Ende Gelände

SELBSTVERTEIDIGUNG VOR GERICHT: RECHTE, FORMALE MÖGLICHKEITEN UND AKTIONEN

Beweisaufnahme


1. Tipps für Angeklagte mit und ohne Rechtsbeistand/AnwältIn
2. Tipps in der Vorphase des Prozesses
3. Tipps für den Prozess selbst (Gerichtsverhandlung)
4. Beweisaufnahme
5. Plädoyers und Letztes Wort
6. Urteil
7. Aussagen und Sachverständige
8. Berufung, Revision & Co. - nach dem ist vor dem ...
9. Das Publikum
10. Angst vor Gericht(en): Einschüchterungsgründe vor Gericht und Umgang mit denen
11. Berichte und weitere Links
12. Direct-Action-Hefte zum Thema und weitere Materialien

Anträge, ZeugInnenvernehmung usw.
Nachdem die Angeklagten fertig sind, beginnt die Zeremonie der Beweisaufnahme. Das ist das Kernstück des Prozesses. Hier werden alle möglichen Beweismittel nacheinander abgeklappert:
  • Vernehmung von ZeugInnen
  • Augenscheinnahme von Beweisstücken (Fotos, Kleidungsstücke, Gutachten, Spuren aller Art ...)
  • Verlesung bedeutsamer Schriftstücke
  • Eventuell auch Vernehmung gutachtlich tätiger Personen (ExpertInnen, PsychologInnen ...)

StPO § 244
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.


Eine wichtige "Waffe": Beweisanträge
Welche Beweise alle zum Zuge kommen bzw. welche Themen gesetzt und durch Beschlüsse des Gerichts festgezurrt werden, können auch die Angeklagten steuern. Beweisanträge sind das wichtigste Mittel, um den Prozessverlauf zu steuern. Für die Beweisanträge sollte mensch einiges beachten:
  • Die Anträge sollten wegen späterer Berufungs- und Revisionsmöglichkeiten immer schriftlich gestellt werden.
  • Außerdem sollten die Angeklagten einen Durchschlag behalten. Also Durchschreibe-/Kohlepapier mitnehmen und sowieso viel Papier. Im Gerichtssaal ist Ebbe mit moderner Technik. Alles Handarbeit!
  • Für Beweisanträge gibt es eine bestimmte Form. Der Antrag muss zu Beginn eine Tatsachenbehauptung enthalten, also nach der Marke "Das und das ist wahr". Dann folgen die Beweise, z.B. zu beachtende Schriftstücke, einzuholende Gutachten, zu vernehmende ZeugInnen usw. Das bedarf Gewöhnung - vor Gerichten zählt nur Wahr und Falsch. Solch ein Weltbild ist zwar bekloppt, aber das ist für Gerichte noch kein Grund, nicht so zu verfahren. Ein Beweisantrag der Marke "Es könnte auch sein, dass die Sache so und so gewesen ist" würde immer oder meist als unzulässig zurückgewiesen. Vor Gericht gilt nur binäres Denken. Es geht immer nur um Ja oder Nein, d.h. auch um Sieg oder Niederlage. Kommunikation zwischen Menschen ist nicht vorgesehen, es ist ein verbaler Krieg.
  • Jeder Antrag, der vorgebracht wurde, darf dann veröffentlicht werden (siehe z.B. die exakte Prozessprotokollierung mit vielen Zitaten aus den Akten beim Prozess gegen Projektwerkstättler ... Einstiegsseite hier ...).
  • Nicht nötig ist, mit offenen Karten zu spielen. Es ist denkbar, eineN ZeugIn wegen einer Sache zu laden, aber dann noch überraschend einige andere Fragen zu stellen.

Im Original: Beispiel für einen Beweisantrag
Zu beweisende Tatsache:
Die Ausbringung gentechnisch veränderter Organismen in der Natur oder Landschaft beschränkt andere Menschen in ihrer grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit, ohne dass ein ebenbürtiges Interesse dafür vorliegt.

Begründung:
Im Paragraph 1 des Gentechnikgesetzes ist vorgeschrieben, dass eine Koexistenz von gentechnischer, konventionell gentechnikfreier und von ökologischer Landwirtschaft gewährleistet sein muss. Der Gesetztestext lautet:
§ 1, Gentechnikgesetz:
Zweck dieses Gesetzes ist, ... die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können ...

