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GIESSENER & HESSISCHE JUSTIZBEHÖRDEN

Harald Wack und der VGH


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Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) ist die oberste Kontrollinstanz aller Verwaltungsverfahren in Hessen, die bei den örtlichen Verwaltungsgerichten (zB Gießen) beginnen. Typisch ist das zum Beispiel für alle Versammlungsrechtsentscheidungen und für lokale und kommunale Planungen, Bescheide usw. Geht es um Landespolitik, so ist der VGH die Anfangsinstanz. Damit hat das Gericht erheblichen Einfluss auf fast alle politischen Entscheidungen in Hessen und den dortigen Städten und Gemeinden.

Das wirkt sich unter anderem in Fragen der Versammlungsfreiheit und bei Verkehrsplanungen aus. Und da besteht seit 2023 ein Problem ....

Falsche "Hüter" von Versammlungsfreiheit und Verkehrsplanung
Er war langjähriger Präsident des Verwaltungsgerichts (VG) Gießen und zudem aktiver FDP-Politiker: Harald Wack. Danach wurde er für Versammlungs- und Verkehrsrecht zuständiger, vorsitzender Richter am Verwaltungsgerichtshof (VGH) und in dieser Funktion letztinstanzlicher "Mörder" der Fahrradstraße auf dem Gießener Anlagenring. In einer Abschiedsrede am Verwaltungsgericht Gießen zeigte er sich ganz offen als Hasser von Klimaschützer*innen, die er öffentlich und pauschal als "Politchaoten" bezeichnet, denen es "es nicht um den Klimaschutz, sondern um die Zersetzung der gesellschaftlichen Ordnung" ginge (Berichte: Gießener Allgemeine ++ Gießener Anzeiger). Daraufhin stellen Betroffene Strafanzeige gegen Harald Wack und alle, die dessen Hetze noch applaudierten.


Text der Strafanzeige gegen Harald Wack, VGH
Hiermit stellen wir Strafanzeige wegen des Verdachts der üblen Nachrede und Volksverhetzung sowie aller weiteren in Frage kommender Delikte gegen Harald Wack, Vorsitzender Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof.
Harald Wack hat am Montag, den 11.11.2024, in Gießen über die Beteiligten einer angemeldeten Versammlung in der Landgrafenstraße in Gießen (September 2023) laut Bericht in der Gießener Allgemeinen vom 12.11.2024 während einer Rede vor einer Versammlung im Bürgerhaus Wieseck das Folgende gesagt: "Diesen Politchaoten geht es nicht um den Klimaschutz, sondern um die Zersetzung der gesellschaftlichen Ordnung."
Mit diesem Satz begründete er (s)eine damalige Entscheidung für ein Verbot der Versammlung auf der Landgrafenstraße.
Mit dieser Formulierung beging Harald Wack unserer Auffassung nach die Straftaten 1. der üblen Nachrede und 2. der Volksverhetzung.

