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ZUM UMGANG MIT OPFERN DER NS-MILITÄRJUSTIZ

Entschädigung nur im Todesfall


1. Entschädigung nur im Todesfall
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Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hatte kurz vor der Sommerpause 1994 die Anträge von SPD und Bündnis 90/Grüne, sämtliche Urteile der NS-Militärjustiz wegen Fahnenflucht, Wehrkraftzersetzung und Wehrdienstverweigerung für ungültig zu erklären und ihren Opfern eine Entschädigung zu zahlen, abgelehnt. In der ersten Sitzung des Bundestages nach der Sommerpause, im September, wurde der Antrag zweiter Klasse abgelehnt - er wurde an den Rechtsausschuß zurücküberwiesen. Damit sind die Verfolgten der NS-Militärjustiz weiterhin auf Einzelfallklagen gegen ihre Urteile sowie auf Bittstellungen für eine einkommensabhängige Entschädigung ohne Rechtsanspruch im Rahmen des sogenannten Härtefonds verwiesen. Die Richtlinien für diesen Fond, die ein Schlaglicht auf den bundesdeutschen Umgang mit Verfolgten des Nazi-Regimes werfen, können wir uns von der Behörde selbst an einem Fallbeispiel erläutern lassen:

Der Antrag von Ludwig Baumann auf "Gewährung einer laufenden Beihilfe" vom 21.11.1990 wurde mit Bescheid vom 11.8.1992 (!) "trotz des von Ihnen erlittenen Unrechts" von der Oberfinanzdirektion Köln abgelehnt.

Die Begründung:

"(...) Meine Ermittlungen haben ergeben, daß Sie aufgrund des Feldurteils vom 30.06.1942 die Zeit vom 06.06.1942 bis 20.8.1942 in U-Haft im Wehrmachtsgefängnis Bordeaux verbrachten. Am 01.05.1943 wurden Sie vom Wehrmachtgefängnis Bordeaux über das Wehrmachtgefängnis Freiburg im Breisgau am 14.05.1943 in das Polizeigefängnis (Schubgefängnis) Nürnberg überstellt und von dort am 19.05.1943 in das Wehrmachtgefängnis Torgau verbracht. ( ... ) Ferner ist nachgewiesen, daß Sie am 02.11.1943 in die Strafanstalt Lingen eingeliefert und am 04.11.1943 in das Lager III Brual Rhede transportiert wurden. Trotz umfangreicher Ermittlungen liegen mir keine Nachweise über den weiter vorgetragenen Freiheitsentzug vor. Eigenen Angaben zufolge sind Sie Ende 1943/Anfang 1944 für 2 bis 3 Monate in den Emslandlagem gewesen und anschließend nach Bordeaux zur erneuten Verhandlung bei dem Gericht Admiral Atlantikküste, Zweigstelle Bordeaux, am 09.03.1944 transportiert worden. Nach Abschluß der Verhandlung seien Sie wiederum in das Wehrmachtsgefängnis Torgau überstellt und im August 1944 in das Strafbataillon 500 eingegliedert worden.
Wenn auch aufgrund der durchgeführten Ermittlungen und Ihrer eigenen Angaben davon ausgegangen werden kann, daß Sie in der Zeit vom 19.05.1943 bis 02.11.1943 in Torgau inhaftiert waren, so kann diese Inhaftierung doch nicht nach § 7 Abs. 2 Ziffer 1 der Richtlinien berücksichtigt werden, da Torgau erst fiir die Zeit vom 04.09.1944 bis 26.04.1945 als Konzentrationslager ausgewiesen ist. Gleiches gilt für die Inhaftierung im Anschluß an die zweite Gerichtsverhandlung in Bordeaux im Jahre 1944 bis zu Ihrer Eingliederung in das Strafbataillon 500 im August 1944.
Auch wenn die Lebensbedingungen in Torgau schon vor dem 04.09.1944 äußerst hart und entbehrungsreich waren, zeigen die historischen Erkenntnisse, daß sie nicht mit denen in einem Konzentrationslager vergleichbar waren.
Da § 7 Abs. 2 Ziff. 1 der Richtlinien ausdrücklich einen mindestens neunmonatigen KZ-Aufenthalt voraussetzt, kann Ihr Aufenthalt in Torgau im Rahmen dieser Vorschrift nicht berücksichtigt werden. ( ... ) Für einen weiteren Aufenthalt in einem Konzentrationslager ergeben sich keine Anhaltspunkte.
Eine mindestens neunmonatige Inhaftierung in einem Konzentrationslager konnte daher zu meinem Bedauern nicht nachgewiesen werden. ( .. ) Die Voraussetzungen für eine Beihilfe nach § 7 Abs. 2 Ziffer 2 der Härterichtlinien sind zu meinem Bedauern ebenfalls nicht erfüllt.
Nach dieser Vorschrift kann eine laufende Beihilfe auch bei einer willkürlichen oder einer Freiheitsentziehung entsprechend 2 Abs. 2 in einer anderen Haftstätte im Sinne des § 43 Abs. BEG von mindestens achtzehn Monaten Dauer gewährt werden.
Voraussetzung ist insoweit, daß eine gesetzmäßig verhängt Strafe, auch unter Berücksichtigung der damals herrschende Zeit- und Kriegsumstände als besonders hart und übermäßig bewertet werden muß.
Da die o.a. Richtlinien einen Ausgleich für das tatsächlich erlittene Schicksal darstellen sollen, ist in Ihrem Fall insoweit die tatsächlich vollstreckte Gnadenentscheidung maßgebend.
Aufgrund der Entscheidung des Oberkommando der Kriegsmarine vom 20.08.1942 wurde das gegen Sie wegen gemeinschaftlicher Fahnenflucht im Felde und anderer Delikte, verhängte Todesurteil vom 30.06.1942 in eine Zuchthausstrafe von 12 Jahren, unter Einbeziehung der weiteren gegen Sie verhängten Freiheitsstrafen, umgewandelt.
Iin Hinblick auf die gegen Sie erhobenen Tatvorwürfe und unter Berücksichtigung der damaligen, auch in demokratischen Staaten herrschenden Strafzumessungspraxis, kann diese Entscheidung nicht als typisches NS-Unrecht gewertet werden. ( ... ) Bereits vor Kriegsausbruch war für Fahnenflucht vom Posten vor dem Feind oder aus einer belagerten Festung die Todesstrafe vorgesehen, ohne daß § 73 MStGB a. F. die Möglichkeit einer Milderung hinsichtlich der Strafzumessung vorsah.
Der Vergleich der Entscheidung vom 20.08.1942 mit dem vor dem Kriegsausbruch geltenden Strafnormen verdeutlicht, daß die gemeinschaftliche Fahnenflucht im Felde stets mit einer hohen Strafe bedroht war.
Ferner müssen die damaligen Zeit- und Kriegsumstände mitberücksichtigt werden. ( ... ) Daher erscheint das verhängte Strafmaß auch im Hinblick auf die damaligen Zeit- und Kriegsverhältnisse nicht als übermäßig hart und ungerecht. ( ... ) Entgegen Ihrer Auffassung ist ihre Mitgliedschaft in dem Strafbataillon 500 nach den Härterichtlinien nicht entschädigungsfähig. (...) In Kenntnis des § 43 Abs. 3 BEG hat die Bundesregierung eine entsprechende Vorschrift in die AKG-Härterichtlinien gerade nicht aufgenommen. Daraus folgt, daß die Mitgliedschaft in einem sog. Straf- oder Bewährungsbataillon nicht entschädigungsfähig sein sollte ( ... ). Die Voraussetzungen für die Gewährung einer laufenden Beihilfe im Sinne der Härterichtlinien sind daher leider nicht erfüllt.( ... ) Ich mache Sie noch darauf aufmerksam, daß für Sie gegebenenfalls die Möglichkeit besteht, bei der für Sie zuständigen Oberfinanzfinanzdirektion Kiel, Bundesvermögensabteilung, (...) einen Antrag auf eine einmalige Beihilfe nach den AKG-Richtlinien für erlittene Konzentrationslagerhaft zu stellen.
Ob ein entsprechender Antrag dort Aussicht auf Erfolg haben könnte, kann von hier jedoch leider nicht beurteilt werden, da ein solcher Aufenthalt, auch hinsichtlich der Dauer, grundsätzlich nachgewiesen werden muß. Die hier durchgeführten Ermittlungen haben hinsichtlich der Dauer Ihres Aufenthaltes in den Emslandlagem keine Erkenntnisse ergeben. ( ... ) Die Höhe einer einmaligen Beihilfe nach den AKG-Richtlinien steht grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Oberfinanzdirektion. (Absatz) In Anlehnung an § 45 Bundesentschädigungsgesetz wird jedoch in der Regel für jeden Monat einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung ein Betrag von bis zu 150,00 DM zugrundegelegt."


