MEHR AKTIONEN IN GIESSEN
Veranstaltungen
1. Aktionen zu den Genfeldern in Gießen (Feldbefreiungen auf Extra-Seiten)
2. Protestbesuche
3. Veranstaltungen
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5. Materialien
Podiumsgespräch: Aus dem Gießener Anzeiger, 13.3.2007 (mit Bild)
Gen-Mais-Gegner bleiben unter sich
Auf Podiumsdiskussion der Grünen Ablehnung bekräftigt - Bürgermeisterin Weigel-Greilich: Stadt weitgehend machtlos
GIESSEN (soh). "Wie weit geht die Verbundenheit der Justus-Liebig-Universität mit der Region? Will sich die Universität wirklich gegen die Gießener stellen", fragte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Häusling angesichts des geplanten Versuchs mit Gen-Mais durch das Institut für Pflanzenbau auf Feldern am westlichen Rand der Stadt Gießen, den nicht nur die Stadt Gießen, sondern auch Großteile der Bevölkerung ablehnten. Bei einem Informationsabend des Stadtverbandes und der Grünen Jugend über den vorgesehenen Gen-Mais-Anbau am westlichen Gießener Stadtrand wurden die Pläne der Justus-Liebig-Universität auf dem Podium heftigst kritisiert. Neben Häusling sprachen die Grüne Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich und Andrea Hager vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Projektleiter Prof. Wolfgang Friedt von der JLU und Bio-Landwirt Erich Müller, konnten aus persönlichen und zeitlichen Gründen nicht an der Diskussion teilnehmen.
Häusling, der seit vier Jahren im Landtag die agrarpolitischen Positionen der Grünen vertritt und zudem über 20 Jahre Erfahrung als Ökobauer verfügt, berichtete zunächst über die Situation des Genpflanzenanbaus in Deutschland. Rund 1000 Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen würden derzeit in Deutschland angebaut, 980 Hektar davon in den neuen Bundesländern, sagte er. Die große Mehrheit der Bevölkerung, rund 80 Prozent, lehnten Umfragen zufolge gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, auch die Landwirte sind größtenteils dagegen. Also bleibe nur noch die Forschung übrig, über deren Weg die entsprechenden Konzerne versuchen würden, Fuß in Deutschland zu fassen. "Dass sich die Universität Gießen daran beteiligt, hat mich doch verwundert", sagte Häusling. Nach dem im vergangenen Jahr durchgeführten Versuch mit der Gen-Gerste, "den man wirklich noch zur Sicherheitsforschung rechnen konnte", sei von Uni-Seite versichert worden, dass weitere Versuche dieser Art nicht stattfinden würden. "Und der aktuelle Versuch mit dem MON 810 Mais hat sowieso gar nichts mehr mit Sicherheitsforschung zu tun", betonte Häusling. Das sei eine reine Ertragsprüfung im Auftrag des Bundessortenamtes, das wiederum von Monsanto beauftragt worden sei. "Das hat nichts mit Forschung, also mit originären Aufgaben einer Universität zu tun, also warum macht die Uni Gießen das?" Häusling beantwortete sich die Frage selbst. "Die Universität möchte sich in diesem Bereich ein besonderes Profil geben, dabei spielt auch die Drittmittelwerbung eine Rolle", meinte er. Dass die Universität dabei ihren Ruf schädige, nehme man in Kauf. Häusling kritisierte auch den mangelnden Widerstand der Gießener Studierenden. Hier meldete sich ein Asta-Vertreter, der versicherte, dass die Studierendenvertretung sich ebenfalls öffentlich gegen den Gen-Versuch aussprechen werde.
Die Stadt sei gegen das Vorhaben der Universität weitestgehend machtlos, musste Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich einräumen. Die Gießener Stadtverordnetenversammlung habe zwar einen klaren und einstimmigen Ablehnungsbeschluss gegen Freilandversuche im November 2006 verfasst, aber da die Stadt nicht Eigentümerin der betroffenen Flächen sei, könne sie rechtlich nichts machen. Auch Gespräche mit der Universitätsleitung, die geführt worden seien, hätten zu keinem Ergebnis geführt. Einzig bürgerschaftliches Engagement und öffentlicher Protest seien Mittel, um die Universität zur Umkehr zu bewegen. Eine Initiative, die Landwirte nutzen könnten, sei die der gentechnikfreien Region, die Andrea Hager vorstellte. Bereits Landwirte in bundesweit 114 Regionen hätten sich so zusammengeschlossen, um sich gegen Gentechnik auf ihren Feldern auszusprechen. Eine Auftaktveranstaltung in Gießen sei dazu noch in Planung.