Zu 1. Die von Wack gemeinten Teilnehmenden der Versammlung im September 2023 sind eine abgrenzbare Gruppe und damit beleidigungsfähig. Die Teilnehmenden waren öffentlich sichtbar und teilweise mit ihrem Namen und Fotos in den Medien, sodass auch eine Zuordnung der beleidigenden Worte zu konkreten Personen ohne Probleme möglich ist.
Die Aussage ist beleidigend. „Politchaoten“ ist von vornherein eine reine Schmähkritik. Die Aussage, dass es den Beteiligten an der Versammlung nicht um Klimaschutz gehe, ist eine falsche Tatsachenbehauptung. Aus dem Kontext der Ansprache des Harald Wack ist zu erkennen, dass er diese Formulierung negativ meinte.
Die Aussage erfolgte in einer Versammlung, hat eine größere Menschenmenge erreicht und war sogar explizit für die Öffentlichkeit bestimmt. Es handelt sich um eine Rede in einem vorbereiteten Rahmen mitten in einer organisierten Veranstaltung, bei der der Redner auch wusste, dass Medienvertreter*innen anwesend waren. Er hat also bewusst und gezielt eine Personengruppe öffentlich diffamiert und diese auch diffamieren wollen. Als Beamter ist ihm, schon sowieso im beruflichen Wirken, Zurückhaltung auferlegt. Daher wiegt das Beleidigende in seiner Wortwahl schwerer. Es wiegt auch schwerer, weil er seine Beleidigung in Anwesenheit des Hessischen Justizministers, seinem Dienstherrn, und gegenüber Angehörigen des Verwaltungsgerichts Gießen einschließlich deren Präsidentin machte – der Institution, die auch in Zukunft über versammlungsrechtliche Streitfragen entscheiden müsste. Hier eine Voreingenommenheit zu erzeugen, macht die Aussage zu einer gezielten Intervention zum Nachteil der beleidigten Personengruppe.
Nach dem Wortlaut des § 186 StGB (Üble Nachrede): „Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
… ist offensichtlich, dass es sich um die zweite, höher zu bestrafende Tatvariante handelt. Da einige der beleidigten Personen in der Öffentlichkeit bekannt sind, ist auch § 188 StGB anzuwenden.
Weiterhin verschärfend wirkt die Benutzung des Wortes „Zersetzung“. Dieser Begriff wird insbesondere von autoritären Regimes benutzt, um jegliche Tätigkeit gegen die Herrschenden zu diskreditieren und hart bestrafen zu können – oft, wie im Nationalsozialismus, regelmäßig mit der Todesstrafe. Wenn ein führender Richter in einer vorbereiteten Situation ein solches Wort aus nationalsozialistischem (und sonstige autoritärem) Gebrauch verwendet, zeigt das, dass es ihm gerade um die verhetzende, üble Nachrede ging.
Strafanträge sind nach § 194 Abs. 1 Satz 2 nicht erforderlich.

Zu 2. Zudem besteht der Verdacht, dass der Straftatbestand der Volksverhetzung laut § 130 StGB erfüllt ist – und zwar gegenüber einem „Teil der Bevölkerung“ , zu dem „auch Bevölkerungsteile, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder […] als besondere Gruppe erkennbar sind.“ (Kommentar Fischer Rdnr 4 zu 130 StGB). Dass die Formulierung des Harald Wack „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,“ ergibt sich bereits aus den Erfahrungen mit der Auseinandersetzung um die Versammlung, deren Verbot damals von Harald Wack bestätigt wurde und auf welches sich seine verhetzenden Worte beziehen. Denn die öffentlichen Diffamierungen, damals vor allem aus politischen Parteien wie FDP, CDU und AfD, erzeugten einen erheblichen Unfrieden, der sich in Angriffen auf Fahrradfahrende per körperlicher Gewalt und absichtlichen Anfahrens mit dem Auto, Bespucken, Brandstiftung, Stein- und Eierwürfe gegen Verkehrswende-Aktive und insbesondere das Protestcamp ausdrückte. Aus Besorgnis um Gewalttaten aus den aufgehetzten Teilen der Autofahrenden umstellte die Stadt Gießen das Protestcamp zeitweise mit Amoksperren.
Die Wahl des Wortes „Zersetzung“ in Wacks Ausspruch zeigt, dass der verhetzende Charakter in der Redepassage auch gewollt war. Das Wort wurde und wird vor allem von Menschenrechten missachtenden Regimes wie dem Nationalsozialismus verwendet und dient(e) dazu, dort Ressentiments zu entfachen. Das war erkennbar auch das Ziel von Harald Wack, dem als führender Richter zuzutrauen ist, dass er weiß, was er sagt.
Zum Zeitpunkt der Rede waren all diese Geschehnisse bekannt. Harald Wack war damals durch das laufende Verwaltungsverfahren um das Verbot der Versammlung in der Landgrafenstraße in die Abläufe involviert. Damit kann ein Irrtum über die Gefährlichkeit der Formulierungen ausgeschlossen werden.
Zudem stellen wir Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Beihilfe zur üblen Nachrede und Volksverhetzung durch zustimmende Äußerungen wie Applaus oder ähnliche Bekundungen.
Wir möchten über den Verlauf der Ermittlung und über den Umgang mit diesen Strafanzeigen informiert werden.
Diese Strafanzeige erfolgt durch folgende Personen, die als Beteiligte an der damaligen Versammlung von Harald Wack mit „ Politchaoten“ und „geht es nicht um den Klimaschutz, sondern um die Zersetzung der gesellschaftlichen Ordnung “ gemeint sind und sich verletzt fühlen: ... (aufgezählte Namen)


