Ende Gelände

ANARCHIE UND DEMOKRATIE
DIE GLEICHSETZUNG DES UNVEREINBAREN

Siebenmal: Anarchie und (Basis-)Demokratie sind unvereinbar!


1. Einleitung
2. Siebenmal: Anarchie und (Basis-)Demokratie sind unvereinbar!
3. Anarchistische Kritik an Staat und Demokratie
4. Trotzdem: AnarchistInnen für die (verbesserte) Demokratie
5. Positiver Bezug auf das Volk
6. Demokratie als Entscheidungsform in der Anarchie?
7. Kritik der Demokratiebefürwortung
8. Links und Materialien

Unvereinbarkeit, die Erste: Mit und ohne Kollektivsubjekt
Demokratie
Demokratie ist die Herrschaft des ‚demos’, also des Volkskörpers oder, auf den kleineren Maßstab angewendet, die Herrschaft der als Gesamtwillen gedachten Einheit über die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Einzelnen. Das ist im großen Rahmen das ‚Volk’ (mit der Besonderheit, dass dieses erst frei erfunden wird), im kleineren ‚die Gruppe’, ‚das Camp’ oder was auch immer – gedacht als Kollektiv, d.h. als handelnde Einheit. Damit tritt das Kollektiv konkurrierend den Einzelnen und deren Kooperationen gegenüber: Ressourcen an Aufmerksamkeit, Durchsetzungskraft usw. werden zwischen ihnen verteilt. Anarchie kann das nicht sein, denn ein herrschaftsfreier Raum ist mit der Existenz eines über oder auch nur neben den Einzelnen und ihren Kooperationen stehenden Subjekts voller Handlungskompetenzen nicht vereinbar.


Anarchie
Anarchie ist die Abwesenheit von Kollektivsubjekten. Ob Regierung, Parlament, Vorstand oder Plenum, im Namen des Volkes oder der Gruppe - immer beziehen sich Gremien oder SprecherInnen auf eine Kollektivität, d.h. eine Menge von Menschen, die als Ganzes entscheidet und Regeln und Normen festlegt, die dann auch für alle Einzelnen gelten, die als Teil der Gesamtheit gedacht werden. Das macht von der Logik her nur Sinn, wenn auch erwartet wird, dass die aufgestellten Regeln und Normen eine Wirkung haben, d.h. befolgt und im Zweifelsfall auch durchgesetzt werden.

Basis- und direkte Demokratie
Basis- und direkte Demokratie sind Unterformen der Demokratie, das gibt schon das Wort her. Sie sind es auch praktisch, denn beide brauchen das für alle Formen von Demokratie konstitutive Merkmal des abgrenzten Kollektivs, das den Gemeinwillen schaffen oder von dem dieser zumindest formal abgeleitet werden kann - eben den "demos". Dieser aber wird grundsätzlich herrschaftsförmig bestimmt und steht nach seiner Erschaffung als Überbau über den Individuen. Direkte und Basisdemokratie unterscheiden sich in der Art, wie das abgegrenzte Kollektiv Entscheidungen fällt. Basisdemokratie ist unvereinbar mit einem abgekoppelten Überbau, direkte Demokratie kann sogar damit problemfrei verbunden werden. Doch bereits die Existenz des "demos" widerspricht der Anarchie, denn das eine stammt aus der Welt der Macht und der Herrschaftsmethoden, das andere ist eine Idee der Herrschaftsfreiheit.

Die Zweite: Mit und ohne kollektive Entscheidungsfindung
Demokratie
Kollektive Entscheidungsfindung bedeutet, dass innerhalb einer nicht für einen konkreten Zweck entstandenen Runde von Menschen Entscheidungen getroffen werden, die für alle gelten - auch für die, die sie nicht gut finden, die sich an der Entscheidung nicht beteiligt haben (weil sie müde waren, anderes machen wollten oder Entscheidungsprozesse dieser Art ablehnen) oder noch nicht da waren (später gekommen, geboren ...). Kollektive Entscheidungsfindung dient der Konstruktion eines „Wir“, schafft dieses und setzt es voraus. Sie gebiert für alle im konstruierten Kollektiv eingemeindeten Personen allgemeingültige, d.h. genormte Verhaltensweisen.
Demokratie ist ein System des Treffens kollektiver Entscheidungen. Dabei wird zwischen verschiedenen Formen der Demokratie entschieden, die sich hinsichtlich der Methode der Entscheidungsfindung unterscheiden, aber immer den Kern kollektiver Entscheidungsfindung aufweisen. D.h. es wird von einem Gremium oder in einem Abstimmungsgang eine Entscheidung gefällt mit dem Anspruch, dass diese für alle bzw. für die in der Abstimmung definierten Menschen zu gelten hat - ob die wollen oder nicht. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen, auch der Betroffenen, sind je nach Form der Demokratie (repräsentative, direkte, Räte- oder Basisdemokratie) verschieden. In allen aber besteht keine Möglichkeit, sich dem grundsätzlich zu entziehen. Demokratie steht immer für eine Totalität des Anspruchs auf Entscheidung. Ob demokratisch gewählte Regierung, Volksabstimmung der direkten Demokratie oder Plenumsbeschluss im Konsens - das Ergebnis gilt für alle, auch die, die sich nicht beteiligen.