Zudem gibt es keine Zulassung oder Vermarktungsmöglichkeiten für Lebensmittel mit Beimischungen von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen, von Saatgut mit Beimischungen sowie von ökologischen Lebensmitteln, wenn Bestandteile gentechnisch modifizierter Organismen in ihnen nachweisbar wären.
Die davon betroffenen LandwirtInnen könnten ihre Produkte nicht mehr absetzen oder würden zu falschen Deklarationen gezwungen, was strafbar wäre.
Berufsfreiheit ist ein Grundrecht und damit ein hohes, zu schützendes Rechtsgut. Folgende Berufsgruppen sind in ihrer Berufsfreiheit durch Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen eingeschränkt:

1. ImkerInnen
Damit Imker ihren Lebensunterhalt bestreiten können, muss der von ihnen angebotene Honig frei von gentechnisch veränderten Pollen sein. Das ist inzwischen gerichtlich geklärt.
Dazu ein Aus einem Interview ...

In der Begründung eines Beweisantrages können sehr viele politische Positionen, Fachtexte und Argumente bereits untergebracht werden. Dadurch wird bereits das Stellen des Beweisantrages zu einer politischen Botschaft – selbst wenn der Antrag abgelehnt wird. Sollen z.B. Studien als Beweismittel herangezogen werden, so können diese schon auszugsweise zitiert werden. Wird einE SachverständigeR herangezogen, so können bereits Aussagen dieser Person vorgetragen werden in der Begründung. So wirkt der Beweisantrag durch sich selbst.
Im konkreten Beispiel waren Belege zur Einschränkung der Berufsfreiheit verschiedener Berufsgruppen (ImkerInnen, LandwirtInnen, Saatgutfirmen ...) aufgeführt. Teil des Beweisantrages sind zudem ein Hinweis auf die Relevanz für den Prozess und die Auflistung der Beweismittel. Im konkreten Beispiel sah das so aus:

Der Antrag ist für den Prozess bedeutsam, weil er beweisen wird, dass die Agro-Gentechnik Grundrechte berührt und einschränkt.

Beweismittel:
- Herbeiziehung des Urteils vom Verwaltungsgericht Augsburg, Az. Au 7 K 07 276, 30. Mai 2008
- Vernehmung des dort betroffenen Imkers Bablok
- Herbeiziehung des Urteils des OVG des Landes Nordrhein-Westfalen in Münster am 27. Juli 2000 (Az. 21 B 1125/00)
- Herbeiziehung zumindest der Hessen betreffenden Behördenakten beim Regierungspräsidium Gießen zu den Saatgutverunreinigungen beim Taurusraps im Jahr 2007


Die Behandlung der Anträge durch die Gerichte ist sehr unterschiedlich. Einige beschließen gleich, andere schieben erst mal alles auf bis kurz vor Ende der Beweisaufnahme. Manchmal werden Beweisanträge sogar vergessen – ein klarer Formfehler. Die Strafprozessordnung nennt Gründe, warum das Gericht ein Antrag ablehnen kann. Beachtet werden sollte der letzte Fall des Absatzes 3.

(3) Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon erwiesen ist, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist, wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist oder wenn eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

Diese Wahr-Unterstellung kommt recht häufig vor. Sie bedeutet, dass zwar der Antrag abgelehnt wird (also z.B. die ZeugInnen nicht geladen werden), aber er in der Sache siegreich ist. Damit das auch genutzt werden kann, muss die Tatsachenbehauptung überlegt formuliert sein, so dass sie später genutzt werden kann - denn ab der Als-wahr-Unterstellung ist das, was im Beweisantrag als Tatsachenbehauptung formuliert wurde, die Wahrheit (zum Erinnern: Alles, was ein Gericht entscheidet, ist dadurch offizielle Wahrheit!). Daran müssen sich alle orientieren – außer das Gericht selbst. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass ein Beweisantrag als wahr unterstellt wurde, aber im Urteil trotzdem das Gegenteil stand. Wer das nicht glaubt, hat Gerichte noch nicht verstanden und glaubt immer noch an den Weihnachtsmann ... äh, die Unabhängigkeit von Gerichten.

Eine Einschränkung besteht noch, wenn das Gericht sich selbst für schlau hält. Bei Ordnungswidrigkeitenverfahren und nach Strafbefehlen ist das sogar vereinfacht möglich und deshalb ziemlich verbreitet:

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt.

Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann zudem abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses.