Aus dem Wochenendkommentar im Gießener Anzeiger am 16.11.2024
Als Vorsitzender Richter des 2. Senats am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel verhandelte Wack seinerzeit über die Beschwerde der Stadt gegen den erstinstanzlichen Beschluss aus Gießen. Letztlich wurde die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen auf dem Anlagenring bestätigt. So weit, so gut. Dass Wack mit Blick auf das anschließende Protestcamp in der Landgrafenstraße dann jedoch über »Politchaoten« schimpfte, denen es »nicht um Klimaschutz«, sondern nur »um die Zersetzung der gesellschaftlichen Ordnung« gehe, erstaunt aber schon. Selbstverständlich haben auch Richterinnen und Richter eine Meinung. Aber: »Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird«, heißt es in Paragraf 39 des Deutschen Richtergesetzes. Sollten Richter folglich mit allzu offensiven öffentlichen Äußerungen nicht zurückhaltender sein, um ihre Neutralität als Gebot des Rechtsstaatsprinzips nicht zu unterminieren? Werten solche Aussagen nicht einerseits pauschal alle ab, die sich für Klimaschutz und eine Verkehrswende engagieren und geben andererseits bloß wieder all jenen Nahrung, die an irgendwelche hanebüchenen Verschwörungen und vermeintliche Seilschaften glauben wollen? Insofern darf sich Wack vermutlich nicht wundern, dass er nun angezeigt worden ist.

Richter Wack reagierte auf die Kritik und sagte erstaunliches: Er habe sich nicht strafbar gemacht und auch seine Neutralitätspflicht nicht verletzt. Er habe vor einem Fachpublikum seine Meinung geäußert – über das Protestcamp der Aktivisten rund um den Verkehrsversuch im Vorjahr. Der Ausspruch "Diesen Politchaoten geht es nicht um den Klimaschutz, sondern um die Zersetzung der gesellschaftlichen Ordnung" ist also neutral. In der Sichtweise eines Richters. Lässt tief blicken ...

Der Hintergrund: Wacks Pro-Auto-Urteile 2023

Wacks Auftritt in 2023: Autos hui, Versammlungsrecht und Verkehrswende pfui
Die Ausfälle des VGH-Richters Harald Wack am 11.11.2024 in Gießen klärten seine Motive. SEin Handeln aber lag da schon über ein Jahr zurück. Damals wurden die inneren Spuren des Gießener Anlagenrings zu einer Fahrradstraße umgebaut - basierend auf einem Stadtverordnetenbeschluss, dem wiederum ein erfolgreicher Bürger*innenantrag vorausging und der in der darauffolgenden Kommunalwahl eindrucksvoll bestätigt wurde. Zwar bedurfte es einiger weiterer Aktionen, aber mit reichlich Verspätung wurden Beschluss und Wahlversprechen dann doch umgesetzt. Aber nicht mit Wack (und einer offenbar koordiniert handelnden Seilschaften aus Justiz, einigen Parteien sowie der Führung von Aufsichtsbehörden und Polizei). Die gar nicht gegen die Fahrradstraße auf dem Anlagenring gerichtete Klage einer Ex-Richterin mit schickem Wohnsitz in der Innenstadt wurde vom Verwaltungsgericht Gießen, dessen Präsident Wack damals war) zum Anlass genommen, der dort offenbar verhassten Fahrradstraße und, zumindest andeutungsweise, der ganzen Verkehrswende eine Absage zu erteilen.
Das ging in die zweite Instanz - und nun war Harald Wack, in der ersten Instanz noch "Chef" derer, die die Fahrradstraße mal einfach auch gleich mit verboten, obwohl die Klage sich gar nicht dagegen richtete, selbst der Entscheider. Als Vorsitzender Richter des für Verkehrsrecht zuständigen Gremiums beim VGH bestätigte er das Verbot der Fahrradstraße. Zentraler "Trick" war die Behauptung, dass Einschränkungen des Verkehrs durch Schilder nur zulässig sind bei einer erwiesenen Gefahrenlage. Das war erstens frei erfunden und würde zweitens bedeuten, dass sich erst Tote oder zumindest Verletzte häufen müssen, bevor etwas geschehen darf, was die "Waffe" Auto einschränkt. Die Beschränkung anderer Verkehrsteilnehmer*innen (Fuß, Fahrrad, Rollstuhl, ÖPNV) einfach dadurch, dass die von Autos genutzten Räume für andere nicht mehr nutzbar sind, zählt hingegen nicht ...

