ist ein Bond-Film."
Mit diesem Text werben AktivistInnen aus dem Umfeld der Saasener Projektwerkstatt für eine Ton-Bilder-Schau über fünf ausgewählte, genau untersuchte Fälle systematischer Rechtsbrüche durch Polizei und Justiz. Teile davon sind inzwischen im Internet anzuschauen. In einigen Städten hat es das Ganze als Veranstaltung gegeben. Das ist dann ein erschreckender, zuweilen witziger und immer spannender Vortrag mit konkreten Fällen, Auszügen aus nichtöffentlichen Polizei- und Gerichtsakten auf Overheadfolien – ein tiefer Blick hinter das Grauen von Polizei- und Justizalltag! Mehr Informationen ...

Mysteriöse Veränderungen auf beschlagnahmten Computer
In einem Bericht auf Indymedia berichtet ein Betroffener davon, dass die Polizei bei ihm Daten auf dem beschlagnahmten Computer untergebracht hätte, um ihn zu beschuldigen. Die Ausführungen sind schwer zu überprüfen, zeigen aber so oder so Möglichkeiten an, wie Polizei Straftaten selbst erzeugen und anderen unterschieben kann. Dass sie solches tut, ist aus anderen Fällen bekannt. Link ...

Billigung von Straftaten im Internet?
Am 02.08.2006 wurden morgens um 6:00 Uhr bei drei Personen im Kreis Ludwigsburg (BaWü) zeitgleich die Wohnungen durchsucht. Vorgeworfen wurde ihnen die Billigung von Straftaten und der Verstoß gegen die Impressumspflicht im Zusammenhang mit einem Artikel, der etwa ein halbes Jahr zuvor auf der Website des Infoladen-Ludwigsburg erschienen war. Die Ermittlungen wurden nun eingestellt. Mehr ...

Strafverfahren gegen SchülerInnenzeitung eingestellt
Das Strafverfahren gegen einen Redakteur der SchülerInnenzeitung HusumA wegen Beleidigung und Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz wurde eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Flensburg konnte keinen hinreichenden Tatverdacht feststellen. Geklagt hatte der NPD-Vorsitzende des Kreises Nordfriesland Kevin Stein. Stein fühlte sich durch die Bezeichnung „Neonazi“ und den Abdruck eines Bildes in der Juli-Ausgabe des HusumA, das ihn bei einer Polizeikontrolle mit weiteren mutmasslichen Rechtsextremisten zeigt, beleidigt. Infos ...

Klettern - Verstoß gegen die Baumschutzsatzung
Eine Lüneburger Aktivistin wurde in September 2006 zu einer Geldbuße von 50 Euro plus Verfahrenskosten (insgesamt 320 Euro) wegen "Baumklettern" (OWI) bei einer Antiatom-Demo verurteilt. Die verhandlung dauerte 4 Stunden an (siehe Indymedia-artikel "Lüneburg, Hauptstadt Absurdistans" unter archive.ph/http://de.indymedia.org/2006/09/157341.shtml). Als sie die Rechnung bekommen hat, hat sie sich zunächst Zeit genommen. Die FreundInnen haben sie unterstützt und jeweils ein paar Cent auf das Konto der Staatsanwaltschaft überwiesen. Die Betrofene hat mehrere Mahnungen bekommen -und wird bestimmt noch welche bekommen- und sie hat jeweils ein paar Cent überwiesen. Aber sie ist nicht zur Bank, sondern zum Gericht gegangen. Sie hat das Aktenzeichen angegeben und ein paar Cent-stücke abgegeben. Sie hat jeweils eine Einzahlungsquittung dafür bekommen (Siehe Bild). Der Verwaltungsaufwand kostet der Behörde viel mehr als was letztendlich eingezahlt wurde. Mehr ...

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