Auch von Bürgerseite regte sich derzeit Widerstand. So wollen die betroffenen Imker, deren Bienenvölker auch das Genmaisfeld anfliegen könnten, rechtlich gegen den Versuch der Uni vorgehen.
„Grüne Gentechnik“
Informationsveranstaltung von Universität, Magistrat und Landesärztekammer am 21. Juli 2006 um 15.30 Uhr im Großen Chemischen Hörsaal
Das Umweltforum der Justus-Liebig-Universität, der Magistrat der Stadt Gießen und der Ausschuss Umwelt und Medizin der Landesärztekammer Hessen laden die Öffentlichkeit zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung zum Thema „Grüne Gentechnik“ am Freitag, den 21. Juli 2006, um 15.30 Uhr, im Großen Chemischen Hörsaal (Heinrich-Buff-Ring, 35392 Gießen) ein.
Die Veranstalter haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema aus interdisziplinärer Sicht von verschiedenen Seiten auch für interessierte Bürger zu beleuchten. So stehen am Anfang der Veranstaltung grundsätzliche ethische Fragen (Prof. Dr. Stefan Gosepath, Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft, Universität Gießen), gefolgt von der Frage nach gesundheitlichen Risiken (Prof. Dr. Thomas Eikmann, Zentrum für Ökologie, Universität Gießen), möglichen Nebenwirkungen (Heike Moldenhauer, BUND, Berlin) und den rechtlichen Rahmenbedingungen (Prof. Dr. Martin Eifert, Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Gießen). Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany (Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebens mittel, Karlsruhe) wird die Zukunftsperspektiven der Grünen Gentechnik vorstellen. Abgeschlossen werden die Referate mit einem Beitrag von Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel (Professur für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, Universität Gießen) zum Freisetzungsversuch von transgener G erste im Rahmen des Biosicherheits programms der Bundesregierung sowie einem Beitrag von Dr. Markus Fink (VDI, Düsseldorf) zum Stand der Methodenentwicklung zum Monitoring der Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen. Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutieren die Referenten ihre Positionen im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Abschließend ist Gelegenheit zu einer offenen Diskussion mit den Referenten.
Am 5. Juli wurde die transgene Gerste, die Ende April auf dem Versuchsfeld der Universität Gießen im Alten Steinbacher Weg angepflanzt worden war, endgültig geerntet. Ursprünglich war die Ernte erst für August vorgesehen gewesen, doch nach der teilweisen Zerstörung am Pfingstwochenende konnten Teile der wissenschaftlichen Aufgabenstellung nicht mehr erreicht werden. So wurden die Pflanzen vor dem Ausreifen der Ähren geerntet, da Ertragsversuche nicht mehr mit der not wendigen wissenschaftlichen Präzision hätten durchgeführt werden können. Auch sind nach Aussage des Versuchsleiters Prof. Kogel Studien zum Befall der Gerste mit schädlichen Pilzen an Blättern und Ähren wegen der Störung durch das Herausreißen und Verletzen von Pflanzen nicht mehr möglich. Die Hauptziele des Versuchs sind dagegen nicht gefährdet: Die Wurzel- und Bodenuntersuchungen können vorgenommen werden, und die biochemische Gleichwertigkeit von transgener und normaler Gerste kann untersucht werden. Etwa drei Jahre, so die Annahme der Wissenschaftler, wird die Auswertung der Untersuchung dauern.