Etwas Verwirrung stiften Abwandlungen, in denen unklar ist, ob tatsächlich der Anspruch auf Zuständigkeit für alle erhoben wird. Es stellt sich angesichts des konstitutiven Elements des "demos" in der Demokratie dann aber die Frage, ob hier noch eine Variante der Demokratie betrieben wird oder keine mehr. Werden z.B. Entscheidungen aus den zentralen Gremien in kleinere Treffen verlagert, die dann aber auch nur noch für sich entscheiden, so wächst Autonomie - und die ist von Prinzip her nicht mehr demokratisch. Demokratie ist die mehr oder weniger entfaltete Selbstbestimmung des Kollektivs als Kollektiv. Die Selbstbestimmung der Einzelnen für sich und in der Gestaltung der gesellschaftlichen Interaktion ohne Zuordnung zu (Zwangs-)Kollektiven und Entscheidungsfindung in diesen ist demgegenüber nicht mehr demokratisch.

Anarchie
Anarchie verträgt sich mit der Konstruktion eines „Wir“ nicht, weil dieses niemals die Vielfalt selbstbestimmter Menschen und ihrer Kooperationen und Gruppen wiederspiegeln kann. Daher kann Anarchie nur dort existieren, wo auf die Konstruktion des Kollektivs als Einheit und die dorthin führende kollektive Entscheidungsfindung verzichtet ist. Alles, was ist, ist die Entscheidung der Menschen und die Kooperation zwischen ihnen ohne Anspruch auf Vertretung anderer oder Schaffung eines überindividuellen „Wir“. Unter Abwesenheit von Herrschaft würden vielfältige, sich überlagernde offene Systeme (Räume, Netzwerke, Kommunikationsforen, soziale Gruppen ...) entstehen, die eine Entscheidungsfindung immer nur (wenn überhaupt) zu konkreten Fragen und in der dann dazu passenden Zusammensetzung von Menschen herbeiführen. Das aber wäre dann Entscheidung in der Kooperation, d.h. niemand ist gezwungen, sich dem zu unterwerfen – es gibt keine gedachte und handelnde Figur über den Menschen.

Basis- und direkte Demokratie
Abstimmungen in Basisversammlungen schaffen wie direkt-demokratische Entscheidungen Festlegungen eines Kollektiv mit Wirkung mindestens im Kollektiv. Dieses Kollektiv bedarf einer klaren Abgrenzung, weil ohne diese wäre unklar, wer abstimmungsberechtigt ist. Das ist umso bedeutender, je stärker die Rechte des Einzelnen im Abstimmungsprozess verrregelt sind. In Konsensverfahren ist über die Grenzziehung von Innen und Außen geregelt, wer ein Veto einlegen kann und wer nicht.

Beispiele:
  • Abstimmungsprozesse aller Art, die in Verbänden, auf Camps oder Aktionen das Verhalten vereinheitlichen, z.B. über Programmabläufe, Nahrungsangebote, als gemeinsam deklarierte Aktionen und mehr.
  • Vertretung des Ganzen nach außen, d.h. Pressetexte, -erklärungen, -kontakte im Namen eines Verbandes, einer Gruppe, Kampagneoder Aktion; Vertretung gegenüber Behörden, EigentümerInnen usw.
  • Auf verschiedenen sog. Delegiertentreffen in sozialen Bewegungen (z.B. Deli-Strukturen in der Anti-Atom-Bewegung) sind Kriterien für den Delegiertenstatus gar nicht festgelegt. Dennoch wird mit der Zuweisung dieses Status über die Anwesenheitsberechtigung von Menschen entschieden.

Drittes Ungleiches: Innen und Außen
Demokratie
Jede demokratische Abstimmung braucht eine Definition darüber, wer mitstimmen darf oder nicht. Die Übergänge können zwar fließend sein, aber nicht gänzlich verschwinden, weil jede Versammlung, die als Kollektivsubjekt handelt, zumindest hinsichtlich der Frage, wer davon informiert bzw. eingeladen wird und somit auch nur mitstimmen kann, einer Festlegung bedarf. Damit entsteht immer ein "Innen" und "Außen", also die Dazugehörenden und die nicht Dazugehörenden.

Anarchie
Die Bildung von Innen und Außen stellt aus mehreren Gründen eine Ausübung von Herrschaft dar und ist deshalb nicht kompatibel mit der Idee der Anarchie. Zum einen ist schon die Definition, wo die Grenze eines Kollektivs ist, immer von oben vorgegeben, weil selbst demokratische Verfahren keinen Mechanismus aufweisen, mit dem sich ein späteres Kollektiv selbst als solches definiert. Denn vor der Bildung des Innen und Außen wäre ja noch unklar, wer wie mitbestimmen darf. Daher kann sich ein Kollektiv nicht vollständig aus sich selbst heraus bilden.
Zum anderen entsteht nach der Entstehung eine Grenze, die einer Überwachung bedarf. Sie kann nicht auf Selbstdefinition der sich dann Beteiligenden basieren, da sie dann praktisch nicht existieren und das Kollektiv aufgehoben würde. Folglich bedarf es einer Kontrolle, wer dazugehört und wer nicht. Es muss Personen geben, die das Privileg haben, dieses bestimmen zu können.

