Ende Gelände

UMWELT- UND MENSCHENFREUNDLICHE MOBILITÄT: DIE KONKRETEN VORSCHLÄGE

Fuß statt Auto - Ortszentren, sensible Zonen und barrierefreie Fußwege


1. Grundsätze einer umweltfreundlichen und sozial gerechten Mobilität
2. Verkehrsmittel Nr. 1: Bis zu 60 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad
3. Verkehrsmittel Nr. 2: Bahnen und Busse
4. Verkehrsmittel Nr. 3: Seilbahnen als Ergänzung
5. Fuß statt Auto - Ortszentren, sensible Zonen und barrierefreie Fußwege
6. Politik der kurzen Wege
7. Gute Anbindung bis in kleinste Gehöft/Dorf
8. Lasten- und Güterverkehr
9. Verkehrssysteme verknüpfen und intelligent steuern
10. Verkehrswende, Arbeitsplätze und Transformation der Autokonzerne

Wenn Autos aus den Ortskernen und um ausgewählte weitere Einrichtungen verbannt werden, steigt deren Attraktivität. Zudem wird das Autofahren unattraktiver, weil ein Umsteigen oder Fußwege nötig sind. Sind dann gute Fahrradwege und ein gutes Nahverkehrsnetz zum Nulltarif vorhanden, gibt es keinen Grund mehr, das Auto zu benutzen - und eigentlich nicht einmal mehr einen, ein Auto zu besitzen. Das ist das Ziel.

Aus "Die Stadt ist für Menschen da" über einen Vortrag von Jan Gehl in Frankfurt, in: Gießener Anzeiger am 30.11.2019 (S. 6)
Der dänische Architekt und Städteplaner sieht zwei mögliche Szenarien, für die derzeit die Weichen gestellt werden. Da ist erstens die autogerecht technisierte Stadt, deren Straßen ebenso verstopft sein werden wie heute – nur eben mit autonom fahrenden E-Autos. Und da ist zweitens die auf den Menschen ausgerichtete Stadt, in der der öffentliche Raum neu verteilt worden ist.
„Sind alle Probleme gelöst, wenn Sie Ihre Kinder smart zur Klimademonstration fahren können?“, lautet die ketzerische Frage des Planers, der Städte wie Kopenhagen, London, New York, Melbourne, Sidney oder Shanghai beraten hat. Die Strøget in Kopenhagen, eine der längsten Fußgängerzonen in Europa, geht auf seine Planungen zurück. Gehls Grundmaxime lautet: „Die Stadt ist für den Menschen da.“ Der Stadtraum müsse mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers erlebt werden statt aus einem Fahrzeug heraus. Nur so könne es gelingen, „Städte für Menschen“, so der Titel seines im Jovis Verlag erschienenen Buches, zu entwickeln. Nach der „Auto-Invasion“ der Vergangenheit muss seiner Ansicht nach jetzt neuer Platz für Fußgänger, Radfahrer und den öffentlichen Nahverkehr geschaffen und das Auto an die Stadtgrenzen zurückgedrängt werden. „Die zentrale Frage ist, wie nutzen Menschen die Stadt und welche Bedürfnisse haben sie?“, fragt Gehl auf der Hypermotion-Messe in Frankfurt. Technik hat für ihn dabei eine dienende Funktion.


Autos abwracken - zugunsten von Rad und ÖPNV
In Deutschland ist es Tradition, mit Steuermilliarden den Neukauf von Autos zu pushen. Das bringt keine Verkehrswende (siehe zum Beispiel die Kritikseite zu e-Autos). Dabe ist es eher ungewöhnlich, mit Geld den Neukauf von Autos zu fördern. Frankreich, Litauen und andere machen das ziemlich anders: Dort bekommst du für die Verschrottung deines Autos ein E-Bike oder ÖPNV-Ticket.
Aus "Altes Auto gegen E-Bike", in: Tagesspiegel, 26.7.2021
Frankreich führt eine neue, nachhaltigere Form der Abwrackprämie ein. Bürger:innen können ihr altes Auto mit Verbrennungsmotor gegen ein E-Bike eintauschen und dafür bis zu 2500 Euro vom Staat erhalten.

Konkrete Vorschläge für Abwrackprämien:

Autofreie Zonen um sensible Bereiche
Solange Autos direkt an Kindergärten, Schulen, Spiel- und Sportplätze heranfahren können, haben Radler*innen und Fußgänger*innen dort stets eine gefährliche Anfahrt. Eltern werden ihre Kinder kaum dorthin laufen oder radeln lassen. Daher müssen um all solche sensiblen Bereiche autofreie Zonen und sichere Anfahrtswege (Spiel- oder Fahrradstraßen) ausgewiesen werden.

