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ZITATE ZU SCHULE UND SCHULKRITIK (IVAN ILLICH)

Schule als Opium, Entwicklungshilfe und Legitimation für Hierarchien


1. Schule als "sakraler" Ort
2. Schule als Opium, Entwicklungshilfe und Legitimation für Hierarchien
3. Schulen und die mythische Aufladung von Zertifikaten
4. Fabriken zu Lernorten machen
5. Links
6. Buchvorstellungen zum Themenbereich

Aus Ivan Illich (1972), "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe", in: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft (S.131)
Je größer die Dosis an Schulbildung ist, die der einzelne erhalten hat, um so bedrückender ist seine Erfahrung beim Ausscheiden. Wer in er siebten Klasse durchfällt, empfindet seine Unterlegenheit viel bitterer als ein "Durchfaller" in der dritten Klasse. Die Schulen der Dritten Welt flößen ihr Opium viel wirkungsvoller ein als zu früheren Zeiten die Kirchen. Je mehr eine Gesellschaft geistig geschult wird, um so mehr verlieren ihre Angehörigen allmählich das Gefühl dafür, daß es vielleicht möglich wäre Zu leben, ohne andern unterlegen zu sein. Während die Mehrheit vom Land in die Großstadt überwechselt, tritt an die Stelle der erblichen Unterlegenheit des Peons die Unterlegenheit des Schulversagers, den man für sein Scheitern persönlich verantwortlich macht. Schulen rationalisieren den göttlichen Ursprung der gesellschaftlichen Schichtung viel starrer, als es Kirchen jemals getan haben.

Aus James C. Scott: "Applaus dem Anarchismus" (S. 92ff)
In gewissem Sinne war die Schule eine Fabrik für die Grundausbildung minimaler Fertigkeiten im Rechnen, Schreiben und Lesen in einer sich industrialisierenden Gesellschaft. Gradgrind, die berechnende, einschüchternde Karikatur eines Schuldirektors in Charles Dickens Harte Zeiten, soll uns an die Fabrik erinnern: ihre immer gleichen Arbeitsabläufe, ihre zeitliche Disziplin, ihren Autoritarismus, ihre reglementierte visuelle Anordnung und nicht zuletzt die Demoralisierung und den Widerstand ihrer winzigen jugendlichen Arbeiter. Eine universelle öffentliche Erziehung soll natürlich weit mehr bewirken, als lediglich die von der Industrie benötigten Arbeitskräfte zu produzieren. Es ist eine ebenso politische wie ökonomische Institution, dazu ausersehen, einen patriotischen Staatsbürger hervorzubringen, nationale Loyalität regionale und lokale Identitäten aufgrund von Sprache, Ethnizität und Religion übertrumpfen wird. Das universale Staatsbürgertum des revolutionären Frankreich hatte sein Pendant in der allgemeinen Wehrpflicht. Solche patriotischen Bürger mithilfe Schulsystems zu fabrizieren, wurde weniger durch einen sinnfälligen Lehrplan erreicht als durch eine gemeinsame Unterrichtssprache, Standardisierung und inbegriffene Lektionen in Reglementierung, Autorität und Ordnung.
Das moderne System aus Grund- und Oberschule hat sich durch den Wandel der pädagogischen Theorien, primär aber durch den Konsumismus und die „Jugendkultur“ selbst stark gewandelt. Aber seine Ursprünge liegen unverkennbar im Fabrik-, wenn nicht im Gefängnisgen Wesen. Eine universelle Zwangserziehung hat, wie demokratisierend sie auch in gewisser Hinsicht gewirkt haben mag, mit wenigen Ausnahmen immer schon die Anwesenheit der Schüler bedeutet. Die Tatsache, dass der Schulbesuch nicht zur Wahl steht und damit kein autonomer Akt ist, heißt, dass er als Zwangseinrichtung im Grunde auf dem falschen Fuß begonnen hat, mit all der Entfremdung, die dieser Zwang beinhaltet, vor allem wenn die Kinder älter werden.
Die große Tragödie des öffentlichen Schulsystems besteht jedoch darin, dass es eine weitgehend auf ein einziges Produkt spezialisierte Fabrik ist. Diese Tendenz hat sich noch verschärft durch den in den letzten Jahrzehnten eingetretenen Schub in Richtung Standardisierung, Vermessung, Überprüfung und Haftung. Die sich daraus ergebenden Anreize für Schüler, Lehrer, Schulleiter und ganze Schulbezirke hatten den Effekt, alle Bemühungen so hinzubiegen, dass ein, den von Wirtschaftsprüfern aufgestellten Kriterien genügendes, Standardprodukt entstand.
Was ist dieses Produkt? Es handelt sich um eine bestimmte Form der analytischen Intelligenz in konzeptueller Engfassung, die mithilfe von Tests, so nimmt man zumindest an, gemessen werden kann. Wir wissen natürlich, dass es sehr, sehr viele für eine erfolgreiche Gesellschaft wertvolle und wichtige Fertigkeiten gibt, die auch nicht im Entferntesten etwas mit analytischer Intelligenz zu tun haben, darunter die künstlerischen Talente, erfinderische Intelligenz, mechanische Intelligenz (die Art, die Fords frühe Arbeiter von der Farm mitbrachten), musikalisches und tänzerisches Können, schöpferische Intelligenz, emotionale Intelligenz, soziale Kompetenzen und ethische Intelligenz. Manche von diesen Begabungen finden ihren Platz in Freizeitaktivitäten, vor allem im Sport, aber nicht in den bemessenen, sortierten und klassifizierten Aktivitäten, von denen heute für Schüler, Lehrer und Schulen so viel abhängt.