Basis- und direkte Demokratie
In der Praxis basisdemokratischer Bewegungen wird zwar oft intern die Gleichberechtigung erhöht, aber es entsteht regelmäßig eine sehr deutliche Konstruktion von Innen und Außen. Es gibt nicht nur eine bestimmte Logik der Einladung zur Versammlung, sondern ständig sogar die konkrete Ausgrenzung von als nicht zugehörig definierten Personen - also über das Privileg des Eingeladenseins hinausgehend.
Die direkte Demokratie unterscheidet sich in der Logik der Grenzziehung gar nicht von repräsentativer Demokratie.

Beispiele:
  • Auf einem Camp beschwerte sich ein Anwohner über die Lautstärke. Er war dafür (basisdemokratisch betrachtet völlig korrekt) zum Plenum gekommen und trug sein Anliegen vor. Er wurde aber als nicht zum Camp dazugehörend definiert und sein Anliegen übergangen. So zeigte sich ein deutliches Innen und Außen. Wer wann wie entschieden hatte, wer dazugehört und wer nicht, war zudem unklar. Der Auswahlmaßstab war offensichtlich am formalen TeilnehmerInnenstatus auf dem Camp, vielleicht an camptypischer Kleidung oder Ähnlichem orientiert, nicht aber an Betroffenheit von einer Entscheidung. Denn dann hätte der lärmgeplagte Anwohner wohl Teil des Entscheidungsprozesses sein müssen.
  • Auf einem anderen Camp wurden Nazis ausgeschlossen. Doch kollektive Entscheidung kann die Auslegung und Definition im Einzelfall nicht ersetzen, sondern legitimiert „nur“ machtförmiges Handeln. Als Folge des Beschlusses zur Ausgrenzung von Menschen entwickelte sich eine zum Teil abenteuerliche Praxis am Kontrollpunkt (!) am Eingang, wer als Nazi definiert wurde und wer nicht. Das Aussehen spielte dabei die wichtigste Rolle.

Und zum Vierten: Mit und ohne „Wir“, Gemeinwille, Einheit und Geborgenheit
Demokratie
Der "demos" ist die Einheit, auf der alles basiert - im Großen (Volk, Nation) wie im Kleinen, z.B. im Verein, in der Familie oder Verwandtschaft, als Fanclub, religiöse Gruppe oder was auch immer. Das "Wir" entstammt nicht des selbstbestimmten Zusammenkommens, sondern wird definiert - durch Abstammung, vermeintliche Tradition oder einfach durch die VerkünderInnen der erst durch die Verkündung produzierten, aber in der Verkündung als vorher bestehend behaupteten Gemeinsamkeit.
Dieses künstliche "Wir" einer Nation oder Volksgemeinschaft (in Deutschland wegen der spezifischen Geschichte selten so genannt, sondern verschleiernd umschrieben mit Wertegemeinschaft, Leitkultur oder Standort), trifft auf hohe Akzeptanz. Denn die Zurichtung im Leben eines Menschen (Erziehung, Bildung, soziales Umfeld, Medien ...) bringt fast alle Menschen dazu, sich selbst lieber als Rädchen im System zu begreifen statt als selbstbewusstes und selbst handelndes Individuum, das sich soziales Umfeld und Kooperationsebenen selbst wählt. So enden fast alle in vorgegebenen Rollen (Haushalt, Kindererziehung, Jobsuche, Ausbildung oder den jeweligen Job mit seinen Arbeitsanforderungen; ergänzt durch die Rollen in Vereinsvorständen usw.). Da sie Selbständigkeit nicht gelernt haben, fühlen sie sich in Räumen mit vorgegebenen Orientierungen wohl. Insofern passen Vereinzelung (Individualisierung ohne Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung) und kollektive Identität gut zusammen. Das eine füllt die Leere im anderen.

Anarchie
Was der Demokratie Akzeptanz verschafft angesichts der auf Unselbständigkeit zugerichteten Menschen, macht es der Anarchie zur Zeit sehr schwer. Offene Systeme, in denen die Menschen selbst agieren, für sich entscheiden, sich positionieren, selbst handeln und intervenieren (z.B. bei Krisen oder Übergriffen), sind fremd, bereiten Angst, erzeugen Unsicherheit. Wer aber Welt verändern und bisherige Normalität brechen will, kommt darum nicht herum. Statt nun den Rückzug in eine neue Geborgenheit und Kollektivität zu organisieren, wäre es an der Zeit, den gewollten Bruch mit dem bisher Üblichen und (Fremd-)Orientierung Gebenden auch offensiv zu organisieren – von Methoden der Kooperationsanbahnung und gleichberechtigen Organisierung über offene Räume und offenen Zugang zu allen Ressourcen bis zu Reflexion, Seminaren und mehr, deren Ziel das Hinterfragen der Normalität, das Entwickeln von Utopien und das Aneignen von Know-How im selbstorganisierten Leben ist.