Zur Zurückweisung von Beweisanträgen wegen Bedeutungslosigkeit
Aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. Dezember 2014 – 2 StR 211/14
Will das Tatgericht einen Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) zurückweisen, muss es darlegen, warum es aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will.
Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss geblieben ist.
Dies nötigt zu einer Einfügung der behaupteten Beweistatsache in das bis dahin gewonnene Beweisergebnis (vgl. BGH, Beschluss vom 14.05.2013 – 5 StR 143/13, NStZ 2013, 611)


Zur Zurückweisung von Beweisanträgen wegen Verschleppungsabsicht
Aus dem Revisionsurteil des Berliner Kammergerichts vom 1.2.2018 (Az. 121 Ss 71/17)
Zwar kann ein Beweisbegehren, das sich auf ein völlig ungeeignetes Beweismittel stützt, nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Dabei muss es sich aber um ein Beweismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich aussichtlos wäre ... Völlig ungeeignet ... ist ein Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm die Beweistatsache nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt (...). Der ablehnende Beschluss bedarf einer Begründung, die ohne jede Verkürzung oder sinnverfehlende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt.

Es gibt noch ein paar weitere Paragraphen, die die Vorgehensweise bei Beweisen (in der Regel ja ZeugInnen) regeln.

StPO § 245
(1) Die Beweisaufnahme ist auf alle vom Gericht vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen nach § 214 Abs. 4 vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft herbeigeschafften Beweismittel zu erstrecken, es sei denn, daß die Beweiserhebung unzulässig ist. Von der Erhebung einzelner Beweise kann abgesehen werden, wenn die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind.
(2) Zu einer Erstreckung der Beweisaufnahme auf die vom Angeklagten oder der Staatsanwaltschaft vorgeladenen und auch erschienenen Zeugen und Sachverständigen sowie auf die sonstigen herbeigeschafften Beweismittel ist das Gericht nur verpflichtet, wenn ein Beweisantrag gestellt wird. Der Antrag ist abzulehnen, wenn die Beweiserhebung unzulässig ist. Im übrigen darf er nur abgelehnt werden, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen oder offenkundig ist, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Zusammenhang besteht, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist oder wenn der Antrag zum Zwecke der Prozeßverschleppung gestellt ist.


StPO § 246
(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.
(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.
(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den auf Anordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.
(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.


Und noch viele mehr ... bis zum § 256 lauter Paragraphen zu ZeugInnen, anderen Beweisstücken usw. Es lohnt sich, das durchzulesen oder die StPO mit im Gerichtssaal zu haben.
  • Folien zu einem Vortrag, wie Beweisanträge aussehen müssen, was zu beachten ist usw. (PDF)
  • Folien zur Zeugenvernehmung (PDF)
  • BGH-Beschluss vom 1.9.2021 (Az. 5 StR 188/21) zu Formfragen eines Beweisantrags, insbesondere dazu, wie gut ein Beweismittel zur Beweistatsache passen und wie genau das auch beschrieben werden muss

Persönliche und unmittelbare Vernehmung ist vorgeschrieben!
§ 250 StPO: Grundsatz der persönlichen Vernehmung
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung ersetzt werden.


Das ist ein wichtiger Punkt. Es dürfen nicht einfach indirekte Erzählungen, Protokolle oder ähnliches benutzt werden, sondern die/der ZeugIn muss selbst vorgeladen werden. Das ist relevant z.B. bei:
  • PolizeibeamtInnen bei Anklagen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen, Demonstrationen oder Hausdurchsuchungen
  • BesitzerInnen oder BetreiberInnen von Häusern, Feldern, Baustellen usw. bei Auseinandersetzungen wie Besetzungen, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch

Im Original: Unmittelbarkeitsgrundsatz
Aus Kleinschmidt/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung (zu § 250)
Der Unmittelbarkeitsgrundsatz, den § 250 im Interesse möglichst zuverlässiger Beweisgewinnung aufstellt, gilt nur für Wahrnehmungen von Zeugen und Sachverständigen und nur im Strengbeweisverfahren ... (Rdnr. 1)
Anm: Strengbeweisverfahren müssen bei Schuld- und Rechtsfolgetatsachen angewendet werden (Rdnr. 6 zu § 244).
Ein weiterreichender Grundsatz, daß allgemein bei der Beweisaufnahme das sachnächste Beweismittel benutzt werden muß, läßt sich dem § 250 nach hM nicht entnehmen (vgl LR-Gollwitzer 22; ANM 460 mwN). Daher ist die Vernehmung des Zeugen vom Hörensagen, die den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht verletzt (BGH 17, 382, 384), nicht nur zulässig, wenn die Tatsachen, die ihm von anderen mitgeteilt worden sind, einen Straftatbestand erfüllen (zB wenn des § 186 StGB), sondern auch, wenn die Mitteilung als Beweisanzeichen für die Richtigkeit der mitgeteilten Tatsachen dienem soll ... (Rdnr. 3 f)
Vernehmungsprotokolle und andere schriftliche Erklärungen fallen unter das Beweisverbot. ... (Rdnr. 6 f)
Wahrnehmungen der Beweisperson dürfen durch die Verlesung nicht in den Prozeß eingeführt werden. Protokolle haben immer solche Wahrnehmungen zum Inhalt, schriftliche Erklärungen vor allem, wenn es sich um den Bericht über einen Vorgang handelt, dessen wahrheitsgemäße Wiedergabe nur durch eine Person möglich ist, die ihn mit einem oder mehreren ihrer 5 Sinne wahrgenommen hat (BGH 15, 253; 27, 135), aber auch Wahrnehmungen über innere Empfindungen des Zeugen selbst, die unmittelbar durch sinnlich wahrgenommene Vorgänge ausgelöst worden sind (KK-Diemer 5; erg 2 vor § 48). ... (Rdnr. 9)

Zu § 261, Rdnr. 7
Der Grundsatz der Mündlichkeit findet Ausdruck in den §§ 261, 264 (Roxin § 44 A I). Die §§ 244-256 und alle sonstigen Grundsitze über Beweiserhebung bleiben unberührt; zu § 257a vgl dort 1. Der Grundsatz der Mündlichkeit besagt lediglich, daß nur der mündlich vorgetragene und erörterte Prozeßstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (BGH NStZ 90, 229 [M]). Darin ist auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs enthalten (Einl 35). Fotos, Ortspläne u.ä., die Bestandteile der Akten sind, werden dadurch zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht, daß sie mit den Beteiligten (zB im Rahmen einer Beweiserhebung) erörtert werdet) (BGH VRS 27, 192). Auch allgemein- oder gerichtsbekannte Tatsachen (51, 52 zu § 244) müssen, um verwertbar zu sein, erkennbar in die Hauptverhandlung eingeführt werden; den Beteiligten muß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden (BGH 6, 292, 296; 36, 354, 359; NStZ 98, 98; Hainburg StV 96, 84; Schlothauer StV 86, 228; Einl 28, 29).


Fragen stellen an ZeugInnen und Sachverständige

Aus Kleinschmidt/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung (zu § 241, Rdnr. 12 ff)
§ 241 StPO: Zurückweisung von Fragen
b) Nicht zur Sache gehörig sind Fragen, die sich nicht einmal mittelbar auf die zur Aburteilung stehende Tat und ihre Rechtsfolgen beziehen (BGH 2, 284, 287; NStZ 84, 133; 85, 183). Erwägungen, die nach § 244 III S. 2 zur Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit führen können (dort 54 ff) rechtfertigen aber die Zurückweisung nach II noch nicht (BGH NStZ 84, 133; 85, 183; Bay 64, 16 ; JR 64, 389 mit Anm Peters). Gleichgültig ist, ob die Frage nach Ansicht des Gerichts unerheblich ist: denn ein Urteil hierüber soll sich das Gericht erst bilden, wenn es die Antwort gehört hat (BGH 2, 284, 288; NStZ 81, 71; 84, 133; 85, 183; StV 84, 60 L; 87, 239; Bay aa0). Fragen, die sich ersichtlich ernsthaft darum bemühen, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu prüfen, müssen zugelassen werden (BGH 2, 284, 289; 13, 252, 255; NStZ 90, 400: Frage nach intimen Beziehungen bei Vorwurf der Vergewaltigung), ebenso Fragen, die die Erinnerungsfähigkeit des Zeugen betreffen (Celle StV 85, 7).

Eigentlich ist auch die Staatsanwaltschaft aufgefordert, zielgerichtet Fragen zu stellen und durchzusetzen, dass Fragen gestellt werden können.

Aus den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)
127: Pflichten des Staatsanwalts in der Hauptverhandlung
(1) Der Staatsanwalt wirkt darauf hin, dass das Gesetz beachtet wird. Er sorgt durch geeignete Anträge, Fragen oder Anregungen dafür, dass nicht nur die Tat in ihren Einzelheiten, sondern auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und alle Umstände erörtert werden, die für die Strafbemessung, die Strafaussetzung zur Bewährung, die Verwarnung mit Strafvorbehalt, das Absehen von Strafe, die Nebenstrafe und Nebenfolgen oder die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, des Verfalls oder sonstiger Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) bedeutsam sein können. Nr. 4 c ist zu beachten.