Der ADAC empfiehlt einen Abstand von mindestens 250m, den Autos einhalten sollten. Das ergäbe, wenn überall solche Zonen rund um Kindergärten, Schulen usw. geschaffen würden, fast flächendeckend eine autofreie Stadt - und das wäre gut so. Bis das Auto ganz verdrängt ist, sollten nur noch einzelne Straßenachsen für Autos freigegeben werden. Der Rest gehört Bussen, Trams, Fahrrädern und allen Menschen zu Fuß, mit Rollator oder Rollstuhl!
Zitate aus ADAC-Texten
Viele Eltern bringen ihre Kinder mit dem Auto zur Schule. Oft spielen dabei Sicherheitsbedenken eine Rolle. Durch die Elterntaxis kommt es jedoch häufig zu unübersichtlichen und gefährlichen Situationen vor den Schulen, bei denen Kinder erst recht gefährdet sind. Der ADAC rät daher von Fahrten bis direkt vor das Schultor ab.
Regelmäßige Hol- und Bringdienste bringen ein weiteres Problem mit sich: Kinder wird die Möglichkeit genommen, selbständiges und sicheres Verhalten im Straßenverkehr zu üben, weil sie diesen nur noch als passiver Verkehrsteilnehmer von der Rückbank des elterlichen Autos erleben.
(Quelle)
„Der morgendliche Stau, das Rangieren und wilde Parken vor den Schulen erhöht ganz klar die Gefahr von Unfällen für die Schulkinder“ ... Für diejenigen, die zu Fuß unterwegs sind und für all jene, die aussteigen und hinter den hohen Autotüren nicht gesehen werden, bedeutet das eine enorme Unfallgefahr. Die Erfahrung zeigt: Viele Autofahrerinnen und Autofahrer verhalten sich zudem alles andere als regelkonform. (Quelle)
„Grundsätzlich ist es das Beste, wenn Schulkinder selbständig den vorher erlernten Schulweg zu Fuß oder, nach bestandener Radfahrprüfung, mit dem Fahrrad zurücklegen“, rät Wolfgang Herda, Verkehrsexperte beim ADAC Hessen-Thüringen …
Nach Ansicht des ADAC Verkehrsexperten Ronald Winkler ist es wichtig, dass Kinder früh und altersgerecht an den Straßenverkehr herangeführt werden. "Ein Risikobewusstsein und ein Verständnis für den Straßenverkehr entwickeln sie allerdings nicht, wenn sie von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden."
Im Einzelfall – etwa wenn der Schulweg sehr lang oder unsicher ist – kann aber auch das Elterntaxi eine vertretbare Alternative zum Zufußgehen sein. Doch wären sogenannte Elternhaltestellen im näheren Umfeld der Schule – empfohlen werden mindestens 250 Meter Entfernung – förderlich.
(Quelle)

  • ADAC-Infoseite zu Elterntaxi-Haltestellen mit mindestens 250m Abstand ++ Presseinfo
  • Appell gegen Elterntaxis des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW), des Verkehrsclub VCD und des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) mit Tipps zur Umsetzung
  • Infoseite der ADAC-Stiftung "Wenn Elterntaxis zur Gefahr werden: Tipps für den sicheren Weg zur Schule"

  • Aus dem Interview "Die Straße war mal für Kinder" mit Dirk Schneidemesser, in: taz, 11.5.2021
    Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Straße ein Ort, wo Kinder gespielt haben, wo man seinen Nachbarn begegnet ist, wo man auch Handel getrieben hat. Es gab Verkehr, aber das war eine von vielen Aktivitäten. Heutzutage haben wir die Vorstellung, die Straße ist da für einen einzigen Zweck, und das ist sogar verankert in unserer Gesetzgebung: den motorisierten Verkehr.
    Wenn man in die Geschichtsbücher schaut, ist es dazu durch eine konzertierte Aktion von Menschen gekommen, die meinten, das Auto ist die Zukunft, wir müssen unser Land, unseren öffentlichen Raum nach den Bedürfnissen des Autos ausrichten. Daraus folgte die Überzeugung: Wir müssen in Kauf nehmen, dass Menschen verletzt oder gar getötet werden. Die müssen wir von der Straße weghalten, damit der Autoverkehr nicht gestört wird. Nehmen wir das Beispiel Spielplatz: Ein Spielplatz ist im Grunde genommen ein Ort, wo wir Kinder hinschicken können, damit wir sie nicht an der Leine haben müssen, wo sie ungefährdet sind, spielen können. Spielplätze haben wir, weil die Straße unsicher wurde für Kinder. ...
    Das Wort „Unfall“ hat eine verharmlosende Wirkung, Kollision trifft besser zu. Ein Unfall ist unerwartet, ist eine Ausnahme. Aber es passieren tagtäglich schwere Unfälle. Unser Verkehrssystem ist so aufgebaut, dass wir das in Kauf nehmen. Wir wissen, dass dieses Jahr in Deutschland höchstwahrscheinlich um die 3.000 Menschen durch Verkehrsgewalt getötet werden. Es ist schwierig, das als unerwartet oder Ausnahmen zu beschreiben – was wir aber mit dem Wort Unfall ein Stück weit tun. Ein normales Unfallgeschehen, was soll ich mir darunter vorstellen? Da denke ich nicht an Knochenbrüche, Blut auf der Straße oder Ähnliches. Aber das sind die tatsächlichen Folgen von Kollisionen. Deswegen sollten wir auch von Gewalt reden.


