Ende Gelände

ANTWORT AUF DEN VORWURF DES SEXISMUS GEGEN MICH

Zum Umgang mit dem Sexismusvorwurf


1. Einleitung
2. Zum Umgang mit dem Sexismusvorwurf
3. Die Fragestellung
4. Der Kontext
5. Stellungnahme zum konkreten Brief
6. Eigene Positionen zur antisexistischen Praxis
7. Kritik
8. Vorschläge
9. Zu meinem eigenen Verhalten
10. Meine (begrenzten) Versuche antisexistischer Praxis sind zur Zeit ...
11. Weitere Debatte und Links

Offen bleibt für mich der weitere Umgang mit dem Brief. Die auf dem Bundes-Infoladen-Treffen (dem ich neben ziemlicher Konzeptionslosigkeitklar vorwerfe, selbst die primitivsten Errungenschaften der Sexismusdebattenicht beachtet zu haben – so gab es z.B. durchgehend eine rein männlicheModeration, Entscheidungsfindungen immer nur im dominanzförderndenGroßplenum usw.) an mich gerichtete Forderungen, z.B. vor jedem Treffenan alle potentiellen TeilnehmerInnen den Brief zu schicken mit der Anfrage,ob ich kommen kann, mich immer gleich als Tagesordnungspunkt 1 selbst zusetzen oder eben einfach nirgends mehr hinzukommen (formuliert von einerFrau, die zu diesem Zeitpunkt gerade gehört hatte, daß es einenBrief gäbe), lehne ich ab. Ich kann weder schematisch immer gleichzu Beginn mich „inszenieren“ noch bin ich verantwortlich dafür, daßdie Denunziation gegen mich auch perfekt durchgeführt wird. Ich möchtemit Menschen diskutieren, sinnvolle Handlungsmöglichkeiten finden,lernen können usw. Auf Treffen vor dem Bundes-Infoladen-Treffens (B.I.L.T.)hatte ich immer sofort den Brief angesprochen. Dann wurde erregt diskutiert,von Einzelnen mein Rauswurf ohne weitere Diskussion gefordert. Aus Protest,daß das nicht geschah, gab es auf der Karawane nach Prag zunächstdie Abreise einer Frau. Als der Brief dann verteilt war, war die Debattesofort komplett beendet - die abgereiste Frau kehrte zurück. Ich habeauch darauf noch viele Menschen direkt angesprochen, um Gesprächegebeten usw. Ich muß und will dann immer wieder neu entscheiden,wie ich damit umgehe.

Vierter Tag Karawane nach Prag
In der Nacht gab es zum ersten Mal einen kleinen Regenschauer,der Tag wurde jedoch so sonnig wie zuvor.
Um Zehn gabs Plenum, das im ersten Teil auch sehrkonstruktiv verlief. Mit der Streckenplanung gab es auch keine Probleme,die Polizisten zeigten sich kooperativ und geduldig. Es schien fast moeglichschon mal vor 12 loszukommen. Doch dann wurde etwas in das Plenum eingebracht,wodurch sich die Abfahrt bis um 14 Uhr verzoegerte: Sexismusdiskussion.
Ein Mann eroeffnete, dass ein Brief an verschiedenelinke Projekte im Umlauf ist, in dem gegen ihn ein Sexismus- und sogarVergewaltigungsvorwurf erhoben wird. Daraufhin ergab sich eine heftigeund emotionale Auseinandersetzung. Problematisch daran war, das derBrief selbst nicht vorlag. So wurde dann lange versucht ihn als Fax zuempfangen, was auch noch mit technischen Problemen verbunden war.
Schliesslich wurde er per Laptop empfangen und beschlossen,erstmal loszufahren und ihn in Eschwege auszudrucken und zu kopieren. Ineiner Pause wurde einige Exemplare davon verteilt und er konnte gelesenwerden. Der Vergewaltigungsvorwurf war nur ein zitierter Leserbriefsatz:"Ichbin mir sicher dass xx und yy Vergewaltiger sind" wozu kurz darauf geschriebenwurde "Es handelt sich um keinen konkreten
Vergewaltigungsvorwurf, sondern um einen potentiellen...". Im uebrigen ging es mehr um Meinungsdifferenzen um Sexismus und umschmutzige Waesche, mit der allerdings die Aufforderung zum Ausschlussvon xx "aus unseren Zusammenhaengen" verbunden war. Nach dem Lesen desBriefes war fuer viele dies Thema abgeschlossen.
Ansonsten war die Fahrt anstrengend aber schoen, dieBullen waren freundlich und hilfsbereit. Spaet in der Nacht kamen wir muedein Haina an, konnten uns an einem grossen warmen Raum mit Sofas und aneinem
leckeren Essen erfreuen.
(Aus dem Bericht von der Karawane, Quelle:www.prag.squat.net)