Basis- und direkte Demokratie
Ähnlich erfolgreich wie die Demokratie ist die Basisdemokratie als Strategie von Entscheidungsfindung in politischen Bewegungen, weil sie ersehnte, externe Geborgenheit verschafft. Die meisten AnhängerInnen der Basisdemokratie wollen zwar etwas anderes als „die da oben“, aber das Neue soll keine ungewohnten Lebensverhältnisse hervorrufen - also nicht verunsichern, obwohl das angesichts der Verhältnisse nötig und sinnvoll wäre. Basisdemokratie schafft Einheit, Orientierung, Geborgenheit und ein kollektives „Wir“ - aufgrund der intensiven, gemeinschaftlichen Entscheidungsverfahren sogar stärker als andere Formen der Demokratie. Besonders gilt das für Konsensverfahren, die noch dazu den Schein des Einvernehmlichen hinzufügen. Damit kommen sie den erzeugten Bedürfnissen der unter den realen Verhältnissen aufgewachsenen Menschen entgegen. Auch „Linke“ suchen Orientierung von außen statt den offenen Prozess, in dem sie immer wieder ihre eigene Position finden oder klären müssten.
Direkte Demokratie führt im Vergleich mit der repräsentativen Demokratie oft zu gar keiner Veränderung der "Wir"-Bindung. Volksentscheide können die Identifikation mit der herrschenden Politik sogar erhöhen. Die gesteigerte Legitimation gehört zu den wichtigsten Gründen für die Direktwahl von Führungspersönlichkeiten. So enthalten viele Vorschläge z.B. zur Direktwahl von BundespräsidentIn oder -kanzlerIn in Deutschland als Argument den Hinweis, dass so eine akzeptierte VolksführerIn als Identifikationsfigur entstehen würde. Offenbar merken die ProtagonistInnen solcher Ideen nicht einmal, welch gefährlichen Entwicklungen sie damit den Boden bereiten. Es war und ist für DiktaktorInnen dieser Welt immer eine interessante Legitimationsbeschaffung gerade für harte Machtdurchgriffe, sich vom "Volk" in inszenierten Wahlen bestätigen zu lassen. Aus diesem Blickwinkel müsste auch das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte als direkte Demokratie gewertet werden.

Im Original: "Wir" AnarchistInnen
Mail aus der Redaktion des FAU-Organs "Direkte Aktion" als Ablehnung eines Textangebotes zur Basisdemokratie
Wir konstruieren bewusst ein starkes „Wir“. Wir wollen das halt so. Und weil wir das wollen, ist es auch nicht unanarchistisch.“

Basisdemokratische Fünfte: Mit und ohne Stellvertretung
Demokratie
Die übliche, also repräsentative Demokratie ist ein System der Stellvertretung. Repräsentation bedeutet, dass Menschen legitimiert werden, für das Ganze zu reden. Ob Nation, Bundesland, Stadtverwaltung, Sportverein, Partei oder Firma - immer gibt es Personen, die für das Ganze und im Namen auch der ungefragten Vielen innerhalb dieser Einheiten reden, Verträge abschließen und Kooperationen eingehen.

Anarchie
Stellvertretung und Vereinnahmungen sind Herrschaftsformen (siehe Text dazu bei "Freie Menschen in freien Vereinbarungen" und zur Kritik der Demokratie). Herrschaftsfreiheit besteht nur dort, wo Stellvertretung fehlt, d.h. alle Menschen nur für sich reden und direkte Vereinbarungen schließen. Das schließt komplexe Absprachevorgänge nicht aus - jedoch handeln auch in komplexen bzw. überregionalen Kooperationen die Tätigen nie im Namen anderer, sondern für sich. Im günstigsten Fall stellen sie ständig Transparenz her, so dass andere, die betroffen sind, sich wiederum direkt einmischen können. Sie können dabei Einzelne ansprechen, sie als Kontaktpersonen nutzen, aber niemals werden diese zu ihren VertreterInnen.

Basis- und direkte Demokratie
Neben basisdemokratischen Versammlungen werden Rätesysteme als Möglichkeit für herrschaftsfreies Entscheiden vorgeschlagen. In den Räten soll ein imperatives Mandat herrschen, d.h. die dort Handelnden sind an die Beschlüsse derer, die sie vertreten, gebunden. Ob das überhaupt funktionieren kann, ist bereits zweifelhaft, denn der Rückfluss an Informationen aus dem Geschehen in den Räten entscheidet darüber, ob die Vertretenen ihre Vorgaben erfüllt sehen. Steuerung über Information ist aber ein Mittel der Herrschaft und wirkt der tatsächlichen Möglichkeit imparativer Mandatierung entgegen. Zum zweiten aber ist auch in der Logik des imperativen Mandats die Stellvertretung integriert. Das Recht, die Person jederzeit abzuberufen, hebelt Stellvertretung nicht aus, sondern begrenzt sie nur in der zeitlichen Dimension. Die Privilegierung in der Phase, in der die Stellvertretung andauert, ist dennoch vorhanden und sichert sich selbst über die genannte Steuerung der Informationsflüsse ab. Was über die Vorgänge in den Räten nach außen dringt, unterliegt der privilegierten Beeinflussung durch die Personen in diesen Räten. Sie steuern die Diskurse über das, was als wahr und wichtig angenommen wird: Welche Probleme liegen vor? Was sind die Ursachen? Wer ist schuld? Gibt es eine Krise und welche? All das sind Diskurse, die in einer Gesellschaft ständig wirken und deren Steuerung in den modern-medialen sozialen Systemen den wichtigsten Machtfaktor darstellt. Bestehen hier Privilegien, ist Horizontalität weit weg. Räte schaffen solche Privilegien, weil die Aufmerksamkeit für deren Handlungen höher ist als für die anderer. Sie zu kontrollieren, ist schwierig, denn Informationen aus den Treffen werden gefiltert nach außen gegeben, d.h. eine unabhängige Kontrolle der Tätigkeit von Delegierten ist für die von ihnen Vertretenen gar nicht möglich. Die Macht der Informationshierarchie wirkt.