  • Bericht von einem Prozess, wo der Angeklagte die Polizei mit vielen, vielen Fragen löcherte (Nov. 2008, Berlin)
  • Vorlage für einen schriftlichen Antrag, bestimmte Fragen stellen zu dürfen (wenn es verboten wird, damit dieser Vorgang ins Protokoll kommt). In den Lücken müssen die fehlenden Sachen noch ausgefüllt werden (Name, zu stellende Fragen)

Ständig möglich: Persönliche Erklärungen - auch als politische Rede nutzbar
Die StPO garantiert den Angeklagten nach jeder/m (!) ZeugIn, anderem Beweisstück oder Vorgang (Beschluss, Verlesung ...) das Recht auf eine Erklärung. Das schafft ständige Möglichkeiten, in den Prozess einzugreifen, zu argumentieren, zu politisieren, zu bewerten. Denn was eine Erklärung beinhaltet, ist nicht festgelegt. Es geht ja gerade dazu, dass eineE AngeklagteR persönliche Aussagen macht, wozu politische Einschätzungen ebenso gehören wie rechtliche Bewertungen zu Nebenfragen (z.B. ob im Prozessverlauf eine Straftat begangen wurde, dass die Presse Unsinn geschrieben hat ...).

StPO § 257
(1) Nach der Vernehmung eines jeden Mitangeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe.
(2) Auf Verlangen ist auch dem Staatsanwalt und dem Verteidiger nach der Vernehmung des Angeklagten und nach jeder einzelnen Beweiserhebung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären.
(3) Die Erklärungen dürfen den Schlußvortrag nicht vorwegnehmen.



Pausen für sich und das Publikum
Von Seiten des Publikums sind während der Verhandlung nur wenige Handlungen möglich ohne die Gefahr des Hinauswerfens – was aber auch gewollt oder kalkuliert sein kann. Um das Aktionspotential zu erhöhen, sind Pausen für Angeklagte und Publikum gleichermaßen wichtig: Pausen können nicht nur Erholung bieten und Platz für wichtige Rückklärungen, sondern auch wichtige Aktionsflächen für die Menschen im Publikum. Was die im laufenden Prozess tun, kann sehr schnell mit drakonischen Strafen gestoppt werden. Wer aber nicht nur (wie leider in „linken“ Zusammenhängen oft üblich) als KonsumentIn und ohnmachts-orientierte ZuguckerIn da ist, sondern ständig nach Möglichkeiten der Intervention sucht, wird bemerken, wie genial Pausen sind. Darin lassen sich Reden halten, Theater spielen, Lieder singen, aber auch Pressearbeit machen, den Gerichtsvorplatz mit Kreide vollmalen und vieles mehr (siehe auch die Tipps zu „Subversiver Kommunikation“ und „Kreativer Antirepression“ in den entsprechenden Direct-Action-Heftchen zu diesen Themen (Bestell- und Downloadseite: www.aktionsversand.siehe.website).
  • Pausen können aus allen möglichen Gründen beantragt werden: Erschöpfung, einen Antrag formulieren, eine Erklärung vorbereiten, pissen gehen, was trinken wollen, in die Akten einsehen wollen, was Rechtliches nachgucken ... wenn das Publikum was vorhat, kann es dem Angeklagten stecken, wann eine Pause sinnig sein kann. Letztlich hat das Gericht keine Chance. Lehnt es die Pause ab, fordert man, die Pause schriftlich beantragen zu wollen und einen Gerichtsbeschluss dazu zu wollen. Zum Verfassen des Antrags auf Pause beantragt man dann eine Pause ... lehnt das Gericht immer noch an, macht es möglicherweise Verfahrensfehler, die wichtig sein können.
  • Wenn was Längeres nötig ist als eine Pause, kann eine Unterbrechung beantragt werden. Die bedeutet, dass das Verfahren z.B. für den laufenden Tag unterbrochen wird und erst an einem anderen fortgesetzt wird. Typisch ist das, wenn neue Gesichtspunkte, Akten oder ZeugInnen auftauchen und sich Gericht, Staatsanwaltschaft und/oder Angeklagte erstmal einarbeiten müssen. Erschöpfung, Krankheit und anderes können ebenfalls dazu führen. Die Unterbrechung muss beantragt werden, das Gericht beschließt dazu.
  • Deutlich weitergehend ist der Aussetzungsantrag. Der zielt darauf ab, das Verfahren platzen zu lassen. Es muss dann neu begonnen werden. Typisch ist das bei einem Befangenheitsantrag, der durchgeht, denn alle RichterInnen müssen ja von Beginn an dabei gewesen sein. Fliegt eine Person aus diesem erlauchten Kreis raus, muss von vorne angefangen werden.
  • Bei einem mehrtägigen Prozess spricht das Gericht für alle neuen Termine eine Ladung aus - meist mündlich zum Ende des vorhergehenden Prozesstages. Kommt es zu einem neuen Verfahren z.B. nach einer Aussetzung, kann auf die Einhaltung von Fristen bestanden werden, so dass nicht sofort das neue Verfahren losgehen kann.
  • Pausen können wichtige Aktionsflächen für die Menschen im Publikum. Was die im laufenden Prozess tun, kann sehr schnell mit drakonischen Strafen gestoppt werden. Wer aber nicht nur (wie leider in "linken" Zusammenhängen oft üblich) als KonsumentIn und ohnmachts-orientierte ZuguckerIn da ist, sondern ständig nach Möglichkeiten der Intervention sucht, wird bemerken, wie genial Pausen sind. Darin lassen sich Reden halten, Theater spielen, Lieder singen, aber auch Pressearbeit machen, den Gerichtsvorplatz mit Kreide vollmalen und vieles mehr (siehe auch die Tipps zu "Subversiver Kommunikation" (PDF) und "Kreativer Antirepression" (PDF) in den entsprechenden Direct-Action-Heftchen zu diesen Themen (Bestellseite ...).
  • Besonders spannend für Aktionen und inhaltliche Vermittlung sind die Anfangs- und Endphase der Pausen. In den ersten Sekunden nach Verkündung der Pause oder vor Verkündung, dass es weitergeht ist, das Gericht im Saal und die Staatsanwaltschaft - und alle anderen auch. Was hier passiert, geschieht zwar formal außerhalb der Sitzung, aber trotzdem gegenüber allen, die sonst dabei sind. Wer sich also mit dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft anlegen bzw. kritisch über diese diskutieren will, wenn sie noch da sind, sollte diese Sekunden nutzen. Oft führt das sogar zu Diskussionen, wenn die Angesprochenen reagieren - eine wichtige politische Vermittlung.

