Gießen autofrei

VERKEHRSWENDE IN GIESSEN: DIE KONKRETEN VORSCHLÄGE

Anlagenring zur Fahrradstraße - der Start zur Umgestaltung


1. Fahrradstraßen, Tramlinien und eine Flaniermeile
2. Forderungen, Wünsche, Ziele ... unser Verkehrswendeplan
3. Zu Fuß: Autofreie Innenstadt und Zonen, barrierefreie und breite Wege
4. Fahrradstraßen: Innerer Anlagenring, Innenstadtdurchfahrten, Trassen in alle Stadtteile
5. Anlagenring zur Fahrradstraße - der Start zur Umgestaltung
6. RegioTram: Zwei Straßenbahnlinien mit Anschluss ins Umland, weitere Strecken in Stadtteile plus Bus-Zubringer
7. Bachelorarbeit zur RegioTram
8. Klingt exotisch, bringt es aber: Seilbahnen als Ergänzung
9. Stadtteile im Nordosten: Wieseck und rund um die Philosophenhöhe
10. Pläne für konkrete Plätze oder Straßenabschnitte
11. ÖPNV und Nulltarif in und um Gießen
12. Verkehrsunternehmen, Medien, Politik und Institutionen
13. Parteien und Politiker*innen zur Verkehrswende in Gießen
14. Beiräte, NGOs, Berater*innen usw.
15. Verkehrserzeuger*innen und Pro-Auto-Lobby
16. Links
17. Das war der erste Vorschlag (2017): Plan, Text und Flyer
18. Kontaktformular für Anfragen und alle, die mitmachen wollen

Endlich!!! In die Verkehrswende kommt Schwung - nicht mehr nur Kleinklein, sondern einige Veränderungen, die richtig was verschieben können. Im Zentrum steht die neue Aufteilung des Anlagenrings um die Innenstadt. Künftig gehören die inneren Spuren den Fahrrädern und Bussen allein. Um diese auch gut erreichen zu können, soll es weitere Achsen durch die Innenstadt und aus den Stadtteilen zum Ring geben. So entsteht das Anfangsgerüst für ein hoffentlich am Ende dichtes Fahrradstraßennetz. Die Veränderung bringt auch einige Vorteile für den ÖPNV und für Fußgänger*innen.

Das Projekt wird auch überregional wahrgenommen. Es ist ein großer Sprung nach vorne!


Genial, oder? Dieses Bild veröffentlichte der Gießener Anzeiger als Vision einer zukünftigen Gestaltung des Selterstors ... ohne Autos, mit viel Grün und der Fahrradstraße!


Die Umsetzung: Erste Schritte, genaue Pläne, neue Markierungen

April/Mai 2023: Vorstellung der Pläne und der stufenweisen Umsetzung

Start im Oktober 2022 in der Neuen Bäue
Es geht los mit der Umwandlung der Innenstadt in Fahrradstraßen/-zonen: Berichte in Gießener Allgemeine und Gießener Anzeiger zu Veränderungen in und um die Neuen Bäue.


Rückblick: Der lange Weg zu den Fahrradstraßen

Ende 2018 legten Verkehrswende-Aktive ihren Plan für eine Umgestaltung der Stadt vor. Darin befanden sich die Vorschläge für Fahrradstraßen, unter anderem auf dem inneren Anlagenring. Viele Aktionen, Veranstaltungen, Appelle usw. folgten. Die spitzten sich zu, als 2020 Unterschriften gesammelt wurden für einen Bürger*innenantrag, durch den aus den Aktionsserien ein formaler Beschluss wurde.

Die Stadt Gießen beschloss am 4.3.2021 auf Antrag aus den Verkehrswende-Initiativen und mit über 1000 Unterstützungsunterschriften, auf dem Anlagenring zwei Spuren für Fahrradstraßen einzurichten. Zunächst ging der K(r)ampf um diese Veränderung aber weiter - die Autolobby bediente sich dabei der typischen unlauteren Mittel, die zur Verfügung stehen: Angst vor der Verödung der Innenstadt, Sabotage der Planungen, formale Gegeninitiativen und Verschleppung in der Bürokratie.