Direkte Demokratie schafft in der Reinstform keine Stellvertretung, ist aber in der Regel mit repräsentativen oder basisdemokratischen Strukturen gekoppelt, d.h. ergänzt diese nur. Die oben beschriebenen Probleme werden durch die direkte Demokratie nicht gelöst, ja nicht einmal angetastet.

Sechste Unvereinbarkeit: Vereinheitlichte Fragestellungen oder offene Debatte
Demokratie
Die gesamte Struktur der Demokratie dient der Durchführung von Abstimmungen als Akt der Normsetzung oder, da in den Elitestrukturen viele Entscheidungen informell vorbereitet werden, der Legitimation der Normsetzung. Der "demos" ist nicht Diskussionsraum, sondern Abstimmungsgemeinschaft. Das Stellen von Entscheidungsfragen mit dem darauf folgenden Ringen um Mehrheiten oder Konsense ist konstituierendes Element von Demokratie.

Anarchie
Eine gute Analyse von Herrschaft muss genau sein. Wer so hinguckt, dem fällt auf, dass nicht nur mit der Abstimmung als Kollektiv massive Strukturierungsprozesse in einer (eigentlich) vielfältigen Menge an Menschen ablaufen, sondern die Vereinheitlichung schon bei der Fragestellung beginnt. Abstimmen kann mensch nur über etwas, was abstimmungskonform formuliert wird. Soziale Fragen werden damit auf Abstimmungsfähigkeit reduziert, wodurch Komplexität und unterschiedliche Sichtweisen der vielen Einzelpersonen auf das Thema verloren gehen. Wo über etwas abgestimmt werden soll, geht es um ‚Ja’ oder ‚Nein’ – auch wenn der Abstimmungsprozess so organisiert sein sollte, dass diese beiden Positionen im Diskussionsverlauf änderbar sind. Es bleibt der Druck, die Lösung von Fragen immer im Rahmen der Abstimmungsfähigkeit zu halten – und nicht als offenes Systeme, ungeklärt, dynamisch, unterschiedlich interpretiert. Die Vereinheitlichung der Fragestellung verschärft die Tendenz von Einheit und Kollektiv, sie schafft Identität, Gruppe, Geborgenheit.
Die Idee der Anarchie, des prinzipiell Offenen und der Welt, in der immer viele Welten Platz haben sollen, widerspricht der Logik von Abstimmungen.

Basis- und direkte Demokratie
Beide verschärfen die Wichtigkeit der Formulierung einer Frage in kollektiven Entscheidungsprozessen. Denn die Abstimmungen sind bei ihnen aufwendiger und daher seltener als z.B. in repräsentativen Gremien wie Parlamenten oder Vorständen. Dort können einmal getroffene Entscheidungen schneller wieder verändert oder aufgehoben werden. Bei Abstimmungen, an denen alle beteiligt sein können, ist der Aufwand höher. Daher kommt der Fragestellung eine größere Bedeutung zu. Erst recht gilt das für Konsensverfahren mit Vetorecht. Denn das Vetorecht verschafft nur Macht, der die Frage passend zu stellen weiß. Daher birgt die Sache mit der Fragestellung die Gefahr, dass die entscheidenen Machtkämpfe nun auf diesem Nebenschauplatz ausgetragen werden. Wer sich dabei durchsetzt, wie eine zur Abstimmung stehende Frage formuliert wird, hat entscheidenden Einfluss auf das Geschehen genommen. In den ganzen Erklärungen zur Basisdemokratie kommt dieser Punkt regelmäßig gar nicht vor. Das ist entweder ein Defizit an kritischem Denken oder Taktik, weil sich diejenigen, die wissen, wie wichtig die Fragestellung ist, einen Durchsetzungsvorsprung vor denen behalten, die das nicht klar haben und deshalb bei der entscheidenden Phase der Abstimmung, nämlich der Formulierung der Frage, nicht aufpassen.

Beispiele:
  • Wer will, dass in einem Raum nicht geraucht wird, muss die Frage stellen, ob geraucht werden darf, um dann mit einem Veto die Rauchfreiheit zu erreichen.
  • Mehr Beispiele und Informationen im Kapitel zu Konsens und modernen Hierarchien.