Aus dem aus dem Beschluss des VGH 2 B 987/23 vom 29.08.2023 (2. Senat mit den Richter*innen Wack, Schäfer, Scheffer)
Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, der § 45 Abs. 1 StVO konkretisiert und modifiziert (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 – 3 C 37/09 –, juris Rn. 19; Fellenberg/Gausing, Verkehrsversuche als Instrument der Verkehrswende?, NZV 2021, S. 551, 552) sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen allerdings nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. ...
Voraussetzung für die Durchführung eines Verkehrsversuchs nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO ist also zum einen, dass eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO festgestellt ist, dass die Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrsanordnungen gem. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist und dass der Verkehrsversuch geeignet und erforderlich zur Erreichung des angestrebten Ermittlungsziels ist. ...
Die konkrete streitgegenständliche verkehrsbehördliche Anordnung erweist sich offensichtlich nicht als zwingend erforderlich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. ...
Gemessen an der Verkehrsdichte des Radverkehrs, die von der Antragsgegnerin nicht konkret belegt wurde, im Vergleich zum eindeutig dominierenden Kraftfahrzeugverkehr (Verkehrsstärke Kfz: normalwerktäglich ca. 10.000 bis 25.000 pro 24 Stunden, nachmittägliche Spitzenstunden ca. 850 bis 2.200) ist zudem die Angemessenheit der verkehrsregelnden Anordnung nicht gegeben.

Der VGH-Senat unter Wack wurde aber nicht nur zum Verkehrswendebremser und Autolobbyist, sondern machte im Gerichtsbeschlus auch gleich noch Vorschläge für Gießen - so als wären Wack zugleich auch Bürgermeister der Stadt.

Das Radwegehauptnetz mit dem Radweg R 7 wird derzeit durch die Innenstadt geführt. Die streitgegenständliche Anordnung lässt aber eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den bislang als Fahrrad-Hauptroute genutzten Bereichen innerhalb des Anlagenrings vermissen. Diese Routen stellen sich schon deshalb als attraktiv für den Radverkehr dar, weil sie die Innenstadt kreuzen und somit in aller Regel kürzere Entfernungen aufweisen als ein Umfahren der Innenstadt auf dem Anlagenring. Den Überlegungen der Antragsgegnerin ist nicht zu entnehmen, ob gegebenenfalls eine geringfügige Verlagerung des Marktgeschehens eine weniger einschneidende und zugleich stärker verkehrssichere Alternative für den Radverkehr darstellen könnte.

Das hört sich netter an als es ist. Denn die bestehenden Radachsen durch die Mitte von Gießen kollidieren dort mit Fußgänger*innen. Fast alle Teile der Fußgänger*innenzone sind ganz oder zeitweise fürs Radeln freigegeben - ein unhaltbarer Zustand, der zu Recht von Fußgänger*innen beklagt wird, für den die Radler*innen aber wenig können. Sie sollen dort fahren - und Wack mit seinem VGH-Senat wollen das sogar noch forcieren. Sogar der Wochenmarkt soll darunter leiden. Das ist typisch für die Autolobby: Radler*innen und Fußgänger*innen werden aufeinandergehetzt. Viele checken das auch nicht, und motzen dann übereinander. Lachender Dritter ist die Vorherrschaft der Autos, die aber die eigentliche Ursache sind, gegen die sich Fußgänger*innen, Radfahrer*innen und ÖPNV-Nutzer*innen verbünden müssten.