Jede Pause kann also dem/r Angeklagten helfen und Möglichkeiten für Aktionen aus dem Publikum bieten. Sie hat aber noch eine dritte Funktion. In der Pause können auch andere die Köpfe zusammenstecken und beraten, z.B. RichterInnen und StaatsanwältInnen. Viele Entscheidungen zur Einstellung des Verfahrens fallen in Pausen, wenn die Genannten entdecken, dass sie beide keine Lust mehr auf eine Weiterführung der unangenehmen ZeugInnenbefragungen oder ständige neue Beweisanträge haben. Pressearbeit, Aktionen vor der Tür des Gerichts – all das braucht Pausen.
Für alle, die aus dem Publikum heraus aktiv sind, ist noch ein Rechtshinweis wichtig: Sollte das Gericht bei Störungen oder „Ungebühr“ (wie Gericht es nennen, wenn ihnen etwas nicht passt) nicht nur mit Ermahnung oder Rauswurf aus dem Saal reagieren, sondern Ordnungsgelder oder gar –strafen (ein paar Tage Disziplinierungsknast) verhängen, ist es wichtig, darauf nicht einzugehen. Besser ist, einfach mit der Aktion weiterzumachen oder jemand anders, die/der z.B. hinter dem Betroffenen sitzt, mischt sich ein: „Ich hab doch gar nichts gemacht!“ Dadurch wird die Aktion verwirrt und die/der RichterIn vergisst entweder ganz, eine Sanktion zu verhängen, oder zumindest die Anhörung des Betroffenen. Ordnungsgeld oder –strafe aber sind nur dann rechtmäßig. Daher: Nicht drauf eingehen, damit die Anhörung vergessen wird, und dann später darauf die Beschwerde aufbauen.