Bei dem Projekt war erstmals in Deutschland gentechnisch veränderte Gerste im Freiland angebaut worden. Die Forscher interessiert dabei insbesondere die Frage, ob sich neben der erwünschten erhöhten Widerstandsfähigkeit gegenüber pathogenen Schadpilzen auch unerwünschte Eigenschaften zeigen. Dazu werden die Wissenschaftler nun in detaillierten langwierigen Experimenten die geernteten Pflanzen im Labor untersuchen. Dazu werden sie zunächst mikroskopische Verfahren einsetzen, um die Besiedlung der Gerstenwurzeln mit pathogenen und nützlichen Pilzen zu bestimmen. In einem zweiten Versuchsansatz wird danach mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren eine quantitative Bestimmung der Pilzbesiedelung von Wurzeln durchgeführt. Am Ende erhoffen sich die Wissenschaftler eine klare Aussage zur Frage, ob die transgene Gerste neben positiven Eigenschaften bezüglich einer erhöhten Widerstandsfähigkeit, und damit einer erhofften Einsparung von Pflanzenschutzmitteln, auch negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Auf knapp zehn Quadratmetern Versuchsfläche waren an der Universität Gießen Ende April etwa 5000 Gerstenpflanzen freigesetzt worden. Die Möglichkeit einer Auskreuzung ist im Fall von Gerste – im Unterschied beispielsweise zu Raps und Mais – in einer im Auftrag der EU durchgeführten Studie als äußerst gering eingestuft worden. Militante Gentechnikgegner um einen heimischen Politaktivisten hatten derlei Argumente jedoch nicht davon abgehalten, das Genfeld am Freitag vor Pfingsten nach vorheriger Ankündigung zu stürmen und teilweise zu zerstören.
Das Programm war, wie für Uni und Politik typisch, sehr frontal - die BürgerInnen wurden belabert von 7 ExpertInnen, davon nur eine gentechnikkritische Person:
Bilder der Veranstaltung:
Das Podium (von links): Jany, Gosepath (schon gegangen, Stuhl leer), Moldenhauer, Eikmann (Moderator), Seitz, Kogel, Fink
Blick ins Publikum: Der Saal war weitgehend leer, Abgeordnete kaum da (und als das Publikum zu Wort kam, war nur noch 1 (!) Stadtverordneter da)
Infostand mit Anti-Gentechnik-Ausstellung vor dem Eingang
Stellungnahme eines Feldbefreiers (als Leserbrief an FR, Gießener Anzeiger und Gießener Allgemeine)
"Die Veranstalter haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema aus interdisziplinärer Sicht von verschiedenen Seiten auch für interessierte Bürger zu beleuchten" - so stand es in der Einladung. Die Stadt hatte zudem den Auftrag, eine Veranstaltung in der Art eines Hearing anzubieten - also eher auch mit dem Anspruch der Neutralität. Doch davon war an dem 21.7.2006 nicht viel zu sehen. Von 7 ExpertInnen sprachen sich sechs mehr oder weniger für Gentechnik oder zumindest gentechnische Versuche aus. Die Befürwortung reichte von: "Die Gentechnik ist bereits durchgesetzt, wird müssen daher auch die Risiken überprüfen" (Versuchsleiter Kogel) über "es ist ein Gebot der Vernunft", die Gentechnik weiter zu erforschen (Philosoph Gosepath) bis zu sehr euphorischen Wunder-der-Technik-Verkündern (Jany). Einzig die BUND-Vertreterin Moldenhauer zeigte sich kritisch, aber selbst sie nannte (unabhängig von ihrer gut fundierten Kritik an der Gentechnik) keine einzige grundsätzliche Kritik. Nun bin ich in Gießen solche Veranstaltungen gewöhnt - und ich denke mit gemischten Gefühlen an die berühmteste zurück, als Anfang Mai 2000 die Leitung der Liebigschule ihre Oberstufe zum öffentlichen Zwangs-Informationsabend lud, am Anfang gleich unter Berufung auf das Hausrecht alle kritischen Flugblätter einsammelte und GentechnikkritikerInnen grundsätzlich ein Redeverbot erteilte. Auf dem Podium saßen nur WirtschaftsvertreterInnen und sonstige Gentechnik-Fans. Anlass war damals der Besuch des Science-Live-Mobils, eines Propagandafahrzeuges für wie Wundertechnik. Die Antwort auf die Form der "Von-oben-Kommunikation" war passend, wer auch immer das war: In der Nacht wurde das Fahrzeug zerstört.
