Herrschaft

GEWALTMONOPOL DES STAATES

Propaganda "Gewaltenteilung"


1. Die moderne Gesellschaft: Demokratie plus Rechtsstaat
2. Herrschaft und Gewalt
3. Propaganda "Gewaltenteilung"
4. Widerstandsrecht?
5. Links

Aus Christian Meier, "Die Parlamentarische Demokratie", dtv in München (S. 20, 261)
Seitdem ist die Parlamentsmehrheit in der Regel aufs stärkste mit der Regierung verbunden. Formal läßt sich zwischen Exekutive und Legislative scheiden; in Wirklichkeit besteht ein enger Zusammenhang, und das mit Notwendigkeit. ...
Parlamente ... Sobald sie jedoch "Souverän" sind, Grundlage der Regierung und in so vielem deren legislatorisches Vollzugsorgan, verschwimmen ihre Konturen.


Aus Kühnl, Reinhard (1971): "Formen bürgerlicher Herrschaft", Rowohlt Taschenbuchverlag in Reinbek (S. 36)
Die Theorie von der Konkurrenz verschiedener Kräfte, die einander im Gleichgewicht halten sollen, klingt recht einleuchtend, doch bleibt zu bedenken, daß die formale Aufteilung der macht auf verschiedene Instanzen wenig fruchtet, wenn diese Instanzen von jenen sozialen Kräften beherrscht werden, die Demokratie als Bedrohung ihrer gesellschaftlichen Privilegien betrachten. Daß der bürgerliche Rechtsstaat in seiner Geschichte vielfach zu autoritären oder faschistischen Herrschaftssystemen übergeleitet wurde, spricht hier eine deutliche Sprache. Ihrem politischen und sozialen Inhalt nach bedeutet Gewaltenteilung, daß Exekurive und Judikative dem Volkswillen weitgehend entzogen, daß Demokratie und Volkssouveränität auf einen relativ engen Bereich beschränkt werden. In den meisten bürgerlichen Demokratien der Gegenwart, die alle auf dem Prinzip der Gewaltenteilung beruhen, ist es deshalb bis heute nicht gelungen, Militär, Verwaltung und Justiz einer wirksamen Kontrolle der demokratischen Öffentlichkeit zu unterwerfen.

Offen zugegeben: Die Gewaltenteilung der Schulbücher gibt's gar nicht ...
Aus Besson, W./Jasper, G. (1966), "Das Leitbild der modernen Demokratie", Paul List Verlag München (herausgegeben von der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, S. 57)
Die eigentliche politische Trennungslinie verläuft im parlamentarischen System daher nicht zwischen Regierung und Parlament, zwischen Exekutive und Legislative, sondern zwischen Regierung und Regierungspartei einerseits und der Opposition andererseits. Die klassische Gewaltenteilung ist also durch eine "vitale Gewaltenteilung" ersetzt ...

Aus Agnoli, Johannes/Brückner, Peter (1967), "Die Transformation der Demokratie", Voltaire Verlag in Berlin (S. 14)
Eines der wichtigsten Merkmale moderner parlamentarischer Systeme ist die Einheit von Parteiführung, Parlaments-Führung und - bei einer Mehrheitspartei - Regierungsspitze.

Juristen als Teil des Staates
Aus Elizabeth Heger Boyle/John W. Meyer, „Das moderne Recht als säkularisiertes globales Modell: Konsequenzen für die Rechtssoziologie“ in: Meyer, John W. (2005), "Weltkultur", Suhrkamp Verlag in Frankfurt (S. 187, der gesamte Text ...)
Daher sind Gesetzgeber, Rechtsanwälte und Richter Geschöpfe der Organisation Nationalstaat (in verschiedenen Ländern in verschiedenem Maße, etwa entlang der Unterscheidung von bürgerlichem Recht und common law [Jepperson/Meyer 1991; Boyle 1998]). Noch der despotischste Diktator behauptet heutzutage, die Interessen der Bürger einer Nation zu vertreten. Aber diejenigen, die diese Rollen spielen, sind damit gleichzeitig auch Geschöpfe der umfassenden Kultur, in die der Staat eingebettet ist, und abhängig von ihren Definitionen und Vorstellungen: Als Staatsdiener sind sie damit beschäftigt, die angeblich universellen und rationalen Prinzipien der Wissenschaft und des Naturrechts sowie der rationalen Herstellung von Fortschritt und Gerechtigkeit auf ihre lokalen Gesellschaften anzuwenden.

