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AKTENEINSICHT & WIDERSPRUCH

Praxistipps Akteneinsichtsrecht


1. Akteneinsichtsrecht in Strafverfahren
2. Praxistipps Akteneinsichtsrecht
3. Akteneinsicht bei Ordnungswidrigkeitenverfahren
4. Akteneinsichtsrecht (ohne Gerichtsverfahren)
5. Links und Materialien

Das richtige Vorgehen ...
Die ganze Sache mit dem Akteneinsichtsrecht für Angeklagte ohne VerteidigerIn ist inzwischen mehrfach zum Auseinandersetzungspunkt mit arroganten Gerichten geworden, die einfach finden, dass Recht ist, was den Oberen nutzt. Daher haben wir nach intensiver Prüfung folgende Tipps zusammengestellt, damit es möglichst wasserdicht wird.

Vor der Verhandlung
  1. Vor einer Hauptverhandlung Akteneinsicht zu beantragen, bringt wenig. Mensch hat nämlich ein Recht darauf. D.h.: Der Antrag ist der falsche Weg, da gibt es nichts zu beantragen, sondern zu nehmen! Also: Termin abklären oder gleich zu Geschäftszeiten zum Gericht hingehen (nicht zur Staatsanwaltschaft, das Gericht ist die Adresse!).
  2. Allerdings sind Gerichte oft interessiert, Angeklagte kurz zu halten und dabei Rechtsfehler zu vertuschen. Daher ist immer günstig, für die Vorgänge Nachweise zu haben. Wer also einfach hingeht und dann weggeschickt wird ohne Akteneinsicht, kann das eventuell später nicht nachweisen. Folglich ist es also doch gut, vorher was Schriftliches zu produzieren. Denkbar ist eine Anfrage, ob es an dem und dem Tag möglich ist (die Akte könnte ja grad verliehen sein, z.B. an die Staatsanwaltschaft). Dann gibt es eher eine schriftliche Antwort - und wenn da drin steht "Akteneinsicht ist nicht", dann ist schon viel gewonnen, weil: Rechtsfehler und das nachweisbar.
  3. Wer einen Prozess weiter weg vom eigenen Wohnort hat, kann beantragen, dass die Akte an das nächstgelegene Amtsgericht geschickt wird, um dann dort Akteneinsicht zu nehmen. Entweder klappt das oder wird abgelehnt. Jedenfalls gibt es wahrscheinlich wieder was Schriftliches. Das ist wichtig.
  4. Grundsätzlich: Es geht nicht darum, am Ende im Recht zu sein, sondern das Gericht zu Fehlern zu provozieren. Wenn es diese macht (nachweisbar macht!), dann freuen, aber Maul halten. Sonst können die ihren Fehler korrigieren. Es ist sinnvoll, wenn die Fehler machen und das nachweisbar. Das ist Eure Munition. Richter*innen sind auf der anderen Seite - und nicht die neutralen Personen in der Mitte!
  5. Solltet Ihr Teil-Akteneinsicht bekommen u.ä., dann gilt immer dasselbe: Es muss möglichst nachweisbar sein - für später.

Ihr habt nur eigene Akteneinsicht, wenn Ihr keineN AnwältIn habt. Denkbar ist daher auch, oben Genanntes erstmal zu machen und dann, wenn Ihr die Akte auf jeden Fall haben wollt, das über eineN AnwältIn zu machen. Und denkbar: Danach die AnwältIn wieder rauszunehmen aus dem Verfahren (also die/der legt das Mandat nieder), um wieder selbst akteneinsichtsfähig zu sein - obwohl Ihr die Akte schon kennt. Vor Gericht zählt aber nur das Formale.
Taktischer Hinweis: Spielt Euch nicht als tolle Jurist*innen auf. Das Gericht macht mehr Fehler, wenn Ihr hartnäckig seid (nachfragt, Anträge stellt ...), aber ansonsten nicht so wirkt, als würdet Ihr alle Eure Rechte kennen. Lasst die erst alle Fehler machen - dann wirkt das finale furioso umso besser!

Während der Verhandlung
Denkbar ist: Ihr hattet noch keine Akteneinsicht, weil die verweigert wurde. Dann gilt das Folgende sofort - also gleich zu Prozessbeginn damit anfangen. Solltet Ihr über eineN AnwältIn Einsicht bekommen haben, aber nun unverteidigt sein, dann kann im Verlauf der Verhandlung das Bedürfnis entstehen, nochmal was nachzugucken. Dann geht das Ganze erst dann los.