Über Entwicklungshilfe, Paketlösungen und Visionslosigkeit
Die Schulkritik ist bei Ivan Illich verbunden mit einer grundsätzlichen Infragestellung der "modernen" Institutionen, Technik (vor allem Automobilismus) und Versuchen, das kapitalistische Modell immer weiter zu exportieren. Daher hat er auch kein postives Bild von Entwicklungshilfe, wie die folgenden Zitate belegen.

Was ist "Entwicklungshilfe"
Aus Ivan Illich (1972), "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe", in: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft (S.126)
Heute verpassen reiche Nationen den armen Nationen aus Wohlwollen eine Zwangsjacke aus Verkehrsstauungen, Krankenhausaufenthalten und Klassenzimmern und nennen das nach internationalem Übereinkommen "Entwicklung". Die Reichen, Schulgebildeten und Alten dieser Welt versuchen, ihre zweifelhaften Segnungen mitzuteilen, indem sie der Dritten Welt ihre abgepackten Lösungen aufzwingen. In Sao Paulo kommt es zu Verkehrsstauungen, während in Nordostbrasilien eine Million Menschen 800 Kilometer auf der Flucht vor der Dürre zu Fuß zurücklegen. Lateinamerikanische Ärzte erhalten im New Yorker Krankenhaus für Spezialchirurgie eine Ausbildung, die sie nur wenigen zugute kommen lassen, während in den Slums, wo 90 Prozent der Bevölkerung wohnen, die Amöbenruhr endemisch bleibt. Eine winzige Minderheit erhält in Nordamerika eine fortgeschrittene Ausbildung in Grundzügen der Naturwissenschaft, für deren Kosten nicht selten ihre eigenen Regierungen aufkommen. Falls sie überhaupt nach Bolivien zurückkehren, werden sie in La Paz oder Cochibamba zweitklassige Lehrer in hochtrabenden Fächern.