Wenigstens ehrlich: RichterInnen gehören zur Regierung!
Bundeskanzlerin Merkel erklärt auf Ihrer Seite Kindern die Welt, u.a. "Gewaltenteilung oder: die gute Gewalt"
Wir leben in einer zivilen, demokratischen Gesellschaft. Und wir haben eine Verfassung - das Grundgesetz. Es räumt jedem Menschen - ob stark oder schwach, reich oder arm, Mann oder Frau, schwarz oder weiß - die gleichen Rechte ein. Außerdem verbietet es, andere zu verletzen, zu berauben oder zu unterdrücken.
Der Staat hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass dies alles eingehalten wird. Die Frauen und Männer, die sich das Grundgesetz ausgedacht haben, waren ausgesprochen klug. Sie haben nicht die Gewalt an sich verboten, sondern gesagt: Nur der Staat hat das Recht, Gewalt auszuüben. 
Der Staat schützt uns 
Der Staat soll, so komisch das klingen mag, schlechte Gewalt verhindern und die Rechte der Einzelnen schützen. Der Staat, so heißt der Fachausdruck, hat das Gewaltmonopol. 
Aber woher hat der Staat das Recht, diese Gewalt auszuüben? In der etwas spröden Sprache des Grundgesetzes (Artikel 20) klingt das so: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt." Der Staat bekommt seine Gewalt also von den Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie wählen gehen. 
Das heißt auf gut deutsch: Wir wählen eine Regierung. Und diese Regierung sowie die ihr angeschlossenen Behörden, von der Polizei bis zur Richterin, sind allein berechtigt, Gewalt auszuüben.
Kommentar