  1. Der Akteneinsichtsantrag muss, um später verwertbar zu sein (Revision) auch nachweisbar sein. Nicht das die Richter*innen einfach behaupten, es hätte ihn nie gegeben. Ihr könnt erstmal mündlich fragen. Wenn das abgelehnt wird, muss der Antrag schriftlich folgen. Und zwar müsst Ihr den Antrag auf Akteneinsicht mit einem Antrag auf Unterbrechung der Hauptversammlung zusammen stellen, d.h. Ihr beantragt eine Pause für 10 Minuten, eine Stunde, einen Tag u.ä. (Unterbrechung) oder gleich den Abbruch der Verhandlung und Neubeginn nach Akteneinsicht (Aussetzung). Macht das schriftlich. Spätestens wenn der abgelehnt wird, solltet Ihr beantragen, dass dazu ein Gerichtsbeschluss gefällt wird. Das ist wichtig - Ihr könnt es auch gleich mit dem Antrag auf Unterbrechung/Aussetzung zwecks Akteneinsicht stellen, aber dann könnten die wieder mehr Verdacht schöpfen, dass Ihr Bescheid wisst und einen Plan verfolgt ... Gerichtsbeschluss heißt dann, dass das Gericht die Ablehnung schriftlich formuliert (auf Blatt schreibt oder wörtlich zu Protokoll gibt). Das ist entscheidend, um den Vorgang hinterher nutzen zu können.
  2. Also nochmal zum Antrag: Es ist ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zwecke der Akteneinsicht - und kein Antrag auf Akteneinsicht als solches. Denn da habt Ihr ein Recht drauf, weiterhin!
  3. Am Ende also steht mindestens Euer schriftlicher Antrag auf Aussetzung/Unterbrechung und der Gerichtsbeschluss dazu. Wenn es soweit ist, habt Ihr es geschafft - könnt das Ganze aber natürlich beliebig oft wiederholen, um die da vorne zu ärgern.
  4. Nicht nötig, aber eine nette Krönung ist, einen Befangenheitsantrag folgen zu lassen - wegen penetranter Akteneinsichtsverweigerung. Das ist sicherlich auch empfehlenswert, um für die spätere Revision zusätzliche Munition zu haben und den Vorgang noch deutlicher ins Protokoll zu bringen.

Ein solcher Ablauf schafft die Basis für eine Revision, d.h. die kann dann darauf gestützt werden, dass durch die - nun nachweisbare und endgültige - Verweigerung der Akteneinsicht der Revisionsgrund des § 338, Satz 8 erfüllt ist. Der lautet:

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, ...
8. wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.


Weitere Tipps
Tipps aus einer Mail eines Juristen:
"Wenn Sie Akteneinsicht vornehmen ist es auch wichtig, die Querverweise in den Akten zu berücksichtigen. Man überprüfe sämtliche Unterlagen der Akte und notiere alle Aktenzeichen, die nicht zur unmittelbaren Akteneinsicht gehören. Man überprüfe auch sämtliche Eingangsstempel, „Schmierereien“, Seitennummerierung u.s.w. nach Spüren und Hinweisen. Mit solchen Erkenntnissen, kann man z.B. weitere Akteneinsichtsnahme auch bei anderen Behörden verlangen. Unregelmäßigkeiten sind fast immer zu finden. Akten reden mit einem: man braucht nur die Sprache zu verstehen. Es ist uns in der Vergangenheit mehrmals gelungen, amtliche Strafftäter zu überführen."

Wenn die Akteneinsicht verweigert wird ...
Nicht ärgern - denn das ist ein schwerer Verfahrensfehler. In einem Prozess in Halle wurde der Richter für befangen erklärt, weil er penetrant die Akteneinsicht verweigerte. Ein Brief wie der bei einem Verfahren in Nürnberg kann also als Waffe gegen das Gericht gerichtet werden:



Manche Richter*innen verweigern die Akteneinsicht nach § 475 StPO. Dort ist in der Tat die Akteneinsicht für Privatpersonen eingeschränkt. Allerdings: Der Paragraph behandelt gar nicht Vorgänge vor Gericht zwischen einem/r Angeschuldigten/Angeklagten und dem Gericht, sondern regelt die Einsicht in Akten überhaupt (also auch bei Verfahren, wo mensch gar nicht BetroffeneR ist). Hier greifen die Richter*innen als schlicht zu einem lächerlichen Trick und verwenden (absichtlich?) den falschen Paragraphen.

Akten selbst kopieren, scannen oder abfotografieren
Laut Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht (Rn. 58-63) "... ist die Zulässigkeit der Erstellung von Kopien durch den Einsichtsberechtigten bzw. von Ansprüchen auf die kostenpflichtige behördliche Erstellung von Kopien seit langem Gegenstand von Debatten. Richtigerweise ist dies angesichts der Regelungsabstinenz eine Frage des Verwaltungsermessens, wobei allerdings die Versagung der Erlaubnis zur Erstellung von Kopien durch den Einsichtsberechtigten selbst, etwa mittels Scanner-Apps auf Smartphones oder in Behörden verbreitet zugänglicher Münzkopierer, von Ausnahmefällen abgesehen ermessensfehlerhaft ist."

Gerichtsentscheidungen zur Frage des Abfotografierens von Akten:

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