    Autofrei, wenn die Schule beginnt
    Aus "Mit dem "BiciBus" durch Barcelona", auf: DW Nachrichten am 6.12.2021
    Jeden Freitagmorgen dürfen Barcelonas Schulkinder für eine Stunde die Straßen der Stadt als Radweg nutzen. Autos kommen ihnen während dieser Zeit nicht in die Quere.

    Hessenschaubeitrag zum Frankfurter Bici-Bus am 20.10.2023 ++ Bericht aus Düsseldorf


    Autofreie Innenstädte
    Innenstädte und Ortskerne sollten stets komplett autofrei sein. Das würde die Attraktivität erheblich erhöhen und so allen Anlieger*innen, Geschäften, Kultureinrichtungen, Gastronomie usw. nützen. Autofreie Zonen sind zudem um Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser usw. sinnvoll.
    Um die Asphaltflächen in der Innenstadt dann entfernen zu können (außer Fahrradstraßen), sollten Busse zumindest in größeren Städten dort durch Straßenbahnen ersetzt werden. Die sind ohnehin viel eleganter in einer City - und kompatibler zu Fußgänger*innenzonen.
    Ebenso sollten sensible Bereiche von autofreien Straßen umgeben sein. Dazu gehören Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Altenheime und Freizeitzentren. Private Autofahrten direkt zu solchen Einrichtungen sollten nicht mehr möglich sein. Dadurch werden die Wege wieder nutzbar für eine eigenständige Fortbewegungen (Gehen, Radeln) aller Menschen.

    Aus "Autofreie Innenstädte - eine Idee für die Zukunft?", auf: SWR am 19.11.2019
    In deutschen Großstädten kommen im Schnitt 450 Autos auf 1.000 Anwohner. Das hat eine Studie des Bundesumweltamtes ergeben. Als erstrebenswert gelten gerade mal 150 Autos. Wenn man bedenkt, wie viel Platz ein PKW, der die meiste Zeit ungenutzt am Straßenrand herumsteht, einnimmt, erahnt man ungefähr die Freiräume, die autofreie Innenstädte schaffen können. ...
    Für den Weg hin zur autofreien Innenstadt gibt es einige Vorbilder: In der Innenstadt von Erfurt hat man den Verkehr konsequent auf den Anliegerverkehr beschränkt und auch in Zürich und Wien hat man gute Erfahrungen mit autofreien Zonen in der Innenstadt gemacht.


    Harald Lesch im Interview, in: Gießener Allgemeine am 12.3.2020
    Nehmen Sie das Beispiel Stockholm: Dort wurde die Innenstadt autofrei. Am Anfang war der Widerstand der Bürger unglaublich groß. Als die Stadt nach einem Jahr erneut nachgefragt hat, war keiner mehr dagegen. Weil die Leute festgestellt haben, welche Vorteile damit verbunden sind.

    Aus "Fußgänger sind die wahren Umsatzbringer!", in: ManagerMagazin, 13.9.2021
    Händler in städtischen Einkaufsstraßen glauben oft, ein Großteil ihrer Kundschaft komme mit dem Auto. Das ist eine Fehleinschätzung ...
    Einzelhändler überschätzen den Anteil ihrer Kundinnen und Kunden, die mit dem Auto zum Einkaufen kommen, zum Teil erheblich. Das könnte einer der Gründe sein, warum die Einrichtung von Fußgängerzonen oder die Abschaffung von Parkplätzen im Einzelhandel so oft auf Widerstand stößt.


    Aus einen Text der SPD Wetzlar zur Mobilität
    Städte, die frühzeitig auf eine gerechtere Aufteilung des öffentlichen Raumes für alle Verkehrsteilnehmer setzten, sind heute die Städte mit der höchsten Lebensqualität. Nachhaltige Stadtentwicklungsstrategien zahlen sich langfristig im interkommunalen Wettbewerb um Kunden, Touristen, Handel und Fachkräfte aus. ...
    Daher gilt es mutige Entscheidungen zu treffen für eine Verkehrsentwicklung, die auf eine gute Erreichbarkeit der Altstadt für alle setzt. Hier ist gerade den schwächsten Verkehrsteilnehmern die höchste Aufmerksamkeit zu widmen wie Zufußgehende, insbesondere Kinder und Mobilitätseingeschränkte. Um Raum für diese Personengruppen zu gewinnen, ist der Individualverkehr zurückzunehmen und an den Eingangsbereichen zur Innenstadt bzw. Altstadt abzufangen, ...


