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GEBÜHREN FÜR DEMOS? EIN GESCHEITERTER VERSUCH IM LANDE HESSEN ...

Verwaltungsgericht erklärt Gebühren für rechtswidrig


1. Stadt Gießen verliert gegen Projektwerkstatts-Aktive
2. Pressetexte dazu
3. Verwaltungsgericht erklärt Gebühren für rechtswidrig
4. Kasseler Gericht und Bayrischer Verwaltungsgerichtshof finden Demo-Einschränkungen richtig!
5. Mehr Fallbeispiele

Der gesamte Ablauf dokumentiert
Für drei Demos im Sommer 2004 wurden AktivistInnen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt Gebühren auferlegt. Da Demonstrationen Grundrecht sind, wird die Gebühr nicht für die Demo, sondern für die Auflagen erhoben - absurd, denn diese sind Drangsalierungen der Ordnungsbehörde. So muß mensch seine eigene Repression bezahlen.



Gegen die Gebührenerhebung wurde Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht erhoben.



Die Stadt Gießen machte daraufhin umfangreiche Eingaben.






Dem entgegnete der Beschwerdeführer aus der Projektwerkstatt:

Ihr Zeichen: 2 E 2638/04
Stellungnahme zum Schreiben der Stadt Gießen


Sehr geehrte Damen und Herren,
wie angekündigt übersende ich Ihnen einen ergänzten Schriftsatz zu den vorgelegten Erklärungen der Stadt Gießen. Meine bisherigen Ausführungen halte ich aufrecht und füge Sie in diesem Schreiben an.
Zusätzlich möchte ich deutlich machen, dass ich weiterhin der Auffassung bin, dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken zu formulieren sind und eine Klärung vor dem Verfassungsgericht deshalb auch aus Sicht des VG Gießen angemessenn sein sollte. Insofern wird auch die Auffassung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt, der im Urteil vom 16.4.2002 die Verwaltungsgebühr für Auflagen zu Demos bejaht mit der Begründung, dass selbst Gebühren bis zu 400 DM das Recht auf Versammlungen nicht tangieren würden. Das wird bestritten, eine solche Summe haben viele Menschen nicht zusätzlich zu ihren Lebenshaltungskosten zur Verfügung. Aus hiesiger Sicht ist auch das Urteil des BayVGH (Az. 24 ZB 01.1338) nicht verfassungskonform.Allerdings bietet das Urteil auch Anlaß, die Gießener Kostenbescheide als unbegründet anzusehen, denn das Urteil macht klar, dass die Kostenbescheide nur dann als gerechtfertigt anzusehen sein, wenn sie der Durchführung der Demonstration dienen und nicht deren Einschränkung bzw. Regelungen enthalten, die vom Anmelder bereits selbst vorgesehen sind. Dieses ist bei den Auflagen im vorliegenden Fall in Gießen aber der Fall.



Die weiteren Anmerkungen (bereits gefaxt):


Die Stadt Gießen argumentiert ausschließlich in die Richtung, dass sie den ihr notwendigen Aufwand beschreibt. Dieser Darstellung widerspreche ich aus zwei Gründen. Zum einen bestreite ich die angegebenen Punkte teilweise. Die Abklärung mit anderen Veranstaltungen war niemals nötig, weil wir selbst diese in unsere Anmeldung schon berücksichtigt hatten. Der Auflagenbescheid enthielt diesbezüglich also nichts anderes als das von uns vorgeschlagene.
Auch die Hinweise auf bekannte Probleme mit mir bei vergangenen Demonstrationen erscheinen absurd. Dass ich einige Male Widerspruch eingelegt habe, u.a. auch vor dem Verwaltungsgericht, kann nicht negativ ausgelegt werden, da es der vorgesehene rechtliche Weg ist. Verstösse gegen das Versammlungsgesetz sind dagegen nie behauptet oder als Ordnungswidrigkeit oder Straftat verfolgt worden. Insofern arbeitet die Stadt hier mit allgemeinen Verdächtigungen und zeigt, dass sie nicht eine Versammlungsbehörde ist, deren Aufgabe heißt, das Grundrecht auf Versammlung abzusichern, sondern es zu behindern.


Zum zweiten aber ist bedeutungsvoller, dass die Rechtswidrigkeit der Gebühren gar nicht aus einer falschen Benennung des Aufwandes, sondern prinzipieller Natur sind. Demorecht ist Grundrecht und kann nicht mit einer Gebühr belegt werden, weil es dann nicht mehr in gleicher Weise allen Menschen offen ist. Zudem kann eine Behörde nicht Leistungen zur Wahrung von Grundrechten in Rechnung stellen wie bei einer wirtschaftlich berechneten Angelegenheit. Demonstrationen sind keine Ware, die sich manche leisten können und andere nicht - und die mensch im Gemischtwarenladen Kommunalpolitik einkauft.