Den Prozesstag zu Fall bringen ...
Wenn ein neues Beweismittel oder eine neue Beweistatsache auftaucht, haben VerteidigerIn und AngeklagteR das Recht, sich entsprechend darauf vorbereiten zu können. Zudem können sie jederzeit neue Beweisanträge stellen. Dazu können sie eine Unterbrechung der Verhandlung beantragen, worüber das Gericht entscheidet. Diese Entscheidung ist sogar revisionsfähig. Damit ist ein wichtiges Mittel gegeben, eine Prozessunterbrechung zu erzwingen und damit wiederum die Einstellung wahrscheinlicher zu machen.

§ 246: Verspätete Beweisanträge
(1) Eine Beweiserhebung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache zu spät vorgebracht worden sei.
(2) Ist jedoch ein zu vernehmender Zeuge oder Sachverständiger dem Gegner des Antragstellers so spät namhaft gemacht oder eine zu beweisende Tatsache so spät vorgebracht worden, daß es dem Gegner an der zur Einziehung von Erkundigungen erforderlichen Zeit gefehlt hat, so kann er bis zum Schluß der Beweisaufnahme die Aussetzung der Hauptverhandlung zum Zweck der Erkundigung beantragen.
(3) Dieselbe Befugnis haben die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte bei den aufAnordnung des Vorsitzenden oder des Gerichts geladenen Zeugen oder Sachverständigen.
(4) Über die Anträge entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen.


Aus Kleinschmidt/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung (zu § 246, Rdnr. 1 f)
1) Eine Ergänzung des § 244 III enthält I. Den Verfahrensbeteiligten kann nicht vorgeschrieben werden, wann sie in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag zu stellen haben (BGH NStZ 90, 350). Beweisanträge können daher bis zum Beginn der Urteilsverkündung gestellt werden (33 zu § 244). Daß sie schon früher hätten angebracht werden können, ist kein Ablehnungsgrund, auch wenn nach den früheren Erklärungen des Antragstellers ein Antrag nicht mehr zu erwarten war (BGH NStZ 86, 371). Hätte der Antrag allerdings schon lange vor der Hauptverhandlung gestellt werden können, kann dies uU für eine Verschleppungsabsicht sprechen, so daß eine Ablehnung nach § 244 III in Betracht kommen kann (BGH NStZ 90, 350 mit Anm Wendisch = StV 90, 391 mit Anm Strate; vgl 68 zu § 244).
2) Einen Aussetzungsantrag (II-IV) können Prozeßbeteiligte stellen, denen infolge verspäteter Namhaftmachung der geladenen Beweispersonen (§ 222) die Möglichkeit genommen ist, deren Glaubwürdigkeit und die sachliche Zuverlässigkeit ihrer Aussage zu prüfen und etwiage Gegenbeweise anzubieten. Das gleiche gilt, wenn ihnen Beweistatsachen, deren Bedeutung für das Verfahren vorher nicht erkennbar war, nicht rechtzeitig bekanntgegeben werden. Für sachliche Beweismittel, deren Vorhandensein den Beteiligten nicht rechtzeitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gelten II-IV entspr (Hamm VRS 49, 113).


Protokollierung, Aufzeichnungen und Mitschriften
Aus den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV)
144: Die Beurkundung der Hauptverhandlung

(1) Der Urkundsbeamte hat das Protokoll über die Hauptverhandlung wegen dessen besonderer Bedeutung (§ 274 StPO) sorgfältig abzufassen. Der Vorsitzende überwacht die ordnungsgemäße Beurkundung, namentlich der Förmlichkeiten des Verfahrens (z.B. §§ 265, 303 StPO) und der Beweisanträge. Er prüft das Protokoll auf Richtigkeit und Vollständigkeit und veranlasst nötige Abänderungen und Ergänzungen. Als Tag der Fertigstellung des Protokolls (§ 271 Abs. 1 Satz 2 StPO) ist der Tag anzugeben, an dem die zweite Urkundsperson das Protokoll unterschreibt.
(2) Bei der Aufnahme von Zeugenaussagen kann auf amtliche, auch außergerichtliche Niederschriften über eine frühere Vernehmung des Zeugen im Vorverfahren Bezug genommen werden. Ändert oder ergänzt der Zeuge jedoch seine früheren Erklärungen oder bestreitet ein Beteiligter die Richtigkeit der Aussage, so ist es in der Regel geboten, die Aussage vollständig, in den entscheidenden Punkten unter Umständen sogar wörtlich, in das Protokoll aufzunehmen, damit für ein späteres Ermittlungsverfahren wegen einer unrichtigen Aussage ausreichende Unterlagen vorhanden sind. Auf nichtamtliche Niederschriften von Aussagen soll grundsätzlich nicht Bezug genommen werden.