Aus Fichte, Johann Gottlieb, "Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre" (1796). PhB 256, Nachdruck 1991, zitiert in: Weber-Fas, Rudolf (2003): Staatsdenker der Moderne, UTB Mohr Siebeck in Tübingen (S. 193 f., mehr Auszüge ...)
Also die Gemeine müßte die Verwaltung der öffentlichen Macht veräußern, sie auf eine, oder mehrere besondere Personen, übertragen, die ihr aber über die Anwendung derselben verantwortlich blieben. Eine Verfassung, wo die Verwalter der öffentlichen Macht keine Verantwortlichkeit haben, ist eine Despotie.
Es ist sonach ein Fundamentalgesetz jeder vernunft- und rechtmäßigen Staatsverfassung, daß die exekutive Gewalt, welche die nicht zu trennende richterliche, und ausübende im engeren Sinne, unter sich begreift, und das Recht der Aufsicht, und Beurteilung, wie dieselbe verivaltet werde, welches ich das Ephorat, im weitesten Sinne des Worts, nennen will, getrennt seien; daß die letztere der gesamten Gemeine verbliebe, die erstere aber bestimmten Personen anvertraut werde. Kein Staat darf sonach despotisch, oder demokratisch regiert werden.
Es ist über die Trennung der Gewalten (pouvoirs, der Teile einer, und ebenderselben öffentlichen Gewalt) viel geredet worden. Die legislative Gewalt müsse von der exekutiven getrennt werden, hat man gesagt; aber in diesem Satze scheint etwas Unbestimmtes zu liegen.
Es ist wahr, für jede bestimmte Person, wird das bestimmte positive Gesetz der Form nach, Gesetz, und verbindend, lediglich dadurch, daß sie sich demselben unterwirft, d. h. daß sie erklärt: ich will in diesem bestimmten Staate, der diese bestimmte Volksmenge, diesen Boden, diese Erwerbsmittel usf. hat, leben. Aber das Materiale des Zivilgesetzes wenigstens (über andere Zweige der Gesetzgebung wird besonders geredet werden), geht aus der bloßen Voraussetzung, daß diese bestimmte Menschenmenge, an diesem bestimmten Orte, rechtlich nebeneinander leben wolle, hervor; und jeder unterwirft sich durch die zwei Worte: ich will unter euch leben, allen gerechten Gesetzen, die in diesem Staate je gegeben werden können. Da den Verwaltern der Exekutive Gewalt aufgelegt ist, über das Recht überhaupt zu halten, und sie dafür (daß das Recht herrsche) verantwortlich sind, so muß ihnen von Rechts wegen überlassen werden, für die Mittel der Realisation des Rechts Sorge zu tragen; und sonach auch die Verordnungen selbst zu unterwerfen, welche eigentlich keine neuen Gesetze, sondern nur bestimmtere Anwendungen des einigen Grundgesetzes sind, welches so lautet: diese bestimmte Menschenmenge soll rechtlich nebeneinander leben. Wenden die Gewalthaber jenes Grundgesetz unrichtig an, so werden sehr bald Unordnungen entstehen, die sie der Verantwortung aussetzen; und sie sind sonach genötigt, gerechte, von jedem Verständigen zu billigende, Gesetze zu geben.
Ganz zwecklos, und sogar nur scheinbar möglich, ist die Trennung der richterlichen, und der ausübenden Gewalt, (die letztere im engeren Sinne des Worts genommen.) Muß die ausübende Gewalt, ohne Widerrede, den Ausspruch der richterlichen ausführen, so ist die unumschränkte Gewalt in der Hand des Richters selbst, und die zwei Gewalten sind nur scheinbar in den Personen getrennt; von denen aber die der Vollzieher gar keinen Willen, sondern nur, durch einen fremden Willen geleitete, physische Kraft hat. Hat aber die ausübende Gewalt das Recht des Einspruchs, so ist sie selbst richterliche Gewalt, und sogar in der letzten Instanz, und die beiden Gewalten sind abermals nicht getrennt. - Unseren Untersuchungen zufolge ist die exekutive Gewalt, im weitesten Sinne des Worts, und das Ephorat, zu trennen. Die erstere umfaßt die gesamte öffentliche Gewalt in allen ihren Zweigen; aber sie muß über die Verwaltung derselben dem Ephorate (dessen Begriff hier bei weitem noch nicht vollständig bestimmt ist), verantwortlich gemacht werden.



Ausnahmezustand: Rechtlich korrekte Aufhebung der Gewaltteilung
Exekutive = Legislative
Aus Giorgio Agamben, "Ausnahmezustand", Suhrkamp in Frankfurt (S. 12)
Der Ausdruck "Vollmacht" (pleins pouvoirs), mit dem man manchmal den Ausnahmezustand charakterisiert, bezieht sich auf die Ausdehnung der Regierungsbefugnisse und insbesondere darauf, daß de Exekutive die Befugnis zu Erlassen erteilt wird, die Gesetzeskraft haben.

Polemik gegen die Gewaltenteilung
Der folgende Text wurde per Mail zugeschickt.