Die Stadt ist auf diese Hauptargumentation des Widerspruchs gar nicht eingegangen, d.h. sie bestreitet sie gar nicht. Darum ist eine Entgegnung auch weitgehend hinfällig. Am Ende konstruiert sie zwar, dass mein Verhalten zeigen würde, dass ich mich durch die Demogebühr nicht abschrecken lasse - aber das zeigt auch nur wieder das wahre Gesicht der Stadt. Sie sieht ihr Handeln als Abschreckung und argumentiert dann nur noch, dass ich mich nicht habe abschrecken lassen. Dass es andere sehr wohl abschrecken kann, kalkuliert sie ein. Zudem ist auch in Bezug auf mich die Argumentation absurd, da ich ja gerade Widerspruch eingelegt habe.

Zusatz am 18.4.2004 (an das Verwaltungsgericht)

zusätzlich zu unseren bisherigen Darlegungen möchten wir auch auf den Wortlaut des HVwKostG hinweisen. Dort werden die Kosten demjenigen auferlegt, der die Vorgänge veranlaßt, wegen derer die Kosten entstehen bzw. entstanden sein sollen, oder zu wessen Gunsten sie vorgenommen werden (§ 11, 1).
Die Erteilung von Auflagen bei Demonstrationen werden nicht vom Anmelder der Demonstration veranlaßt. Eine Demonstration bedarf keiner Genehmigung und keiner Auflagen, sondern allein der Anmeldung (was schon strittig ist). Daher greift die HVwKostG für Versammlungen und ihre Anmeldung nicht.
Ebenso ist der § 1, 1 auszulegen, in dem regelt ist, dass Behörden überhaupt nur Gebühren erheben bei Amtshandlungen "auf Veranlassung Einzelner". Die Auflagen sind aber nicht mit der Demoanmeldung veranlaßt, sondern auch Eigeninteresse oder (vermeintlichem) öffentlichem der Behörde oder Regierungsstellen selbst.
Eine Gebührenerhebung ist daher für Versammlungen nicht möglich.


Das Urteil am 24.2.2005


Auszüge und alle Gründe des Urteils (als PDF)






Presseinfo aus der Projektwerkstatt zum Urteil ++ Indymedia-Text zum Urteil


Lernfähig nach ausreichend Druck
Die Stadt Gießen ändert ihr Verhalten nach den Klagen auch von selbst ... Eingangsbestätigung bei Demoanmeldung zu Hartz-IV-Protesten am 26.8.2004



Eher eine Projektwerkstatts-Gebühr?
Ohnehin ergibt sich aus einer Anfrage der PDS-Fraktion von Herbst 2004 und der Antwort der Stadt Gießen, dass die Demogebühr "zufällig" nur bei Demoanmeldungen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt erhoben wurde. Zitat aus dem Gießener Anzeiger vom 20.11.2004: "Der zuständige Stadtrat Thomas Rausch hatte den Abgeordneten zuvor mitgeteilt, dass seit Rechtskraft dieser Verordnung für nur drei Demonstrationen Gebühren verlangt worden seien und zwar in Höhe von 50 (zweimal) und 100 Euro." Insgesamt sind laut späteren Presseberichten in vier Fällen Gebühren erhoben worden. Genau so oft und in diesen Höhen haben Menschen aus dem Umfeld der Projektwerkstatt Gebührenbescheide erhalten - also niemand anders. Das Ganze ist also mehr eine Schikane gegen ProjektwerkstättlerInnen als eine allgemeine Gebühr (Quelle...).

Überblick über die vier angemeldeten und mit Gebühren belegten Demonstrationen:
  • VG-Urteil 2 E 154/05
    Demo angemeldet am 28.5.2004 für drei Demonstrationen am 23., 24. und 25.6.2004 ab dem Kirchenplatz bis zum Gerichtsgebäude zum Thema „Gegen Strafe als soziales Ordnungsmittel! Für eine Gesellschaft ohne Obrigkeit!“
    Gebühr: 50 Euro
  • VG-Urteil 2 E 155/05
    Mehrtägige Demo angemeldet am 28.5.2004 für den Zeitraum vom 21.-26.6.2004 auf dem Kirchenplatz zum Thema „Gegen Strafe als soziales Ordnungsmittel! Für eine Gesellschaft ohne Obrigkeit!“
    Gebühr: 100 Euro
  • VG-Urteil 2 E 2638/04
    Demo angemeldet am 28.5.2004 für den 12.6.2004 durch den Seltersweg zum Thema „Für mehr Militär, Rassismus und Sozialabbau!“ (satirisch zur EU-Wahl)
    Gebühr: 50 Euro
  • VG-Urteil 2 E 2800/04
    Demo angemeldet am 7.6.2004 für den 12.6.2004 auf dem Marktplatz zur EU-Wahl.
    Gebühr: 50 Euro
  • Sonderkapitel in der neuen Polizeidokumentation zu Demoauflagen und -gebühren (PDF)
  • Bericht in Junger Welt am 15.3.2005

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