Aus Ivan Illich (1972), "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe", in: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft (S.124)
Es ist heute eine gängige Forderung, daß die reichen Nationen ihrer, militärischen Apparat in ein Entwicklungsprogramm für die Dritte Welt umwandeln sollen. [...] Das aber könnte wiederum unheilbare Verzweiflung hervorrufen, weil die Pflüge der Reichen ebensoviel Schaden anrichten können wir ihre Schwerter. Amerikanische Lastwagen können bleibenderen Schaden verursachen als amerikanische Panzer. Es ist leichter, eine Massenumfrage nach jenen als nach diesen hervorzurufen. Nur eine Minderheit benötigt schwere Waffen, während eine Mehrheit auf unrealistische Weise in Abhängigkeit von der Lieferung produktiver Maschinen geraten kann, wie es moderne Lastwagen sind. Ist erst einmal die Dritte Welt zum Massenmarkt für Waren, Erzeugnisse und Verfahren geworden, welche die Reichen für sich selber entworfen haben, dann wird das Mißverhältnis zwischen der Nachfrage nach diesen westlichen Produkten und deren Lieferung auf unabsehbare Zeit anwachsen. Das Familienauto kann die Armen nicht ins Düsenzeitalter befördern, ein Schulsystem kann den Armen keine Bildung verschaffen, und der Familienkühlschrank kann ihnen keine gesunde Ernährung gewährleisten. ...
Offensichtlich kann sich in Lateinamerika nur jeder Tausendste einen Cadillac, eine Herzoperation oder ein Doktorexamen leisten Diese Begrenzung der Entwicklungsmöglichkeiten läßt uns an der Dritten Welt nicht verzweifeln, und dafür gibt es eine einfache Erklärung. Wir glauben noch nicht, daß ein Cadillac für ein gutes Verkehrswesen erforderlich sei, daß eine Herzoperation zur normalen Gesundheitspflege gehöre oder daß ein Doktortitel die Voraussetzung brauchbaren Bildung darstelle.


Was ist "Unterentwicklung"?
Unterentwicklung als Bewußtseinsform ist eine extreme Folge en, was wir mit Marx und Freud gleichermaßen "Verdinglichung" nennen können: die Wahrnehmung echter Bedürfnisse verhärtet sich zur Nachfrage nach Erzeugnissen der Massenprodukten. Ich meine die Übersetzung von Durst in ein Verlangen nach Coca?Cola. Solche Verdinglichung vollzieht sich bei der Manipulierung menschlicher Urbedürfnisse durch riesige Bürokratien, denen es gelungen ist, die Phantasie potentieller Verbraucher zu beherrschen. Kehren wir zu meinem Beispiel aus dem Bildungswesen zurück. Die intensive Förderung des Schulwesens führt zu einer so weitgehenden Identifizierung von Schulbesuch und Bildung, daß die beiden Begriffe im täglichen Sprachgebrauch auswechselbar werden. Ist erst einmal die Phantasie einer ganzen Bevölkerung "verschult" oder auf die Überzeugung gedrillt, daß die Schule das Monopol der Bildung besitze, dann kann man die Analphabeten besteuern, um den Kindern der Reichen eine kostenlose Schul? und Hochschulbildung zu verschaffen.
Unterentwicklung entsteht, wenn durch den intensiven Vertrieb von "Patentprodukten" die Wünsche angehoben werden. Insoweit ist die gegenwärtig stattfindende dynamische Unterentwicklung gerade das Gegenteil von dem, was ich für Bildung halte: nämlich das erwachende Bewußtsein von neuen Höhen menschlichen Vermögens und die Anwendung der eigenen schöpferischen Kraft, um das menschliche Leben zu fördern. Die Unterentwicklung hingegen bedeutet, daß das gesellschaftliche Bewußtsein vor abgepackten Lösungen kapituliert.
Der Vorgang, bei dem der Vertrieb "ausländischer" Produkte die Unterentwicklung verstärkt, wird häufig nur höchst oberflächlich begriffen. Derselbe Mensch, den der Anblick einer Coca-Cola-Fabrik in einem lateinamerikanischen Slum empört, empfindet häufig Stolz, wenn er sieht, daß daneben eine neue Volksschule gebaut wird. Er mißbilligt die ausländische Lizenz für ein Erfrischungsgetränk und würde lieber "Cola-Mex" haben. Derselbe Mensch ist aber bereit, seinen Mitbürgern um jeden Preis Schulen aufzuzwingen; er bemerkt nicht die unsichtbare Lizenz, durch den diese Einrichtung mit dem Weltmarkt eng verknüpft ist.