Aus "Warum die Verkehrswende scheitert", in: FAZ am 24.10.2021
Ein Dilemma muss die Verkehrsplanung allerdings überwinden. „Die Angst vor dem Verlust ist viel größer als die Freude über einen Gewinn“, sagt Jens Schade, das habe die Prospect-Theorie klar gezeigt. Nimmt man Autofahrern also eine Spur weg, droht Widerstand. Studien zeigen aber auch: Am größten ist dieser Widerstand kurz vor der Änderung, anschließend steigt die Akzeptanz. Verkehrsplaner brauchen also ein dickes Fell und einen langen Atem. Bloße Wissensvermittlung sei jedenfalls nicht ausreichend, um eine Wende einzuleiten, sagt der Verkehrspsychologe – und rät davon ab, zu zimperlich vorzugehen. „Man braucht harsche Methoden, um die Gewohnheiten zu durchbrechen“, sagt er.

Ein Streitpunkt war lange, wo die Fahrradstraßen geführt werden sollen. Sinnvoll war ausschließlich der Vorschlag der Verkehrswende-Initiativen, wie er schon im Bürger*innenantrag formuliert wurde.

Präsentationsveranstaltung um 19 Uhr bei der Agenda-AG "Nachhaltige Mobilität"

Laut Stadtverordnetenbeschluss vom 4.3.2021 hätte dieser Vorschlag auch untersucht werden müssen. Nach einigem Streit geschah das auch - durch ein externes Planungsbüro. Und das kam zu dem Ergebnis: Der Vorschlag der Verkehrswende-Inis ist tatsächlich der beste.


Folien der Präsentation Nr. 1, 12 und 62


Berichte: Gießener Allgemeine ++ Gießener Anzeiger ++ HR4 ++ FFH

Drei Tage vorher erlebte der Anlagenring den bisher größten Verkehrswende-Aktionstag, wo per Versammlungsrecht genau diese Variante schon mal für einige Stunden hergestellt wurde.
Am 3.6.2022 wurden die Umbaupläne des Anlagenrings dann in einer öffentlichen Online-Veranstaltung präsentiert (Berichte: Gießener Anzeiger am 6.6.2022 ++ Gießener Allgemeine)

Damit war nun endlich Klarheit geschaffen, wie die Fahrradstraßen aussehen sollten. Aus den Verkehrswende-Initiativen wurden mehrere Ergänzungs- und Detailvorschläge benannt. Unter anderem:
  • Mitentscheidend für den Erfolg wird sein, wie gut Menschen aus den verschiedenen Richtungen zum Anlagenring hinkommen. Daher sollte der Verkehrsversuch gleich mit zuführenden Radachsen starten. Wir haben dazu bereits Vorschläge vorgelegt - im Verkehrswendeplan insgesamt und auch speziell eine Liste, die unter anderem Rodheimer Straße/Schützenstraße, Asterweg, Roonstraße/Eichgärtenallee/Fröbelstraße, Goethestraße/Altenfeldsweg und Bahnhofstraße/Bahnhof/Alter Wetzlarer Weg enthielt.
  • Ebenso wichtig, dass die Zahl der Ampeln reduziert wird, die den Radverkehrsfluss unterbrechen. Die vielen Parkhäuser auf der Innenseite des Rings sind schon recht ärgerlich. Einige Straße, die von innen auf den Anlagenring treffen, scheinen uns überflüssig, d.h. die könnten zu Sackgassen werden und würden dann nicht zu Unterbrechungen des Radverkehrs führen - je mehr davon, desto besser. Beispiele wären Asterweg, Wetzsteinstraße, Schanzenstraße, Landgrafenstraße.
  • Ampeln, wo die Autostraßen nur von außen kommen, sollten im Fahrradstraßenverlauf (also auf den inneren Spuren) ohnehin weg, z.B. E-Klo/Selterstor und Heuchelheimer Straße.
  • An mehreren Stellen sind Spuren vorhanden oder können eingerichtet werden, wo die Busse separat fahren, also auf einer eigenen, z.B. von der Haltestelle Johanneskirche bis Bleichstraße und dann an Ampel durch passende Schaltung vorziehen vor die Fahrräder (das scheint von Ihnen auch schon berücksichtigt worden zu sein, wenn ich das richtig mitbekommen habe).
  • Zufahrten zu den Parkhäusern sollten auf jeden Fall auf dem äußeren Ring, also bei den Autospuren eingerichtet werden. Genug Spielraum ist auch für kurze Strecken im Gegenverkehr da, da außen jeweils 3 oder 4 Spuren für das zu überbrückende Stück zur Verfügung ständen und das Abbiegen in die Innenstadt ja ohnehin deutlich reduziert werden soll, die Abbiegespur nach innen also eigentlich nicht mehr nötig wäre. Das Problem wäre nicht mal so sehr der Platzverlust für die Fahrradstraßen, sondern vor allem die Gefahr, dass Autos, wenn sie erstmal auf den inneren Spuren sind, einfach dort weiterfahren. Es müsste dann ja jeweils nach der Parkhauszufahrt eine Sperre für Autos hin, was wieder für Rettungswege schwierig wäre. Für Rettungsfahrzeuge wird die Fahrradstraße ja eine große Erleichterung sein, weil dort nie Staus existieren - auch keine unflexiblen Warteschlangen vor Ampeln.