Auf dem B.I.L.T. hatte ich entschieden, das Ganze nicht sofort thematisieren, zumal ich beim Auftaktplenum noch gar nicht da war und auch erst am gleichen Tag entschieden hatte, dahinzufahren (weil ich mit dem Aktionsmobil nicht über die tschechische Grenze nach Prag kam). Ich habe aber selbst den Brief verbreitet und mit etlichen Leuten Gespräche geführt. Mehrheitlich sprachen sie sich gegen eine Thematisierung auf dem B.I.L.T. aus. Auch die Vorbereitungsgruppe entschied so und formulierte das in unsicherer Sprachform am Sonntagvormittag. Die daraufhin an mich gerichteten Vorwürfe mit den schematischen Vorschlägen (siehe oben) finde ich wenig hilfreich bis scheiße. Sie dienen weder einem Umgang noch einer Klärung, sondern provozieren eine Entscheidung ohne Klärung. Ich unterstelle, daß dies auch gewollt ist. Ich bin für das nächste B.I.L.T. offiziell ausgeladen. Dort soll dann entschieden werden – ohne mich. Der Ansatz, zu glauben, daß eine Klärung für Außenstehende möglich ist, ist aber völlig irrig. Es wird Aussage gegen Aussage bestehen bleiben, d.h. es kann nur frei interpretiert werden. Insofern riecht alles danach, daß die Diskussion ausbleiben wird, das Urteil aber schon gefällt ist, weil das vorläufige nicht aufhebbar ist, denn „Klärung“ kann nicht gelingen in einem „Fall“, in dem Außenstehende nur auf die Aussagen der Beteiligten vertrauen können – und wieweit dieses Vertrauen geht, war gut zu messen, daß ein Mann auf dem B.I.L.T. schon bei meinem Bericht, auf anderen Treffen hätte ich das früh angesprochen, bemerkte, daß könne ja eine Lüge sein. Wenn es schon so früh anfängt, braucht die Debatte auch nicht geführt werden. Wer ohnehin nur vorhat, sie zu torpedieren, um dann darauf zu hoffen, daß Nicht-Klärung den Rauswurf aufrechterhält, dann nützt auch diese Stellungnahme nichts. Es stellt sich die Frage nach einer Debatte in der Sache oder einem Tauziehen um den Rauswurf, hinter dem ganz andere Interessen und Streitpunkte ungenannt stehen.
Ich habe am Schluß dieser Stellungnahme auch aus diesen und anderen Kritikpunkten eigene Vorschläge für eine antisexistische Praxis formuliert. Sie ist von meiner Seite nicht neu. Sie gehört aber zu den verschiedenen Texten, die in der politischen Linken dieses Landes derzeit nicht gewünscht sind – und Zensur, Macht- und Filzstrukturen sind ja genauso Normalität in der „Linken“ wie alle Formen der Diskriminierung, seien sie gegenüber Frauen, Nicht-Deutschen, Kindern oder anderen Menschen.

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