Ende Gelände

DIRECT-ACTION UND MILITANZ: STÖREN UND SABOTIEREN

Beispiele: Hambi bleibt! ... und: 120 Menschen verhindern Abschiebung in Bremen!


1. Grundgedanken
2. Beispiele: Hambi bleibt! ... und: 120 Menschen verhindern Abschiebung in Bremen!
3. Die Tute Bianches, Zapatismus und Widerstandskultur in Italien (später: Disobedientes)
4. Aktionsberichte
5. Tipps und Anleitungen
6. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Aus einer Rede von Hambacherforst-Besetzis am 30.9.2018 auf dem Waldspaziergang dort
In vielen Solidaritätsbekundungen und freundlich gesinnten Presseartikeln ist vom „gewaltfreien Protest“ im Hambacher Forst die Rede. Wie gesagtm ich störe nur ungern – aber das ist ein Bisschen Unsinn. Was stimmt ist: Die Gewaltexzesse der Polizei standen nie in irgendeinem Verhältnis zur teilweise militanten Gegenwehr, die es im Wald immer wieder gab.
Der Punkt ist: Wenn die Besetzungen von Anfang an konsequent friedlich gewesen wären, dann hätten sie die ersten drei Jahre nicht überlebt. Ihr habt gesehen, wozu die Polizei und die RWE-Sicherheitsdienste fähig sind – und das war von Anfang an so.
Die Besetzungen im Hambacher Forst hatten bewusst nie einen gewaltfreien Aktionskonsens. Die letzten Wochen haben hoffentlich allen hier den Grund dafür verdeutlicht:
Wir leben ja auch nicht in einem gewaltfreien Staat. ...
Diesen Staat, der mit solch einer Gewalt an seinem rasanten Kurs auf den Abgrund festhält, werden wir nicht allein mit untertänigen Appellen zum Umdenken kriegen.
Dieser Staat erlaubt relativ viele Demonstrationen einzig deshalb, weil sie ihn nicht allzu sehr stören. Aber dieser Staat wird nur dann seinen Kurs wechseln, wenn wir ihn mit Entschlossenheit, langem Atem, und allen sinnvollen Mitteln dazu zwingen.


In den frühen Morgenstunden haben über 120 Menschen durch Strassenbarrikaden und Blockade eines Wohnhauses eine Abschiebung in Bremen verhindert.
In Bremen sind mehr als fünfhundert staatenlose Kurdinnen und Kurden aus dem Libanon seit nunmehr zwei Jahren akut von Abschiebung bedroht.Seit gut 10, einige sogar schon seit 15 Jahren leben sie als Flüchtlinge in Bremen. Die meisten sind als Kinder und Jugendliche hier aufgewachsen, gehen zur Schule, gehen ins Freizi, machen ihre Lehre oder Ausbildung. Dies, während ihre Eltern durch die Asylgesetzgebung und das bis heute währende faktische Arbeitsverbot auf den Bittstellerstatus verdammt sind: zum Nichtstun, zur organisierten Langeweile, zum ausgegrenzten Fremden.
Anfang 2000 hatte der damalige Bremer Innensenator Bernt SCHULTE (CDU) zur Attacke auf diese Menschen geblasen. Seitdem sehen sie sich einem Trommelfeuer von Angriffen ausgesetzt, Medienattacken, Verwaltungsverfügungen und ignoranten Gerichtsurteilen. Erklärtes Ziel der Innenbehörde ist es, die Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben - in ein Land, aus dem sie nicht kommen, das sie kaum kennen, dessen Sprache sie nicht sprechen, mit dem sie nichts verbindet. Ihnen soll zum Verhängnis werden, dass sie die Türkei vor 10 oder 15 Jahren als „Transitland“ auf ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg im Libanon benutzt haben, sich dort für die „Weiterreise“ türkische Papiere organisiert haben, um überhaupt weiter zu kommen.
Der Vorwurf des des großangelegten „Asylbetrugs“, mit denen der Innensenator die staatliche Kampagne medienwirksam lostrat, hat sich längst in Luft aufgelöst. Die Behauptung, die Betroffenen stammten in Wirklichkeit aus der Türkei, hätten ihre Flucht aus dem Libanon nur vorgetäuscht, ist in sich zusammengebrochen. Die Strafgerichtsverfahren, in denen den Flüchtlingen Betrug vorgeworfen wurde, sind samt und sonders gescheitert. Ein Hintergrund der Kampagne gegen die libanesischen Flüchtlinge ist Geld. Der Bremer Senat rechnet sich aus, wie viel Sozialgelder zu sparen wären, wenn die Familien in der Türkei ihrem Schicksal überlassen werden.
Die Sozialsenatorin Hilde ADOLF (SPD) hat daher der Ausländerbehörde aus ihrem Etat einen Millionenbetrag überlassen, damit diese Menschen schneller abgeschoben werden können - Millionen, die eigentlich als Sozialhilfe, Kleidergeld etc. bedürftigen Menschen zustände. Doch die Verleumdungs- und Abschiebekampagne ist nicht ohne Widerstand geblieben. Mit Demonstrationen, Aktionen, Veranstaltungen und Flugblättern haben die Betroffenen und antirassistische Initiativen dem Propagandagetöse des Innensenators, seiner „Spezialeinheit“ der Bremer Polizei und der Ausländerbehörde Paroli geboten und das Bild von den „falschen LibanesInnen“ wieder gerade gerückt.
Trotz vieler Aktionen und dem Versuch im Bremer Rathaus die Abschiebungen erneut auf die Tagesordnung zu bringen, bekam die erste Familie Anfang Dezember 2001 ihren Abschiebetermin genannt. Dieser wurde allerdings kurzfristig ausgesetzt, da das türkische Konsulat terminliche Probleme in der Ausstellung neuer Papiere hatte. Dennoch besetzten rund 60 Betroffene und UnterstützerInnen am gleichen Tag das SPD-Büro der Bürgerschaftsfraktion. In einem Gespräch wurde von der SPD nocheinmal gefordert, sich gegen die Abschiebung zu engagieren. Zeitgleich demonstrierten etwa 100 Menschen auf dem Bremer Marktplatz gegen die geplanten Abschiebungen.