Der allem zugrundeliegende Beschluss vom 4.3.2021 hatte noch mehrere Varianten benannt:

Aus dem Stadtverordnetenprotokoll vom 4.3.2021 (S. 26 zu TOP 8)
Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen stellen den nachstehenden ersetzenden Änderungsantrag:
„1. Die Stadtverordnetenversammlung begrüßt das Ansinnen des Bürgerantrags, mehr Platz für den Radverkehr in unserer Stadt zu schaffen.
2. Die Stadtverordnetenversammlung stellt fest, dass die Verkehrswende für das Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein, eminent wichtig ist und nur gelingen kann, wenn neben dem Radverkehr der ÖPNV und der Fußgänger*innenverkehr gefördert werden.
3. Die Stadtverordnetenversammlung fordert den Magistrat auf
  • innerhalb von 6 Monaten einen mindestens einjährigen, fachlich begleiteten Verkehrs-versuch zu realisieren, der am Anlagenring in jeder Richtung eine (mindestens drei Meter breite) Spur ausschließlich für den Fahrradverkehr freigibt. Dabei ist gleichzeitig der Linienbusverkehrs adäquat einzuplanen.
  • umgehend ein den Versuch begleitendes Gutachten in Auftrag zu geben, welches untersuchen soll, wie die Hälfte des Anlagenrings für Radfahrer*innen zur Verfügung gestellt werden kann.
    In dem Gutachten sollen alle im Raum stehende Varianten (Zwei-Richtungs-Fahrrad-straßen auf den inneren Fahrspuren des Anlagenrings mit und ohne Einbahnstraßen-regelung für den Autoverkehr, eine durchgehende, baulich getrennte Fahrradspur auf jeder Seite des Anlagenrings, etc.) untersucht und bewertet werden. Zudem soll das Gutachten eine Empfehlung für eine Variante geben. Das Gutachten hat auch den Vorrang des Linienbusverkehrs (ÖPNV) zu berücksichtigen bzw. mit einzuplanen.
    Das Gutachten ist der Stadtverordnetenversammlung zeitnah, vor dem Ende des Verkehrsversuchs vorzulegen, damit sie entscheiden kann, welche Variante geplant und umgesetzt werden soll.
  • die zwei Innenstadtachsen Neuen Bäue – Neustadt und Bahnhofstraße – Walltorstraße sind innerhalb von drei Monaten im Rahmen eines einjährigen Verkehrsversuches als Fahrradstraße einzurichten. Der Parksuchverkehr ist in diesem Bereich durch geeignete Maßnahmen zu reduzieren.
  • alle zwei Monate über die in der Zwischenzeit entwickelten und umgesetzten Maß-nahmen des Antrags sowie noch erforderliche Maßnahmen öffentlich im Rahmen des Bau- und Verkehrsausschusses zu informieren. Das Ergebnis der Verkehrsversuche und des Gutachtens sind in einer Bürgerinformations- und -diskussionsveranstaltung vorzustellen und zu diskutieren.