    Jan Böhmermann über sterbende Innenstädte und die Ursachen (ZDF Magazin Royale im April 2023)

    Beispiel Pontevedra (Spanien)
    Aus "In dieser spanischen Stadt fahren keine Autos!", auf: Travelbook am 7.4.2019
    Eine Stadt ohne Autos – das muss keine Wunschvorstellung bleiben. In der Provinzhauptstadt Pontevedra im Nordwesten Spaniens kommen die Menschen seit 20 Jahren fast immer ohne Wagen aus. 1999 wurde der Autoverkehr dort weitgehend aus der Innenstadt verbannt.
    Bewohner sprechen von einem „Paradies“. Besucher wie der Journalist Stephen Burgen vom britischen „Guardian“ stellen verwundert fest, dass die Menschen in der galicischen Stadt auf den Straßen „nicht schreien“ (müssen), dass ungewöhnlich viel miteinander geredet und gelacht wird und dass man „das Zwitschern der Vögel inmitten der Kamelien“ und „das Klirren der Löffel in den Kaffeetassen“ hört. „Bei uns ist der Fußgänger König“, meint Bürgermeister Miguel Anxo Fernández Lores im Interview stolz. ...
    Jene Ladenbesitzer, die anfangs noch in relativ großer Zahl protestiert und geschimpft und eine Senkung ihrer Einnahmen befürchtet hatten, reiben sich heute die Hände. Dazu gehört Miguel Lago. Er sei sehr skeptisch gewesen, räumte Lago gegenüber der Zeitung „El País“ ein. Inzwischen wisse er aber: „Wichtig ist vor allem, wie viele Menschen zu Fuß an deinem Laden vorbeigehen.“ In kaum einer anderen Stadt Spaniens entstanden am Stadtrand und in den Vororten so wenige großflächige Einkaufszentren wie hier.
    Die Menschen in Pontevedra seien glücklicher und gesünder als vor 20 Jahren, versichert Bürgermeister Fernández Lores. „Es ist offensichtlich, dass man in einer Umwelt mit weniger Streß, Verschmutzung, Aggressivität und Verkehrsgewalt mehr vom Leben hat und gesünder lebt.“ ...
    Fernández Lores ruht sich derweil auf den Lorbeeren nicht aus. Es gebe immer neue Herausforderungen und Ziele. „Wir sind gerade dabei, das Modell in die gesamte Provinz Pontevedra, die 900.000 Einwohner hat, zu exportieren“, erzählte er. Außerdem würden in seiner Stadt ständig neue Straßen von Autos befreit. „Der Prozess der Stadtverbesserung geht nie zu Ende.“


    Beispiele für autofreie Innenstädte
    Autofreie Zentren in großen Städten

    Aus "Autofreie Innenstadt in Mannheim", in: Mannheimer Morgen, 16.2.2020
    „Angst war noch selten ein guter Ratgeber.“ Viele autofreie Fußgängerzonen machten es vor, „dass diese jeder Grundlage entbehrt außer vielleicht Unbeweglichkeit im eigenen Denken.“ Dagegen sei eine solche Zone viel attraktiver, weil die Besucher bei ihrem Einkauf sicher wären und besser entspannen könnten. Ihre Ausführungen schließt sie mit dem Satz: „Ich wünsche allen Zweiflern mehr Mut.“

    Aus "Es war einmal in Houten" über einen Vortrag von Arjen de Boer, in: Gießener Allgemeine, 21.2.2020
    Verstopfte Straßen kennt man auch in Houten. "Immer wieder beschweren sich Leute, dass sie kaum noch durchkommen", berichtete Arjen de Boer seinen zahlreichen Zuhörern am Donnerstagabend in der Alten Universitätsbibliothek. Klingt völlig normal - ist es aber überhaupt nicht. Denn was in der niederländischen 50 000-Einwohner-Gemeinde den öffentlichen Raum einengt, sind meist keine Autos. Sondern Fahrräder. Die Innenstadt von Houten ist fast autofrei und gilt deshalb international als Blaupause für moderne urbane Mobilität. ...
    Laut de Boer provozierten die Visionen anfangs jede Menge Widerstand. "Aber heute möchte keiner mehr in die alte Zeit." Das Funktionsprinzip der "autofreien Innenstadt" ist rasch erklärt: Eine Ringstraße führt Pkw ums Zentrum herum. Stichstraßen ragen hinein, sind aber untereinander nicht verbunden. Stattdessen durchzieht ein Netz von Fahrradstraßen die City. Überall, wo sich Rad und Auto begegnen, hat Ersteres Vorrang. Wer mit dem Pkw kommt, stellt ihn im Parkhaus am Innenstadtrand ab. ...
    Das Zentrum wirke "viel gemütlicher" und "lebenswerter" als früher. Die Geschäftsleute hätten erst zu den lautesten Bedenkenträgern gehört, später jedoch wenig Einbußen bemerkt. Inzwischen stelle sowieso der Onlinehandel die größere Gefahr dar. "Was muss eine Stadt denn sein?", fragte de Boer und antwortete gleich selbst: "Sie muss vor allem schön sein."