Sieben auf einen Schlag: Regeln, Grenzen und Sanktionen - oder auch nicht
Demokratie
Der Sinn demokratischer Entscheidung ist, soziale Räume mit allgemeingültigen, also vereinheitlichten Regeln zu schaffen. Diese können Einzelpunkte betreffen oder grundsätzliche Verhaltensnormen. Aus der Entscheidungsfindung entsteht die Erwartungshaltung, dass die Menschen sich den geschaffenen Bedingungen auch anpassen. Sollte das nicht geschehen, müssten Sanktionen erfolgen oder festgelegt werden, für die ein Durchsetzungsapparat ebenso erforderlich ist wie Personen, die die Definitionsmacht zur Entscheidung haben, ob ein Verstoß vorliegt und nicht - und welche Sanktion zu erfolgen hat. Im modernen Nationalstaat sind das Polizei und Justiz (oder andere Behörden). Das ist in allen Staaten gleich, unabhängig ob Monarchie, Diktatur oder Demokratie, ob kapitalistisch oder sozialistisch. In gesellschaftlichen Subräumen haben formale Gremien oder informelle Eliten diese Vollmachten.

Anarchie
Das Festlegen von Bedingungen für den Aufenthalt von Menschen in einem sozialen Raum ist ein Akt der Herrschaft. Es muss dafür privilegierte Kreise oder Gremien geben, die das „Recht“ haben, diese Bedingungen festzulegen und auch durchzusetzen. Anarchisch ist nur der offene Raum, d.h. Treffen, Gebäude, Prozesse oder Projekte, in die alle Menschen frei eintreten können und bei Konflikten kommunikative Prozesse ohne jegliche Vorbedingungen ausgetragen werden. Das bedeutet nicht die Abwesenheit von Veränderungsprozessen, sie werden aber immer zwischen Menschen in einem horizontalen Verhältnis miteinander ausgehandelt, nie über Gremien oder aus privilegierten Positionen heraus. Räume, Netzwerke, Kommunikationsnetze und vieles mehr sind offene Systeme, in denen es keine vereinheitlichten Regeln gibt, sondern im Fall von Krisen, Unbefriedigung und als Reaktion auf alltägliche Übergriffe, Einschüchterungen, Diskriminierungen oder Zugangsbeschränkungen die kommunikative und direkte Intervention und die offene Debatte – aber ohne kollektive Entscheidung.


Basis- und direkte Demokratie
Der Sinn von basis- und direktdemokratischen Entscheidungen ist der Gleiche wie bei der repräsentativen Demokratie. Auch hier geht es um Regeln und Beschlüsse für Orte, Netzwerke, virtuelle Räume, Aktionen, Veranstaltungen usw.

Angemerkt sei, dass Innerhalb konkreter Handlungsgruppen (Aktionsgruppe, WG, Betrieb ...) bezüglich sehr konkreten Fragestellungen oder zur Festlegung des Zweckes der Gruppe Entscheidungsfindungen unumgänglich sind. Die Form, in der diese erfolgt, ist hinsichtlich ihrer herrschaftserzeugenden Reichweite zweitrangig. Wichtiger ist, dass sie nicht über den eigenen konkreten Wirkungsbereich, auf Nichtanwesende und allgemeine Strukturen ausgedehnt wird, sondern für die konkret zusammen Handelnden gilt. Plena, Regierungen, Koordinierungskreise, Vorstände usw. entscheiden aber regelmäßig nicht nur für sich, d.h. die Anwesenden, sondern für alle, das Kollektiv aller Menschen, in deren Struktur das Gremium agiert.

Das Ganze am Beispiel: Medien - kontrolliert oder offen?
Diese Beschreibung bringt kein zusätzliches Kriterium, sondern wendet die oben benannten Unterschied auf ein Fallbeispiel an. Es geht um die Frage, wie Medien (Zeitungen, Radio, Internet-Nachrichtenseiten ...) organisiert sein können.

Demokratische Medien
Ein demokratisches Medium wäre eines, in dem es Abstimmungsprozesse über die Inhalte gibt. Konsequenter wäre noch, wenn auch die Eigentumsverhältnisse am Medium demokratische Prozesse zulassen würden, wenn RedakteurInnen und anderen Beteiligte gewählt würden usw. Das ist so gut wie nirgends der Fall, auch nicht in den sich von Genossenschaften getragenen Blättern, die meist froh darüber sind, dass die GenossInnen sich wenig für das Geschehen interessieren: Geld ja, Mitbestimmung lieber nicht.
Die meisten Medien in der heutigen Gesellschaft sind staatlich oder kapitalistisch organisiert. Rahmenbedingungen wie Pressegesetze werden repräsentativ demokratisch beschlossen. Das reicht, um die hiesige Medienlandschaft als demokratische Presse zu bezeichnen - schwach, aber wahr.

Anarchistische Medien
Anarchie bedeutet Herrschaftsfreiheit. In Medien müßte das bedeuten, dass Medien als offene Plattformen organisiert werden, bei denen die Grenzen von SenderInnen und EmpfängerInnen aufgelöst werden. Die NutzerInnen des Mediums werden zu gleichberechtigten GestalterInnen. Einige wenige Beispiele aus dem Internet zeigen, wie das in der Wirklichkeit aussehen könnte, z.B. Wikis und Indymedia - auch wenn bei näherem Hinsehen zumindest in Deutschland selbst da Zensurmechanismen auftreten. Ein besonders grauenvolles Beispiel ist die Entwicklung des vielfach gehypten Wikipedia von einer offenen Enzyklopädie zu einer inzwischen hochkontrollierten Sphäre. Printmedien, freie Radios u.ä. könnten durchaus ähnliche Elemente verwirklichen wie es im technisch flexibleren Internet einfach möglich ist. Sie tun es aber fast nie - ein Grund für die Feststellung, dass es anarchistische Medien im deutschsprachigen gar nicht gibt, auch wenn sich einige so nennen.