  • Der ersetzende Änderungsantrag wird mehrheitlich beschlossen (Ja: 30; Nein 28 Stimmen).

    Umgesetzt wurde innerhalb der festgelegten Zeitspannen gar nichts. Zudem hat die Stadtverwaltung nur eine ganz andere Varianten zu untersuchen begonnen und dann im September 2021 vorgeschlagen. Die im Bürger*innenantrag enthaltene und laut Beschluss zumindest auch zu untersuchende Variante wurde nicht beachtet. Die untersuchte aber wäre für den Radverkehr fatal - einerseits gefährlich, andererseits teilweise gar nicht machbar, und vor allem sehr teuer. Mit der nochmaligen Präsentation des Vorschlags aus dem Bürger*innenantrag und den darüber hinausgehenden Überlegungen für eine optimale Führung des Auto- und Busverkehrs soll für den Start einer echten Verkehrswende hin zu einem klimaneutralen und lebenswerten Gießen mit einer attraktiven Innenstadt geworben werden. Die Fahrradstraßen auf den inneren Spuren des Anlagenrings sind längst nicht alles, was nötig ist, aber jetzt das Symbol dafür, ob die politischen Versprechungen heiße (CO2-)Luft oder ernst gemeint sind. Wird diese erste Veränderung verpatzt, gäbe es keinen Grund zur Hoffnung mehr, dass sich außer Kleinklein etwas verändern wird.


    Drei verschiedene Varianten - Vor- und Nachteile
    Es sind mehrere Ideen und Vorschläge in der Debatte. Aus den Verkehrswende-Initiativen stammt der Vorschlag, die inneren, also direkt an die Innenstadt angrenzenden, bisherigen Autospuren zu Fahrradstraßen umzuwidmen, die dann in beide Richtungen genutzt werden können – hier gezeigt am Beispiel der Ostanlage mit Abzweig „Am alten Gaswerk“, also nahe dem Berliner Platz.

    Andere Vorschläge sehen die Fahrradstraßen jeweils auf der rechten Seite der jetzigen Fahrspuren vor.

    Unterschiedliche Konzepte gibt es zudem, wie dann Autos und Busse geführt werden sollen – in beide Richtungen, Busse extra oder auf den Fahrradspuren usw. Erhebliche Unterschiede ergeben sich vor allem bei der Anzahl der nötigen Kreuzungen von Auto-, Bus- und Fahrradverkehr. Das hat massive Folgen für Fahrzeiten und Sicherheit, wie am Beispiel der Einmündung der Straße „Am Alten Gaswerk“ gezeigt wird:

    Wenn die Fahrradstraßen jeweils auf der rechten Fahrspur liegen, müssen einbiegende Fahrzeuge die Fahrradstraße überqueren – und zwar beim Rechtsabbiegen sowie noch komplizierter beim Linksabbiegen. Es kommt aber noch dicker. Auch wenn Autos den Anlagenring verlassen, kreuzen sie die Fahrradstraße. Einmal beim Verlassen der Hauptstraße nach rechts, der größten Gefahr für Radfahrer*innen überhaupt, aber auch beim Linksabbiegen. An jeder kleinen Einmündung entstehen gefährliche und unübersichtliche Situationen – auf Dauer.

    Liegen die Fahrradstraßen beide auf den inneren Spuren des Anlagenrings, fallen alle diese Kreuzungen weg. Die Autos biegen ohne Kontakt zu den Radspuren auf die Autospuren ein und verlassen diese ebenso. Damit ist schon mal viel gewonnen.

