Ende Gelände

KONSENS

Beispiele


1. Einleitung
2. Die Methode des Konsens
3. Der Konsens als Waffe - Beispiele politischer Konkurrenzkämpfe
4. Beispiele
5. Links

Stuttgart 21
Die ständig nach Hegemonie und Bevormundung strebenden Bürgerlich-Gewaltfreien redeten einen "Aktionskonsens" herbei, der allerdings nie (wie es bei einem "Konsens" ja nötig wäre) von allen irgendwo beschlossen worden war. Er wurde inszeniert als Meinung aller - so wie Kanzlerin Merkel die Meinung der Deutschen vertritt oder RichterInnen ihre Privatansicht oder die Interessen der Herrschenden "im Namen des Volkes" preisgeben. Immer wird die vermeintlich gemeinsame Meinung durch die Verkündung erst geschaffen. So auch der Aktionskonsens. Ist er aber erst einmal als Diskurs in die Welt gebracht, lässt er sich als Waffe gegen Andersdenkende einsetzen.
Das geschah mehrfach, so unter anderem durch den immer wieder vermeintliche Konsense und Definitionen verkündenden Graswurzelrevolutionsautor Wolfgang Sternstein gegenüber der Aktionskletterin Cecile Lecomte und ihrer offensiven Prozessführung vor Gericht. Er forderte offen die Unterwerfung unter den Aktionskonsens. Abweichung sei nicht akzeptabel.

Im Original: Konsens: Wie wir uns zu verhalten haben!
Graswurzelrevolution-Autor Wolfgang Sternstein in einer Polemik gegen offensive Gerichtsprozesse am 3.5.2011 (Text im Anhang einer Mail am 4.5.2011 ++ als .rtf)
Da die Richterin aber offenbar der Meinung war, sie müsse die Gerichtsverhandlung durchziehen, hätte ich sie gewähren lassen, denn zum gewaltfreien Widerstand gehört der Respekt vor dem politischen Gegner, den Gerichten und der Polizei selbst dann, wenn wir uns weigern, den Anweisungen von Polizeibeamten Folge zu leisten. Auch sollte die Strafe, sofern sie nicht ganz unverhältnismäßig ist, klaglos hingenommen werden. Ungebührliches Betragen, Beleidigungen, Beschimpfungen, ganz zu schweigen von Gewalthandlungen gehören aber mit Sicherheit nicht zum gewaltfreien Widerstand. Sie schwächen unsere Widerstandsbewegung und ich glaube nicht, dass die Angeklagten das wollen.
Aus diesem Grund möchte ich an unseren Aktionskonsens erinnern und einen Abschnitt daraus zitieren: „Bei unseren Aktionen des zivilen Ungehorsams sind wir gewaltfrei und achten auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Unabhängig von Meinung und Funktion respektieren wir unser Gegenüber. Insbesondere ist die Polizei nicht unser Gegner. Bei polizeilichen Maßnahmen werden wir besonnen und ohne Gewalt handeln.“
Es wäre gut, wenn wir uns auch künftig an diesen Aktionskonsens halten würden.


Mit seiner Interpretation, das Konsens eine Art Regel für alle bedeute - auch wenn den nicht alle beschlossenen hatten -, war Sternstein nicht allein.