Weitere Eskalation: Protest gegen das Fahrradstraßen-Aus wird auch verboten
Wack und sein VGH ordneten nicht nur die weitere Autofixiertheit in Gießen an, sondern verboten auch den Protest dagegen - also unter anderem auch die Kritik an dem von ihnen gefällten Beschluss.
In der ersten Instanz hatte schon das Verwaltungsgericht Gießen klar formuliert: Es gibt ein Grundrecht aufs Autofahren und das stehe über dem Versammlungsrecht.

Aus der Pressemeldung des VG) zum Demoverbot
Dies diene der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit Dritter.

Das bestätigte die nächste Instanz - unter Leitung von Harald Wack. Der ist nämlich nicht nur für Verkehrsrecht zuständig, sondern auch für Versammlungsrecht. Und so konnte er die Kritik an seinem eigenen Beschluss zur Fahrradstraße auch noch verbieten. Und er tat das mit deutlichen Worten: Freie Fahrt für alle (Autos) - das ist das wichtigste Recht überhaupt, noch über den Grundrechten (denn Versammlungsfreiheit ist nach Art. 8 GG ein Grundrecht - Autofahren wird im Grundgesetz hingegen nicht erwähnt, muss also irgendwie ein göttliches oder Naturrecht sein ... keine Ahnung, wo die Autolobbyist*innen in Robe ihre Rechtsauslegung hernehmen).

Aus dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) vom 5.10.2023 (Az. 2 B 1353/23, 2. Senat mit den Richter*innen Wack, Renner und Schäfer)
Durch den jetzigen Versammlungsort wird die öffentliche Sicherheit verletzt. Die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs ist ein zu schützendes allgemeines Rechtsgut (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsordnung). Auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs stellt ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit dar, welches durch die Vorschriften des Straßenverkehrsrechts geschützt ist. ...
Die streitgegenständliche Versammlung in Form des Protestcamps blockiert die Durchfahrt von Pkw und Lkw von der Landgrafenstraße auf die Ostanlage und beeinträchtigt damit die Leichtigkeit des Verkehrs in erheblichem Maße. …
Bei der in diesem Rahmen anzustellenden Abwägung der Interessen der Antragstellerin an der gewünschten Nutzung der Landgrafenstraße und der Beeinträchtigung der durch erforderliche Straßensperrungen und Umleitungen betroffenen Allgemeinheit der Nutzer von Kraftfahrzeugen fällt zugunsten der Antragstellerin zwar ins Gewicht, dass das Versammlungsthema, das eine Verkehrswende und die Fortführung des Verkehrsversuchs fordert, einen unmittelbaren Bezug zum Versammlungsort aufweist. …
Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass das Protestcamp die Durchfahrt von Pkw und Lkw von der Landgrafenstraße auf die Ostanlage blockiert. ... Zwar können Radfahrer und Fußgänger die Straße passieren, aber dieses Recht steht nach dem Widmungszweck der Straße auch dem motorisierten Kraftfahrzeugverkehr zu. Es fällt hierbei auch die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG der Pkw- und Lkw-Fahrer ins Gewicht, deren individuelle Rechtsgüter ebenfalls von der öffentlichen Sicherheit umfasst werden. ...
Es trifft zu, dass die Sichtbarkeit des Protests, insbesondere für Passanten, am neuen Ort eingeschränkt sein wird. Dies ist jedoch im Hinblick auf die durch die Verlagerung Nutzungsmöglichkeit für den Kfz-Verkehr und deren Handlungsfreiheit zumutbar.