Basis- und direkte Demokratie
Basisdemokratisch sind Zeitungen, Internetplattformen u.ä., bei denen die Auswahl der Beiträge, die Gestaltung usw. von den Beteiligten am Projekt entschieden werden. Basisdemokratie ist dabei der Verzicht auf Obrigkeit und Mehrheitsabstimmung. Konsens und gleichberechtigte Beteiligung aller Projektmitglieder an den Entscheidungen prägen das Geschehen. Zensur findet statt - aber im Konsens. Der Unterschied zur Anarchie ist gut erkennbar. Offene Systeme kennen keine Zensur, sondern nur Intervention z.B. in Form von Pro&Contra.

Beispiele:
  • Ein Text mit Kritik an der Gleichsetzung oder Nähe von Anarchie und Basisdemokratie wurde an zwei sich anarchistisch nennenden, tatsächlich aber (höchstens) basisdemokratische Zeitungen geschickt: Direkte Aktion und Graswurzelrevolution. Beide lehnten den Abdruck ab und begründeten das offensiv damit, dass sie kein Interesse hätten, Texte mit abweichenden Positionen zu ihren Ideologien zu veröffentlichen. Wegen der Basisdemokratie reicht bereits ein Veto, um den Text zu stoppen und eine solche Ablehnung als Meinung des Kollektivs nach außen zu vertreten. So legt z.B. in der GWR eine einzige Person (Künstlername: Lou Marin) seit Jahren ein prinzipielles Veto gegen Texte aus einer bestimmten anarchistischen Richtung ein. Dieses Verhalten wird wegen der informellen Macht dieser Person geduldet, obwohl es praktisch eine permanente Zensur bedeutet. Zensur ist hier korrekt, wenn sie basisdemokratisch zustande kommt. Die Ähnlichkeit mit dem Gewaltfreiheitsdogma, das ja auch gleichen Kreisen hochgehalten wird, ist offensichtlich: Die Form ist entscheidend, der Inhalt weniger oder gar nicht.
  • Das Projekt „Indymedia“ ist dort, wo privilegierte Zensurmöglichkeiten fehlen, eines der wenigen Medien, bei denen MacherInnen und NutzerInnen ähnliche Gestaltungsmöglichkeiten haben. Die sogenannten „Wikis“ im Netz sind Seiten, die von den BetrachterInnen ebenso verändert oder erweitert werden können wie von denen, die eine Internetseite anlegen. Beide Projekte sind tatsächlich hoch umkämpfte Räumen, weil die GegnerInnen offener Systeme (in linken Bewegungen wie erst recht im Rest der Gesellschaft klar dominierend) selbige immer wieder bekämpfen oder dann, wenn das nicht geht, erhebliche Ressourcen einsetzen, um diese dann wenigstens zu dominieren. So werden bei Wikipedia fast alle Seiten zu führenden PolitikerInnen von deren MitarbeiterInnenstab ständig kontrolliert und Kritisches entfernt, inzwischen hat Wikipedia zudem selbst ein umfangreiches Zensursystem aufgebaut, was vor allem auf politisch brisanten Seiten täglich zu spüren ist. Dass sie aber solche Kapazitäten investieren müssen, zeigt dass der Raum grundsätzlich offener ist als andere. Würde sich die Zahl offener Systeme vergrößern, wäre Kontrollwahn schnell am Ende.

Fazit
Demokratie und Anarchie unterscheiden sich in mehreren grundlegenden Punkten. Herrschaftsfrei ist nur die Abwesenheit von Regeln, deren Durchsetzung, kollektiver Identität, Einheitlichkeit und daher der Verzicht auf kollektive Entscheidungsfindung. Diese ist für Demokratie aber konstitutiv, d.h. nicht wegdenkbar. Und auch die vielgelobte direkte und die Basisdemokratie sind höchstens eine Methode, die Entscheidungsfindung aller für alle gleichberechtigter zu organisieren. Sie schaffen Kollektivität und kollektive Entscheidung aber nicht ab. Jenseits der Kritik im Detail, z.B. an Konsens, Vetorecht oder der Einteilung an „Innen“ und „Außen“, ist dieser Unterschied zwischen Abwesenheit aller Kollektivsubjekte (Anarchie) und einer nur anderen Organisierung des Kollektivs (Basisdemokratie) zentral. Basisdemokratie schafft Vereinheitlichung. Das Argument, ein Vetorecht würde die abweichenden Meinungen stärken, ist irrig. Tatsächlich zwingt gerade das Vetorecht zu Annäherungen der Unterschiedlichkeit und Kompromissen, zur Aufgabe von Verschiedenartigkeit und Konflikten. Die Dynamik von Streit und Vielfalt wird verringert – stärker sogar als in der Mehrheitsdemokratie, wo Abstimmungsschlachten zwar ebenfalls am Ende eine formale Einheitlichkeit nach außen schaffen und Dominanzen fördern, aber die Minderheiten erkennbar bleiben, zumindest für die Unterlegenen als interne Opposition. Basisdemokratie hingegen hat die Tendenz, die Unterschiedlichkeit zu verschleiern und das „Wir“ zu stärken.