Im Original: Konsens als Waffe gegen Abweichung
Aus Herrmann, Matthias: "Der Knigge für Parkschützer und S21-Gegner heißt ‘Aktionskonsens’" auf einem Stuttgart-21-Blog
Wir nutzen alle gewaltfreien Mittel, um Stuttgart 21 zu verhindern, so steht es im Aktionskonsens. Es ist die Stärke unserer Bewegung, sich in aller Konsequenz gegen Stuttgart 21 einzusetzen und gleichzeitig die Gewaltfreiheit ernst zu nehmen. Schuhe auf Politiker oder ihre Leibwächter zu werfen gehört nicht zu den gewaltfreien Mitteln! Und sei es auch "nur" eine leichte Schlappe.
Und, ganz pragmatisch betrachtet, der geworfene Schuh hat den großen Nachteil, dass er sehr wenig Aussage transportiert. Er verrät weder dem getroffenen Leibwächter noch dem vermutlich gemeinten Ministerpräsidenten, was er tun soll. Herr Kretschmann weiß jetzt, dass wir mit seiner Arbeit als Ministerpräsident unzufrieden sind. Dafür braucht es aber keinen geworfenen Schuh; wenn er unseren Unmut nicht aus den Pfiffen erkennen kann, ist ihm ohnehin nicht zu helfen. Die vielen treffenden Schilder verraten ihm schon mehr, um was es uns geht. Mit einem guten Plakat kann man ausdrücken, was genau uns an unserem Ministerpräsidenten stört oder besser noch, was wir von ihm erwarten - auch wenn das alles selbstverständlich sein sollte. Es ist besser, präzise und konkret formuliert zu sagen bzw. zu schreiben, was man will.
Noch wirkungsvoller dürfte es sein, das gute alte Briefpapier auszupacken und unserem Ministerpräsidenten und allen seinen grünen Parteifreunden zu schreiben, was Sache ist. Auch wenn es ein bisschen Aufwand ist und man keine sinnvolle Antwort bekommt - steter Tropfen höhlt den Stein. Ideen und Formulierungen können Sie z.B. aus der Parkschützer-Rede vom 14.1. abschreiben.
Übrigens, Herr Kretschmann soll nicht zurücktreten, sondern er soll seine Arbeit tun: Er soll dafür sorgen, dass die Bahn ihre Hausaufgaben macht statt unsere Stadt zu zerstören.


Unabhängig davon enthielt der Stuttgarter Aktionskonsens einen bemerkenswerten Widerspruch: "Bei unseren Aktionen des Zivilen Ungehorsams sind wir gewaltfrei und achten auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel." Einerseits wird hier eine Abwägung im Einzelfall gefordert ("Verhältnismäßigkeit"), andererseits darf bei dieser nicht herauskommen, dass Gewalt angemessen wäre. Von Abwägung aber kann nur dann gesprochen werden, wenn das Ergebnis nicht vorher feststeht.
Das ähnelt dem Aktionskonsens von X-tausendmal quer, der ähnlich formuliert ist und einen Widerspruch zwischen "überschaubar" und "selbstbestimmten Handeln" enthält.

Konsens begrenzt Handlungsfähigkeit
Wenn es einen Konsens geben muss, bevor eine Aktivität oder Forderungen zur Geltung kommt, bestimmen die Ängstlichsten alles - selbst das, womit sie nicht zu tun haben würden, wenn sie sich einfach raushalten.

Aus einem Interview mit dem Bündnis "Wer hat, der gibt", in: Junge Welt, 30.12.2020 (S. 8)
Wir haben gemeinsam mit dem Bündnis »2021solidarisch« entschieden, dass die Demonstration unter dem Motto »Raus aus der Krise, rein in die Umverteilung« nicht stattfindet. Davor hatte der Berliner Senat angekündigt, die Demo zu untersagen. Trotz unserer Entscheidung bleibt die Begründung der Landesregierung aus unserer Sicht absurd. Sie schränkte unser Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht mit Verweis auf das Infektionsgeschehen ein, sondern argumentierte, dass an diesem Tag nicht genug Polizeikräfte zur Verfügung stünden. In unserem Zusammenschluss gab es jedoch keinen Konsens, dass wir unser Versammlungsrecht einklagen. Einige Gruppen legten dagegen ein Veto ein.

Beispiel: Zensur in basisdemokratischen Zeitungen
In der Graswurzelrevolution herrscht Konsenskultur. Will heißen: Wenn auch nur eine Person etwas gegen einen Text hat, kommt der nicht rein. Das fördert nicht Vielfalt, sondern Einheit und Zensur. Zum Opfer fallen z.B. Texte von Personen, die nicht dogmatisch-gewaltfrei sind.

Aus einen Interview mit dem GWR-Chefredakteur Bernd Drücke, in: Junge Welt, 7.12.2012 (S. 8)
In der Zeitung drucken wir nur Artikel, zu denen es im Herausgeberkreis einen Konsens gibt. Wenn ein Mitglied gegen einen Artikel ein Veto einlegen würde, dann erschiene der Artikel auch erst mal nicht. Dann diskutieren wir weiter. Das ist ein großer Unterschied zu einer Zeitung, die einen Chefredakteur hat, der sagt, wo es langgeht. Bei uns gibt es einen Koordinationsredakteur, der im Konsens mit den anderen Herausgebern entscheidet. Libertäre Organisierung funktioniert auch in der Praxis.

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