(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.129-130)

Paketlösungen verhindern Ursachenbehebung
Jedes Auto, das Brasilien auf die Straße schickt, versagt fünfzig Menschen ein gutes Autobusnetz. Jeder verkaufte Kühlschrank verringert die Aussicht, daß ein öffentlicher Kühlraum gebaut wird. Jeder Dollar, der in Lateinamerika für Ärzte und Krankenhäuser gegeben wird, kostet, wie der hervorragende chilenische Nationalökonom Jorge de Ahumada gesagt hat, hundert Menschenleben. Hätte man jeden Dollar für die Bereitstellung unschädlichen Trinkwassers ausgegeben, so hätte man hundert Menschen das Leben retten können. Jeder Dollar für das Schulwesen bedeutet mehr Privilegien für die wenigen auf Kosten der vielen; bestenfalls vermehrt er die Zahl derer, die, ehe sie durchfallen, gelernt haben, dass diejenigen, welche länger bleiben, das Recht auf mehr Macht, Reichtum und Ansehen erwerben. Ein solches Schulwesen lehrt nur die Geschulten, daß die noch besser Geschulten ihnen überlegen sind.
(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.127)

Forschung nach Alternativen
Ich spreche hier nicht von den Dollarmilliarden, die alljährlich für angewandte Forschung ausgegeben werden, denn dieses Geld wird weitgehend von vorhandenen Institutionen für Vervollkommnung und Vertrieb ihrer eigenen Produkte ausgegeben. Angewandte Forschung ist Geld, das dafür ausgegeben wird, daß Flugzeuge schneller und Flughäfen sicherer werden; daß Medikamente spezieller und stärker und daß Ärzte instand gesetzt werden, deren tödliche Nebenwirkungen zu meistem; daß mehr Wissen in die Klassenräume gepackt wird und daß Methoden entwickelt werden, um mit großen Beamtenstäben umgehen zu können. Hier handelt es sich um jene Art von Forschung, die wir irgendwie in den Griff bekommen müssen, wenn wir überhaupt eine Chance haben sollen, Alternativen zum Auto, zum Krankenhaus und zur Schule zu entwickeln und zu den vielen andern sogenannten "offensichtlich notwendigen Bestandteilen des modernen Lebens".
Ich denke an eine ganz andere, besonders schwierige Art von Forschung, die aus naheliegenden Gründen bisher fast vernachlässigt worden ist. Ich fordere Forschung nach Alternativen zu den Produkten, die heute den Markt beherrschen: zu Krankenhäusern und dem Beruf, der sich bemüht, die Kranken am Leben zu erhalten; zu Schulen und dem daraus resultierenden Verfahren, welches denen Bildung verweigert, die nicht das richtige Alter haben, die nicht den richtigen Lehrplan absolviert haben, die nicht genug Stunden nacheinander im Klassenzimmer gesessen sind, die ihr Lernen nicht damit bezahlen wollen, daß sie sich einer fürsorglichen Aufsicht, einer Überprüfung und Bescheinigungen unterwerfen oder sich die Wertvorstellungen der herrschenden Elite eintrichtern lassen.

(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.135)