Eine anarchistische Gesellschaft wird nur entstehen, wenn Stück für Stück kollektive Entscheidungsfindung und ihre Durchsetzung aus der Gesellschaft verdrängt werden. Horizontalität aller Menschen, d.h. gleiche Handlungsmöglichkeiten und die Steuerung von Prozessen über freie Vereinbarung statt Entscheidungsfindung wären das Ziel. Konkrete Projekte wie Medien, alternative Lebensprojekte, Betriebe oder Lernorte von unten haben die Chance, Experimentierflächen zu sein für den Verzicht auf kollektive Regeln, Vorbedingungen oder Entscheidungsfindung. Dann wäre Anarchie nicht nur eine Werbephrase, eben eine Mogelpackung für Basisdemokratie, sondern zumindest im Ziel der Versuch eines Ausgangs auch der „Linken“ aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit, sprich: Der Unterwerfung unter die Kollektivsubjekte.

Mehr Informationen

Im Original: Basisdemokratische Zensur
Ein Text ähnlich den obigen Absätzen wurde an Graswurzelrevolution (GWR) und Direkte Aktion (DA) geschickt mit der Bitte um Veröffentlichung. Beide lehnten ab. Auszüge aus dem Begründungen.

Graswurzelrevolution:
„in Deinem Text steht u.a., „dass es anarchistische Zeitungen gar nicht gibt, auch wenn sich einige so nennen.“
Demnach gibt es also die anarchistische Monatszeitung Graswurzelrevolution gar nicht. Und da es uns nicht gibt, können wir Dir auch nicht antworten. Und diese Antwort ist wiederum nur eine Illusion. Denn uns gibt’s ja gar nicht. Auch wenn Du demnächst behauptest, dass die Erde eine Scheibe ist, würde das die GWR voraussichtlich nicht abdrucken, da es im GWR-HerausgeberInnenkreis einen Konsens gibt, dass die Erde rund ist, damit das Denken die Richtung wechseln kann. Zu Deinem Artikelangebot: Ich würde es mal so sagen, ‚eher positiv’, weniger unter Umständen ‚ja’, dabei dennoch nicht so eindeutig, wie ‚vielleicht’. Alles klar? Na dann.“
Zudem informierte die GWR auch andere Zeitungen über ihre Meinung – auffordernd, den Text auch dort abzulehnen. Offenbar war den BasisdemokratInnen wichtig, dass die abweichende Meinung ganz unterdrückt bleibt.

Direkte Aktion
In der DA würde ich ihn lieber nicht unterbringen, weil er da nicht reinpasst. Du hast schon recht: die DA ist keine anarchistische Zeitung, sondern eine anarchosyndikalistische. Sie versteht sich als Sprachrohr der Syndikate in der DA und nicht als anarchistische Diskussionszeitung. Wir haben in der FAU interne Diskussionsplattformen. Allerdings fokussiert sich die Diskussion bei uns auf andere Schwerpunkte, bei denen Deine Thesen z. T. sicher einer kritischen Würdigung wert sind und zur Hinterfragung der eigenen Haltung interessant sind.
Als Diskussionsgrundlage für eine neue Diskussion des Selbstverständnisses innerhalb der FAU finde ich ihn auch deshalb ungeeignet, weil wir uns bewusst anders organisiert haben, als einige grundsätzliche Forderungen von Dir es verlangen würden. Nur als Beispiel: Wir konstruieren bewusst ein starkes „Wir“. Wir wollen das halt so. Und weil wir das wollen, ist es auch nicht unanarchistisch.“


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Kommentare

Tree am 12.08.2021 - 12:53 Uhr
Anarchi als absolute Herrschaftsfreiheit ist so wie beschrieben, meines Erachtens nicht erstrebenswert. Auf die Klimakatastrophe geschaut, würden jegliche der zerstörerischen Gewohnheitspraxen beibehalten. Absoluter Individualismus erzeugt absolute Verantwortungslosigkeit. Dagegen führt ein erkennen als Gruppe, Menschheit, Gesamtheit aller Lebewesen erzeugt ganz unabhängig von der Organisierungsform die Voraussetzung für Leben.
Ich kann durchaus ein freies Individuum sein und dennoch entscheiden ein Teil meiner Autonomie abzugeben um das sogenannte "Wir Gefühl" einer Gesellschaft, Gruppe o.ä. zu bekommen. Ich widerspreche auch der Annahme, das die absolute Zerstörung dieses "Wir" eine Voraussetzung für ein radikalen gesellschaftlichen Wandel ist. Viel mehr denke ich, das die absolute Individualisierung ein mit Absicht von dem kapitalistischen System inizirter Prozess ist, der die Menschen von echtem Wiederstand abhalten soll.
Natürlich ist die direkte Demokratie in so vielen Bereichen falsch, exklusiv und ein ausbauen von Macht. Aber von den aufgeführten reinen Lebensformen die bessere.
Ich denke trotz der aufgeführten Argumente, die Anarchie als meines Erachtens am exklusivsten darstellen, dass Mischformen möglich sind.


Grüße
Ein links-grün-versifftes Menschlein.


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