    Aber es geht noch besser. Wenn nur noch gegen den Uhrzeigersinn gefahren wird, fahren Autos und Busse nur noch nach rechts auf den Anlagenring auf und auch nur noch nach rechts weg. Schauen wir uns das an unserem Beispiel, der Einmündung „Am Alten Gaswerk“ an. Die schlechteste Lösung mit vielen Überkreuzungen war die Variante mit den Fahrradspuren jeweils rechts. Deutlich besser, wenn die Fahrradspuren beide innen liegen. Noch besser aber, wenn der Autoverkehr als Einbahnstraße geführt wird. Jetzt gibt es auch keine Kreuzungen zwischen Autos mehr. Die Autos verlassen den Anlagenring nach rechts und fahren so auch auf ihn auf. Besondere Regelungen wie Ampeln sind hier als auch an vielen anderen Stellen nicht mehr nötig. Da die Innenstadt autofrei oder zumindest autoärmer werden soll, werden Abbiegevorgänge von Autos vor allem von und nach außen verlaufen – also so, wie am Beispiel gezeigt.

    Das ist dann sehr übersichtlich, so dass eine Einbahnstraße viele Vorteile bringt, die den Verkehr flüssiger und damit schneller machen – ganz ohne Geschwindigkeitserhöhung.
    Denn:
    • Auch für Autos und Busse können nun all die Ampeln wegfallen, bei denen von außen auf den Anlagenring aufgefahren wird – also z.B. Asterweg, Moltkestraße, Bleichstraße, Heuchelheimer Straße usw.
    • An diesen, dann ampelfreien Kreuzungen können stattdessen Einfädelspuren für Autos auf der Busspur das Einreihen in den fließenden Verkehr vereinfachen. Entsprechende Schilder werben vor den Kreuzungen für das Reißverschlussverfahren.
    • Nehmen wir als Beispiel die Moltkestraße. Die zum Anlagenring fahrenden Autos nähern sich der Kreuzung. Die Ampel ist weg. Auf dem inneren Anlagenring – nur noch Fahrräder. Auf dem Äußeren links die Autos, rechts die Busspur – und ein Stück die Einfädelspur. Das Auto näher sich der Kreuzung, schaut, ob ein Bus kommt und fährt im Normalfall ohne Halt in die Einfädelspur und von dort dann auf die Autospur. Fertig.
    • Das geht an sehr vielen Einmündungen so. Hier von der Roonstraße kommend: Auf Busse achten, auf die Einfädelspur und ohne Halt auf die Autospur.

      Das gleiche Spiel an der Bleichstraße und an sehr vielen der Kreuzungen, wo Autos von außen auf den Anlagenring auffahren.
    • So entsteht ein kontinuierlicher Verkehrsfluss. Einige Fahrstrecken sind zwar nun länger, gleichzeitig fällt aber das Warten an Ampeln beim Einbiegen auf den Anlagenring, beim Abfahren und unterwegs zu großen Teilen weg. Im Durchschnitt wird sich das Reisetempo dadurch sogar erhöhen – und das alles bei einer beeindruckenden Steigerung der Aufenthaltsqualität und Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer*innen.
    Es bleiben nur wenige Ampeln übrig. Das sind zum einen die, die für das Hineinfahren in die Innenstadt nötig sind – also für Rettungsdienste, Anlieferungen und Anwohner*innen, soweit sie weiter auf den teuren Besitz eines Autos bestehen. Diese Einfahrten erfolgen nur noch über den Berliner Platz und Oswaldgarten, so dass hier Ampelanlagen für die gesamte Kreuzung, also auch die Fahrradstraße, erhalten bleiben müssen. Allerdings können die Rotphasen für die Fahrradstraßen deutlich kürzer ausfallen und seltener sein, wenn der Verkehr in die Innenstadt abnimmt. Weiterhin braucht es leider Ampeln für das Erreichen von Parkhäusern am inneren Rand des Anlagenrings. Diese städtebauliche Fehlplanung muss mittelfristig korrigiert werden, um die Kreuzung von Autos über die Fahrradstraße zu reduzieren. Hierzu gehört die Zufahrt zum Reichensand, die ohnehin auch langfristig eine Ampel zur Querung der Fahrradstraße benötigt, um die Durchfahrt von Bussen in die Innenstadt ode Richtung Selterstor und Bahnhof zu ermöglichen.