So erlebe ich die Situation heute wieder: Die Mächtigen, die ohnehin in ihren Hinterzimmern unter sich entscheiden, reden in der Öffentlichkeite immer von Transparenz, Kommunikation und BürgerInnenbeteiligung. Was sie darunter verstehen, wurde auch beim sogenannten Hearing am 21.7.2006 in der Uni deutlich: Einseitige ExpertInnenauswahl, lange Vorträge und dann (weil Zeitmangel) ständiger Druck auf die ZuhörerInnen, die dann nur noch Fragen stellen durften und auch nur noch eine - erst nach massivem Protest war der ebenfalls einseitig die Gentechnik befürwortende Moderator bereit, auch Statements aus dem Publikum zuzulassen. Wie üblich war das Ergebnis: Erst die kritischen Nachfragen der im Thema offensichtlich gut informierten KritikerInnen aus dem Publikum entlockten dann den ExpertInnen einige Auskünfte über weitere sonst geheim durchgezogene Experimente im Raum Gießen, die sie fraglos lieber verschwiegen hätten. Das Hearing zur Aufklärung wäre ohne die kritischen Gäste zu einer neuen Verarsche geworden. Das bleibt es allerdings ohnehin aus einem anderen Grund: Zweimal wies Bürgermeister Haumann in seiner Einführung darauf hin, dass mit der Veranstaltung der Auftrag an die Stadt erledigt sei. Er hatte Grund, das doppelt zu nennen, denn tatsächlich war es eine Veranstaltung, die ohnehin stattgefunden hätte - geplant als Werbeveranstaltung der Gentechniklobby. Die Stadt hat es sich einfach gemacht und die einfach nun als ihre ausgegeben. So hat sie BürgerInnenbeteiligung vorgetäuscht und die Trickser an der Stadtspitze machen "business as usual". In einer solchen Situation gibt es nur ein Mittel, Kommunikation zu erzeugen: Direkte Aktion. Ohne die Feldbefreiung wäre auch in Gießen noch weniger diskutiert worden!
Jörg Bergstedt, Feldbefreier
Gen-Mais-Gegner bleiben unter sich
Auf Podiumsdiskussion der Grünen Ablehnung bekräftigt - Bürgermeisterin Weigel-Greilich: Stadt weitgehend machtlos
GIESSEN (soh). "Wie weit geht die Verbundenheit der Justus-Liebig-Universität mit der Region? Will sich die Universität wirklich gegen die Gießener stellen", fragte der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Martin Häusling angesichts des geplanten Versuchs mit Gen-Mais durch das Institut für Pflanzenbau auf Feldern am westlichen Rand der Stadt Gießen, den nicht nur die Stadt Gießen, sondern auch Großteile der Bevölkerung ablehnten. Bei einem Informationsabend des Stadtverbandes und der Grünen Jugend über den vorgesehenen Gen-Mais-Anbau am westlichen Gießener Stadtrand wurden die Pläne der Justus-Liebig-Universität auf dem Podium heftigst kritisiert. Neben Häusling sprachen die Grüne Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich und Andrea Hager vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Projektleiter Prof. Wolfgang Friedt von der JLU und Bio-Landwirt Erich Müller, konnten aus persönlichen und zeitlichen Gründen nicht an der Diskussion teilnehmen.
Häusling, der seit vier Jahren im Landtag die agrarpolitischen Positionen der Grünen vertritt und zudem über 20 Jahre Erfahrung als Ökobauer verfügt, berichtete zunächst über die Situation des Genpflanzenanbaus in Deutschland. Rund 1000 Hektar gentechnisch veränderte Pflanzen würden derzeit in Deutschland angebaut, 980 Hektar davon in den neuen Bundesländern, sagte er. Die große Mehrheit der Bevölkerung, rund 80 Prozent, lehnten Umfragen zufolge gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, auch die Landwirte sind größtenteils dagegen. Also bleibe nur noch die Forschung übrig, über deren Weg die entsprechenden Konzerne versuchen würden, Fuß in Deutschland zu fassen. "Dass sich die Universität Gießen daran beteiligt, hat mich doch verwundert", sagte Häusling. Nach dem im vergangenen Jahr durchgeführten Versuch mit der Gen-Gerste, "den man wirklich noch zur Sicherheitsforschung rechnen konnte", sei von Uni-Seite versichert worden, dass weitere Versuche dieser Art nicht stattfinden würden. "Und der aktuelle Versuch mit dem MON 810 Mais hat sowieso gar nichts mehr mit Sicherheitsforschung zu tun", betonte Häusling. Das sei eine reine Ertragsprüfung im Auftrag des Bundessortenamtes, das wiederum von Monsanto beauftragt worden sei. "Das hat nichts mit Forschung, also mit originären Aufgaben einer Universität zu tun, also warum macht die Uni Gießen das?" Häusling beantwortete sich die Frage selbst. "Die Universität möchte sich in diesem Bereich ein besonderes Profil geben, dabei spielt auch die Drittmittelwerbung eine Rolle", meinte er. Dass die Universität dabei ihren Ruf schädige, nehme man in Kauf. Häusling kritisierte auch den mangelnden Widerstand der Gießener Studierenden. Hier meldete sich ein Asta-Vertreter, der versicherte, dass die Studierendenvertretung sich ebenfalls öffentlich gegen den Gen-Versuch aussprechen werde.