Gegen den Deserteur Ludwig Baumann wurde also 50 Jahre nach seinem Todesurteil zum zweiten Mal "ermittelt“ - fast zwei Jahre lang. Baumann konnte zwar nicht noch einmal zum Tode verurteilt werden, weil dies ein Entschädigungsverfahren nicht "vorsieht, aber man konnte "Bedauern" darüber äußern, daß das Todesurteil nicht vollstreckt wurde und der Verurteilte „leider" nur weniger als neun Monate einen "KZ-Aufenthalt" "verbrachte". Wer anderes, denn "Krieger", konnte dieses Zeitdokument unterzeichnen? Wir können der bundesdeutschen “Kriegergesellschaft“ ihr aufrichtiges Bedauern glauben. Nur Toten dankt und gedenkt sie gerne und im rechten Zweifel unterschiedslos den Soldaten und den Deserteuren, Richtern und Verurteilten, Psychiatern und Patienten, den KZ-Wärtern und den Juden, den Toten von Dresden und denen von Leningrad. Der offizielle deutsche Totenkult ist ein mühevoller Kampf gegen die Erinnerung an die Geschichte, die diese Toten hervorbrachte und für eine ungestörte militaristische Zukunft. Zu diesem Zwecke wurde abschließlich und endlich erst jüngst die "Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland" in Berlin errichtet.

Ludwig Baumann gehört heute trotzdem zu den zwei Ausnahmen, die aus dem 1987 beschlossenen Härtefond eine laufende Leistung erhalten. Nicht etwa aufgrund seines eingelegten Widerspruchs vom 24.8.92 (der wurde am 19.11.92 abgeschmettert), sondern weil er als Vorsitzender des Vereins der Opfer der NS-Militärjustiz eine öffentliche Person ist und sich deshalb etliche in- und ausländische Medienvertreter für ihn und den bezeichnenden Umgang deutscher Behörden mit ihm zu interessieren begannen. Am 10.8.1993 bekam er den lapidaren Bescheid über seine Entschädigung: 876.- DM monatlich, weil seine Rente unter 900.- DM liegt. Nebenbei wurde mit diesem Rückzieher des Finanzministeriums auch ein Grundsatzurteil zur Rolle der Militärjustiz im Zweiten Weltkrieg verhindert - denn Ludwig Baumann hatte Klage gegen die Ablehnung erhoben.