    Bericht zum Vortrag "Autofreie Innenstadt" am 20.2.2020 in Gießen, in: Gießener Anzeiger, 25.2.2020

    Unsere Vorschläge für eine autofreie Innenstadt in Gießen

    Autofreie Stadtteile in größeren Städten

    Autofreie, kleine Orte oder Ortszentren kleiner Städte

    Von einem Tag auf den anderen werden autofreie Innenstädte dort, wo heute noch Autos vorbeirauschen, Parkplätze suchen oder herumstehen, kaum zu schaffen sein, denn es braucht die Alternativen, wie Menschen in die Innenstadt kommen. Dafür aber ist wiederum Platz erforderlich, weswegen ein gleitender Übergang wie folgt aussehen kann:
    • Vom Kern aus oder von den bestehenden Fußgänger*innenzonen ausgehend die autofreien Bereiche Stück für Stück ausdehnen.
    • Alle noch befahrenen Straßen in Einbahnstraßen wandeln, um auf de dadurch freigewordenen Fahrspur Fahrradstraßen, Busspuren oder die ersten Straßenbahngleise einzurichten.
    • Flächendeckend Tempo 30 einführen


    Tote und Verletzte in Brüssel vor und nach Tempo-30-Einführung (2020)

    Autofreie Innenstädte beleben auch den Einzelhandel
    Aus "Paradoxon – Parkplätze vor dem Geschäft schaden dem Einzelhandel", auf: Forschung und Wissen am 3.11.2023
    Händler fürchten, dass fehlende Parkplätze zu ausbleibender Kundschaft führen. Eine Studie zeigt nun, dass Parkplätze vor dem Geschäft dem Einzelhandel schaden, anstatt ihm zu nützen. ...
    Das Untersuchungsergebnis erscheint auf den ersten Blick paradox. Eine hohe Anzahl an Straßenparkplätzen im unmittelbaren Umkreis von 100 Metern rund um ein Geschäftslokal reduziert die Miethöhe. Parkmöglichkeiten, die in weiter gefassten Zone zwischen 100 und 500 Metern Entfernung liegen, wirken sich hingegen positiv aus.
    „Unsere Erkenntnisse zeigen, dass man Straßenparkplätze in Innenstädten deutlich reduzieren könnte, um den Platz in der Straße anders zu nutzen – wenn man gleichzeitig die vorhandene Kapazität in den Parkhäusern besser ausnutzt.“
    Das Ergebnis ist laut den Autoren trotzdem plausibel. Geschäftsflächen entfalten demnach ihren vollen Wert, wenn die Straße davor nicht von parkenden Autos überfüllt ist. Gleichzeitig ist es von Vorteil, wenn ausreichend Parkraum in akzeptabler Gehentfernung verfügbar ist.

    Carsharing?
    Den Umstieg von Privatautos auf Carsharing zu organisieren, kann übergangsweise hilfreich sein - aber nur, wenn er nicht mit neuen Autos, sondern durch Umwidmung bisheriger Privatwagen zu Leihautos geschieht. Sonst besteht die Gefahr, dass es am Ende mehr PKWs sind, siehe Text vom Öko-Institut und im Tagesspiegel.

    Im Carsharing lauert die Gefahr, vor allem die zu PKW-Fahrer*innen zu machen, die bislang kein Auto nutzen und das auch nicht wollten. Eube zngewöhnlich ehrliche Formulierung fand sich dazu in der Gießener Allgemeine am 23.12.2021: Carsharing und e-Autos versorgen Menschen mit Autos, die sonst keines hätten. "Doch verschwinden wird das Verkehrsmittel deshalb nicht - im Gegenteil. Es gibt in Gießen bereits heute mehrere Unternehmen, die Carsharing und Mietautos für die Menschen anbieten, die sich ein eigenes Fahrzeug entweder nicht leisten können oder wollen."
    Carsharing kann daher den Bestand an privaten Fahrzeugen nur dann wirklich reduzieren, wenn es dort eingesetzt wird, wo Menschen auf den PKW angewiesen sind. Und das sind v.a. die ländlichen Räume. Dort wird es aber kein privatwirtschaftliches Angebot geben. Dort ist zu wenig Miet-Kundschaft verglichen mit der Kernstadt. Carsharing bleibt so ein Add-On für die Menschen, die in den Städten leben. Carsharing muss in die Hand der Gesamtgesellschaft um es als Teil des öffentlichen Nahverkehrs dort einzusetzen, wo es zur Reduzierung der privaten Stehzeuge dient. Und nicht wo es sich als Geschäftsmodell rechnet.

    Harald Lesch im Interview, in: Gießener Allgemeine am 12.3.2020
    Der Freiheitsbegriff ist in Deutschland überdehnt. Wir könnten in einigen Bereichen deutlicher werden. Zum Beispiel beim Tempolimit.