Die Stadt sei gegen das Vorhaben der Universität weitestgehend machtlos, musste Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich einräumen. Die Gießener Stadtverordnetenversammlung habe zwar einen klaren und einstimmigen Ablehnungsbeschluss gegen Freilandversuche im November 2006 verfasst, aber da die Stadt nicht Eigentümerin der betroffenen Flächen sei, könne sie rechtlich nichts machen. Auch Gespräche mit der Universitätsleitung, die geführt worden seien, hätten zu keinem Ergebnis geführt. Einzig bürgerschaftliches Engagement und öffentlicher Protest seien Mittel, um die Universität zur Umkehr zu bewegen. Eine Initiative, die Landwirte nutzen könnten, sei die der gentechnikfreien Region, die Andrea Hager vorstellte. Bereits Landwirte in bundesweit 114 Regionen hätten sich so zusammengeschlossen, um sich gegen Gentechnik auf ihren Feldern auszusprechen. Eine Auftaktveranstaltung in Gießen sei dazu noch in Planung.
Auch von Bürgerseite regte sich derzeit Widerstand. So wollen die betroffenen Imker, deren Bienenvölker auch das Genmaisfeld anfliegen könnten, rechtlich gegen den Versuch der Uni vorgehen.
Hearing zum Thema in Gießen
Aus der Presseankündigung:„Grüne Gentechnik“
Informationsveranstaltung von Universität, Magistrat und Landesärztekammer am 21. Juli 2006 um 15.30 Uhr im Großen Chemischen Hörsaal
Das Umweltforum der Justus-Liebig-Universität, der Magistrat der Stadt Gießen und der Ausschuss Umwelt und Medizin der Landesärztekammer Hessen laden die Öffentlichkeit zu einer gemeinsamen Informationsveranstaltung zum Thema „Grüne Gentechnik“ am Freitag, den 21. Juli 2006, um 15.30 Uhr, im Großen Chemischen Hörsaal (Heinrich-Buff-Ring, 35392 Gießen) ein.
Die Veranstalter haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema aus interdisziplinärer Sicht von verschiedenen Seiten auch für interessierte Bürger zu beleuchten. So stehen am Anfang der Veranstaltung grundsätzliche ethische Fragen (Prof. Dr. Stefan Gosepath, Zentrum für Philosophie und Grundlagen der Wissenschaft, Universität Gießen), gefolgt von der Frage nach gesundheitlichen Risiken (Prof. Dr. Thomas Eikmann, Zentrum für Ökologie, Universität Gießen), möglichen Nebenwirkungen (Heike Moldenhauer, BUND, Berlin) und den rechtlichen Rahmenbedingungen (Prof. Dr. Martin Eifert, Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Gießen). Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany (Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebens mittel, Karlsruhe) wird die Zukunftsperspektiven der Grünen Gentechnik vorstellen. Abgeschlossen werden die Referate mit einem Beitrag von Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel (Professur für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, Universität Gießen) zum Freisetzungsversuch von transgener G erste im Rahmen des Biosicherheits programms der Bundesregierung sowie einem Beitrag von Dr. Markus Fink (VDI, Düsseldorf) zum Stand der Methodenentwicklung zum Monitoring der Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen. Im zweiten Teil der Veranstaltung diskutieren die Referenten ihre Positionen im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Abschließend ist Gelegenheit zu einer offenen Diskussion mit den Referenten.
Am 5. Juli wurde die transgene Gerste, die Ende April auf dem Versuchsfeld der Universität Gießen im Alten Steinbacher Weg angepflanzt worden war, endgültig geerntet. Ursprünglich war die Ernte erst für August vorgesehen gewesen, doch nach der teilweisen Zerstörung am Pfingstwochenende konnten Teile der wissenschaftlichen Aufgabenstellung nicht mehr erreicht werden. So wurden die Pflanzen vor dem Ausreifen der Ähren geerntet, da Ertragsversuche nicht mehr mit der not wendigen wissenschaftlichen Präzision hätten durchgeführt werden können. Auch sind nach Aussage des Versuchsleiters Prof. Kogel Studien zum Befall der Gerste mit schädlichen Pilzen an Blättern und Ähren wegen der Störung durch das Herausreißen und Verletzen von Pflanzen nicht mehr möglich. Die Hauptziele des Versuchs sind dagegen nicht gefährdet: Die Wurzel- und Bodenuntersuchungen können vorgenommen werden, und die biochemische Gleichwertigkeit von transgener und normaler Gerste kann untersucht werden. Etwa drei Jahre, so die Annahme der Wissenschaftler, wird die Auswertung der Untersuchung dauern.