Tonbandaufnahmen
Sind verboten, aber keine Straftat, d.h. sie können später nicht direkt verwendet werden (wohl aber geschickt indirekt. z.B. als Abschrift), mensch kann auch rausfliegen deshalb - aber nicht bestraft werden. Das jedenfalls stellte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf klar (Auszug):



Wenn trotz allem das Ende naht ...
Dann geht's so langsam zu Ende. Das ist Gelegenheit, noch ein paar Sachen zu erwähnen, die immer gelten:
  • Besonders spannend sind die Anfangs- und Endphase der Pausen. In den ersten Sekunden nach Verkündung der Pause oder vor Verkündung, dass es weitergeht ist, das Gericht im Saal und die Staatsanwaltschaft - und alle anderen auch. Was hier passiert, geschieht zwar formal außerhalb der Sitzung, aber trotzdem gegenüber allen, die sonst dabei sind. Wer sich also mit dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft anlegen bzw. kritisch über diese diskutieren will, wenn sie noch da sind, sollte diese Sekunden nutzen. Oft für das sogar zu Diskussionen, wenn die Angesprochenen reagieren - eine wichtige politische Vermittlung.
  • Pausen können aus allen möglichen Gründen beantragt werden: Erschöpfung, einen Antrag formulieren, eine Erklärung vorbereiten, pissen gehen, was trinken wollen, in die Akten einsehen wollen, was Rechtliches nachgucken ... wenn das Publikum was vorhat, kann es dem Angeklagten stecken, wann eine Pause sinnig sein kann. Letztlich hat das Gericht keine Chance. Lehnt es die Pause ab, fordert man, die Pause schriftlich beantragen zu wollen und einen Gerichtsbeschluss dazu zu wollen. Zum Verfassen des Antrags auf Pause beantragt man dann eine Pause ... lehnt das Gericht immer noch an, macht es möglicherweise Verfahrensfehler, die wichtig sein können.
  • Wenn was Längeres nötig ist als eine Pause, kann eine Unterbrechung beantragt werden. Die bedeutet, dass das Verfahren z.B. für den laufenden Tag unterbrochen wird und erst an einem anderen fortgesetzt wird. Typisch ist das, wenn neue Gesichtspunkte, Akten oder ZeugInnen auftauchen und sich Gericht, Staatsanwaltschaft und/oder Angeklagte erstmal einarbeiten müssen. Erschöpfung, Krankheit und anderes können ebenfalls dazu führen. Die Unterbrechung muss beantragt werden, das Gericht beschließt dazu.
  • Deutlich weitergehend ist der Aussetzungsantrag. Der zielt darauf ab, das Verfahren platzen zu lassen. Es muss dann neu begonnen werden. Typisch ist das bei einem Befangenheitsantrag, der durchgeht, denn alle RichterInnen müssen ja von Beginn an dabei gewesen sein. Fliegt eine Person aus diesem erlauchten Kreis raus, muss von vorne angefangen werden.
  • Bei einem mehrtägigen Prozess spricht das Gericht für alle neuen Termine eine Ladung aus - meist mündlich zum Ende des vorhergehenden Prozesstages. Kommt es zu einem neuen Verfahren z.B. nach einer Aussetzung, kann auf die Einhaltung von Fristen bestanden werden, so dass nicht sofort das neue Verfahren losgehen kann.
  • Um eine Protokollierung wichtiger Passagen oder Aussagen zu erzwingen, kann diese in einen späteren Antrag mit aufgenommen werden als Zitat (siehe oben). Denkbar ist auch, ausdrücklich auf die Aufnahme in ein Protokoll zu bestehen.

Einige Anträge haben besonderen Status. Vor allem gilt das für Befangenheitsanträge, die gestellt werden können gegen die dem Gericht angehörige Personen, also die RichterInnen, SchöffInnen und ProtokollführerInnen, eventuell noch andere Personen, die z.B. begutachten. Absurd ist, dass diese nicht sofort behandelt werden müssen, sondern nur die gegen die Vorsitzenden RichterInnen (also beim Amtsgericht immer gleich, da da nur einE RichterIn da ist). Über die Befangenheit wird (unglaublich, aber wahr) durch die Betroffenen selbst entschieden. Dennoch ist es sinnvoll, solche Anträge zu stellen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, weil sich die zu erwartende Ablehnung des Antrags für eine spätere Berufung oder Revision eignet. Daher auch hier alles immer schriftlich - und dafür eine umfangreiche Pause beantragen.

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