    Das war der Antrag: Wir fordern:
    Verbindliche Schritte hin zu einer fahrradfreundlichen Innenstadt
    Durchgängige Fahrradstraßen und Achsen in verschiedene Richtungen: Mit unserem Antrag fordern wir die Stadt Gießen auf, endlich ernsthafte Schritte hin zu einer fahrradfreundlichen Innenstadt zu gehen. Der Antrag stützt sich auf die Gießener Bürgerbeteiligungssatzung, die es Gießener*innen ermöglicht, sich mit ihrem Anliegen in Form eines Antrags direkt an die Stadt Gießen zu wenden.

    Der Anlagenring eignet sich besonders gut für Fahrradstraßen, da er einmal um die ganze Innenstadt führt. So lassen sich alle Seiten der Innenstadt miteinander verbinden, ohne die Straße wechseln zu müssen. Da schon heute das Verkehrsaufkommen innerhalb des Anlagenrings reduziert ist (z.B. durch die Fußgänger*innen-Zone), können außerdem Konflikte an großen Kreuzungen vermieden werden. Neben der Umwandlung des Anlagenrings, fordern wir zwei Fahrradstraßen-Achsen durch die Innenstadt. Die Strecken sind schon heute viel befahrene Verbindungswege mit dem Fahrrad und bieten eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit die Innenstadt zu durchqueren oder in ihr Zentrum zu gelangen.

    Als konkrete Schritte fordern wir in dem Antrag:
    • Zwei-Richtungs-Fahrradstraßen auf den beiden inneren Fahrspuren des Anlagenrings (siehe Karte unten) ohne Freigabe für private KFZ
    • Fahrradstraßen auf den Innenstadtachsen (Vorschlag: Neuen Bäue - Neustadt & Bahnhofstr. – Walltorstr.) sowie Einbahnsstraßen-Regelung auf diesen Straßen nach dem Vorbild der Neustadt
    • Sichere Querungen für Radfahrende und Fußgänger*innen, um auf den Ring und in die Innenstadt zu kommen
    • Vorrang für den Radverkehr an den Kreuzungspunkten zwischen Fahrradstraßen und Autostraßen
    • Anbindung an weitere Fahrradstraßen sowie deren Errichtung im gesamten Stadtgebiet. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die Verbindungen zwischen Uni-Standorten und Schulen, sowie weitere stark frequentierte Achsen
    • Punkt 1 ist spätestens 6 Monate und Punkt 2 spätestens 3 Monate nach Beschluss des Antrags umzusetzen. Die Stadt stellt alle erforderlichen Mittel (finanziell, organisatorisch, planerisch) bereit bzw. entwickelt diese. Dabei wird alle zwei Monate öffentlich über entwickelte, sowie noch offene Maßnahmen informiert.

    Der Verlauf der Fahrradstraßen ist im folgendem Bild dargestellt:


    Ausschnitte aus der Bürger*innenversammlung am 12.2.2021
    16.2.2021: Ausschuss votiert für Fahrradspuren ++ Berichte: Gießener Allgemeine und Anzeiger

    So stand der Bürger*innenantrag auf der Internetseite der Stadt Gießen

    Der weitere Umgang nach dem Beschluss
    Schnell stellte sich heraus, dass alles nicht so laufen würde wie beschlossen. Aus den Verkehrswende-InitiativeN kam daraufhin das Signal: Verschiebung auf Frühjahr 2022 ja, wenn dann auch Fahrradstraßen in die Ortsteile gleich mit verwirklicht werden.

    Im Januar 2022 setzen Verkehrswende-Initiativen dann ein Ultimatum bis zum 14.5.2022 (Beginn des Stadtradelns). ++ Berichte in Gießener Allgemeine ++ Gießener Anzeiger
    Filmbericht von der Aktion für eine autofreie Innenstadt, Parkhäuser zu Wohnungen und die Einrichtung der Fahrradstraßen auf dem Anlagenring in Gießen.
    Berichte: Gießener Anzeiger ++ HR ++ FFH ++ Live-Ticker der Gießener Allgemeine