Bei dem Projekt war erstmals in Deutschland gentechnisch veränderte Gerste im Freiland angebaut worden. Die Forscher interessiert dabei insbesondere die Frage, ob sich neben der erwünschten erhöhten Widerstandsfähigkeit gegenüber pathogenen Schadpilzen auch unerwünschte Eigenschaften zeigen. Dazu werden die Wissenschaftler nun in detaillierten langwierigen Experimenten die geernteten Pflanzen im Labor untersuchen. Dazu werden sie zunächst mikroskopische Verfahren einsetzen, um die Besiedlung der Gerstenwurzeln mit pathogenen und nützlichen Pilzen zu bestimmen. In einem zweiten Versuchsansatz wird danach mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren eine quantitative Bestimmung der Pilzbesiedelung von Wurzeln durchgeführt. Am Ende erhoffen sich die Wissenschaftler eine klare Aussage zur Frage, ob die transgene Gerste neben positiven Eigenschaften bezüglich einer erhöhten Widerstandsfähigkeit, und damit einer erhofften Einsparung von Pflanzenschutzmitteln, auch negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.
Auf knapp zehn Quadratmetern Versuchsfläche waren an der Universität Gießen Ende April etwa 5000 Gerstenpflanzen freigesetzt worden. Die Möglichkeit einer Auskreuzung ist im Fall von Gerste – im Unterschied beispielsweise zu Raps und Mais – in einer im Auftrag der EU durchgeführten Studie als äußerst gering eingestuft worden. Militante Gentechnikgegner um einen heimischen Politaktivisten hatten derlei Argumente jedoch nicht davon abgehalten, das Genfeld am Freitag vor Pfingsten nach vorheriger Ankündigung zu stürmen und teilweise zu zerstören.
Das Programm war, wie für Uni und Politik typisch, sehr frontal - die BürgerInnen wurden belabert von 7 ExpertInnen, davon nur eine gentechnikkritische Person:
15.30 Uhr: Eröffnung und Begrüßung
Präsident der Justus-Liebig-Universität, Prof. Dr. Stefan Hormuth
Oberbürgermeister der Universitätsstadt Gießen, Heinz-Peter Haumann
Vorsitzender des Umweltforums, Prof. Dr. Thomas Eikmann
Moralische und ethische Aspekte der Grünen Gentechnik
Prof. Dr.Stefan Gosepath, Zentrum für Philosophie, JLU Gießen
Gibt es ein gesundheitliches Risiko durch den Verzehr gentechnisch veränderter Pflanzen?
Dr. Heike Seitz und Prof. Dr. Thomas Eikmann, Institut für Hygiene und Umweltmedizin, JLU Gießen
Risiken und Nebenwirkungen von transgenen Pflanzen
Heike Moldenhauer, BUND
Freisetzung und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen - rechtliche Rahmenbedingungen
Prof. Dr. Martin Eifert, Professur für Öffentliches Recht, JLU Gießen
Zukunftsperspektiven der Grünen Gentechnik
Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Karlsruhe
Darstellung des Forschungsvorhabens zur Biosicherheit an der Justus-Liebig-Universität
Prof. Dr. Karl-Heinz Kogel, Institut für Phytopathologie und Angewandte Zoologie, JLU Gießen
Methodenentwicklung für ein Monitoring von GVP
Dr. Markus Finck, VDI, Kompetenzfeld Biotechnologie, Düsseldorf
18.30 Uhr: Kaffeepause
18.45 Uhr: Podiumsdiskussion mit den Referenten
Offener Dialog mit den Teilnehmern mit Ausklang der Veranstaltung
19.30 Uhr: Schon wieder Schluss mit der Beteiligung der BürgerInnen
Bilder der Veranstaltung:
Das Podium (von links): Jany, Gosepath (schon gegangen, Stuhl leer), Moldenhauer, Eikmann (Moderator), Seitz, Kogel, Fink
Blick ins Publikum: Der Saal war weitgehend leer, Abgeordnete kaum da (und als das Publikum zu Wort kam, war nur noch 1 (!) Stadtverordneter da)
Infostand mit Anti-Gentechnik-Ausstellung vor dem Eingang