    Breite und gute Fußwege
    Aus einem Beschluss der Verkehrsminister*innenkonferenz im April 2021
    Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn eine Gehwegbreite von mindestens 1,80 Metern zzgl. der nötigen Sicherheitsabstände … gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt. In begründeten Ausnahmefällen sind Abweichungen auf kurzen Abschnitten möglich, wobei sicherzustellen ist, dass eine Gehbahn mit einer lichten Breite von 1,50 Metern an keiner Stelle unterschritten wird.
    Begründung: Gehwegparken begrenzt den Bewegungs- und Aufenthaltsraum des Fußverkehrs (insbesondere von Menschen mit Rollstuhl oder Kinderwägen) und stellt zusätzlich ein häufiges Sicherheitsrisiko als Sichthindernis (zum Beispiel für Kinder) beim Queren der Fahrbahn dar. Mit der weiter steigenden Motorisierung verschärfen sich zusehends auch auf Gehwegen die Flächenkonflikte zulasten des Fußverkehrs.
    1,80 Meter nutzbare Gehwegbreite zuzüglich ggf. 2 x 20 cm erforderlicher Sicherheitsabstände (stellen) die nicht zu unterschreitende Mindestbreite dar, wenn ein Sicherheitsabstand nicht zum fließenden Verkehr, sondern lediglich zu den abgestellten Kfz einzuhalten ist.


    Aus dem Bericht "Aufgesetztes Parken: Bremer Gericht gibt Anliegern recht", in: Weser-Kurier am 22.2.2022
    Ihr Antrag [der Anwohner:innen], das Straßenverkehrsamt solle gegen diesen verkehrsordnungswidrigen Zustand einschreiten, wurde von der Behörde abgelehnt.
    Die Behörde machte geltend, hier keinen Handlungsspielraum zu haben, da sich die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden, also Ordnungsamt, Polizei und kommunaler Ordnungsdienst gegen ein Einschreiten entschieden hätten. Verkehrsschilder seien nicht aufzustellen, da den Autofahrern die Parkvorschriften bekannt seien.
    Gegen diese Stellungnahme der Straßenverkehrsbehörde klagten die Anwohner vor dem Verwaltungsgericht. Die Behörde könne sehr wohl Maßnahmen ergreifen, wie etwa anzuordnen, dass die Autos entfernt werden, Pfähle zu installieren oder Verkehrsschilder aufzustellen. Welche Maßnahme sie konkret ergreife, stellten die Anwohner ins Ermessen der Behörde, Hauptsache der ordnungswidrige Zustand werde beendet. Durch das aufgesetzte Gehwegparken seien die Gehwege zu eng, um sie ungehindert und gefahrlos nutzen zu können.
    Zwar wurde die Klage in Teilen abgewiesen, im wesentlichen Punkt folgte das Gericht aber der Argumentation der Anwohner: Die Kläger seien als Anwohner von Straßen, in denen nicht nur vereinzelt, sondern dauerhaft verkehrsordnungswidrig auf den Gehwegen geparkt werde, grundsätzlich berechtigt, von der Straßenverkehrsbehörde ein Einschreiten zu verlangen, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Straßenverkehrsbehörde könne als fachlich spezialisierte Behörde verschiedene Maßnahmen gegen das aufgesetzte Gehwegparken ergreifen und sei insbesondere nicht auf das Aufstellen von Verkehrsschildern beschränkt.


    Aus "StVO: Anspruch auf Einschreiten gegen Gehwegparker?", auf: JuraOnline am 9.3.2022
    Im Norden Deutschlands, in der Hansestadt Bremen, ärgerten sich Eigentümer und Bewohner über die Parksituation in eigenen Straßen. Es handelt sich um drei Einbahnstraßen, circa 5 Meter breit, die dazugehörigen Gehwege haben eine Breite von 2 Metern. Doch Verkehrszeichen, die das Halten und Parken von Autos in diesen Straßen regeln, gab es nicht. Die Fahrzeuge wurden daher auf beiden Straßenseiten zur Hälfte auf den Gehwegen geparkt, was sie einengte. Durch das „Halbbordparken“ seien Fußgänger eingeschränkt, insbesondere seien Kinder, Eltern mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer:innen betroffen.
    In einem Gespräch mit der Straßenverkehrsbehörde erfuhren sie: Das Problem sei bekannt und das Parken auch ordnungswidrig. Man schreite aber dennoch nicht ein, da in der gesamten Stadt gegen diese Form des Parkens nicht eingeschritten werde. Die Kläger:innen hatten nun vor dem VG Bremen Erfolg. ...
    Außerdem ergebe sich ein Anspruch auf Einschreiten aus § 12 IV und 4a StVO, wonach das Parken auf Gehwegen grundsätzlich verboten ist. Die Norm diene aber nicht ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit, sondern auch konkret dem Schutz der Gehwegnutzer:innen.
    Die Weigerung der Straßenverkehrsbehörde, in den Einbahnstraßen Maßnahmen gegen das dauerhafte Gehwegparken zu ergreifen, sei daher rechtswidrig. Sie sei die zuständige Behörde, die geeignete Maßnahmen zum Schutz der Anwohner:innen ergreifen könne. Die Art und Auswahl der Mittel, also zum Beispiel das Aufstellen von Verkehrsschildern, stünden zwar in ihrem Ermessen. Doch da es sich nach Auffassung des VG Bremen um eine massive Beeinträchtigung handeln würde, sei das Entschließungsermessen der Behörde auf Null reduziert. Sprich: Sie muss handeln.