    Aktionen vor der Beschlussfassung im Stadtparlament
    4.3.2021, Tag der Entscheidung: Zuerst große Demo mit Argumente-Flyer ++ dann entschied das Stadtparlament:
    Bürger*innenantrag wurde leicht abgeändert beschlossen (Presseberichte)
    Eindrücke der Fahrraddemo am 16.2.2021 ++ Berichte: Gießener Anzeiger und Allgemeine
    Unten: Erster Aktionstag am 30.1.2021 ++ Berichte : Gießener Allgemeine und Anzeiger

    Mitte Dezember 2020 erreichte der Antrag die nötige Stimmenzahl.
    Aus "Wer kriegt was vom Gießener Anlagenring?", in: Gießener Allgemeine: 17.12.2020
    Bleibt der Anlagenring Gießens innerstädtische Hauptschlagader für den Autoverkehr oder muss der Spuren an die ebenfalls nicht kleine Heerschar der Alltagsradfahrer abgeben? Diese Frage wird im Kommunalwahlkampf eine große Rolle spielen. Ein Bürgerantrag könnte das Stadtparlament aber schon vorher zu einer Positionierung zwingen. ...
    Die drei Parteien der noch amtierenden Koalition aus SPD, CDU und Grünen haben sich in der Frage Anlagenring bereits positioniert, und zwar unterschiedlich. SPD und Grüne wollen ebenfalls ein oder zwei Pkw-Spuren dem Radverkehr und vielleicht auch den Stadtbussen überlassen, die CDU ist strikt dagegen. ...
    "Mit uns bleibt es bei vier Pkw-Fahrspuren am Anlagenring", lautete am Samstag die Ansage von CDU-Partei- und Fraktionschef Klaus Peter Möller beim Listenparteitag. Sein Stellvertreter Randy Uelman sprach bezüglich der Vorstellungen von SPD und Grünen von "Hirngespinsten", die der "Lebenswirklichkeit entkoppelt" seien.
    Das sehen viele Unterzeichner des Bürgerantrags, die dazu bei Gießen direkt Kommentare abgegeben haben, natürlich anders. Denn zu ihrer Gießener "Lebenswirklichkeit" gehören Straßen ohne Schutzstreifen für Radfahrer. "Ich unterstütze den Antrag, weil ich gefühlt jeden Tag einmal plattgefahren werde", schrieb einer. "Weil ich mich, so wie es jetzt ist, unsicher fühle" ein anderer. Eine Unterstützerin urteilte: Im Vergleich zu anderen Städten sei die Situation in Gießen für Radfahrer "grauenvoll" und einer Studentenstadt mit hohem Radverkehrsanteil "unwürdig".
    Der Anlagenring war bereits in der zuende gehenden Wahlperiode ein Zankapfel zwischen Roten, Grünen und Schwarzen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte lückenlose Markierung von Radstreifen am rechten Fahrbahnrand wurde von CDU-Bürgermeister und Verkehrsdezernent Peter Neidel zum Unmut von SPD und Grünen aus Platzgründen nicht umgesetzt. Rot-Grün indes hatte die eigene Regierungszeit von 2011 bis 2016 ebenfalls tatenlos vertreichen lassen, obwohl die Radstreifen am Anlagenring im Bündnisvertrag standen. So ist es bis heute bei Radfahrstreifen nur an der Ostanlage geblieben.
    Die Programmaussagen der Grünen und die Ankündigungen der SPD zum Anlagenring sind bislang noch unscharfe Willensbekundungen, dagegen ist der Bürgerantrag konkteter. Er widmet sich auch den Kreuzungen des Anlagenrings und fordert des Weiteren einen einjährigen Verkehrsversuch mit zwei innerstädtischen Nord-Süd- und Ost-West-Fahrradachsen zwischen einerseits Walltorstraße und Bahnhofstraße und andererseits Neuen Bäue und Neustadt, verkehrsrechtlich als Fahrradstraßen ausgewiesen.


    Blick über den Tellerrand
    Breite, mehrspurige Autostraßen in Städten zurückzubauen, um Platz für andere Verkehrsmittel zu gewinnen, ist nicht ungewöhnlich.

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