Stellungnahme eines Feldbefreiers (als Leserbrief an FR, Gießener Anzeiger und Gießener Allgemeine)
"Die Veranstalter haben sich zum Ziel gesetzt, das Thema aus interdisziplinärer Sicht von verschiedenen Seiten auch für interessierte Bürger zu beleuchten" - so stand es in der Einladung. Die Stadt hatte zudem den Auftrag, eine Veranstaltung in der Art eines Hearing anzubieten - also eher auch mit dem Anspruch der Neutralität. Doch davon war an dem 21.7.2006 nicht viel zu sehen. Von 7 ExpertInnen sprachen sich sechs mehr oder weniger für Gentechnik oder zumindest gentechnische Versuche aus. Die Befürwortung reichte von: "Die Gentechnik ist bereits durchgesetzt, wird müssen daher auch die Risiken überprüfen" (Versuchsleiter Kogel) über "es ist ein Gebot der Vernunft", die Gentechnik weiter zu erforschen (Philosoph Gosepath) bis zu sehr euphorischen Wunder-der-Technik-Verkündern (Jany). Einzig die BUND-Vertreterin Moldenhauer zeigte sich kritisch, aber selbst sie nannte (unabhängig von ihrer gut fundierten Kritik an der Gentechnik) keine einzige grundsätzliche Kritik. Nun bin ich in Gießen solche Veranstaltungen gewöhnt - und ich denke mit gemischten Gefühlen an die berühmteste zurück, als Anfang Mai 2000 die Leitung der Liebigschule ihre Oberstufe zum öffentlichen Zwangs-Informationsabend lud, am Anfang gleich unter Berufung auf das Hausrecht alle kritischen Flugblätter einsammelte und GentechnikkritikerInnen grundsätzlich ein Redeverbot erteilte. Auf dem Podium saßen nur WirtschaftsvertreterInnen und sonstige Gentechnik-Fans. Anlass war damals der Besuch des Science-Live-Mobils, eines Propagandafahrzeuges für wie Wundertechnik. Die Antwort auf die Form der "Von-oben-Kommunikation" war passend, wer auch immer das war: In der Nacht wurde das Fahrzeug zerstört.
So erlebe ich die Situation heute wieder: Die Mächtigen, die ohnehin in ihren Hinterzimmern unter sich entscheiden, reden in der Öffentlichkeite immer von Transparenz, Kommunikation und BürgerInnenbeteiligung. Was sie darunter verstehen, wurde auch beim sogenannten Hearing am 21.7.2006 in der Uni deutlich: Einseitige ExpertInnenauswahl, lange Vorträge und dann (weil Zeitmangel) ständiger Druck auf die ZuhörerInnen, die dann nur noch Fragen stellen durften und auch nur noch eine - erst nach massivem Protest war der ebenfalls einseitig die Gentechnik befürwortende Moderator bereit, auch Statements aus dem Publikum zuzulassen. Wie üblich war das Ergebnis: Erst die kritischen Nachfragen der im Thema offensichtlich gut informierten KritikerInnen aus dem Publikum entlockten dann den ExpertInnen einige Auskünfte über weitere sonst geheim durchgezogene Experimente im Raum Gießen, die sie fraglos lieber verschwiegen hätten. Das Hearing zur Aufklärung wäre ohne die kritischen Gäste zu einer neuen Verarsche geworden. Das bleibt es allerdings ohnehin aus einem anderen Grund: Zweimal wies Bürgermeister Haumann in seiner Einführung darauf hin, dass mit der Veranstaltung der Auftrag an die Stadt erledigt sei. Er hatte Grund, das doppelt zu nennen, denn tatsächlich war es eine Veranstaltung, die ohnehin stattgefunden hätte - geplant als Werbeveranstaltung der Gentechniklobby. Die Stadt hat es sich einfach gemacht und die einfach nun als ihre ausgegeben. So hat sie BürgerInnenbeteiligung vorgetäuscht und die Trickser an der Stadtspitze machen "business as usual". In einer solchen Situation gibt es nur ein Mittel, Kommunikation zu erzeugen: Direkte Aktion. Ohne die Feldbefreiung wäre auch in Gießen noch weniger diskutiert worden!
Jörg Bergstedt, Feldbefreier