Viele Gute Worte - keine Zusagen, Weihnachten, Silvester, erneuter Abschiebetermin! Für heute, Dienstag den 08. Januar 2002 bekam dann die Familie Z. Anfang des Jahres ihren erneuten Termin zur Abschiebung genannt. Kurzfristig nahm die Ausländerbehörde Bremen (verantwortliche Sachbearbeiterin ist Frau Krause) die Mutter der 9-köpfigen Familie von der Liste, da sie in einem Attest für 4 Wochen reiseunfähig geschrieben ist. Alle anderen sollten sich heute morgen ab 6.00 Uhr zum „Abtransport“ bereithalten, wobei ein Sohn der Familie bereits Montag früh von der Bullerei in Abschiebehaft gesteckt wurde. Doch Frau Krause und ihre Sondergruppe des Ausländeramtes Bremen, die Polizei und PolitikerInnen haben die Rechnung ohne eine Gruppe von FrühausteherInnen gemacht. Pünktlich um 5.30 Uhr versammelten sich nämlich über 120 SchülerInnen, AntirassistInnen, AntifaschistInnen und viele andere vor dem Haus der Familie Z. in der Bremer Neustadt. Die mit Holzpaletten, Tannenbäumen und anderem Spermüll ausgestatteten FrühaufsteherInnen blockierten die Strasse und die Strassenbahnschienen mit zwei ansehlichen Barrikaden.
Dann wurde ein fester Menschenblock vor den Eingängen des Einfamilienhauses gebildet, Ketten gemacht, Transparente zum Schutz gehalten und die pink-silver-formation begann vor dem Haus, zwischen den Barrikaden, künstlerisch radikale Performance darzubieten. Mit Megaphondurchsagen und Flugblättern wurden NachbarInnen und der langsam einsetzende Berufsverkehr (heute ausnahmsweise nur zu Fuß - Strasse war ja dicht) über die Aktion informiert und aufgefordert, sich der Blockade anzuschliessen. Die Resonanz war gut, einige Menschen blieben stehen, unterhielten sich mit den AktivistInnen und zeigten ihre Solidarität. Die Bremer Polizei war von den Aktivitäten überrascht worden. Erste eintreffende Bullen hielten Sicherheitsabstand zum Blockadegeschehen und lehnten übertrieben lässig an ihren Karren - für sie gab es wirklich nichts zu tun.
Entgegen vieler Erwartungen ließen größere Bulleneinheiten lange auf sich warten. Das tat der Stimmung vor Ort allerdings keinen Abbruch, es wurden weiter Parolen gerufen und Tee geschlürft, der von netten Menschen an die Blockade herangetragen wurde. Gegen 8.00 Uhr etwa setzten sich dann 20 müde aussehende Bullen ihre Helme auf, schlenderten zu den Barrikaden und begannen mit der Unterstützung von den Bremer Entsorgungsbetrieben die Barris abzubauen. pink-silver erschwerte ihnen diese Arbeit gehörig.
Nach getaner Arbeit setzten die Bullen ihre Helme wieder ab und verkrümmelten sich in ihre Autos - ihnen war nur wichtig das der Verkehr wieder läuft! Über das Megaphon wurde kurze Zeit später verkündet, daß die Ausländerbehörde und die Polizei gegenüber der Presse versichert hätten, heute fände keine Abschiebung mehr statt. Somit konnte die Blockade des Wohnhauses der Familie Z. dann beendet werden, wobei es zu keiner Zeit ein Beinbruch gewesen wäre, hätte die Polizei die Blockade vorm Haus weggehauen und den Innenbereich gestürmt - die Familie war nämlich gar nicht anwesend.
Soweit so gut, soviel erstmal vom Tag heute. Natürlich ist die gesamte Aktion nur ein kleiner Erfolg, die Familie soll weiterhin abgeschoben werden und alle anderen Betroffenen auch. Dennoch kann der heutige Tag positiv bewertet werden, haben wir es doch zumindest geschafft, Sand ins Getriebe der Abschiebemaschinerie zu streuen und deutlich gemacht, daß wir eine Abschiebung unserer FreundInnen und Bekannten nicht widerstandlos hinnehmen werden. Es bleibt abzuwarten wie sich Politik und Behörde in den nächsten Tagen verhalten werden, wir werden auf jedenfall genau hinhören. Der Blockadetag endete heute mit folgender Parole: „Heute ist nicht alle Tage, wir kommen wieder keine Frage!“
NO BORDER - NO NATION - STOP DEPORTATION!
09.01.2002
Autonome AntifaschistInnen

  • Flüchtlingsknast einfach zerlegt - von Eingesperrten selbst (Pagani, Oktober 2009)
  • Tipps für militante Aktionsformen
    Zwar wegen der Blogstruktur etwas unübersichtlich, aber recht reichhaltig ist das Angebot an Tipps und Downloads von Ratgebern zu militanten Aktionen. In einer Rubrik wird über die Strategien von Behörden insbesondere bei der Verhinderung oder Verfolgung politischer Aktionen berichtet. Das nützt als Schutz vor rechtlichem Ärger.
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