    Aus der Presseinfo des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil über das Gehwegparken ++ Bericht ZDF
    Da das unerlaubte Gehwegparken nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der gesamten Stadt, insbesondere in den innerstädtischen Lagen weit verbreitet ist, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehwegbreite priorisiert und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt. ...
    Die drittschützende Wirkung des Gehwegparkverbots aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO ist regelmäßig - und so auch hier - auf den Gehweg beschränkt, der auf der "eigenen" Straßenseite des Anwohners verläuft; umfasst ist in der Regel auch nur der Straßenabschnitt bis zur Einmündung "seiner" Straße in die nächste (Quer-)Straße. In Bezug auf weitere Abschnitte des Gehwegs sind die Anwohner Teil des allgemeinen Kreises der Gehwegbenutzer und nicht mehr hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidbar.


    Ampelschaltungen können auch umgedreht werden - die Autos müssen das Grün durch Kontaktschleifen anfordern. Normalzustand heißt: Fußgängis haben Grün!

    Hindernisse auf Fußwegen
    FUSS e.V. hat erstmals eine Studie zu E-Scootern, E-Mopeds und Leihrädern auf Berliner Gehwegen veröffentlicht. Die Ergebnisse bestätigen, was viele auf ihren alltäglichen Wegen bereits spüren: 67,5 Prozent aller Fahrzeuge stehen oder liegen störend, nur 32,5 Prozent stehen rücksichtsvoll. Zufußgehende werden im Schnitt alle 77 Meter behindert oder gefährdet, blinde und stark sehbehinderte Menschen sogar alle 59 Meter. Die im September vom Berliner Senat erlassenen Regeln werden von Verleihern wie Kundschaft ignoriert. Schon jetzt sind sie millionenfach gebrochen. (Quelle)
    Straßenschilder auf Fuß- und Gehwegen müssen Platz lassen, und zwar 1m Breite bei Gehwegen, 80cm verbleibende Mindestbreite bei Radwegen sowie 1,60m bei kombiniertem Geh- und Radweg (Quelle).

    Zu-Fuß-Gehen fördern
    FUSS e.V. hat Forderungen für bessere und sichererer Fußweg-Verbindungen und -Bedingungen zusammengestellt. Auszüge:
    • Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, nicht nur im Umfeld sensibler Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Krankenhäuser, sondern überall dort, wo es aufgrund der Nutzungen, z.B. Hauptschulweg oder wichtige ÖPNV-Haltestelle angezeigt erscheint. Ziel ist eine Verbesserung der subjektiven Sicherheit von zu Fuß Gehenden, z.B. dort, wo schmale Gehwege direkt an die Fahrbahn angrenzen und nicht erst auf der Basis von Unfallzahlen.
    • Querungshilfen an Hauptverkehrs- und Sammelstraßen an Kreuzungen und Einmündungen, im Bereich von Haltestellen, ggfs. an beiden Enden sowie in kurzen Abständen (ca. 100 - 150 Meter) oder linienhaft an Straßen mit Zielen (Einkauf, Institutionen, Freizeit etc.) auf beiden Straßenseiten.
    • Einführung der Verkehrsregelung "Begegnungszone" mit Höchsttempo 20 mit Vorrang für den Fußverkehr und Parkverbot, um das gemeinsame Miteinander auf Plätzen und in Geschäftsstraßen und ohne Umbau auch in Straßen ohne regelkonformen Gehweg zu verbessern (wie in der Schweiz, Österreich, Belgien, Luxemburg und Frankreich).
    • Verpflichtung zur Freihaltung von Sichtfeldern an allen Querungsstellen für die das legale Parken im Straßenraum verkehrsrechtlich (zehn Meter vor Kreuzungen, damit Rechtsabbieger den straßenbegleitenden Fuß- und Radverkehr besser sehen können) und/oder planerisch durch Gehwegvorziehungen eingeschränkt und illegales Halten und Parken strenger bestraft wird als bisher.
    • Gesetzliche Standards zur fußgängerfreundlichen Ausstattung von Kraftfahrzeugen.