Der Staat will deinen Schaden nur,
Er möge säuseln oder toben,
Er bleibt dein Gegner von Natur.
Der Feind steht oben.
Regierung, Parlament, Justiz,
Die drei Gewalten,
Sind, was man Diebstahl nennt,
In drei Gestalten.
(Peter Hacks)

Die umseitige Allegorie der Gewalteneinheitstyrannis erscheint mir sehr überzeugend. Die drei Staatsgewalten: Gesetzgebung (Politik), vollziehende (Staatsanwalt) und rechtsprechende Gewalt wetteifern nicht gegeneinander im Bürgerauftrag um die beste Verwirklichung des GG, sondern - man denkt unwillkürlich an Moltke: getrennt firmieren, vereint schlagen! – par-allel zu- und miteinander gegen den Bürger und das GG. Er verblutet er-dolcht, erstochen und zerhackt im GG, unter welchem er vor seinen drei staatlichen Feinden Schutz suchte. Montesquieus Mahnung wird so augen-fällig verdeutlicht, der sagte, daß bei fehlender Gewaltentrennung die Ty-rannei unausweichlich ist: „denn man muß befürchten, daß derselbe Mon-
arch oder Staatsrat tyrannische Gesetze macht, um sie tyrannisch zu vollstrecken“ (Vom Geist der Gesetze XI 6). In Deutschland kommt noch tyranneiverstärkend hinzu, daß derselbe Gesetzgeber (über Richterwahlausschüsse des BT bzw. der LT) sich auch noch tyrannische Richter bestellt, die seine tyrannische Gesetzgebung und deren tyrannische Vollstreckung tyrannisch für Recht erkennen. Dazu heißt es bei Montesquieu a.a.O.: „Tout serait perdu …“ (Alles wäre verloren …).
Herr Baltes beseitigt mit seinem Sinnbild auch das (bei Staatsfunktionären: bewußte) Mißverständnis, Gewaltenteilung (= Arbeitsteilung) sei (die einzig GG-gemäße) Gewaltentrennung. Erstere bedeutet nur, daß der Bürger drei verschieden bewaffnete Feinde mit gleicher Willensrichtung gegen sich hat, letztere, daß er drei von ihm zu seinem Schutz und Wohl beauftragte Helfer, also mit entgegengesetzter Willensrichtung hätte, die einander mit ihren Waffen in den Arm fallen und ggf. bekämpfen, sobald einer von ihnen bürgerfeindlich zu agieren beginnt. Die unabdingbaren Voraussetzungen für Recht und Menschenwürde sind Volkshoheit, Gewaltentrennung und zeitliche Begrenzung aller Gewaltübertragung vom Bürger auf die Staatsdiener, arg. Art. 79(3), 20(2) GG, denn die rechtserzieherische Wirkung der Goldenen Regel, Tobias 4, 16: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu“, entfällt bei Lebenszeit- = Berufsbeamten, -richtern und –abgeordneten, weil sie das Unrecht, das sie dem Bürger antun, niemals mehr selber von ihm erleiden können. Damit ist ihnen die einzige Rechtsquelle, aus der sie schöpfen könnten, versiegelt, so daß sie gar keine mehr haben = Unrechtsherrschaft. Mehr ...

  • Infos zur Realität von Gewaltenteilung in Deutschland
  • Text zum Paraxon von Demokratie und Gewaltenteilung: Wenn alle Gewalt vom Volke ausgehen soll, wie kann sie dann geteilt sein?

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Kommentare

Wende am 17.02.2022 - 19:57 Uhr
Zitat aus „Idee und Wirklichkeit der Gewaltenteilung in Deutschland“, www.gewaltenteilung.de/:
Die Einsichten und das Wollen der Verfassungsgeber wurden von der deutschen Politik ignoriert. Die Staatsrechtswissenschaft an den Universitäten verharrte in gedanklichen Grundmustern der Vergangenheit. Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung wurden nicht auf „verschiedene, einander gleichgeordnete Träger“ übertragen. Die Organisationsstrukturen des kaiserlichen Obrigkeitsstaates blieben – verstärkt durch Zuschnitte der deutschen Justizorganisation auf den nationalsozialistischen Führerstaat – bis heute erhalten. Die neue Gewaltenteilung des Grundgesetzes steht nur auf dem Papier. Ihre praktische Umsetzung durch die Neugestaltung der Staatsorganisation hat bis heute nicht stattgefunden.


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