Ein solches Urteil hätte so aussehen müssen: Um die Volksund Wehrgemeinschaft beieinander zu halten, besaß der NS-Staat in der Militärjustiz ein probates Terrormittel, das mit einer Bilanz von ca. 50.000 Todesurteilen von denen der größte Teil vollstreckt wurde, den Volksgerichtshof und alle Sondergerichte in den Schatten stellte. Die Zeitstrafen führten die Verurteilten in ein Vernichtungslabyrinth aus Wehrmachtstraflagern, Konzentrationslagern, Bewährungs- und Sondereinheiten. Der durchaus auch selbstgesteckte politische Kampfauftrag dieser Gerichte lautete: "Aufrechterhaltung der Manneszucht“. Exakt dieses Generalargument zur Strafschärfung, was auch bei Baumann konsequent zum Todesurteil führte, tauchte in Form der "damaligen Zeit- und Kriegsumstände" im zitierten „Krieger-Dokument“ wieder auf und führte genauso konsequent zur Entschädigungsverweigerung. Diese "Umstände" gehören neben der ebenfalls im „Krieger-Dokument“ gebrauchten Floskel, "auch in demokratischen Staaten herrschenden Strafzumessungspraxis", zum Standard des apologetischen Bildes von der deutschen Militärjustiz, das die ehemaligen Täter von sich zeichneten.
Diese hielten seit 1952 unregelmäßige Kriegsrichtertreffen zumeist in Marburger Burschenhäusern - ab, auf denen sie ihre Kameradschaft pflegten, den Aufbau einer "neuen deutschen Wehrmacht" planten (am liebsten wieder mit eigener Militärgerichtsbarkeit; was aber nur für die Disziplinargerichtsbarkeit gelang) und vor allem ihre eigene Geschichte schrieben. Letzteres war nötig geworden, weil es 1957 anläßlich eines Verfahrens gegen den Feldmarschall Ferdinand Schörner schlechte Presse über die Militärjustiz gab. Neben Eingaben an verschiedenste Ministerien, den Presseberichten entgegenzutreten und einzelnen Klagen gegen Journalisten, war der Zentralpunkt der kriegsrichterlichen Gegenstrategie, die Planung einer institutionellen Autobiographie. Dieses Werk , vom Militärrichter und späteren Bundesanwalt Otto Schweling 1967 8 fertiggestellt, aber aufgrund verschiedener Schwierigkeiten erst 1977 vom ehemaligen Kommentator des Militärstrafgesetzbuches und späteren Marburger Rechtsprofessor Erich Schwinge herausgegeben, bestimmte für lange Zeit das Bild von der Militärjustiz. Danach war sie rechtsstaatlich, hat nur getan, was in allen anderen Staaten auch getan wurde, ja war geradezu ein Ort des Widerstandes.

Als Fritz Wüllner und Manfred Messerschmidt diese Legenden mit Veröffentlichungen seit Ende der 80er Jahre zerstörten, waren die Täter wieder fleißig. Der erst im Mai diesen Jahres in Seelenruhe verstorbene Erich Schwinge, bei dem sich die biologisch gelichteten Reihen der Kriegsrichter bis zuletzt privat trafen, schrieb wieder für sich und seine Kameraden , sekundiert von Freunden und Verwandten, wie dem Bundeswehrgeneral und Militärjuristen Jürgen

Schreiber - Sohn eines Generalrichters am Reichskriegsgericht. Ihr Hauptargument in zahlreichen Büchern und Aufsätzen gegen Wüllner/Messerschmidt ist der Umstand, daß die beiden damals ja gar nicht dabei waren, als Praktiker des NS-Rechts. Schreiber entblödet sich deshalb nicht, Berichte seines Vaters herbeizuzitieren. Als besonderen Beleg für die Humanität der Militärjustiz führt er ein Verfahren an, in dem die Richter einem Zeugen Jehova nicht nur vor dem Todesurteil mehrfach das Abschwören von der Verweigerung nahelegten, sondern vor der Vollstreckung tatsächlich nocheinmal den Besuch seiner Frau gestatteten, durch deren Einwirkung tatsächlich auf die Vollstreckung verzichtet werden konnte. Jürgen Schreiber hatte seinem Vater gut zugehört und Lehren für heute gezogen: "Darüberhinaus kann man aber auch Vergleiche anstellen zwischen den wenigen hundert Kriegsdienstverweigerern, die im Dritten Reich aus Gewissensgründen ihr Leben riskierten und es oftmals verloren und jenen bis zu 70000 Dienstverweigerern jährlich in der Bundesrepublik, die per Postkarte ihre Gewissensbedenken anmelden möchten."

Es war und ist nicht die historische Unkenntnis über die Militärjustiz, die den bisherigen Umgang mit ihren Opfern hervorbrachte; wie oben gezeigt findet sie auch dann noch Verwendung, wenn sie längst widerlegt ist.