    • Broschüre "Geh-rechtes Planen und Gestalten"
    • Aufzeichnung des Internet-Seminars "Methoden der Gehweg-Befreiung: Erfahrungen aus Darmstadt" vom Donnerstag, 2. Juli 2020, 18:00 bis 21:00 Uhr (ohne Diskussion)
      Referent: David Grünewald (weGErecht e.V.)
    • Broschüre "Wie breit müssen Gehwege sein?"
    • Broschüre "Gegen angeordnetes Gehwegparken vorgehen"
    • Broschüre "Mit kleinen Schritten Großes bewirken"
    • Regeln und Gestaltungsideen für Fußwege und -bereiche

    Zudem sind Ampeln bei hohem Fußverkehrsanteil so zu schalten, dass alle Fußgänger*innen gleichzeitig Grün haben, während der Autoverkehr voll auf Rot steht (Rundum-Grün).

    Barrierefreiheit
    Wichtig ist volle Barrierefreiheit für Menschen mit Rollatoren, auf Krücken oder im Rollstuhl

    Woher das Märchen kommt, dass Autos besonders barrierefrei sind, ist unklar. Und warum soviele das nachplappern, auch. Ganz im Gegenteil: Für blinde und taube Menschen sind Autos (wie auch für Kinder, Tiere ...) das Übelste, was ihnen als Barriere droht. Sie stolpern nicht nur, sondern sind tot.

    Tempo 30
    Aus Sicht der dort lebenden Menschen und inzwischen auch fast aller Führungen von Städten und Gemeinden ist der Durchgangsverkehr das Schlimmste. Daher fordern sie Tempo 30 als flächendeckende Verkehrsberuhigung. Verkehrsminister Wissing hat das nun abgelehnt - mit einer bemerkenswerten Begründung: "In den Städten gibt es nicht nur innerstädtischen Verkehr, sondern auch Durchgangsverkehr." Es seien "nicht nur die Interessen der Bewohner der Stadt betroffen, sondern auch derjenigen, die durchfahren müssen." Die Ablehnung von Tempo 30 dient also dem besseren Durchfahren von Städten und Dörfern! (Quelle)

    In allen Orten sollte, wo noch Auto fahren dürfen, Tempo 30 gelten. Die Vorteile eines Tempolimits sind:
    • Gleichmäßigerer Verkehrsfluss, d.h. es braucht weniger Straßen für gleich viel Verkehr (Autobahnausbauten könnten dadurch vermieden werden)
    • Geringere Fahrbahnbreiten (Tempo 30 spart Platz im Ort)
    • Weniger Unfälle, vor allem tödliche
    • Weniger Energieverbrauch und CO2-Ausstoß
    • Gerechtere Mobilität (Dominanz teurer Autos wird verringert)
    • Bahn ist dann schneller als Auto, d.h. es fördert den Umstieg auf ÖPNV
    • Weniger Lärm (Lärm entsteht vor allem durch Reifengeräusch)
    • Ökonomische Vorteile (siehe Artikel "Tempolimit würde der deutschen Volkswirtschaft 950 Millionen Euro im Jahr bringen", in: Spiegel am 21.4.2023)

    Über die Ablehnung von Tempo 30 in Grünwald, in: SZ am 1.3.2023
    In der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend wurde nun aber deutlich, dass noch etwas ganz anderes hinter der ablehnenden Haltung steckt: Es sind die dicken Autos der Grünwalder. Das machte zumindest CSU-Gemeinderat Thomas Lindbüchl nach gut einstündiger Debatte über Gefahrenlagen, Sammelstraßen, sensible Wohngebiete und rechtliche Grundlagen deutlich. "Die Leute fahren in den 30er-Zonen eh 50", will er festgestellt haben. Und er weiß auch warum: In Grünwald hätten viele Leute große Autos. Wenn man da aufs Gas trete, sei man gleich bei 50. "Mit diesen Autos kann man gar nicht 30 fahren." Die Diskussion war damit beendet. Nur vier von 21 Gemeinderäten wollten trotzdem das Tempolimit.

    "Shared spaces" - wo alle fahren, laufen usw. können
    Eine besondere Idee sind „Shared spaces“ (siehe de.wikipedia.org/wiki/Shared_Space) , die wir für fast alle Orte im Lumdatal jeweils dort vorschlagen, wo wichtige Fuß- und Radverbindungen auf die Hauptdurchgangsstraße treffen und daher besondere Konfliktsituationen bestehen. Da der Platz dort überall nicht ausreicht, um den Verkehr zu trennen, sollen diese Zonen so umgestaltet werden, dass sie eine hohe Aufenthaltsqualität haben (Pflasterung, Begrünungen, Bänke usw.). Alle Verkehrsteilnehmer*innen können sie ohne weitere Regelungen und in gegenseitigem Respekt benutzen. Als Tempo ist maximal 10 km/h zulässig, bauliche Elemente am Übergang zur Autostraße müssen den Verkehr dort wirksam abbremsen. Dadurch gibt es in jedem dieser Orte mindestens eine deutliche Sperre gegen schnelles Rasen durch den Ort.

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