Soziale Phantasie verkümmert ... durch kapitalistische "Paketlösungen" und die Macht der Institutionen
Leider ist es noch nicht allgemein bewußt, daß die meistein Lateinamerikaner - nicht nur in unserer sondern auch in der nächsten und übernächsten Generation - sich überhaupt kein Auto, keinen Krankenhausaufenthalt oder auch nur eine Volksschulbildung leisten können. Wir verdrängen das Wissen um diese offenkundige Wirklichkeit, weil wir nicht zugeben wollen, daß unsere Phantasie in Ecke gedrängt worden ist. So bezwingend ist die Macht der Institutionen, die wir geschaffen haben, daß sie nicht nur unsere Vorlieben beeinflussen, sondern auch unsern Sinn für das, was möglich ist. Wir haben vergessen, wie man über ein modernes Verkehrswesen sprechen kann, das nicht auf Autos und Flugzeugen beruht. Unsere Vorstellungen von einem modernen Verkehrswesen betonen unsere Fähigkeit, das Leben der hoffnungslos Kranken zu verlängern. Wir können uns bessere Bildung heute nur in Gestalt von komplizierteren Schulen und noch längerer Lehrerbildung vorstellen. Riesige Institutionen, die kostspielige Dienstleistungen liefern, beherrschen den Horizont unseres Erfindungsreichtums.
Wir haben unsere Welt in unsern Institutionen verkörpert und sind jetzt deren Gefangene. Fabriken, Massenmedien, Krankenhäuser, Regierungen und Schulen produzieren Waren und Dienstleistungen, die unsere Weltanschauung abgepackt enthalten. Wir, die Reichen, stellen uns Fortschritt als Ausweitung dieses Establishments vor. Erhöhte Mobilität verstehen wir als Luxus und Sicherheit in Packungen von General Motors oder Boeing. Unter Förderung der allgemeinen Wohlfahrt verstehen Wir vermehrte Bereitstellung von Ärzten und Krankenhäusern, die Gesundheit in einer Packung mit vermehrtem Leiden liefern. Wir haben uns angewöhnt, unser Bedürfnis nach mehr Lernen mit der Forderung nach immer längerem Einsperren in Klassenzimmern zu identifizieren. Anders ausgedrückt: wir haben die Bildung zusammen mit aufsichtlicher Fürsorge, Berechtigungswesen und dem Wahlrecht verpackt und das eingewickelt in die Belehrung über christliche, liberale oder kommunistische Tugenden.

(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.125)

Die Industriegesellschaften können solche Packungen für den persönlichen Bedarf den meisten ihrer Bürger liefern, aber das beweist nicht, daß diese Gesellschaften vernünftig oder wirtschaftlich sind oder daß sie dem Leben dienen. Das Gegenteil trifft zu. Je mehr der Bürger auf den Verbrauch von abgepackten Waren und Dienstleistung gen gedrillt wird, um so weniger scheint er imstande zu sein, seine Umwelt zu gestalten. Seine Kraft und sein Geld werden für die Herstellung immer neuer Modelle seiner Standardwaren aufgezehrt, und die Welt wird zum Abfallprodukt seiner Verbrauchergewohnheiten.
Ihrer Anlage nach sind die "Pakete", von denen ich spreche, die Hauptursache der hohen Kosten bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen. Solange jedermann sein Auto "braucht", müssen unsere Städte immer längere Verkehrsstauungen und grotesk aufwendige Heilmittel dagegen in Kauf nehmen. Solange Gesundheit gleichbedeutend mit maximaler Lebensdauer ist, werden unsere Kranken immer ungewöhnlichere chirurgische Eingriffe und dazu die Drogen verordnet bekommen, die die nachfolgenden Schmerzen lindern müssen. Solange wir die Schulen dazu benutzen wollen, die Kinder den Eltern abzunehmen oder sie von der Straße zu holen oder dein Arbeitsmarkt fernzuhalten, wird unsere Jugend endlosen Unterricht erleben und immer stärkerer Anreize bedürfen, damit sie diese Pein ertragen kann.

(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.125-126)

Revolution bisher nur Machtübernahme
Die Dritte Welt bedarf einer durchgreifenden Revolutionierung ihrer Institutionen. Die Revolutionen des letzten Menschenalters waren überwiegend politischer Natur. Eine neue Gruppe von Männern mit neuer ideologischer Rechtfertigung ergriff die Macht, um im wesentlichen die gleichen Institutionen in Schulwesen, Gesundheitspflege und Wirtschaftsleben im Interesse einer neuen Gruppe von Nutznießern zu verwalten. Da sich die Institutionen nicht radikal verändert haben, bleibt die neue Gruppe von Nutznießern annähernd ebenso groß wie die frühere. Das zeigt sich deutlich beim Bildungswesen. Die Pro-Kopf-Kosten der Schulbildung sind heute überall annähernd gleich, weil die Maßstäbe, nach denen sich der Wert der Schulbildung bestimmt, im allgemeinen international sind.
(Ivan Illich (1972): "Geplante Armut als Frucht technischer Hilfe." In: Schulen helfen nicht - Über das mythenbildende Ritual der Industriegesellschaft. S.132)

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