Nein, schon 1964 hatte der Bundesgerichtshof richtig erkannt, daß es eben zu den vornehmsten Rechten eines Staates gehört, seine Bürger nach Belieben in den Tod zu führen und wenn diese nicht wollen, etwas nachzuhelfen. In der ablehnenden Urteilsbegründung hieß es: "Es gibt sicherlich keinen Staat, der jedem seiner Bürger das Recht zuspricht, zu entscheiden, ob der Krieg ein gerechter oder ein ungerechter ist und demgemäß seiner staatsbürgerlichen Pflicht, Wehrdienst zu leisten, zu genügen oder ihre Erfüllung zu verweigern. Würde der Staat jedem Bürger dieses Recht zubilligen, so würde er sich damit aufgeben." Der vor dem Urteil bereits verstorbene Kläger hatte kurz nach Kriegsbeginn aus Glaubensgründen den Kriegsdienst verweigert, war zum Tode verurteilt worden und nur über den Gnadenweg bis zur Befreiung in einem Ernslandlager inhaftiert. Für den BGH ist S. weder Widerstandskämpfer noch Opfer des Nationalsozialismus gewesen. Der Grund ist einfach, dann hätten ja die Soldaten, die sich nicht verweigerten und die Richter, die ihn verurteilt hatten unrecht gehandelt. Da für das höchste deutsche Gericht nicht sein kann, was nicht sein darf, konnte S. logischerweise nicht entschädigt werden.

Soweit Verfolgte der Militärjustiz im Klima der Restauration und angesichts der kurzen Antragsfristen (1956 bis 1958 und nochmal von 1965 bis zum 30. September 1966) überhaupt zu einer Antragstellung kamen, so fanden sich stets Gründe für ihre Abweisung. In der Verfolgung (selbst mit den härtesten Urteilen und auf Grundlage der Generalvollmacht zur Todesstrafe, der Kriegssonderstrafrechtsverordnung) sah man kein typisches NS-Unrecht. Die Antragsteller hatten mal kein achtbares Widerstandsmotiv, ein andermal ließ das "Gesamtverhalten" des Antragstellers eine "gewisse Dauer und Nachdrücklichkeit“ und seine Tat eine "gewisse Erfolgsaussicht" (gleich für den Sturz des NS-Regimes !!) vermissen.

So haben Deserteure, haben Verurteilte der Militärjustiz bis heute nicht nur keine Entschädigung erhalten, sondern weniger als das. Sie sind als "rechtmäßig Verurteilte" in ihrer Rente gegenüber allen SS-Schergen, die brav ihre Pflicht taten, benachteiligt - sie bekommen ihre Haftzeiten nicht auf die Rente angerechnet, weil vollen Rentenanspruch nur der Verurteilte erwirbt, der als Verfolgter des Nazi-Regimes nach § 1 BEG anerkannt ist, was konsequent verweigert worden war. Erst 1991 fand dies ein bundesdeutsches Gericht, das Bundessozialgericht, etwas anrüchig und sprach der Witwe eines kriegsgerichtlich Verurteilten und Hingerichteten eine Hinterbliebenenrente zu. Das Gericht mahnte gleichzeitig eine Gesetzesinitiative an, die die Militärgerichtsurteile grundsätzlich für Unrecht erklären sollte.

Der Bundestag folgte, wie eingangs erwähnt, dieser Aufforderung nicht. Es geht dabei nicht ums Geld - von den wenigen, die die Verfolgung überlebten, sind wohl nur noch einige hundert am Leben. Es geht hier ums Prinzip.

Johann Scholtysek, der wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt wurde, wurde in einer gerichtlichen Kompromißbildung nur eine bestimmte Haftzeit auf die Rente angerechnet, und zwar genau der Zeitraum, in dem er nicht einfach unnütz in einem Emslandlager einsaß, sondern Tunnel für den Beschuß Englands ausschachtete.

Nur wer seinem Staat nützliche Dienste erweist, kann auch Dank von ihm erwarten. Daß diese Botschaft vom Rechtsnachfolger und Amtsvollstrecker des NS-Staates auch ohne Zweifel so gemeint ist, läßt sich leicht an der problemlosen und schnellen Aufhebung der "Waldheimurteile" im November 1992 erkennen. Dies geschah in vollem Wissen darüber, daß neben Unschuldigen auch Kriegsverbrecher von diesem Gericht verurteilt worden waren. Ein Staat (die BRD) hatte hier also Urteile eines untergegangenen fremden Staates (der DDR) aufgehoben und dabei die treuesten Diener seines Rechtsvorgängers (des NS-Staates) rehabilitiert.

Quellenangaben im Originaltext vorhanden: „Marburger Uni-Linke (MAUL)“, 1994: „Freislers Erben wüten weiter“

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