Für diese rechtlichen Wertungen gibt es keine Grundlage. Denn zwar ist die Mobilität, also die Möglichkeit und Fähigkeit, seinen Aufenthaltsort zu wechseln, ein Grundbedürfnis und sollte auch ein Grundrecht sein. Aber das ist es gar nicht. Stattdessen schränken Fahrpreise, Barrieren, fehlende Nahverkehrsverbindungen, ständige Gefahren durch Autos usw. dieses Recht vielerorts ein. Mobilität steht auch nicht direkt als Grundrecht im Grundgesetz, sondern wird hilfsweise indirekt abgeleitet aus der allgemeinen Handlungsfreiheit oder in Spezialfällen auch aus anderen Grundrechten wie der Berufsfreiheit. Damit wäre die Mobilität bereits nachrangig gegenüber zum Beispiel der Versammlungsfreiheit. Es ist also schon deshalb falsch, dass immer wieder die "Leichtigkeit des Verkehrs" als Grund für Versammlungsverbote oder -beschränkungen auf Straßen angeführt werden.
In der praktischen Auseinandersetzung kommt es aber noch dicker. Denn weder das aus anderen Grundrechten hilfsweise abgeleitete Recht auf Mobilität noch der Begriff "Leichtigkeit des Verkehrs" sagen aus, welches Verkehrsmittel dabei genutzt wird. Trotzdem werden diese Floskeln völlig unreflektiert und wie selbstverständlich nur auf den Autoverkehr angewendet. Dafür gibt es aber keine irgendwie nachvollziehbare Herleitung. Es wäre genauso berechtigt, auf Basis der allgemeinen Handlungsfreiheit das Autofahren zu verbieten, weil es den Kindern die Handlungsfreiheit nimmt, auf der Straße zu spielen, den Radler*innen die Möglichkeit, dort zu fahren, oder Sportler*innen, dort Basketball zu spielen.
Der Bezug auf vermeintliche Grundrechte ist deshalb ein juristischer Trick, das Autofahren zu bevorzugen. ++ Extraseite zur Frage "Gibt es ein Grundrecht auf Autofahren?"

Was waren die Hintergründe im Jahr 2023?
Verkehrswende-Aktive versuchten nach den Beschlüssen gegen eine Verkehrswende sehr schnell, die Hintergründe zu durchleuchten. Dabei stießen sie auf ein ziemlich offensichtliches Geflecht aus Justizangehörigen, deren Arbeitsplatz am Anlagenring liegt, der Polizeiführung und weiteren Personen aus Zeiteungsredaktionen, Parteien und Behörden. Ihre Ergebnisse versuchten sie, zu veröffentlichen - aber da ging nichts mehr. Nur ein selbstverfasster Text war online zu lesen. Nichts davon wurde je widerlegt, aber ständig immer wieder alles als "hanebüchene Verschwörung" oder "vermeintliche Seilschaft" abgetan (siehe den Kommentar im Gießener Anzeiger vom 16.11.2024, oben zitiert).
Mit der Rede am 11.11.2024 hat Harald Wack nun den Vermutungen den bisher besten Beleg geliefert. Seine Beschlüsse waren reine (Auto-)Ideologie. FDP halt.

Schlagseite pro NPD
Während Wack also Klimaschützer*innen deren Versammlung verbot und das damit begründete, dass das alles Chaoten seien, die eine andere Republik wollten, war er mit der NPD deutlich nachsichtiger. Eine Versammlung dieser eindeutig demokratiefeindlichen Truppe hatte nämlich die Stadt Wetzlar verbieten wollen - und das Verwaltungsgericht unter Leitung von Wack aber erlaubt. Wack dazu in der gleichen Rede, in der er gegen Klimaschützer*innen hetzte: "Erlaubtes Verhalten muss geschützt werden, auch wenn es uns nicht gefällt."
Das war nicht das erste Mal. Ziemlich trickreich wies Wack auf die Klage einer SPD-Politikerin in Wetzlar ab, die (zusammen mit anderen Stadtverordneten) von einer NPDlerin als "Vertreter der volkszerstörenden und volksvernichtenden Gutmenschenparteien" bezeichnet wurde. Wack fand, "ihr fehle das Rechtsschutzbedürfnis". Daher wurde die Klage nicht zugelassen.
Wacks Welt ist also einfach: NPD okay, Klimaschützer*innen nicht. Pro-Auto-klagende Ex-Richterin irgendwo in der Innenstadt sind klageberechtigt gegen Fahrradstraßen ganz woanders, direkt beleidigte Politikerin aber nicht.



Und sonst: VGH in Aktion


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